Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Jamaica

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Jamaika
STAATSOBERHAUPT: Königin Elizabeth II., vertreten durch Sir Patrick Linton Allen
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Andrew Michael Holness (löste im März 2016 Portia Simpson Miller im Amt ab)

In Jamaica wurden auch 2016 rechtswidrige Tötungen und außergerichtliche Hinrichtungen verübt. Nach wie vor waren Frauen Gewalt ausgesetzt, und Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle erlitten Diskriminierung. Mit der Inhaftierung von Kindern verstießen die Behörden gegen internationale Standards.

HINTERGRUND

Im Februar 2016 gewann die Jamaica Labour Party die Parlamentswahlen. Neuer Premierminister wurde Andrew Holness.

Obwohl sich Jamaika zur Gründung einer Nationalen Menschenrechtsinstitution verpflichtet hatte, war die Einrichtung dieses Mechanismus bis zum Jahresende noch nicht erfolgt.

Jamaika wies weiterhin eine der höchsten Tötungsraten der Region auf.

POLIZEI UND SICHERHEITSKRÄFTE

Im Juni 2016 veröffentlichte ein Untersuchungsausschuss seinen mit Spannung erwarteten Bericht über die Vorfälle in West-Kingston während des Ausnahmezustands, der am 23. Mai 2010 ausgerufen worden war. Damals wurden mindestens 69 Personen getötet. Der fast 900 Seiten umfassende Bericht beschrieb mehrere Fälle mutmaßlicher außergerichtlicher Hinrichtungen und beinhaltete eine Reihe wichtiger Empfehlungen für eine Polizeireform.

Die Polizeibehörde (Jamaica Constabulary Force) akzeptierte in einer offiziellen Stellungnahme einige dieser Empfehlungen. So verpflichtete sie sich beispielsweise, administrative Überprüfungen zum Verhalten von in dem Bericht genannten Polizisten durchzuführen. Die Polizei lehnte jedoch weiterhin die Übernahme jeglicher Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen oder außergerichtliche Hinrichtungen während des Ausnahmezustands ab. Bis zum Jahresende hatte die Regierung noch immer nicht offiziell erklärt, wie sie die Empfehlungen des Ausschusses umsetzen wird.

Obwohl die Zahl der Tötungen durch die Polizei in den vergangenen Jahren insgesamt zurückgegangen ist, wurden im Berichtsjahr 111 Personen von Beamten mit Polizeibefugnissen getötet, verglichen mit 101 im Jahr 2015. Angehörige von Personen, die von der Polizei getötet wurden, waren massiven Schikanen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Zudem versperrten ihnen zahlreiche Hindernisse den Zugang zu Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung.

GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

Angaben lokaler NGOs zufolge erwies sich die nationale Gesetzgebung weiterhin als unzureichend, um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen. So definierte das Gesetz über Sexualdelikte Vergewaltigung weiterhin ausschließlich als nicht einvernehmliches Einführen des Penis eines Mannes in die Vagina einer Frau und bot nur unter bestimmten Umständen Schutz vor Vergewaltigung in der Ehe. Angaben der Polizei zufolge hatten zwischen Januar und Dezember 2016 über 470 Frauen und Mädchen Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet.

Die strafrechtliche Verfolgung von Sexarbeiterinnen setzte diese nach wie vor der Gefahr aus, Opfer von Diskriminierung, willkürlicher Festnahme und Gewalt durch die Polizei zu werden.

KINDERRECHTE

Die NGO Jamaicans for Justice berichtete, dass noch immer Kinder wegen “Unkontrollierbarkeit” im Polizeigewahrsam festgehalten würden. Oft geschehe dies über gesetzlich nicht zulässige Zeiträume hinweg und unter unmenschlichen Bedingungen.

RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN

Es existierte weiterhin kein gesetzlicher Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Junge Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche oder Intersexuelle (LGBTI) waren mangels gesetzlicher Schutzbestimmungen weiterhin Drangsalierungen und Schikanen ausgesetzt. Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern waren nach wie vor strafbar.

Zwischen Januar und Juni 2016 berichteten 23 Personen der LGBTI-Organisation Jamaica Forum of Lesbians, All-Sexuals and Gays (J-FLAG), dass sie aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität überfallen oder angegriffen worden seien.

Eine von J-FLAG veröffentlichte Umfrage zeigte extrem homofeindliche Einstellungen auf. So bejahten nur 36 % der befragten Jamaikaner, dass sie es einem eigenen homosexuellen Kind erlauben würden, weiterhin bei ihnen zu Hause zu wohnen. Fast 60 % der an der Umfrage Teilnehmenden erklärten, dass sie gegen eine LGBTI-Person, die ihnen nahekäme, gewaltsam vorgehen würden.

Im Juni 2016 kritisierte die jamaikanische Generalstaatsanwältin in den sozialen Medien die US-amerikanische Botschaft, weil sie eine Regenbogenfahne gehisst hatte, nachdem in den USA in einem Nachtclub von Orlando LGBTI getötet worden waren.

Im August führte J-FLAG zum zweiten Mal in Folge Veranstaltungen im Rahmen des LGBTI-Festivals Pride Week durch.

INTERNATIONALE STRAFVERFOLGUNG

2016 ratifizierte Jamaica weiterhin nicht das im September 2000 unterzeichnete Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, und das Land schloss sich weder dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen noch dem UN-Übereinkommen gegen Folter an.

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