Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - China

Die Regierung entwarf und erließ 2017 weiterhin Gesetze unter dem Deckmantel der "nationalen Sicherheit", die eine schwere Bedrohung der Menschenrechte darstellten. Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo starb in Gewahrsam. Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger wurden auf Grundlage vager und weit gefasster Anklagen wie "Untergrabung der staatlichen Ordnung" oder "Streitsucht und Unruhestiftung" inhaftiert, strafrechtlich verfolgt und schuldig gesprochen. Die Polizei hielt Menschenrechtsverteidiger über lange Zeiträume außerhalb offizieller Hafteinrichtungen fest und verwehrte ihnen zum Teil den Kontakt zur Außenwelt, was die Gefahr von Folter und anderen Misshandlungen noch zusätzlich erhöhte. Die Kontrolle über das Internet wurde verschärft. Die Repressionen gegen religiöse Aktivitäten außerhalb staatlich genehmigter Gemeinschaften nahmen zu.. In der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang und den von Tibetern bewohnten Landesteilen war die Repression im Rahmen von Kampagnen zur Bekämpfung von "Separatismus" oder "Terrorismus" nach wie vor besonders stark. In der Sonderverwaltungszone Hongkong geriet die Meinungsfreiheit in Gefahr, indem vage und weit gefasste Anklagen genutzt wurden, um Demokratieverfechter vor Gericht zu stellen.

GESETZLICHE, VERFASSUNGSRECHTLICHE UND INSTITUTIONELLE ENTWICKLUNGEN

2017 wurden weiterhin weitreichende Gesetze und Bestimmungen zur nationalen Sicherheit entworfen und verabschiedet, die den Staatsorganen größere Befugnisse einräumten, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, Informationen zu zensieren sowie Menschenrechtsverteidiger zu drangsalieren und strafrechtlich zu verfolgen.

Am 1. Januar 2017 trat das Gesetz zur Regulierung ausländischer Nichtregierungsorganisationen in Kraft, durch dessen Bestimmungen registrierte NGOs an einer unabhängigen Tätigkeit gehindert wurden. Ausländische NGOs, die noch keine Registrierung hatten und in China tätig waren, liefen Gefahr, dass ihre Konten eingefroren, ihre Räumlichkeiten versiegelt, ihre Vermögenswerte beschlagnahmt, ihre Tätigkeit bis auf Weiteres verboten und ihre Mitarbeiter inhaftiert wurden. Im Juni 2017 wurde das nationale Geheimdienstgesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt. Beide Gesetze waren Teil eines 2014 eingeführten Rechtsrahmens in Bezug auf die nationale Sicherheit, der eine ernste Gefahr für den Menschenrechtsschutz darstellt und zu dem auch das Spionageabwehrgesetz, die Novellierung Nr. 9 des Strafgesetzbuchs, das Gesetz über nationale Sicherheit, das Antiterrorgesetz und das Gesetz über Internetsicherheit zählen. Das nationale Geheimdienstgesetz nutzt ebenfalls vage und weit gefasste Konzepte der nationalen Sicherheit und erteilt den nationalen Geheimdiensten mit ihren unklaren Aufgaben und Verantwortlichkeiten faktisch Befugnisse, die sich einer Kontrolle entziehen. In all diesen Gesetzen fehlen Mechanismen zum Schutz vor willkürlicher Inhaftierung, zum Schutz des Rechts auf Privatsphäre, auf freie Meinungsäußerung und anderer Menschenrechte.

Im November 2017 begannen die Beratungen über den Entwurf eines Aufsichtsgesetzes. Sollte das Gesetz in der vorgeschlagenen Fassung in Kraft treten, würde dadurch eine neue Form der willkürlichen Inhaftierung (liuzhi) und ein neues außergerichtliches System mit weitreichenden Kompetenzen geschaffen, das aller Voraussicht nach zu Menschenrechtsverletzungen führen wird.

Die Staatsorgane griffen weiterhin auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück, eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt. Sie erlaubt es der Polizei, Personen für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des offiziellen Strafvollzugs und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen festzuhalten und setzt die Betroffenen der Gefahr aus, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Form der Inhaftierung dient dazu, die Tätigkeit von Rechtsanwälten, Aktivisten, Angehörigen von Religionsgemeinschaften und anderen Menschenrechtsverteidigern zu unterbinden.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo starb am 13. Juli 2017 in der Haft an Leberkrebs. Einen Antrag von Liu Xiaobo und seiner Familie, ihm die Ausreise zur medizinischen Behandlung zu gestatten, hatten die Behörden abgelehnt. Ende 2017 stand seine Ehefrau Liu Xia nach wie vor unter rechtswidrigem "Hausarrest" und wurde rund um die Uhr observiert; dies hatte 2010 begonnen, als Liu Xiaobo der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde. Mindestens zehn Aktivisten kamen in Haft, weil sie Gedenkveranstaltungen für ihn abgehalten hatten.

Im November 2017 starb der regierungskritische Schriftsteller Yang Tongyan, kurz nachdem er aus gesundheitlichen Gründen auf Bewährung freigelassen worden war. Er hatte fast sein halbes Leben im Gefängnis verbracht.

In der Folge des beispiellos massiven Vorgehens gegen Menschenrechtsanwälte und andere Aktivisten, das im Juli 2015 begonnen hatte, waren annähernd 250 Personen von Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes verhört oder in Haft genommen worden. Neun von ihnen wurden 2017 wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung" und "Streitsucht und Unruhestiftung" für schuldig befunden. In drei der Fälle wurden die Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt, eine Person wurde von der Bestrafung ausgenommen, doch standen alle vier weiterhin unter Beobachtung. Die fünf übrigen mussten in Haft bleiben. Im April 2017 erhielt der Pekinger Rechtsanwalt Li Heping, der sich seit den massiven Repressionen in Haft befand, eine dreijährige Bewährungsstrafe wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung". Seinen Angaben zufolge wurde er in der Untersuchungshaft gefoltert, indem man ihm u. a. zwangsweise Medikamente verabreichte. Yin Xu'an wurde im Mai 2017 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, und gegen die Angeklagte Wang Fang wurde im Juli eine dreijährige Freiheitsstrafe verhängt. Der im November 2016 "verschwundene" Jiang Tianyong wurde im November 2017 wegen "Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung" zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Anwalt aus Peking hatte während des Prozesses im August "gestanden", er habe fälschlicherweise behauptet, die Polizei habe den Anwalt Xie Yang in der Haft gefoltert. Außerdem "gestand" er, an Treffen im Ausland teilgenommen zu haben, bei denen über eine Änderung des politischen Systems in China diskutiert worden sei. Hu Shigen und Zhou Shifeng, die man 2016 schuldig gesprochen hatte, blieben in Haft.

Der Pekinger Menschenrechtsanwalt Wang Quanzhang, der seit dem massiven Vorgehen der Behörden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurde, wartete Ende 2017 immer noch auf seinen Prozess. Ihm wurde "Untergrabung der staatlichen Ordnung” zur Last gelegt. Im Januar wurde die schriftliche Fassung eines Interviews mit dem Anwalt Xie Yang veröffentlicht, in dem er angab, in der Haft gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein. Er wurde im Mai 2017 auf Bewährung freigelassen, ohne dass in seinem Prozess ein Urteil gefällt worden war. Am 26. Dezember 2017 verkündete das Gericht, man habe ihn der "Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung" für schuldig befunden, sehe aber von einer Bestrafung ab. Er wurde jedoch weiterhin überwacht.

Die Pekinger Rechtsanwältin Wang Yu, deren Inhaftierung am 9. Juli 2015 den Beginn der Welle an Festnahmen markiert hatte, berichtete in einem im Internet veröffentlichten Artikel über ihre Misshandlung in der Haft. Sie war Mitte 2016 gegen Zahlung einer Kaution freigekommen, wurde aber weiterhin streng überwacht. Die Anwältin Li Shuyun und ihre beiden Kollegen Ren Quanniu und Li Chunfu sowie der Aktivist Gou Hongguo gaben an, in der Haft unter Drogen gesetzt worden zu sein.

Außer den rund 250 Personen, auf die es die Staatsmacht gezielt abgesehen hatte, musste sich auch der Aktivist Wu Gan nach fast 27 Monaten Untersuchungshaft im August 2017 in einem Gerichtsverfahren hinter verschlossenen Türen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung" verantworten. Er arbeitete in einer Anwaltskanzlei, die im Zuge der Repression ebenfalls ins Visier genommen worden war. Am 26. Dezember 2017 wurde er zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt.

Im März 2017 wurde die politisch engagierte Su Changlan aus der Provinz Guangdong (Kanton) wegen "Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung" zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie im Internet Kritik an der Kommunistischen Partei Chinas und dem sozialistischen System ihres Landes geübt hatte. Sie war 2014 inhaftiert worden, nachdem sie ihre Unterstützung für die prodemokratische "Regenschirmbewegung" in Hongkong zum Ausdruck gebracht hatte. Als sie im Oktober 2017 freikam, nachdem sie drei Jahren inHaft verbracht hatte, litt sie unter gesundheitlichen Beschwerden, die sich durch die schlechten Haftbedingungen verschlimmert hatten.

Am 19. März 2017 wurde Lee Ming-Cheh, der Geschäftsführer einer NGO aus Taiwan, von Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes festgenommen, als er aus Macau nach China einreiste. Im September begann in der Provinz Hunan sein Prozess wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung". Er wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Mindestens elf politische Aktivisten kamen im Juni 2017 in Haft, weil sie der blutigen Niederschlagung der Proteste von 1989 auf dem Tiananmen-Platz gedenken wollten. Den meisten von ihnen wurde "Streitsucht und Unruhestiftung" zur Last gelegt. Die Mehrzahl kam wieder frei. Li Xiaoling und Shi Tingfu befanden sich Ende 2017 jedoch weiterhin in Haft. Ding Yajun erhielt im September 2017 eine dreijährige Freiheitsstrafe.

Im August 2017 "verschwand" der Rechtsanwalt Gao Zhisheng aus einem einsamen Dorf in der Provinz Shaanxi, wo er seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Jahr 2014 unter strenger Bewachung leben musste. Wie seine Familie später erfuhr, befand er sich im Gewahrsam der Behörden, doch blieben sowohl der Ort seiner Inhaftierung als auch die Haftbedingungen unbekannt.

Die im Oktober 2017 inhaftierte Rechtsanwältin Li Yuhan gab an, in der Haft gefoltert und misshandelt worden zu sein.

ARBEITNEHMERRECHTE

Im Mai 2017 wurden Hua Haifeng, Li Zhao und Su Heng, die sich für Arbeitnehmerrechte einsetzen, in der Provinz Jiangxi inhaftiert, als sie die Arbeitsbedingungen in den Schuhfabriken des Unternehmens Huajian untersuchten. Die Aktivisten kamen im Juni gegen Kaution frei, wurden aber weiterhin streng überwacht.

Im Juli 2017 verurteilte ein Gericht in Guangzhou (Kanton) Liu Shaoming, einen Verfechter von Arbeitnehmerrechten, zu viereinhalb Jahren Gefängnis. Ihm wurde die Veröffentlichung seiner Erinnerungen an die Ereignisse von 1989 zur Last gelegt, als er sich der Demokratiebewegung angeschlossen hatte und Mitglied der ersten unabhängigen Gewerkschaft Chinas geworden war. Er schilderte darin auch seine Erfahrungen während der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

MEINUNGSFREIHEIT – INTERNET

Tausende Webseiten und Angebote der sozialen Medien waren nach wie vor gesperrt, darunter Facebook, Instagram und Twitter. Am 1. Juni 2017 trat das Gesetz über Internetsicherheit in Kraft, das in China tätige Internetunternehmen verpflichtete, Inhalte von Nutzern zu zensieren. Die chinesische Internetaufsichtsbehörde und ihr Pendant in der Provinz Guangdong (Kanton) leiteten im August Ermittlungen gegen drei Anbieter von Internetdienstleistungen (WeChat von Tencent, Sina Weibo und Tieba von Baidu) ein, weil über Benutzerkonten auf deren Plattformen nach Ansicht der Behörden Informationen verbreitet wurden, die "die nationale Sicherheit, die öffentliche Sicherheit und die gesellschaftliche Ordnung gefährden, darunter Gewalt und Terror, Falschinformationen, Gerüchte und Pornographie". Daraufhin führte Chinas marktbeherrschender Nachrichtendienst WeChat im September 2017 neue Geschäftsbedingungen ein, denen zufolge eine Vielzahl personenbezogener Informationen gesammelt werden, und stellte die Daten seiner mehr als 900 Mio. Nutzer der Regierung zur Verfügung.

Huang Qi, dem Mitbegründer der Webseite 64tianwang.com, die über Proteste in China berichtete und diese dokumentierte, wurde "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" zur Last gelegt. Er durfte erst acht Monate nach seiner Festnahme einen Rechtsbeistand sehen und gab an, in der Haft misshandelt worden zu sein. Ende 2017 befanden sich zehn Mitarbeiter der Webseite in Haft: die Journalistinnen Wang Jing, Zhang Jixin, Li Min, Li Chunhua, Wei Wenyuan, Xiao Jianfang, Li Zhaoxiu, Chen Mingyan, Wang Shurong und der Journalist Sun Enwei.

Der Gründer der Menschenrechtswebseite Civil Rights and Livelihood Watch, der im November 2016 inhaftiert worden war, stand wegen "Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung" unter Anklage. Nach Angaben seines Anwalts bezog sich dieser Vorwurf vor allem auf Ansichten, die er öffentlich geäußert oder über seine Webseite verbreitet hatte.

Im August 2017 wurde Lu Yuyu wegen "Streitsucht und Unruhestiftung" zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er über Twitter und in einem Blog Proteste dokumentiert hatte.

Im September 2017 wurde Zhen Jianghua, der Geschäftsführer der Internetplattform Human Rights Campaign in China wegen des Verdachts der "Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung" in Haft genommen und später unter "Hausarrest an einem festgelegten Ort" gestellt. Die Polizei beschlagnahmte zahlreiche Unterlagen zu seiner Webseite, darunter Berichte von an der Basis tätigen Bürgerrechtlern.

RECHT AUF RELIGIONS- UND GLAUBENSFREIHEIT

Der Staatsrat verabschiedete im Sommer 2017 die überarbeiteten Bestimmungen über religiöse Angelegenheiten, die am 1. Februar 2018 in Kraft treten sollten. Sie sahen eine weitreichende Kontrolle jeglicher Form von Religionsausübung vor und dehnten die Befugnisse der Behörden zur Überwachung, Kontrolle und potenziellen Bestrafung religiöser Praktiken auf allen Ebenen der Verwaltung aus. Die Gesetzesnovelle betonte die nationale Sicherheit und hatte zum Ziel, „Infiltration und Extremismus“ zu verhindern. Sie könnte dazu genutzt werden, das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit insbesondere von tibetischen Buddhisten, uigurischen Muslimen und Angehörigen nicht anerkannter Religionsgemeinschaften noch stärker zu beschneiden als bisher.

Anhänger von Falun Gong wurden weiterhin verfolgt, willkürlich inhaftiert, in unfairen Prozessen vor Gericht gestellt, gefoltert und anderweitig misshandelt. Chen Huixia, die 2016 wegen „Untergrabung der Gesetzesvollstreckung mithilfe eines Kult des Bösen“ festgenommen worden war, befand sich weiterhin in Haft. Im Mai 2017 wurde der Prozess gegen die Falun-Gong-Anhängerin vertagt, nachdem ihr Rechtsbeistand beantragte hatte, durch Folter erzwungene Beweismittel nicht zuzulassen.

TODESSTRAFE

Im März 2017 erklärte der Vorsitzende des Obersten Volksgerichts, in den vergangenen zehn Jahren, seitdem das Gericht dafür zuständig war, alle Todesurteile zu überprüfen und zu bestätigen, habe man die Todesstrafe "strikt kontrolliert und behutsam angewandt". Sie sei nur gegen "eine sehr kleine Zahl von Kriminellen" und wegen "extrem schwerer Straftaten" verhängt worden. Die Regierung behandelte Informationen, die die Todesstrafe betrafen, weiterhin als Staatsgeheimnis, obwohl UN-Gremien und die internationale Gemeinschaft seit mehr als vier Jahrzehnten auf mehr Informationen diesbezüglich dringen und die chinesischen Behörden selbst eine stärkere Öffnung des Strafrechtssystems versprochen haben.

AUTONOME REGION TIBET UND TIBETISCHE SIEDLUNGSGEBIETE

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Im Juni 2017 stellte der UN-Sonderberichterstatter über extreme Armut und Menschenrechte den Bericht über seinen Chinabesuch im Jahr 2016 vor. Darin hieß es, das Land habe zwar bei der Bekämpfung der Armut "eindrucksvolle" Fortschritte erzielt, die Lage der Tibeter und Uiguren sei jedoch äußerst schwierig. Die meisten ethnischen Minderheiten Chinas seien "schweren Menschenrechtsproblemen ausgesetzt, wie z. B. einer signifikant höheren Armutsrate, Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit und Zwangsumsiedlungen".

Tashi Wangchuk, der im Januar 2016 inhaftiert worden war, weil er sich für Unterricht in tibetischer Sprache eingesetzt und der New York Times ein Interview gegeben hatte, befand sich Ende 2017 noch immer in Haft. Er wartete auf seinen Prozess und durfte keinen Besuch seiner Familie empfangen. In dem Interview hatte Tashi Wangchuk die Befürchtung geäußert, die tibetische Sprache und Kultur könnte allmählich ausgerottet werden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Angehörige der ethnischen Gruppe der Tibeter wurden weiterhin diskriminiert und in ihren Rechten auf Religions- und Glaubensfreiheit, freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt.

Im Laufe des Jahres 2017 zündeten sich in den von Tibetern bewohnten Gebieten mindestens sechs Menschen aus Protest gegen repressive Maßnahmen der Behörden selbst an. Die Zahl der bekannt gewordenen Selbstverbrennungen seit Februar 2009 erhöhte sich damit auf 152. Am 18. März 2017 setzte sich Pema Gyaltsen im Autonomen Tibetischen Bezirk Ganzi (tibetisch: Kardze) in der Provinz Sichuan in Brand. Tibetischen Quellen zufolge soll er noch gelebt haben, als die Polizei ihn wegbrachte. Seine Familienangehörigen wurden festgenommen und geschlagen, als sie sich bei den Behörden nach ihm erkundigten. Nach Informationen tibetischer NGOs im Ausland wurde der tibetische Mönch Lobsang Kunchok, der 2011 eine versuchte Selbstverbrennung überlebt hatte und anschließend inhaftiert worden war, im März 2017 aus dem Gefängnis entlassen. Der tibetische Filmemacher Dhondup Wangchen konnte ausreisen und traf am 26. Dezember 2017 mit seiner in den USA lebenden Familie zusammen. Er war fast zehn Jahre zuvor inhaftiert worden, weil er im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2008 einen Dokumentarfilm gedreht hatte, in dem gewöhnliche tibetische Bürger zu Wort kamen.

UIGURISCHE AUTONOME REGION XINJIANG

Unter der Leitung des neuen kommunistischen Parteisekretärs der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang (Sinkiang), Chen Quanguo, legten die Behörden einen Schwerpunkt auf "soziale Stabilität" und verstärkten die Sicherheit. Medienberichte deuteten darauf hin, dass in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang zahlreiche Hafteinrichtungen geschaffen wurden, die entweder "Einrichtungen zur Bekämpfung des Extremismus" oder "Einrichtungen für politische Unterweisung" oder "Einrichtungen für Erziehung und Umformung" genannt wurden. Darin wurden Personen auf unbestimmte Zeit willkürlich in Gewahrsam gehalten und gezwungen, sich mit chinesischen Gesetzen und Grundsätzen zu beschäftigen.

Im März 2017 wurde in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang eine "Verordnung zur Entradikalisierung" erlassen, die zahlreiche Verhaltensweisen verbot, die als "extremistisch" eingestuft wurden, wie z. B. die Verbreitung "extremistischen Gedankenguts", die Verunglimpfung oder der Boykott staatlicher Radio- und Fernsehprogramme, das Tragen einer Burka, das Tragen eines "unnormalen" Barts, Widerstand gegen staatliche Maßnahmen sowie die Veröffentlichung, das Herunterladen, die Speicherung und das Lesen von Artikeln, Publikationen oder Sendungen, die "extremistische Inhalte" enthielten.

Im April 2017 veröffentlichte die Regierung eine Liste mit verbotenen Namen, die meisten davon islamischen Ursprungs, und verlangte, dass alle unter 16-Jährigen, die so hießen, sich einen neuen Namen zulegten.

Medienberichten vom Mai 2017 zufolge leiteten die chinesischen Behörden in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang Maßnahmen in die Wege, um alle im Ausland studierenden Uiguren nach China zurückzubeordern. Sechs Uiguren, die nach ihrem Studium in der Türkei in die Uigurische Autonome Region Xinjiang zurückgekehrt waren, wurden aufgrund nicht näher definierter Anklagen zu Gefängnisstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt. Im April 2017 nahmen die chinesischen Behörden Familienangehörige von mehreren Studierenden fest, die sich in Ägypten aufhielten, um diese dazu zu bewegen, bis Ende Mai heimzukehren. Berichten zufolge sollen einige der Rückkehrer gefoltert und inhaftiert worden sein. Im Juli begannen die ägyptischen Behörden damit, Hunderte von chinesischen Studierenden festzunehmen, die meisten von ihnen Uiguren. 22 von ihnen wurden nach China abgeschoben.

Die Uigurin Buzainafu Abudourexiti, die nach einem zweijährigen Studium in Ägypten 2015 nach China zurückgekehrt war, wurde im März 2017 in Haft genommen und nach einem geheimen Prozess im Juni zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

Nach internationalen Medienberichten vom August 2017 erließen die Schulbehörden im Bezirk Hotan, in dem mehrheitlich Uiguren leben, im Juni eine Anordnung, der zufolge die Verwendung der uigurischen Sprache an Schulen verboten ist. Das Verbot bezog sich auch auf "kollektive Aktivitäten, öffentliche Aktivitäten und Verwaltungstätigkeiten im Schulwesen". Laut Medienberichten mussten Familien in verschiedenen Teilen der Uigurischen Autonomen Region unter Strafandrohung den Behörden Koranausgaben und religiöse Gegenstände aushändigen.

SONDERVERWALTUNGSREGION HONGKONG

Die Behörden von Hongkong ergriffen im Laufe des Jahres 2017 eine Reihe von Maßnahmen, die zunehmend Anlass zu der Sorge boten, dass die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit gefährdet waren.

Im März 2017 wurde gegen die Gründer der Kampagne Occupy Central, Benny Tai, Chan Kin-man und den Geistlichen Chu Yiu-ming, Anklage wegen Straftaten erhoben, die in Zusammenhang standen mit "Erregung öffentlichen Ärgernisses" und mit bis zu sieben Jahren Haft geahndet werden können. Die Anklagen bezogen sich auf ihre Beteiligung an der "Regenschirmbewegung".

Im Juli 2017 entzog das Strafgericht den vier gewählten Abgeordneten des demokratischen Lagers, Nathan Law, Leung Kwok-hung, Lau Siu-lai und Yiu Chung-yim, ihr Mandat. Nach Ansicht des Gerichts hatten sie, als sie im Oktober 2016 ihren Amtseid ablegten, nicht die Anforderungen erfüllt, die der ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in seiner Auslegung des Grundgesetzes von Hongkong festgelegt hatte.

Im August 2017 verurteilte das Berufungsgericht Joshua Wong, Alex Chow und Nathan Law wegen ihrer Beteiligung an der von Studierenden angeführten Demonstration im September 2014 zu sechs, sieben und acht Monaten Gefängnis. Die Protestkundgebung war der Auslöser der "Regenschirmbewegung". Joshua Wong und Alex Chow waren 2016 wegen "Teilnahme an einer rechtswidrigen Versammlung" schuldig gesprochen worden, Nathan Law wegen "Anstiftung anderer zur Teilnahme an einer rechtswidrigen Versammlung". Ein Amtsgericht hatte ursprünglich die Verrichtung gemeinnütziger Dienste angeordnet bzw. die Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen hatte die Anklagebehörde Rechtsmittel eingelegt und eine härtere Bestrafung gefordert. Die drei wurden bis zur Entscheidung in letzter Instanz gegen Kaution freigelassen: Joshua Wong und Nathan Law im Oktober, Alex Chow im November.

Das Bezirksgericht verurteilte im Februar 2017 sieben Polizisten zu zwei Jahren Haft, weil sie den Demonstranten Ken Tsang bei den Protesten der "Regenschirmbewegung" tätlich angegriffen hatten. Die wichtigsten staatlichen Medien Chinas reagierten auf das Urteil mit einer abgestimmten Kampagne, in der sie die Hongkonger Justiz unter Beschuss nahmen. Ende 2017 stand die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren noch aus.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Das Gericht der ersten Instanz entschied im April 2017, die Weigerung der Regierung, Lohnzusatzleistungen auf gleichgeschlechtliche Ehepartner von Staatsbediensteten auszuweiten, stelle eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung dar.

Im September 2017 urteilte das Berufungsgericht, die Weigerung der Einwanderungsbehörde, der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin einer ausländischen Berufstätigen, die sich mit einem Arbeitsvisum in Hongkong aufhielt, kein Angehörigenvisum zu erteilen, sei diskriminierend. Die Regierung legte gegen beide Entscheidungen Rechtsmittel ein.

SONDERVERWALTUNGSREGION MACAU

Die Regierung von Macau hinderte im August 2017 vier Hongkonger Journalisten, die über die Verwüstungen und Aufräumarbeiten nach dem Taifun Hato berichten wollten, an der Einreise. Bei dem Unwetter waren nach Medienangaben zehn Menschen ums Leben gekommen. Im Dezember 2017 stimmte der Legislativrat von Macau dafür, das Mandat von Sulu Sou, einem prodemokratischen Mitglied der Legislativversammlung, auszusetzen und seine Immunität aufzuheben. Er war im September gewählt und im November angeklagt worden, weil er im Mai 2016 an friedlichen Protesten gegen den Regierungschef von Macau teilgenommen hatte.

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