Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Überfall der Taliban auf Daschte Bartschi zwischen 1997 und 1998; Informationen zum Kommandanten Mirwais (politische Allianzen, Einfluss) [a-10631]

2. Juli 2018

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Überfall der Taliban auf Daschte Bartschi (Dasht-e Barchi) zwischen 1997 und 1998

Die Rechercheabteilung des Immigration and Refugee Board of Canada (IRB), eines kanadischen Verwaltungsgerichts, das sich mit Fällen von Asyl und Migration befasst, bezieht sich in einer Anfragebeantwortung vom Februar 2006 auf eine Meldung der Nachrichtenagentur Agence France-Presse vom September 1996, der zufolge die Taliban bei der Eroberung von Kabul keine Präsenz in dem vornehmlich von Hazara bewohnten Stadtteil Daschte Bartschi etabliert hätten. Sadeq Mudaber, der Führer der Hazara dort, habe mutmaßlich ein „spezielles Verhältnis“ zu den Taliban:

According to the attached 30 September 1996 Agence France Presse (AFP) report, after the takeover of Kabul the Taliban did not ‘established a presence’ in the predominantly Hazara district of Dashti Barchi in southwest Kabul. Hazara leader Sadeq Mudaber allegedly has a ‘special relationship’ with the Taliban (ibid.).“ (IRB, 13. Februar 1997)

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) berichtet im Juli 1997, dass Berichten zufolge Mitglieder der Taliban in den vergangenen Tagen in Kabul bis zu 2.000 Männer der ethnischen Minderheiten der Tadschiken und Hazara in ihren Häusern festgenommen hätten. Im Vorort Daschte Bartschi sei es unter anderem auch zu solchen Festnahmen gekommen. Es habe laut AI keine Hinweise darauf gegeben, dass die festgenommenen Männer an Kämpfen beteiligt gewesen seien. Erhaltene Informationen würden eher darauf schließen lassen, dass die Männer lediglich aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit festgenommen worden seien. Bei vielen der Festgenommenen handle es sich um Familienoberhäupter, die wahrscheinlich von den Taliban festgehalten würden, um die erweiterte Gemeinschaft einzuschüchtern und andere Familienmitglieder davon abzuhalten, sich bei den Kämpfen um Kabul den gegen die Taliban gerichteten Truppen anzuschließen:

Amnesty International has just received information that the Taleban has rounded-up as many as 2,000 men from the Tajik and Hazara minorities from their homes in Kabul over the past few days. These men were arrested mostly in their homes in the Khair Khana, Karte Parwan, Char Kala and Dasht Barchi suburbs of Kabul. ‘There have been no reports that these men were involved in fighting. Information received indicates that these men have been detained solely because of their identity as minority Tajik and Hazaras. We would therefore consider them prisoners of conscience and demand their immediate and unconditional release,‘ Amnesty International said today. […]

‘Most of them are heads of their families and are believed to be held by the Taleban to intimidate the larger community and deter other family members from joining anti-Taleban forces in the face of recent intense fighting around Kabul,‘ Amnesty International said.“ (AI, 25. Juli 1997)

Voice of the Islamic Republic of Iran, ein iranischer Radiosender, berichtet im Juli 1997, dass der Aufstand in verschiedenen Regionen Afghanistans nun die Vororte von Kabul erreicht habe. Die Truppen der Vereinten Islamischen Front der afghanischen Streitkräfte seien dabei, sich Kabul zu nähern. Einem Bericht zufolge seien Truppen der Hezb-e Wahdat-e Islami in den Vorort Daschte Bartschi im Westen der Stadt eingedrungen, nachdem sie die Verteidigungslinie der Taliban dort durchbrochen hätten:

It is also reported that the popular uprising in different parts of Afghanistan has now reached the outskirts of the city of Kabul. This is synchronised with the closing in on Kabul by the United Islamic Front [for Salvation] of Afghanistan forces. Sources close to the United Islamic Front of Afghanistan have said that in view of the tense situation in Kabul, government officials stayed at home yesterday [21st July]. Another report says that Hezb-e Wahdat-e Eslami forces entered Dasht-e Barchi area in the west of Kabul after breaking the Taleban defence line in the area.“ (Voice of the Islamic Republic of Iran external service, 22. Juli 1997)

Lloyd's List Intelligence, eine Firma, die Informationen zur Sicherheit auf See und zu Konflikten in verschiedenen Regionen veröffentlicht, berichtet im Februar 1998, dass eine Rakete, die aus einer Gegend im Norden der Stadt abgefeuert worden sei, den Flughafen von Kabul getroffen habe. Der Norden der Stadt werde von einer Allianz der Opposition kontrolliert, die die Taliban aus Kabul vertreiben wolle. Zwei weitere Raketen seien im Vorort Daschte Bartschi eingeschlagen. Es seien keine Opfer gemeldet worden:

A heavy long-range missile hit Kabul airport this morning but no casualties were reported, witnesses said. The device was fired from the north of Kabul, an area under the control of an opposition alliance fighting to dislodge the Islamic Taleban militia from the capital. […]

Two more rockets landed in open ground in the south-western Dashti Barchi suburb but there were no reports of casualties.” (Lloyd's List Intelligence, 5. Februar 1998)

Informationen zum Kommandanten Mirwais (politische Allianzen, Einfluss)

Das Long War Journal, eine US-amerikanische Nachrichtenwebsite, die nach eigenen Angaben über den „globalen Krieg gegen den Terrorismus“ berichtet, schreibt in einem Beitrag vom März 2010, dass die nördliche Abteilung der Hezb-e Islami Gulbuddin vom Kommandanten Mirwais angeführt werde, bei dem es sich um einen ehemaligen Geschäftsmann und Millionär handle, der nach dem Einmarsch der USA in Afghanistan zum Dschihadisten geworden sei. Laut Mirwais sei der Dschihad zur Pflicht für die gesamte afghanische Nation geworden, da sie von ausländischen und nichtmuslimischen Ländern angegriffen werde. Diese Länder würden die religiösen und kulturellen Werte in Afghanistan abschaffen und dem Land die westliche Demokratie aufzwingen. Bei der Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) handle es sich um eine Abspaltung der Hezb-e Islami, die der afghanischen Regierung beigetreten sei. HIG sei dagegen eine radikalislamische Gruppe, die ein lockeres Bündnis mit Al-Qaida und den Taliban eingegangen sei. Das Bündnis werde von Gulbuddin Hekmatyar angeführt, der wiederum enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst habe:

The northern HIG [Hezb-i-Islami Gulbuddin] is led by Commander Mirwais, 'a former millionaire businessman who turned to jihad after the US invasion of Afghanistan.‘ ‘Jihad has become a duty for all the Afghan nation because the foreign and non-believer countries have attacked us,‘ Mirwais told PBS Frontline. ‘They’re getting rid of our religious and cultural values in Afghanistan. They’ve increased obscenity and want to force Western democracy on our country.‘ HIG is a breakaway faction of the Hezb-i-Islami, which has joined the Afghan government. HIG is a radical Islamist group that is loosely aligned with al Qaeda and the Taliban. It is led by Gulbuddin Hekmatyar, who is closely tied to Pakistan’s Inter-Services Intelligence agency.“ (Long War Journal, 8. März 2010)

BBC berichtet im September 2014, dass Kämpfer einer militanten islamistischen Gruppe in Afghanistan, die mit den Taliban verbündet sei, angekündigt hätten, sich eventuell dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen. Der Anführer der Gruppe, Kommandant Mirwais, habe gesagt, dass seine Gruppe auch nach dem Abzug der NATO-Truppen 2014 weiterhin die afghanische Regierung bekämpfen werde. Falls sich der IS als wahres islamisches Kalifat erweise, dann würden sich Mirwais und seine Kämpfer dem IS anschließen. Mirwais kämpfe mit seiner Gruppe am Rand der Stadt Pul-e Chumri [Provinz Baghlan]. Laut BBC habe er sich in der Vergangenheit verschiedenen Gruppen angeschlossen, gehöre nun aber zur Hezb-e Islami. Die Partei sei über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, die bisweilen selbst die Taliban abgeschreckt habe. Ein Kameramann der BBC habe sich mit Mirwais in der Nähe von Pul-e Chumri treffen können. Mirwais habe bei dem Treffen gesagt, dass seine Gruppe weiter kämpfen werde, bis ein islamischer Staat errichtet sei. Die Gruppe setze Guerilla-Taktiken ein und konzentriere sich auf Explosionen und gezielte Tötungen sowie Angriffe. Die Regierung habe außerhalb der asphaltierten Straßen keine Kontrolle. Es habe von Mirwais keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Taliban und deren Verbündete nach dem Abzug der westlichen Truppen zu einer Übereinkunft mit der Regierung in Kabul kommen würden. Dem Anschein nach würde sie nur ein auf den Regeln der Scharia basierender Staat zufrieden stellen:

Fighters from a militant Islamic group in Afghanistan, allied to the Taliban, have told the BBC they are considering joining forces with Islamic State (IS). Their commander also said they would still fight the Afghan government, even after Nato forces left in 2014. Commander Mirwais said that if IS, which he called by its Arabic acronym Daish, proved a true Islamic caliphate, they would link up with it. The news comes amid an ongoing row over Afghanistan's presidential poll. The June election remains disputed, with no declared winner, while an audit of votes is taking place. ‘We know Daish and we have links with some Daish members. We are waiting to see if they meet the requirements for an Islamic caliphate,’ Commander Mirwais said. ’If we find they do, we are sure that our leadership will announce their allegiance to them. They are great mujahideen. We pray for them, and if we don't see a problem in the way they operate, we will join them.’ […]

Through an intermediary, we had made contact with Commander Mirwais, whose group is fighting on the outskirts of Pul-e-Khumri. Commander Mirwais has moved from group to group in the past, but now he belongs to Hezb-e-Islami, a group with a good deal of blood on its hands. Over the years, Hezb-e-Islami has become famous for its ferocity, which has sometimes alienated even the Taliban themselves. […]

In the end our Afghan cameraman had to go and see Commander Mirwais on his own. At the appointed spot on a side road off the main northbound road out of Pul-e-Khumri, the commander emerged from the darkness, accompanied by a group of heavily armed bodyguards. He turned out to be a rational figure, frank about his ideas and aims. But they were uncomfortable to Western ears. ‘Our struggle was mainly against the Americans, and thank God they were forced to run away. But we will continue to fight until we establish an Islamic state,’ he said. ‘Our operations are mostly guerrilla-style these days. The Kabul government is very weak now, like the Najibullah government after the Soviet withdrawal in 1989. We concentrate on explosions and targeted killings and ambushes. The government has no control beyond the tarmac roads. They can't go into the villages without massive force.’ There was no suggestion from him, therefore, that once the Western troops have withdrawn, the Taliban and their allies would come to an agreement with the government in Kabul. Nothing short of an Islamic state run along Sharia lines will satisfy them, it seems.“ (BBC, 2. September 2014)

Die in Pakistan ansässige private Nachrichtenagentur Afghan Islamic Press (AIP) meldet im Oktober 2014, dass sich Kämpfer der Hezb-e Islami in der Provinz Baghlan Berichten zufolge dem IS angeschlossen hätten. Ein Sprecher der Hezb-e Islami habe diese Berichte jedoch zurückgewiesen und gesagt, dass die Kommentare des Kommandanten Mirwais nicht die Parteilinie wiederspiegeln würden:

Baghlan Province also reported to have joined the Islamic State. However, in an official press statement, the Hezb-e Eslami group has rejected this report. A spokesman of the Hezb-e Eslami party, Waliollah, told AIP that this party had sympathy with all Muslims and all Islamic parties across the world. The spokesman however said that commander Mirwais's remarks did not reflect Hezb-e Eslami's policy.“ (AIP, 19. Oktober 2014)

AIP schreibt in einer weiteren Meldung vom Mai 2016, dass es in den vergangenen Tagen an mehreren Orten des Distrikts Markazi Baghlan in der im Norden gelegenen Provinz Baghlan zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen sei. Sowohl die Taliban als auch die Hezb-e Islami hätten gemeldet, Mitglieder der Regierungstruppen getötet zu haben. Die Auseinandersetzungen hätten in den Gegenden Dand-e Schahaboddin und in Chaschma-Scher begonnen, in denen Kämpfer der Hezb-e Islami unter dem Kommandanten Mirwais aktiv seien. Die Gruppe habe ein paar Tage zuvor ein Kohlebergwerk angegriffen und 15 Arbeiter entführt sowie die Waffen eines Stützpunktes beschlagnahmt. Die Entführten seien später freigelassen worden:

It has now been days since clashes have started in several areas of Markazi Baghlan District of [northern] Baghlan Province. The Taliban and Hezb-e Eslami [Islamic Party led by Golboddin Hekmatyar] have claimed inflicting casualties on government forces. […]

The clashes have started in Dand-e Shahaboddin and Chashma-ye Sher areas, which are located on Mazar-Pol-e Khomri main road, since few days ago. The Hezb-e Eslami party members, under commander Mirwais, are active in these areas. This party had attacked the Karkar coal mine a few days ago and abducted 15 workers and also seized all the weapons of an outpost. The Hezb-e Eslami freed the abducted workers later.“ (AIP, 14. Mai 2016)

Radio Azadi; der persischsprachige Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), berichtet im Oktober 2016, dass mehrere Kommandanten der Hezb-e Islami in der Provinz Baghlan erklärt hätten, eine Entscheidung beziehungsweise einen Befehl der Parteiführung abzuwarten, um die Kampfhandlungen einzustellen. Die Kämpfer der Hezb-e Islami unter ihrem Anführer Gulbuddin Hekmatyar seien bis zur Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens im Nordosten des Landes, darunter insbesondere in der Provinz Baghlan, aktiv gewesen. Mirwais, einer der Kommandanten, habe Radio Azadi gegenüber gesagt, dass seine Gruppe sich bis zur Unterzeichnung des Waffenstillstands zwischen der afghanischen Regierung und Gulbuddin Hekmatyar mit den Regierungstruppen in einem Kriegszustand befunden habe. Nun habe man den Kampf gegen die Regierungstruppen eingestellt. (Radio Azadi, 13. Oktober 2016)

 

Die pakistanische Tageszeitung The News International schreibt im Oktober 2016, dass die afghanische Nationalversammlung eine unverzügliche Umsetzung des Friedensabkommens gefordert habe, das die afghanische Regierung mit der Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar am 28. September 2016 abgeschlossen habe. In Baghlan habe die Hezb-e Islami einen starken Kommandanten namens Mirwais, der im Distrikt Markazi Baghlan kämpfe und kürzlich ein Kohlebergwerk besetzt habe:

The Wolesi Jirga, or National Assembly, has demanded immediate implementation of the peace agreement that the Afghan government signed with Gulbaddin Hekmatyar’s Hezb-e-Islami (HIA) on September 28. […]

In Baghlan, the HIA has a strong commander, Mirwais, who has been fighting in Markazi Baghlan district and had recently occupied a coalmine.” (The News International, 19. Oktober 2016)

Die unabhängige afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News (PAN) berichtet im Jänner 2017, dass Sicherheitsbeamte und Stammesälteste einen Kommandanten der Hezb-e Islami beschuldigt hätten, sich in den vergangenen Monaten in der Provinz Baghlan in Staatsbesitz befindliches Land angeeignet zu haben und weiterverkauft zu haben. Man habe die Regierung dazu aufgefordert, die illegale Aneignung von Land durch Mitglieder der Hezb-e Islami zu verhindern. Laut Khair Mohammad, einem Stammesältesten im Distrikt Baghlan-e Markazi, habe Mirwais, ein Kommandant der Hezb-e Islami, in Staatsbesitz befindliches Land an Bewohner des Distriktes Tscham Qala verkauft. Mirwais habe Millionen Afghani erwirtschaftet, indem er je 600 Quadratmeter geraubtes Land für je 120.000 Afghani verkauft habe:

Security officials and several tribal elders on Sunday accused a Hezb-i-Islami Afghanistan (HIA) commander of grabbing dozens acres of government-owned land in northern Baghlan province over the past one month and sold it to people. They expressed concern over the illegal usurpation of land by HIA affiliates in the province, stressing the government should prevent such arbitrary and bullying usurpers at the earliest possible. Khair Mohammad, a tribal elder in Baghlan-i-Markazi district said, Mirwais, a HIA commander, had been selling state lands to people in Cham Qala locality of the district over the past one month. No one prevented him from doing so. ‘The commander has grabbed more than 50 acres of land forcefully in the area. Mirwais pocketed millions of Afghanis while selling every 600m2 land for 120,000 Afghanis to people.’ Haji Mohammad Nabi, another tribal elder from Baghlan-i-Markazi, claimed following the peace agreement between the government and HIA, the group’s members were independently commuting government areas, whereas government officials were not permitted to go to their areas. He said HIA members sold pieces of the grabbed land and distributed to people in Salamkhel and Walikhel areas, an act which brought law enforcement and governance into question and also paved the way for land grabbers to occupy more lands. He blasted the government’s silence in this regard, saying attitude state machinery encouraged usurpers to grab lands freely and without fear.“ (PAN, 1. Jänner 2017)

Der afghanische Nachrichtensender Tolo News meldet im Februar 2017, dass die von Gulbuddin Hekmatyar geführte Hezb-e Islami ein Friedensabkommen mit der afghanischen Regierung abgeschlossen habe. Eine Entwaffnung sei jedoch nicht Teil dieses Abkommens, lediglich die Auflösung der militärischen Abteilung der Partei. Es sei jedoch unmöglich, dass Mudschahedin der Partei in Gegenden, in denen sie bedroht seien, ihre Waffen abgeben würden. Ein lokaler Kommandant der Hezb-e islami, Mirwais, habe gegenüber Tolo News gesagt, dass seine Kämpfer Gulbuddin Hekmatyar unterstützen würden, falls dessen Rückkehr nach Afghanistan zu einer islamischen Regierung führe. Wenn dies nicht der Fall sei, dann werde seine Gruppe den Dschihad weiterführen und keine Abkommen abschließen, bis das islamische System wiederhergestellt sei:

[Correspondent] Gulbuddin Hekmatyar-led Hezb-i-Islami Afghanistan took the lead in making peace in Afghanistan. But the party does not want its members to be disarmed. [Hezb-i-Islami representative Karim Amin, captioned, speaking on camera] Disarmament is not part of the peace agreement. The dissolution of the military wing is. It is impossible that Hezb-i-Islami mujahidin will hand over their weapons in areas where they are still threatened by elements who want the war and bloodshed to continue. […]

[Hezb-i-Islami local commander Mirwais, captioned, speaking on camera] If Hekmatyar's arrival to the country would result in an Islamic government, we will support him. If not, we wage a jihad for the pleasure of God and do not agree with anyone until an Islamic system is restored.” (Tolo News TV, 5. Februar 2017)

Tolo News berichtet im Juli 2017, dass Mirwais, ein Kommandant der Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar in Baghlan, die Regierung als „die korrupteste Regierung” bezeichnet habe. Selbst die USA und die NATO-Allianz, die die Regierung aufgestellt hätten, würden dies nun anerkennen. Wenn es keinen Befehl von Gulbuddin Hekmatyar diesbezüglich gebe, würde er, Mirwais, nie ein Waffenstillstandsabkommen mit dieser Regierung schließen. Mirwais habe erklärt, dass seine Hezb-e Islami innerhalb von sechs Monaten die Sicherheit in der Provinz Baghlan wiederherstellen werde und die Taliban an den Verhandlungstisch holen werde, wenn in Kabul alle Aspekte des Friedensabkommen umgesetzt würden. Man sei mit den „Brüdern innerhalb der Taliban” in Kontakt. Sie hätten ihm gesagt, dass sie das Ergebnis des Friedensabkommens mit der Regierung abwarten würden. Mirwais, der behaupte, eine Gruppe von 1.000 Kämpfern anzuführen, habe die Aktivitäten von Regierungstruppen in Doschi in Pul-e Chumri sowie in anderen Teilen der Provinz Baghlan scharf kritisiert:

„A top commander of Gulbuddin Hekmatyar’s Hizb-e-Islami group in Baghlan has called the incumbent government as ‘the most corrupt administration’, saying that the U.S and NATO which have formed the National Unity Government have confessed to this fact. “This government has been formed by Americans, but even the Americans and the NATO alliance that have formed this government say that it (the Kabul government) is the most corrupt administration. It means that corruption within the system has reached to its peak and all the people and the nation are now tired of the system. If it was not the order of Mr. (Gulbuddin) Hekmatyar, I would never seal a ceasefire with this system,’ said Mirwais, a Hizb-e-Islami commander in Baghlan. He assured that Hizb-e-Islami will restore security in Baghlan within six months and will bring Taliban to the peace table if all aspects of the peace accord were implemented by Kabul. ‘I assure the Kabul government and the people that we will restore security in Baghlan within six months. Our brothers within the Taliban are in touch with us and say that they are waiting to see the outcome of our peace deal with the government,’ Mirwais declared. Mirwais who claims to lead a group of one thousand fighters strongly criticized the performance government forces in Doshi, Pul-e-Khumri and some other parts of Baghlan which are rich with natural resources.“ (Tolo News, 1. Juli 2017)

In einem weiteren Beitrag vom Juli 2017 erwähnt Tolo News, dass Mirwais Dschihadyar, ein lokaler Kommandant der Hezb-e Islami in Baghlan, seine Bereitschaft zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte gegen die Taliban in der Provinz erklärt habe. Mirwais, der mindestens 1.000 Kämpfer befehlige, habe gesagt, dass er von nun an gegen die Kräfte kämpfen werde, die die nationalen Interessen der afghanischen Bevölkerung bedrohen würden. Er habe behauptet, dass er die Gegenden in Baghlan, insbesondere im Distrikt Baghlan-e Markazi, kontrolliere, die sich außerhalb der Kontrolle der Regierung befinden würden. 150 Dörfer würden in Baghlan unter seine Kontrolle fallen. Lokale Gerichte der Hezb-e Islami würden sich in der Gegend um die rechtlichen Belange der Bevölkerung kümmern:

„A local commander of Hizb-e-Islami in Baghlan has said that he is ready to support the Afghan National Security and Defense Forces (ANDSF) against the Taliban in the central province. Mirwais Jihadyar, who has at least 1,000 fighters, said from now on, he will fight against those groups which threaten the national interests of Afghans. He claimed that he controls the areas that are out of government’s control in Baghlan, especially in Baghlan-e-Markazai district. The Hizb-e-Islami commander said they have local courts where they address peoples’ judicial problems. According to him, he has control over 150 villages in the province. “We fight and stop those who by foreigners’ order fight against people and harm them,” said Jihadyar.“ (Tolo News, 29. Juli 2017)

Ariana News, eine vom privaten, in Kabul ansässigen Fernsehsender Ariana Television Network betriebene Nachrichtenwebsite, schreibt in einem Artikel vom August 2017, dass Kommandant Mirwais von der Hezb-e Islami in der Provinz Baghlan bekannt gegeben habe, dass er zu einem bewaffneten Konflikt mit dem Gouverneur der Provinz Balch bereit sei und diesbezüglich auf einen Befehl von Gulbuddin Hekmatyar warte. Atta Mohammad Nur, der Gouverneur der Provinz Balch und Vorsitzender der Dschamiat-e Islami [mehrheitlich von Tadschiken bestimmte Partei, Anm. ACCORD] habe kürzlich bei einer Kundgebung in der Provinz Samangan den Anführer der Hezb-e Islami kritisiert und gesagt, dass Gulbuddin Hekmatyar für seine gegen Schiiten gerichtete Äußerungen aus dem Ausland Geld bekomme. Mirwais habe gesagt, dass er, falls er die Erlaubnis von Hekmatyar erhalten sollte, mit einer bewaffneten Auseinandersetzung auf diese Aussage reagieren werde. Mirwais befehlige in Baghlan mehr als 1.000 Kämpfer und habe Atta Mohammad gewarnt, dass dieser sich nun nicht mehr von Baghlan nach Kabul bewegen könne, da ihm Mirwais verbiete, Baghlan zu durchqueren. (Ariana News, 31. August 2017)

 

DIDPress, ein afghanisches Nachrichtenportal, zu dem keine weiteren Informationen gefunden werden konnten, schreibt in einem Artikel vom März 2018, dass laut Bewohnern der Provinz Baghlan ein Kommandant der Hezb-e Islami in der Gegend an den meisten Morden, Raubüberfällen und Schikanen der lokalen Bevölkerung beteiligt sei, ohne dass die Regierung eingreife. Ein Video, das in sozialen Netzwerken verbreitet worden sei, zeige einen Kommandanten der Hezb-e Islami namens Mirwais, der Geiseln, die er genommen habe, in einem Brunnen gefangen gehalten habe. Laut einem Sprecher der örtlichen Polizei seien einige Tage zuvor drei Geldwechsler in Pul-e Chumri von Unbekannten entführt und nach Bemühungen der Polizei wieder freigelassen worden. Der Sprecher habe die Beteiligung von Mirwais an diesem Vorfall zurückgewiesen. Ein Mitglied der Sicherheitskräfte habe jedoch unter der Bedingung, anonym zu bleiben, mitgeteilt, dass die Entführten im Haus von Mirwais aufgefunden worden seien, während Mirwais aus der Gegend geflohen sei. Ein Mitglied des Provinzialrates habe erklärt, dass Mirwais nun von der Polizei gesucht werde:

Residents of northern Baghlan province say that one of the commanders of Hezb-e Islami in this province has been involved in most cases of murder, robbery and harassment of the people, and the government has not taken any action in this regard. A video released on social networks that shows one of the Hezb-e Islami commanders named Mirwais, took hostages several Baghlan residents and imprisoned them in a well. ‘Three money changers in Pul-e-Khumri were kidnapped a few days ago by unidentified people, and were released after the attempts of police,’ the provincial police spokesman Zabihullah Shoja told DID Press Agency. Mr Shoja dismissed Mirwais involvement in this case. But a security official under the condition of anonymity said: ‘These people were found from the house of Mirwais and he himself fled from the area.’ ‘Mirwais is now wanted by the police,’ the provincial council representative Mohammad Zarif Zarif told DID press agency confirming the news. The residents of Baghlan province say Mirwais has been involved in most cases of murder and robbery and has requested money from the abductors who have been released.“ (DIDPress, 26. März 2018)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 2. Juli 2018)

·      AI – Amnesty International: Amnesty International receives new information about Taleban detentions, 25. Juli 1997 (verfügbar auf reliefweb)
https://reliefweb.int/report/afghanistan/amnesty-international-receives-new-information-about-taleban-detentions

·      AIP – Afghan Islamic Press: Truth about the presence of Da'ish (Islamic State) in Afghanistan, 19. Oktober 2014 (übersetzt von BBC Monitoring, verfügbar auf Factiva)

·      AIP – Afghan Islamic Press: Three local police officers killed, five wounded, 14. Mai 2016 (übersetzt von BBC Monitoring, verfügbar auf Factiva)

·      Ariana News: mirwais – baraye barchord mosallahane ba waliy-e balkh amadegi daram [Mirwais: Ich bin bereit für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit dem Gouverneur der Provinz Balch], 31. August 2017
https://ariananews.co/news/%D9%85%DB%8C%D8%B1%D9%88%DB%8C%D8%B3-%D8%A8%D8%B1%D8%A7%DB%8C-%D8%A8%D8%B1%D8%AE%D9%88%D8%B1%D8%AF-%D9%85%D8%B3%D9%84%D8%AD%D8%A7%D9%86%D9%87-%D8%A8%D8%A7-%D9%88%D8%A7%D9%84%DB%8C-%D8%A8%D9%84%D8%AE.html/

·      BBC - Afghan militant fighters 'may join Islamic State', 2. September 2014
https://www.bbc.com/news/world-asia-29009125

·      DIDPress: Hezb-e Islami Commander Behind Murder and Robbing Cases: Baghlan Residents, 26. März 2018
https://didpress.com/en/?p=6335

·      IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: Information on the situation of the Hazara minority since the 27 September 1996 fall of Kabul to the Taliban; on whether the Hazaras are mistreated or discriminated against by the Taliban for being Shi'i and Hazara; on whether Hazaras are being mistreated for being members or supporters of the Hizb-i Wahdat; on whether the Hizb-i Wahdat is active in Afghanistan, and if so, where; and on whether the Hazaras or Hizb-i Wahdat have formed any ties with the Taliban [AFG26036.E], 13. Februar 1997
https://www.ecoi.net/de/dokument/1061361.html

·      Lloyd's List Intelligence: Political & Civil Unrest; Afghanistan, 5. Februar 1998 (verfügbar auf Factiva)

·      Long War Journal: Taliban, HIG infighting leads to split in Afghan insurgency in the North (Autor: Bill Roggio), 8. März 2010
https://www.longwarjournal.org/archives/2010/03/taliban_hig_infighti.php

·      PAN – Pajhwok Afghan News: HIA commander accused of grabbing, selling state land in Baghlan, 1. Jänner 2017
https://www.pajhwok.com/en/2017/01/01/hia-commander-accused-grabbing-selling-state-land-baghlan

·      Radio Azadi: yek qumandan-e hezb-e islami mi guyad jang ra motawaqqef karde ast [Einem Kommandanten der Hezb-e Islami zufolge wurde das Kämpfen eingestellt],13. Oktober 2016
https://da.azadiradio.com/a/28051346.html

·      The News International: MPs want quick implementation of peace deal with Hekmatyar, 19. Oktober 2016 (verfügbar auf Factiva)

·      Tolo News TV: Disarmament not part of peace deal with Afghan government, Hizb-e-Islami, envoy, 5. Februar 2017(übersetzt von BBC Monitoring, verfügbar auf Factiva)

·      Tolo News: Hizb-e-Islami Commander Labels NUG As 'Most Corrupt Govt', 1. Juli 2017
https://www.tolonews.com/afghanistan/hizb-e-islami-commander-labels-nug-most-corrupt-govt

·      Tolo News: Hizb-e-Islami Commander Ready To Support ANDSF Against Taliban , 29. Juli 2017
https://www.tolonews.com/afghanistan/hizb-e-islami-commander-ready-support-andsf-against-taliban

·      Voice of the Islamic Republic of Iran external service: Anti-Taleban forces reportedly closing in on Kabul, 22. Juli 1997 (übersetzt von BBC Monitoring, verfügbar auf Factiva)