Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage von Familienangehörigen von Kämpfern des ersten Tschetschenienkrieges [a-9589-3 (9591)]

31. Mai 2016
 
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Informationen zu dieser Fragestellung entnehmen Sie bitte auch folgenden ACCORD-Anfragebeantwortungen:

 

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage von Kämpfern im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg (bis 2003) und deren Familien [a-9467-1], 3. Februar 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/318882/458001_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Informationen zur Lage von Personen, die im 2. Tschetschenienkrieg Widerstandskämpfer unterstützt haben oder in dieser Zeit Gegner des Regimes waren [a-9426], 15. Dezember 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/317827/456773_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: Lage von Verwandten von aktuellen Syrienkämpfern [a-9233], 7. Juli 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/318487/457495_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage ehemaliger Rebellen (Erster Tschetschenienkrieg, Anfang Zweiter Tschetschenienkrieg); Lage von Unterstützern der Rebellen [a-8676-4 (8679)], 27. Mai 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/280397/410505_de.html

Der unabhängige russische Radiosender Echo Moskwy berichtet am 24. Mai 2016, dass der Staatsanwalt am Obersten Gericht Tschetscheniens 22,5 bzw. 22 Jahre Haft für zwei Ukrainer gefordert habe, denen vorgeworfen werde, am ersten Tschetschenienkrieg auf Seiten der Rebellen teilgenommen zu haben. Den beiden werde unter anderem vorgeworfen, Ende 1994-Anfang 1995 russische Soldaten getötet zu haben. Im Zuge der Ermittlungen in dem Fall hätten die beiden Geständnisse abgelegt, sie dann jedoch widerrufen und behauptet, letztere unter Folter abgelegt zu habe. Vor Gericht hätten die beiden angegeben, nie in Tschetschenien gewesen zu sein. Alexander Tscherkassow von der Menschenrechtsorganisation Memorial habe Echo Moskwy gegenüber angegeben, dass die Anschuldigungen in dem Fall ungeheuerlich und von vorne bis hinten konstruiert seien:

В Верховном суде Чечни прокурор потребовал 22 с половиной года лишения свободы для Карпюка и 22 года для Клыха

Их судят за события более чем 20-летней давности. По версии следствия Николай Карпюк и Станислав Клых участвовали в первую Чеченскую войну на стороне боевиков. Подсудимых обвиняют в убийстве российских военных в конце 94-начале 95 годов. И ещё нескольким тяжким статьям. По версии обвинения Карпюк и Клых входили в состав группы Викинг, она состояла из членов запрещённой в России националистической организации УНА-УНСО [Украинская национальная ассамблея - Украинская народная самооборона] и участвовала в боевых столкновениях при штурме российскими военными Грозного 31 декабря. […]

В ходе следствия Карпюк и Клых дали признательные показания, но затем от них отказались и сказали, что дали их под пытками электричеством. В доказательство Станислав Клых демонстрировал следы ожогов на ногах. В суде они также утверждали, что в Чечне никогда не бывали. […]

Обвинения в отношении Николая Карпюка и Станислава Клыха чудовищны и сфальсифицированы от начала и до конца, — считает правозащитник Александр Черкасов.“ (Echo Moskwy, 24. Mai 2016)

Weitere Informationen zu dem Fall finden Sie in folgenden Medienquellen:

·      Kyiv Post: Chechnya court finds Ukrainians Karpyuk and Klykh guilty of murder, 21. Mai 2016
http://www.kyivpost.com/article/content/ukraine-politics/ukrainian-hostages-karpyuk-and-klykh-found-guilty-of-murder-414279.html

·      RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Chechnya Convicts Two Ukrainians Of Fighting With Separatists, 24. Mai 2016
http://www.rferl.org/content/russia-chechnya-uraine-separatist-fighter-convictions/27744977.html

 

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), der unabhängige Dachverband der Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen in der Schweiz, schreibt in einem im Mai 2016 veröffentlichten Bericht zur aktuellen Menschenrechtslage in Tschetschenien Folgendes:

„Gemäss Angaben einer Kontaktperson mit Expertenwissen zur Menschenrechtslage in Tschetschenien stehen Familienangehörige von Aufständischen generell unter starkem Verdacht, Unterstützende der Aufständischen zu sein und sind in ernster Gefahr, verfolgt zu werden. Auch wenn die Verbindung der oder des Verwandten zu den Aufständischen viele Jahre zurückliege, sei es möglich, dass Familienmitglieder unter Beobachtung stehen und riskieren, verfolgt zu werden. Die Behörden verfügen nach Angaben der Kontaktperson über umfangreiche Kenntnisse über die Verbindungen der Aufständischen, da ehemalige Aufständische mittlerweile für die Behörden arbeiten.“ (SFH, 13. Mai 2016, S. 17)

Caucasian Knot, ein von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial im Jahr 2001 gegründetes Nachrichtenportal, das über menschenrechtliche Themen im Kaukasus informiert, berichtet im Mai 2016 unter Bezugnahme auf die türkische Tageszeitung Hürriyet, dass Ruslan Israpilow, der Bruder des tschetschenischen Feldkommandanten Chunkar-Pascha Israpilow, in der türkischen Stadt Kocaeli getötet worden sei. Nach Informationen der türkischen Zeitung habe Israpilow als Maschinenbauingenieur in einem Unternehmen für Landwirtschaftstechnik gearbeitet. Die türkische Zeitung mutmaße, dass hinter der Ermordung Israpilows die russische Mafia oder der russische Geheimdienst stehe, so Caucasina Knot. Das russische Nachrichtenportal gibt zusätzlich an, dass der Bruder des in der Türkei Getöteten, Chunkar-Pascha Israpilow, Leiter des Antiterror-Zentrums der Tschetschenischen Republik Itschkeria gewesen und im Winter 2000 getötet worden sei:

Руслан Исрапилов, брат чеченского полевого командира Хункар-Паши Исрапилова, убит тремя неизвестными в пригороде турецкого города Коджаэли, сообщило сегодня турецкое издание Hurriyet. […]

По данным источников турецкого издания, 46-летний Руслан Исрапилов, брат соратника Шамиля Басаева Хункар-Паши Исрапилова, был убит рядом со своим домом в пригороде города Коджаэли на северо-востоке Турции. […]

По информации издания, Руслан Исрапилов работал инженером-механиком в компании по производству сельскохозяйственной техники. За убийством Руслана Исрапилова стоит русская мафия или российские спецслужбы, предположило турецкое издание.

Полевой командир Чеченской Республики Ичкерия, начальник антитеррористического центра ЧРИ [Чеченская Республика Ичкерия] Хункар-Паша Исрапилов погиб зимой 2000 года при выходе из блокированного федеральными войсками Грозного.“ (Caucasian Knot, 12. Mai 2016)

Weitere Informationen zu dem Fall finden Sie auch in folgenden Medienquellen:

·      EurAsia Daily: Опять «русские идут»: турецкие спецслужбы обвиняют Россию в убийстве брата чеченского террориста [„Die Russen gehen wieder voran“: Türkische Geheimdienste beschuldigen Russland der Ermordung des Bruders eines tschetschenischen Terroristen], 12. Mai 2016
https://eadaily.com/ru/news/2016/05/12/opyat-russkie-idut-tureckie-specsluzhby-obvinyayut-rossiyu-v-ubiystve-brata-chechenskogo-terrorista

·      Echo Kawkasa: На северо-западе Турции убит соратник Шамиля Басаева [Im Norwesten der Türkei wurde ein Mitkämpfer von Schamil Bassajew ermordet], 12. Mai 2016
http://www.ekhokavkaza.com/a/27730618.html

 

Im Jänner 2015 veröffentlicht Caucasian Knot einen Bericht der russischen Menschenrechtsorganisationen Komitee Bürgerbeteiligung und Memorial zur Lage von Tschetschenen in Russland. In dem Bericht wird erläutert, dass für Angehörige von Personen, die entführt, getötet oder unter dem Vorwurf des Terrorismus oder einer Beteiligung an illegalen bewaffneten Gruppierungen verurteilt worden seien, die Gefahr einer Verfolgung praktisch genauso hoch sei wie für tatsächliche oder vermeintliche Aufständische und „Komplizen“. Beobachtungen von Menschenrechtlern, die in Tschetschenien tätig seien, würden zeigen, dass die Sicherheitskräfte nicht aufhören würden, die Familien dieser Menschen zu verfolgen. Die Sicherheitskräfte würden die Familien für unzufrieden mit dem Regime halten und sie als persönliche Feinde ansehen, die darauf hoffen würden, die Sicherheitskräfte eines Tages für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem sei es einfacher, den Mitgliedern dieser Familien eine Beteiligung an illegalen bewaffneten Gruppierungen vorzuwerfen, da derartige Anschuldigungen absolut überzeugend wirken würden. Ein charakteristisches Beispiel für einen solchen Fall sei die große Familie der Bajdulajews aus dem Dorf Jandi in Atschchoj-Martan.

Während des ersten Tschetschenienkrieges hätten die älteren Brüder am bewaffneten Widerstand gegen die russischen Truppen teilgenommen und seien verwundet worden. Ihre Mutter, Soja Terechowa, habe Verletzte versorgt, sowohl Rebellen als auch Soldaten und Zivilisten. Nach dem ersten Tschetschenienkrieg hätten sich die Brüder nicht weiter am Widerstand beteiligt, seien aber unter Ramsan Kadyrow zum Gegenstand unablässigen Interesses seitens der Sicherheitskräfte als mutmaßliche Gegner des Regimes geworden. In diesem Zusammenhang sei einer der Brüder gezwungen gewesen, Tschetschenien zu verlassen. Er gebe nicht einmal seinen Verwandten gegenüber seinen Aufenthaltsort an, da die Unterhaltungen wahrscheinlich überwacht würden. Auch zwei weitere Brüder hätten Russland verlassen.

Ein weiterer Grund für die Verfolgungen der Familie seien Bekanntschaften von Tajmir, einem der sechs Brüder, in den Reihen der Rebellen. 2008 sei einer der Rebellen gefasst worden, woraufhin im örtlichen Fernsehen eine Sendung gezeigt worden sei, in der er ein Geständnis abgelegt habe. Unter anderem habe er angegeben, dass Tajmir, von dem ein Foto auf seinem Handy entdeckt worden sei, Mitglied einer illegalen bewaffneten Gruppierung sei. Danach habe er die Verwandten von Tajmir wegen dieser falschen Angaben um Verzeihung gebeten und habe darauf verwiesen, dass er seine Angaben unter Folter gemacht habe. Nach der Fernsehsendung sei Tajmir von der Abteilung des Innenministeriums (entspricht der Polizei, Anm. ACCORD) des Rajons Atschchoj-Martan verhaftet worden. Der Leiter dieser Abteilung, der für seine Habgier und Grausamkeit bekannt sei, habe Tajmir mitgeteilt, er könne ihn für 300.000 Rubel freilassen. Die Verwandten von Tajmir hätten das Geld aufgebracht, woraufhin er freigelassen worden sei. Er habe sich danach jedoch verstecken müssen, weil er auf eine Fahndungsliste gesetzt worden sei. Alle Verwandten von Tajmir seien zum Ziel ständiger Verfolgung seitens der Sicherheitskräfte geworden.

Im April 2008 sei Tajmir zusammen mit drei weiteren jungen Männern verhaftet worden, darunter der 20-jährige Neffe der Bajdulajew-Brüder, Kasbek. Dieser sei unter Folter dazu gezwungen worden, eine Beteiligung an einer illegalen bewaffneten Gruppierung zu gestehen, und sei zu einem halben Jahr Haft verurteilt worden. Er sei im Oktober 2008 entlassen worden. Im März 2009 sei er aus seinem Haus entführt worden. Er sei drei Tage lang in der Abteilung des Innenministeriums des Rajons Atschchoj-Martan verprügelt worden, bis er eingewilligt habe, eine Beteiligung an einer illegalen bewaffneten Gruppierung zu gestehen. Nach Artikel 208 des russischen Strafgesetzbuches sei er zu 2,5 Jahren Haft verurteilt worden. Kurz nach seiner Freilassung sei er wieder in die Abteilung des Innenministeriums des Rajons Atschchoj-Martan gebracht worden. Nachdem seine Verwandten 50.000 Rubel gezahlt hätten, habe man ihn wieder freigelassen. Einen weiteren Monat später sei er jedoch erneut entführt worden und spurlos verschwunden.

Ein weiterer Neffe der Bajdulajew-Brüder, Ansor Bajdulajew, der eine Sehbehinderung habe, sei 2008 zusammen mit Kasbek verurteilt worden. Nach der Entführung Kasbeks im März 2009 seien auch zu Ansor Sicherheitskräfte nach Hause gekommen, er sei jedoch nicht da gewesen. Da er nicht das gleiche Schicksal wie Kasbek habe teilen wollen, sei Ansor untergetaucht.

Im August 2008 seien in die Wohnung, in der Rustam und Tajmir Bajdulajew gelebt hätten, Sicherheitskräfte gestürmt. Tajmir sei die Flucht durch das Fenster gelungen, Rustam sei an einen verlassenen Ort gebracht und zusammengeschlagen worden unter dem Vorwurf, er helfe seinem Bruder und sei ein Komplize bei dessen Verbrechen. Rustam verlor das Bewusstsein und wachte im Krankenhaus wieder auf, wohin in fremde Leute gebracht hatten, nachdem sie ihn am Stadtrand gefunden hatten.

Im Mai 2009 hätten die Sicherheitskräfte Tajmir in Grosny aufgespürt und versucht, ihn zu fassen. Nach Angaben des tschetschenischen Innenministeriums habe er der Polizei jedoch bewaffneten Widerstand geleistet und sei bei der Erwiderung des Feuers erschossen worden. In Wahrheit habe Tajmir jedoch nach Angaben von Zeugen nicht geschossen, sondern sich mit einer Granate selbst in die Luft gesprengt, die er für den Fall einer Verhaftung bei sich getragen habe, um kein Opfer von Folter zu werden.

Nach dem Tod Tajmirs hätten die Verfolgungen der Familie Bajdulajew jedoch nicht aufgehört. Am 25. Mai 2009 hätten Kadyrowzy die schwangere Frau eines der Brüder mitgenommen und fünf Tage lang in irgendeinem Keller über ihren Mann und Freunde von Tajmir befragt. Nachdem die Frau wegen körperlicher und nervlicher Erschöpfung das Bewusstsein verloren habe, habe man sie vor den Eingang des Hauses geworfen, wo sie gelebt habe.

Im Februar 2009 sei Beslan Bajdulajew, der in Grosny gelebt habe, auf die Polizei gerufen worden, wo er verschwunden sei. Später habe sich herausgestellt, dass er auf der Polizei festgehalten und dann dem Leiter der Abteilung des Innenministeriums des Rajons Atschchoj-Martan übergeben worden sei. Dort habe Beslan nach zwei Wochen unter Folter ein Geständnis unterzeichnet, dass er an einer illegalen bewaffneten Gruppierung beteiligt gewesen sei. Um seine Strafe auf ein Jahr Gefängnis zu reduzieren, hätten seine Verwandten Bestechungsgeld zahlen müssen.

Im April 2010 hätten die Sicherheitskräfte zwei weitere Neffen der Bajdulajews, Schamil Bajdulajew und Adlan Galajew, verhaftet. Bei beiden seien illegale Ermittlungsmethoden angewandt worden und der von den Verwandten beigezogene Anwalt sei nicht zu ihnen gelassen worden. Beide seien nach Artikel 208 verurteilt worden. Adlan Galajew habe eine bedingte Haftstrafe erhalten, Schamil Bajdulajew habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts (2015) seine Haftstrafe auf dem Gebiet Tschetscheniens verbüßt.

2012 sei ein weiterer Bruder der Bajdulajews, Chamid, verhaftet worden.

Im Juni 2012 sei erneut Adlan Galajew aus seinem Haus im Dorf Jandi entführt worden. Am nächsten Tag sei in Grosny ein minderjähriger Verwandter der Bajdulajews aus dem Haus seiner Tante entführt worden. Über das Schicksal der beiden sei bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts nichts bekannt gewesen.

Das letzte Ereignis in der endlosen Kette von Verfolgungen der Familie sei das Verschwinden von Beslan Bajdulajew gewesen. Nachdem er 2010 aus dem Gefängnis entlassen worden sei, habe er sich in Grosny niedergelassen und eine Familie gegründet. Im Mai 2013 sei er ins Dorf Jandi gefahren, wo die Familie der Bajdulajews ein Haus habe. Er sei bis spät am Abend bei seinen Verwandten gesessen, dann sei er aufgebrochen, um in sein Haus zu gehen. Im Morgengrauen hätten die Dorfbewohner um sein Haus herum viele Mitglieder der Sicherheitskräfte gesehen. In Grosny sei Beslan weder an diesem Tag noch in den folgenden Tagen angekommen. Über sein Schicksal sei bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts nichts bekannt gewesen. Memorial habe sich wegen des Verschwindens von Beslan an die Staatsanwaltschaft gewandt, jedoch keine nachvollziehbare Antwort erhalten. Der Verdacht der Strafverfolgungsbehörden, Beslan sei „in den Wald gegangen“ (gemeint ist damit, dass er sich den Rebellen angeschlossen hat, Anm. ACCORD) halte Überprüfungen nicht stand, da um sein Haus herum genug Sicherheitskräfte gewesen seien, die es ihm unmöglich gemacht hätten, sich zu verstecken:

Для родственников похищенных, убитых или осужденных по обвинениям в терроризме или причастности к НВФ [незаконные вооружённые формирования] риск преследования практически так же высок, как и для самих реальных или мнимых боевиков и пособников. По наблюдению правозащитников, работающих в Чечне, силовики не прекращают преследовать семьи таких людей, так как не без основания видят в них недовольных режимом и своих личных врагов, которые надеются когда-нибудь заставить их ответить за их преступления. Кроме того, членов таких семей проще обвинить в причастности к НВФ: такие обвинения выглядят вполне убедительно.

4. Характерный пример – многочисленная семья Байдулаевых из села Янди Ачхой-Мартановского района.

Во время первой Чеченской войны старшие братья Байдулаевы участвовали в вооруженном сопротивлении федеральным войскам, были ранены. Их мать, Зоя Терехова, оказывала помощь раненым — бойцам сопротивления, солдатам, мирным жителям (в 2002 году она была убита в Грозном во время перестрелки, когда оказывала помощь раненому боевику). После окончания Первой войны братья Байдулаевы не принимали участия в сопротивлении, но при Р.Кадырове стали предметом пристального интереса со стороны силовиков как предполагаемые противники режима, обладающие навыками партизанской войны. В связи с этим, один из братьев был вынужден уехать из Чечни и сейчас не сообщает о своем местонахождении даже родственникам, так как контакты между ними, скорее всего, контролируются силовиками. Два других брата покинули Россию.

Второй причиной преследования семьи Байдулаевых послужили знакомства одного из шести братьев, Таймира, в среде боевиков. В 2008 году один из них был схвачен, и по местному телевидению был показан сюжет о том, как он дает признательные показания. Он, в частности заявил, что Таймир (фотография которого была обнаружена в его мобильном телефоне) является членом НВФ. (Впоследствии он просил прощения у родственников Таймира за эти ложные показания, ссылаясь на то, что дал их под пытками).

После этого сюжета Таймир был арестован сотрудниками Ачхой-Мартановского РОВД [районный отдел внутренних дел]. Начальник этого РОВД Таус Мамакаев, известный своей алчностью и жестокостью, сказал ему, что может его отпустить за 300 тысяч рублей. Родственники Таймира принесли начальнику РОВД 100 тысяч рублей и обещали на следующий день принести еще 200 тысяч, после чего Таймира отпустили, и он вынужден был скрыться. Его объявили в розыск, а все его родственники стали объектом постоянного преследования со стороны силовиков.

В апреле 2008 года Таймир, вместе с тремя другими молодыми жителями села, был задержан. В числе задержанных был 20-летний племянник братьев Байдулаевых Казбек. Его под пытками заставили дать показания в причастности к НВФ и осудили на полгода лишения свободы. Он освободился в октябре 2008 года, а 21 марта 2009 года ранним утром из своего дома он был похищен. Три дня его избивали в Ачхой-Мартановском РОВД, пока он не согласился дать признательные показания в пособничестве НВФ. Казбек был осужден по 208-й статье Уголовного кодекса РФ [Российская Федерация] на 2,5 года лишения свободы. Вскоре после освобождения его вновь забрали в Ачхой-Мартановское РОВД. После того, как родственники заплатили Т. Мамакаеву 50 тысяч рублей, его отпустили, но через месяц его опять похитили — и он пропал без вести.

Другой племянник Байдулаевых Анзор Байдулаев, инвалид по зрению, в 2008 году был вместе с Казбеком осужден по 208-й статье УК РФ, а в 22 марта 2009 года, после похищения Казбека, за ним тоже пришли силовики, но его не оказалось дома. Не желая разделить судьбу Казбека, он скрылся. (О преследованиях Казбека и Анзора Байдулаевых см.: Бюллетень Правозащитного центра Мемориал Ситуация в зоне конфликта на Северном Кавказе: оценка правозащитников. Весна 2009 г.

16 августа 2008 г. в квартиру, где жили Рустам и Таймир Байдулаевы, ворвались силовики, Таймиру удалось бежать через окно, а Рустама отвезли в безлюдное место и начали избивать, обвиняя в том, что он помогает брату и является соучастником его преступлений. Рустам потерял сознание и очнулся в больнице, куда его привезли посторонние люди, которые нашли его на окраине города.

15 мая 2009 года в Грозном силовики выследили Таймира и попытались его схватить. По сообщению МВД Чечни, он оказал милиционерам вооруженное сопротивление и был уничтожен ответным огнем (http://ria.ru/incidents/20090515/171191979.html). В действительности, по рассказам свидетелей, Таймир не отстреливался, а подорвал себя с помощью гранаты, которую носил с собой на случай ареста, чтобы не стать жертвой пыток.

Однако, после гибели Таймира преследования семьи Байдулаевых не прекратились. 25 мая 2009 года кадыровцы забрали из дома беременную жену одного из братьев, и в течение 5 суток допрашивали в каком-то подвале, расспрашивая о муже и друзьях Таймира. После того, как она от физического и нервного истощения потеряла сознание, ее отвезли и бросили к подъезду дома, где она проживала.

В феврале 2009 года Беслана Байдулаева жившего в Грозном, вызвали в отдел милиции в пос. Катаяма - и он пропал. Впоследствии выяснилось, что в милиции его задержали и передали начальнику Ачхой-Мартановского РОВД Т.Мамакаеву, который увез его в свой отдел. Там через 2 недели Беслан под пытками подписал признательные показания о том, что помогал НВФ. За то, чтобы смягчить наказание Беслана до 1 года тюрьмы, у родственников вымогали взятку, и они ее заплатили.

8 апреля 2010 года в селе Ачхой-Мартан силовики задержали еще двух племянников Байдулаевых, 22-летнего Шамиля Байдулаева и 21-летнего Адлана Галаева, инвалида, страдающего туберкулезом. К обоим применялись незаконные методы ведения следствия, не допускался привлеченный родственниками адвокат. Оба были осуждены по 208-й статье: Адлан получил условный срок, а Шамиль отбывает тюремный срок на территории Чечни.

В 2012 году был арестован еще один из братьев Байдулаевых - Хамид.

18 июня 2012 года из своего дома в с. Янди был вновь похищен Адлан Галаев, а на следующий день, на рассвете, в Грозном из дома своей тети был похищен несовершеннолтений родственник Байдулаевых, ученик 9-го класса Майрбек Байдулаев, 1996 г. р. Об их судьбе до сих пор ничего не известно.

Последним событием в бесконечной череде преследований семьи Байдулаевых стало исчезновение Беслана Байдулаева. Освободившись в 2010 году из тюрьмы Чернокозово, он поселился в Грозном, обзавелся семьей. 22 мая 2013 года он поехал по хозяйственным делам в с. Янди, где у семьи Байдулаевых есть дом. Вечером того дня он засиделся допоздна за ужином у родственников, потом ушел ночевать в свой дом. На рассвете жители села видели на улице рядом с его домом большое число силовиков. В Грозный Беслан ни в этот, ни последующие дни не вернулся. О его судьбе до настоящего времени ничего не известно (http://memo.ru/d/160389.html). Наша организация обращалась в прокуратуру по поводу исчезновения Беслана Байдулаева, однако вразумительного ответа мы не получили. Выраженное правоохранительными органами подозрение в том, что Беслан ушел в горы, не выдерживает критики, поскольку вокруг его дома было достаточное число силовиков, чтобы не дать ему скрыться.“ (Caucasian Knot, 22. Jänner 2015)

Im Dezember 2014 berichtet die russische Menschenrechtsorganisation Memorial, EinwohnerInnen des Dorfes Ischchoj-Jurt im Rajon Gudermes hätten erzählt, dass in der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember 2014 das leerstehende Haus von Masara Wadalowa zerstört worden sei. Einer der Söhne von Masara Wadalowa habe sich zu Beginn des Ersten Tschetschenienkriegs einer illegalen bewaffneten Gruppierung angeschlossen. Am 5. Dezember 2004 seien an einem Checkpoint bei der Stadt Derbent in der Republik Dagestan drei Söhne von Masara Wadalowa festgenommen worden und in der Folge verschwunden. Der Mann von Masara Wadalowa sei verstorben. Am 5. März 2008 sei ein weiterer Sohn der Frau aus dem Haus gegangen und nicht mehr zurückgekehrt.

Memorial weist darauf hin, dass am 4. Dezember 2014 Rebellen die tschetschenische Hauptstadt Grosny angegriffen hätten. Dabei seien 14 Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet und mehr als 30 verletzt worden. Die Rebellen seien getötet worden. Am 5. Dezember 2014 habe Ramsan Kadyrow gedroht, dass Verwandte von Rebellen aus Tschetschenien ausgewiesen und ihre Häuser zerstört würden. Am 6. Dezember hätten Mitglieder der Sicherheitskräfte damit begonnen, die Häuser von Verwandten von Rebellen niederzubrennen:

Жители села Ишхой-Юрт Гудермесского района рассказали, что в ночь с 20 на 21 декабря снесли пустовавший дом Масары Вадаловой (ул. Мира, д. 73). Один из сыновей, Асламбек, примкнул к НВФ [незаконные вооружённые формирования] в начале первой чеченской войны.

5 декабря 2004 года на пограничном пункте в г. Дербент Республики Дагестан были задержаны и после этого исчезли трое сыновей Масары - Шаид, Назарбек и Данилбек. Ее муж Илимсолта умер. 5 марта 2008 года ушел из дома и не вернулся сын Алибек.

Напомним, 4 декабря 2014 года отряд боевиков вошел в Грозный. В ходе столкновений 14 сотрудников силовых структур были убиты, более 30 - ранены. Боевиков, вошедших в город, уничтожили. 5 декабря их близких вызвали на опознание. В тот же день глава Чечни Рамзан Кадыров пригрозил, что родственников боевиков будут выдворять из республики, а их дома — сносить. Фактически он говорил о введении коллективной ответственности для семей людей, ушедших в вооруженное подполье. Выступление Кадырова было показано по местному телевидению.

На следующий день, 6 декабря, силовики принялись сжигать дома родственников боевиков.“ (Memorial, 23. Dezember 2014)

Swetlana Gannuschkina, Vorsitzende der russischen Menschenrechtsorganisation Komitee Bürgerbeteiligung und leitendes Mitglied der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, antwortet in einer E-Mail-Antwort vom 25. Mai 2016 auf die Frage, wie die Lage von Personen sei, deren Verwandte im Ersten Tschetschenienkrieg gekämpft hätten, dass die Lage dieser Personen schlecht sei. Sie stünden ständig unter Verdacht, würden mitgenommen, gefoltert, ihre Häuser würden angezündet usw. (Gannuschkina, 25. Mai 2016).

 

Ein Historiker, der sich auf Tschetschenien spezialisiert und vor Ort Feldforschung betrieben hat, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 25. Mai 2016 Folgendes zu dieser Frage:

„Diese Frage kann man kaum einheitlich beantworten. Grundsätzlich aber gilt, dass viele Veteranen des Ersten Krieges heute ein normales Leben führen. Problematisch sind vielmehr die Karrieren von Personen, die sich nach Kriegsende (Sommer 1996) einer der zahlreichen bewaffneten Formationen im Lande angeschlossen und sich an den Aktionen islamistischer Gruppierungen beteiligt haben. Die meisten dieser Aktivisten und ihrer Anführer sind seit Jahren tot. Sofern die Regierung heute den Verdacht erhebt, eine Person unterhalte Kontakte zum islamistischen Untergrund, ist ihr Leben in akuter Gefahr. So wissen wir von Fällen, in denen Personen spurlos verschwunden sind. Ramzan Kadyrov geht mit großer Vehemenz gegen Islamisten vor, zu deren Bekämpfung ihm faktisch alle Mittel recht sind.“ (Historiker, 25. Mai 2016)

Jean-Francois Ratelle, Professor am Institut für Europäische, Russische und Eurasische Studien an der Carleton University in Ottawa, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 29. Mai 2016, dass das Risiko für Verwandte von Personen, die im ersten Tschetschenienkrieg gekämpft hätten, minimal sei, außer, die Verwandten hätten während des Zweiten Tschetschenienkriegs oder danach Verbindungen zu tschetschenischen Rebellen gehabt. Wenn die Verwandten nur im Ersten Tschetschenienkrieg gegen die Russen gekämpft und nicht im Zweiten Tschetschenienkrieg gekämpft oder sich an Gruppen beteilig hätten, die die Unabhängigkeit unterstützt hätten, sei das Risiko bei einer Rückkehr relativ gering. (Ratelle, 29. Mai 2016)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 31. Mai 2016)

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage ehemaliger Rebellen (Erster Tschetschenienkrieg, Anfang Zweiter Tschetschenienkrieg); Lage von Unterstützern der Rebellen [a-8676-4 (8679)], 27. Mai 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
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http://www.ecoi.net/local_link/318487/457495_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Informationen zur Lage von Personen, die im 2. Tschetschenienkrieg Widerstandskämpfer unterstützt haben oder in dieser Zeit Gegner des Regimes waren [a-9426], 15. Dezember 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/317827/456773_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage von Kämpfern im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg (bis 2003) und deren Familien [a-9467-1], 3. Februar 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/318882/458001_de.html

·      Caucasian Knot: Чеченцы в России. Доклад Комитета «Гражданское содействие» и ПЦ «Мемориал» [Tschetschenen in Russland. Bericht des Komitees Bürgerbeteiligung und des Menschenrechtszentrums Memorial], 22. Jänner 2015
http://www.kavkaz-uzel.ru/articles/255974/

·      Caucasian Knot: Hurriyet: в Турции расстрелян брат Исрапилова [Hurriyet: In der Türkei wurde der Bruder von Israpilow erschossen] 12. Mai 2016
http://www.kavkaz-uzel.ru/articles/282368/

·      EurAsia Daily: Опять «русские идут»: турецкие спецслужбы обвиняют Россию в убийстве брата чеченского террориста [„Die Russen gehen wieder voran“: Türkische Geheimdienste beschuldigen Russland der Ermordung des Bruders eines tschetschenischen Terroristen], 12. Mai 2016
https://eadaily.com/ru/news/2016/05/12/opyat-russkie-idut-tureckie-specsluzhby-obvinyayut-rossiyu-v-ubiystve-brata-chechenskogo-terrorista

·      Echo Kawkasa: На северо-западе Турции убит соратник Шамиля Басаева [Im Norwesten der Türkei wurde ein Mitkämpfer von Schamil Bassajew ermordet], 12. Mai 2016
http://www.ekhokavkaza.com/a/27730618.html

·      Echo Moskwy: В Верховном суде Чечни прокурор потребовал 22 с половиной года лишения свободы для Карпюка и 22 года для Клыха [Am Obersten Gericht Tschetscheniens forderte der Staatsanwalt 22,5 Jahre Haft für Karpjuk und 22 Jahre für Klych], 24. Mai 2016
http://echo.msk.ru/news/1771238-echo.html

·      Gannuschkina, Swetlana: E-Mail-Auskunft, 25. Mai 2016

·      Historiker: E-Mail-Auskunft, 25. Mai 2016 
·      Kyiv Post: Chechnya court finds Ukrainians Karpyuk and Klykh guilty of murder, 21. Mai 2016
http://www.kyivpost.com/article/content/ukraine-politics/ukrainian-hostages-karpyuk-and-klykh-found-guilty-of-murder-414279.html

·      Memorial: Чечня: подтвердилась информации об уничтожении еще шести домов родственников боевиков [Tschetschenien: Die Informationen über die Zerstörung von sechs weiteren Häusern von Verwandten von Rebellen sind bestätigt], 23. Dezember 2014
http://memohrc.org/news/chechnya-podtverdilas-informacii-ob-unichtozhenii-eshche-shesti-domov-rodstvennikov-boevikov

·      Ratelle, Jean-Francois: E-Mail-Auskunft, 29. Mai 2016

·      RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Chechnya Convicts Two Ukrainians Of Fighting With Separatists, 24. Mai 2016
http://www.rferl.org/content/russia-chechnya-uraine-separatist-fighter-convictions/27744977.html

·      SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe: Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, 13. Mai 2016
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1464436271_160513-rus-menschenrechte.pdf