Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Qatar

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Staat Katar
STAATSOBERHAUPT: Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Scheich Abdullah bin Nasser bin Khalifa Al Thani

Die Behörden schränkten 2016 die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit erheblich ein. Ein gewaltloser politischer Gefangener wurde begnadigt und aus der Haft entlassen. Arbeitsmigranten wurden weiterhin ausgebeutet und misshandelt. Frauen waren nach wie vor sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben von Diskriminierung betroffen. Katar hielt an der Todesstrafe fest, Meldungen über Hinrichtungen lagen jedoch nicht vor.

HINTERGRUND

Katar beteiligte sich weiterhin an einer von Saudi-Arabien geführten internationalen Militärallianz, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff (siehe Länderbericht Jemen).

RECHTE AUF MEINUNGS-, VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT

Die Regierung schränkte die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung weiterhin empfindlich ein. Unabhängige politische Parteien wurden nicht geduldet. Gewerkschaften standen nur katarischen Staatsangehörigen offen und auch dann nur, wenn sie strenge Auflagen erfüllten.

Nichtgenehmigte öffentliche Zusammenkünfte waren weiterhin untersagt und wurden aufgelöst. Äußerungen, die als Beleidigung des Staatsoberhauptes angesehen wurden, blieben gesetzlich verboten.

Der Dichter und gewaltlose politische Gefangene Mohammed al-Ajami, der auch unter dem Namen Mohamed Ibn al-Dheeb bekannt ist, kam am 15. März 2016 im Rahmen einer Generalamnestie des Emirs frei. Mohammed al-Ajami war 2012, weil er Gedichte geschrieben und vorgetragen hatte, die nach Ansicht der Behörden das Staatsoberhaupt und den Staat beleidigten, zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, die 2013 von einem Berufungsgericht ohne weitere Erklärung auf 15 Jahre herabgesetzt wurde.

Der Zugang zu der unabhängigen Online-Nachrichtenseite Doha News wurde in Katar wegen “Lizenzproblemen” blockiert. Es ist anzunehmen, dass Doha News aufgrund seiner unabhängigen Berichterstattung über brisante Themen durch die beiden katarischen Internetanbieter gesperrt wurde.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Am 2. Mai 2016 bestätigte das Kassationsgericht in der Hauptstadt Doha den Schuldspruch und das Strafmaß von 15 Jahren Freiheitsstrafe gegen den philippinischen Staatsbürger Ronaldo Lopez Ulep wegen Spionage. Der Schuldspruch von 2014 stützte sich weitgehend auf ein “Geständnis” auf Arabisch, einer Sprache, die der Angeklagte nicht lesen konnte. Das “Geständnis” war nach Angaben des Angeklagten von Sicherheitsbediensteten unter Folter und anderen Misshandlungen von ihm erpresst worden. Weder das Berufungsgericht, das die ursprünglich lebenslange Haftstrafe auf 15 Jahre Gefängnis herabsetzte, noch das Kassationsgericht, das den Schuldspruch bestätigte, leiteten eine Untersuchung der Foltervorwürfe ein. Ronaldo Lopez Ulep hatte im Gefängnis keinen angemessenen Zugang zu seiner Familie.

RECHTE VON ARBEITSMIGRANTEN

Ausländische Arbeitskräfte bilden die große Mehrheit der katarischen Bevölkerung. Sie litten 2016 weiterhin unter Ausbeutung und Misshandlung durch ihre Arbeitgeber. Das Gesetz Nr. 21/2015, welches fast ein Jahr nach seiner Verabschiedung am 13. Dezember 2016 in Kraft trat, ersetzte das Gesetz zum Sponsorensystem (kafala) aus dem Jahr 2009 und brachte einige geringfügige Verbesserungen mit sich. So wurde die Sperrfrist von zwei Jahren aufgehoben, welche Arbeitsmigranten bisher zwischen einer Ausreise und der Wiedereinreise nach Katar einhalten mussten. Das Gesetz hielt allerdings an den Schlüsselelementen des Sponsorengesetzes von 2009 fest und begünstigt somit weiterhin schwere Menschenrechtsverstöße wie Zwangsarbeit. Auch unter der neuen Gesetzgebung müssen Arbeitsmigranten eine Ausreiseerlaubnis ihres Arbeitgebers vorlegen, was gegen ihr Recht auf Freizügigkeit verstößt. Arbeitsmigranten können nun Beschwerde einlegen, wenn ihnen ihr Arbeitgeber die Ausreise aus Katar verwehrt. Allerdings wurden keine offiziellen Leitlinien dazu veröffentlicht, wie über diese Beschwerden entschieden wird. Das neue Gesetz erlaubt es Arbeitgebern zudem, ihre Arbeiter je nach Vertragsbedingungen bis zu fünf Jahre lang an einem Wechsel der Arbeitsstelle zu hindern. Es ist Arbeitgebern nunmehr gesetzlich gestattet, die Pässe von Arbeitsmigranten mit deren schriftlicher Zustimmung einzubehalten, wohingegen der Einzug von Reisepässen zuvor in allen Fällen gesetzwidrig war. Diese Praxis wird von vielen Arbeitgebern dazu missbraucht, Kontrolle über die Arbeitsmigranten auszuüben.

Die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO) stattete Katar im März 2016 einen Besuch ab. Die hochrangige Delegation sollte Maßnahmen überprüfen, welche die Regierung ergriffen hatte, um auf eine Beschwerde im Zusammenhang mit Verletzungen des ILO-Übereinkommens über Zwangsarbeit und des Übereinkommens über die Arbeitsaufsicht zu reagieren. In ihrem Bericht stellte die Delegation fest, dass die katarische Regierung Schritte unternommen habe, um der Ausbeutung von Arbeitsmigranten zu begegnen, dass aber noch viele Sachverhalte Anlass zum Handeln gäben. Die ILO stellte die Entscheidung über die Ernennung einer Untersuchungskommission für Katar bis März 2017 zurück.

Das Lohnschutzsystem, das zu einer geregelten Auszahlung von Löhnen führen soll, indem es Arbeitgebern nur noch Lohnzahlungen in Form von Banküberweisungen erlaubt, wurde im Laufe des Jahres 2016 eingeführt. Die Regierung teilte mit, dass im November 2016 rund 1,8 Mio. Menschen im System erfasst waren. Einige Arbeitsmigranten, die an öffentlichkeitswirksamen Bauprojekten beteiligt waren, wurden in die Wohncamps Labour City und Barwa Al Bahara umgesiedelt, wo sie bessere Lebensbedingungen und Einrichtungen vorfanden. Diese von der Regierung gebauten Siedlungen sollen Platz für bis zu 150000 Arbeitsmigranten mit niedrigem Einkommen bieten. Ein Gesetz aus dem Jahr 2010, welches Arbeitsmigranten praktisch verbietet, in städtischen Wohnvierteln zu leben, trug zusätzlich zur Wohnraumknappheit für Arbeitsmigranten bei und verschärfte die Lage in den überfüllten Siedlungen im Rest des Landes. Die meisten Arbeitsmigranten lebten weiterhin in überfüllten und unzureichenden Unterkünften. Im April 2016 veröffentlichte das Ministerium für Entwicklungsplanung und Statistik die Ergebnisse einer Erhebung, wonach 1,4 Mio. Menschen in Arbeitercamps untergebracht waren.

Für Hausangestellte, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelt, bestand eine besonders hohe Gefahr, Opfer von Ausbeutung und Misshandlung zu werden. Sie waren weiterhin von den Schutzmechanismen des bestehenden Arbeitsgesetzes ausgenommen. Ein bereits lange geplantes Gesetz zum Schutz der Rechte von Hauspersonal wurde erneut verschoben. Im Juli 2016 empfahl das katarische Nationale Menschenrechtskomitee die Einführung eines Gesetzes zum Schutz der Menschenrechte von Arbeitsmigranten in Privathaushalten und sprach sich dafür aus, ihnen bei Menschenrechtsverstößen die Möglichkeit einer Beschwerde einzuräumen.

Es gab Hinweise auf die Ausbeutung von Arbeitsmigranten, die an der Renovierung des Khalifa-International-Stadions und des benachbarten Sportkomplexes Aspire Zone arbeiteten, beides Austragungsstätten der Fußballweltmeisterschaft 2022. Im April 2016 gab die Regierung als Reaktion auf diese Berichte bekannt, dass das Arbeitsministerium gegen die Bauunternehmen ermitteln werde, die für die Menschenrechtsverstöße verantwortlich seien. Das Supreme Committee for Delivery and Legacy, das Oberste Organisationskomitee für die WM 2022, das die Verantwortung für alle Projekte im Rahmen der WM 2022 trägt, kündigte entsprechende “Verbesserungsmaßnahmen” für die betroffenen Vertragsfirmen an. Eines der wichtigsten Bauunternehmen erhielt Auflagen für die Beteiligung an zukünftigen WM-Ausschreibungen. Einige Leiharbeitsfirmen dürfen sich nicht mehr an Projekten der WM 2022 beteiligen, inklusive einer Firma, bei der Zwangsarbeit nachgewiesen wurde. Im November 2016 unterzeichnete das Oberste Organisationskomitee eine einjährige Vereinbarung mit dem internationalen Gewerkschaftsbund Bau- und Holzarbeiter Internationale, in der gemeinsame Kontrollen der Wohn- und Arbeitsverhältnisse bestimmter Migrantengruppen, die an Bauprojekten arbeiten, sowie die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse festgeschrieben wurden. Die Vereinbarung bezog sich lediglich auf WM-Bauprojekte und erstreckte sich nicht auf damit verbundene Infrastrukturprojekte wie Straßen- und Schienenbau oder Hotels.

FRAUENRECHTE

Frauen wurden 2016 weiterhin durch Gesetze und im Alltag benachteiligt und waren Gewalt in der Familie schutzlos ausgeliefert. Gesetzliche Regelungen bezüglich Eheschließung, Scheidung, Erbschaftsangelegenheiten, Sorgerecht für die Kinder, Staatsangehörigkeit und Bewegungsfreiheit diskriminierten Frauen nach wie vor.

TODESSTRAFE

Gerichte verhängten erneut Todesurteile, und das Berufungsgericht bestätigte bereits bestehende Urteile. Es gab jedoch keine Berichte über Hinrichtungen.

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