Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Croatia

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Republik Kroatien
STAATSOBERHAUPT: Kolinda Grabar-Kitarović
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Andrej Plenković (löste im Oktober 2016 Tihomir Orešković im Amt ab, der im Januar 2016 Zoran Milanović im Amt gefolgt war)

Kroatien erlebte 2016 eine politische Krise, nachdem das Parlament dem neuen Ministerpräsidenten und seiner Regierung das Misstrauen ausgesprochen hatte. Die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende waren im Allgemeinen angemessen, doch gab es kein schlüssiges Konzept für eine langfristige soziale Integration. Ethnische Minderheiten litten unter Diskriminierung. Die Freiheit der Medien wurde ausgehöhlt. Zunehmende nationalistische Äußerungen und Hassreden trugen zu einem wachsenden Klima der Unsicherheit und Intoleranz gegenüber ethnischen Minderheiten bei.

HINTERGRUND

Im Januar 2016 wurde eine neue Regierung gebildet, zwei Monate nach der Parlamentswahl, die keinen klaren Sieger hervorgebracht hatte. Im Juni führte ein Misstrauensvotum des Parlaments zum Sturz der von Tihomir Orešković geführten Koalitionsregierung. Nach der Auflösung des Parlaments im Juli 2016 fanden im September Neuwahlen statt. Das von der nationalkonservativen Partei HDZ (Hrvatska demokratska zajednica) angeführte Wahlbündnis, das 61 von 151 Sitzen gewann, ging eine Koalition mit mehreren kleinen Mitte-Rechts-Parteien ein und bildete ein neues Kabinett unter Leitung von Ministerpräsident Andrej Plenković.

FLÜCHTLINGE UND ASYLSUCHENDE

Kroatien war 2016 weiterhin ein Transitland für Flüchtlinge und Migranten, die nach Westeuropa wollten. Angesichts der Tatsache, dass nur eine begrenzte Zahl von Personen in Kroatien Asyl beantragte und länger in dem Land blieb, bewerteten der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) und der Menschenrechtskommissar des Europarats die Bedingungen in den Aufnahmelagern als angemessen. Sie stellten fest, dass Flüchtlinge und Migranten psychosoziale Hilfe, Sprachkurse und andere Formen der Unterstützung erhielten, diese Angebote jedoch hauptsächlich von NGOs bereitgestellt wurden. Menschenrechtsorganisationen bezeichneten die Asyl- und Einwanderungsgesetzgebung als unzureichend. Außerdem kritisierten sie ein von der Regierung im Mai 2016 auf den Weg gebrachtes neues Ausländergesetz, das im Dezember noch nicht vom Parlament verabschiedet war. Es sah u. a. vor, die soziale und humanitäre Unterstützung von Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus unter Strafe zu stellen. Von Migranten, die abgeschoben werden sollten, wurde weiterhin verlangt, die Kosten ihrer Unterbringung und ihrer Abschiebung selbst zu tragen.

Bis Dezember 2016 hatte Kroatien gemäß der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei 50 Flüchtlinge aufgenommen, darunter 30 Syrer. Im Zuge des EU-Umverteilungsprogramms übernahm das Land zehn Asylsuchende aus Griechenland und Italien. Kroatien hatte zugesagt, im Rahmen der beiden Übereinkünfte bis Ende 2017 insgesamt 1600 Flüchtlinge und Asylsuchende aufzunehmen. Trotz der angemessenen Bedingungen bei der Ankunft im Land gab es noch keine umfassenden Maßnahmen, um eine langfristige soziale Integration von Flüchtlingen und Migranten zu gewährleisten.

VÖLKERRECHTLICHE VERBRECHEN

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag äußerte 2016 die Sorge, dass kroatische Gerichte Verbrechen, die während des Krieges 1992–95 begangen worden sind, nicht zügig und wirksam genug verfolgten. Das 2015 verabschiedete Gesetz zu zivilen Kriegsopfern vereinfachte deren Zugang zu Entschädigungen und anderen wichtigen Leistungen, doch war nach wie vor nicht gewährleistet, dass allen Opfern, vor allem auch Angehörigen ethnischer Minderheiten, gleichermaßen Gerechtigkeit widerfuhr.

Die Aufklärung des Schicksals von 1600 Personen, die in Kroatien seit dem Krieg vermisst werden, kam 2016 nicht voran. Damit waren bereits das zweite Jahr in Folge keinerlei Fortschritte zu verzeichnen.

DISKRIMINIERUNG

Die Diskriminierung ethnischer Minderheiten und Roma war 2016 nach wie vor weit verbreitet. Die gesetzlichen Regelungen boten zwar ausreichend Schutz vor Diskriminierung, sie wurden jedoch nicht konsequent genug umgesetzt.

HASSREDE

Zu Beginn des Jahres 2016, als die politische Situation im Land von politischer Unsicherheit gekennzeichnet war, nahmen nationalistische Äußerungen und Hassreden gegen bestimmte Gruppen, insbesondere ethnische Serben, Flüchtlinge und Migranten, massiv zu. Zivilgesellschaftliche Gruppen stellten fest, dass Medien und Amtsträger zunehmend auf eine “faschistische Ideologie” der Vergangenheit Bezug nahmen, sich einer hetzerischen Bildsprache bedienten und allgemein die Stimmung gegenüber Minderheiten anheizten.

Während in Fällen von Anstiftung zur Diskriminierung und selbst bei gewaltsamen Angriffen auf Minderheiten nur selten Ermittlungen eingeleitet wurden, kam es regelmäßig zu Gerichtsprozessen, wenn es um die Diffamierung, Ehrverletzung oder Rufschädigung einer Person ging. Diese Verstöße galten nach dem Strafgesetzbuch als schwere Straftaten. Journalisten liefen weiterhin Gefahr, wegen dieser Vorwürfe strafrechtlich verfolgt zu werden.

RECHTE ETHNISCHER MINDERHEITEN

Nach Angaben des UNHCR waren Ende 2016 etwa 133000 ethnische Serben, und damit mehr als die Hälfte derjenigen, die während des Krieges aus Kroatien geflohen waren, zurückgekehrt. Der UNHCR zeigte sich jedoch besorgt darüber, dass es für Serben nach wie vor schwierig war, ihr Eigentum zurückzuerlangen.

Der Anteil von Angehörigen ethnischer Minderheiten im öffentlichen Dienst lag unter den staatlichen Vorgaben. Serben waren auf dem Arbeitsmarkt mit erheblichen Hindernissen konfrontiert, dies galt sowohl für den öffentlichen Dienst als auch für Privatunternehmen. Das Recht von Minderheiten, ihre Sprache und Schrift zu verwenden, blieb politisch umstritten und wurde in einigen Städten nicht umgesetzt.

Roma

Obwohl sich die Behörden bemühten, die Integration der Roma zu verbessern, sahen sich Roma weiterhin mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert, was ihren Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und dem Arbeitsmarkt betraf.

Nach UNHCR-Angaben drohte 2800 Roma ohne dauerhaften oder vorübergehenden Wohnsitz die Staatenlosigkeit. Roma hatten Schwierigkeiten, Ausweispapiere zu erhalten, wodurch ihr Zugang zu öffentlichen Leistungen eingeschränkt war.

MEINUNGSFREIHEIT – MEDIEN UND JOURNALISTEN

Die ständigen Angriffe auf die Freiheit der Medien und auf Journalisten rissen 2016 nicht ab. Im März 2016 entließ die Regierung kurzfristig fast 70 Redakteure und Journalisten des öffentlichen Rundfunk- und Fernsehsenders HRT. Dies wurde allgemein als Versuch gewertet, die inhaltliche Ausrichtung des Senders zu beeinflussen. Gleichzeitig wurde die staatliche Unterstützung für kleine gemeinnützige Medien und unabhängige Kulturinitiativen gestrichen, wodurch die Vielfalt der Medienlandschaft noch weiter eingeschränkt wurde.

Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen wurde Kroatien 2016 von Rang 54 auf Rang 63 herabgestuft.

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