Anfragebeantwortung zu Armenien: Staatliche Versorgung für Personen mit Demenzerkrankung und Diabetes [a-10305]

23. August 2017

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Dr. Jane Mahakian, eine in den USA ansässige Gerontologin und Gründerin von Alzheimer's Care Armenia, einer NGO, die durch Öffentlichkeitsarbeit Bewusstsein für Alzheimer und andere Arten von Demenz in Armenien schaffen möchte, schreibt in einer Email-Auskunft vom 15. August 2017, dass es Altersheime in Armenien gebe, in denen manche der Bewohner an Demenz leiden würden. Jedoch glaube sie nicht, dass es spezifische Pflegeheime für Menschen mit Alzheimer oder anderen Arten von Demenz in Armenien gebe. Im Mai 2018 würde sie in Armenien eine Konferenz zum Thema Alzheimer organisieren, an der pflegende Angehörige, Geistliche, Ärzte und Sozialarbeiter teilnehmen würden. Ziel der Konferenz sei es, das Thema Alzheimer in Armenien sichtbarer zu machen, und die Behandlung sowie Ausbildung von Pflegenden und Gesundheitsfachkräften zu thematisieren:

„I do know there are Old Age Homes in Armenia and some of these residents have a dementia. I do not believe there are specific care homes for people with AD or other dementias currently in Armenia. In May 2018, there will be a Alzheimer's Disease conference for family caregivers, clergy, physicians, medical students and social workers. I am currently coordinating this conference. It is our hope, with this conference, this will create more visibility in Armenia about Alzheimer's disease, its treatment and further need for education for caregivers as well as health care professionals.“ (Mahakian, 15. August 2017)

Ein Arzt an der Neurologie-Abteilung der Yerevan State Medical University bemerkt in einer Email-Auskunft vom 23. August 2017 zur Lage von Personen mit Alzheimer in Armenien, dass die Anzahl von Patienten, die an Alzheimer und anderen Arten von Demenz leiden würden, verheerend groß sei, da die Bevölkerung altere und es keine staatliche Unterstützung für Programme zur Diagnostizierung von Demenz, Ausbildung von geschultem Personal, Pflege und Behandlung gebe. Der Staat übernehme nicht die Kosten einer Behandlung, da Demenz nicht als medizinischer Notfall gelte und daher nicht auf die Liste medizinischer Diagnosen übernommen worden sei, für die der Staat aufkomme. Alle mit der Behandlung einhergehenden Kosten würden von der Familie übernommen. Was spezielle Pflegeeinrichtungen angehe, so fügt der Experte hinzu, dass es nur wenige kleine private Einrichtungen gebe, in denen speziell Alzheimer-Patienten einen Platz finden würden, jedoch seien diese Einrichtungen extrem teuer. (Arzt an der Neurologie-Abteilung der Yerevan State Medical University, 23. August 2017)

 

Armenia Now, eine Online-Nachrichtenwebsite, die von New Times Journalism Training Center, einer NGO zur Förderung und Ausbildung von Journalisten in Armenien, herausgegeben wird, berichtet im Oktober 2015, dass es hinsichtlich Pflegeheimen in Armenien einen positiven Trend gebe. Dem Leiter der Abteilung für die Angelegenheiten der älteren Bevölkerung des Ministeriums für Arbeit und soziale Belange, Anahit Gevorgyan, zufolge sei der Andrang auf Pflegeheime in Armenien gegenüber den neunziger Jahren zurückgegangen. Dadurch hätten sich auch die Bedingungen in den Einrichtungen verbessert. Laut Grevorgyan sei es in Armenien jedoch trotz der Tatsache, dass man die Unterbringung verbessert habe und nun weniger Personen gemeinsam in einem Zimmer untergebracht seien, unter derzeitigen Umständen nicht möglich, ein Altern in Würde zu garantieren. Die durchschnittliche Pension in Armenien belaufe sich auf circa 41.000 Dram (etwa 73 Euro), die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten würden jedoch bei 60.000 bis 70.000 Dram (etwa 107 bis 124 Euro) liegen. Für ältere Personen, die diese Kosten nicht zur Gänze aufbringen könnten, gebe es ein Familienunterstützungsprogramm. Für alleinstehende Personen, die nicht genügend Geld zur Verfügung hätten, gebe es eine monatliche Sozialleistung von 11.000 Dram (etwa 19,6 Euro). Derzeit würden etwa 14.000 alleinstehende SeniorInnen diese Unterstützungsleistung beziehen. Was Pflegeeinrichtungen angehe, so gebe es laut Grevorgyan in Armenien neun Vollzeit-Pflegeeinrichtungen, von denen sich fünf in staatlichem und vier in privatem Besitz befinden würden. Ein(e) Senior(in) müsse einen Platz in einer solchen Einrichtung beantragen. Personen mit einer psychischen Störung könnten nur durch einen gerichtlichen Bescheid, der die Person für unzurechnungsfähig erkläre, einer speziellen Pflegeeinrichtung zugewiesen werden, ohne dies persönlich zu beantragen:

„A positive trend has been observed at nursing homes in Armenia: the flow of the elderly into nursing homes, as opposed to the queues of the 1990s, has gone down, Anahit Gevorgyan, the head of the Department of Elderly People’s Affairs of the Ministry of Labor and Social Affairs, told media. Gevorgyan said that the phenomenon contributes to the improvement of the conditions of these facilities. ‘This enables us to provide better living conditions for the elderly, such as reducing the number of people living in one room, improve rooms and so on,’ he said. He confirmed that despite their best efforts, the current conditions do not yet fully ensure a dignified old age.

‘The average pension in Armenia is 41,000 drams (about $85), while the consumer basket is worth 60,000 to 70,000 drams. We compensate the elderly who fall short of the consumer basket with a family benefit scheme. Those, who are single and do not have sufficient conditions, receive a monthly benefit of 11,000 drams,’ said Gevorgyan.

At present there are 14,000 registered single senior citizens. Speaking about care centers, Gevorgyan said that in Armenia there are nine 24-hour care centers, five of which are state-owned, and four are private. ‘A boarding house is chosen by citizens on their request and on the basis of their application. People suffering from mental disorders can be admitted to only a specific type of nursing house without their application, by a court decision that will recognize a given person as incapacitated,’ he said.” (Armenia Now, 1. Oktober 2015)

In einem weiteren Artikel auf Armenia Now vom Juli 2012 wird berichtet, dass, obwohl 20.000 bis 30.000 Personen über 65 Jahre in Armenien von Alzheimer oder anderen Formen von Demenz betroffen seien, es überraschend schwer sei, PatientInnen oder FachärztInnen ausfindig zu machen. Dr. Hovhannes Manvelyan, Vorsitzender der Neurologie-Abteilung der Yerevan State Medical University und wahrscheinlich der einzige Neurologe in Armenien, der sich auf Alzheimer spezialisiert habe, gibt an, dass die Leute in Armenien Alzheimer als etwas Beschämendes betrachten würden. Da Demenz mit solch einem schweren sozialen Stigma belegt sei, würden Familien diese Schande verschweigen. Für viele Patienten hieße dass, hinter verschlossenen Türen zu leben. Jedoch habe Manvelyan auch festgestellt, dass sich die Umstände ändern würden. 2006, als er aus den USA nach Armenien zurückgekehrt sei, habe es nicht einmal die Diagnose Alzheimer gegeben. All diese Fälle seien als ein normaler Bestandteil des Alterns akzeptiert worden. Das Bewusstsein für die Krankheit unter Medizinern sei jedoch seither aufgrund von Vorlesungen und Tagungen für Allgemeinmediziner gestiegen und man versuche zu erklären, dass je früher die Diagnose stattfinde, desto erfolgversprechender eine Therapie sei. Obwohl Alzheimer nicht geheilt werden könne, gebe es in Armenien seit 2009 Generika, die den Verlauf der Krankheit verlangsamen könnten.

Professor Mikhail Aghajanov von der noch jungen National Alzheimer’s Association meint jedoch, dass Armenien noch einen weiten Weg vor sich habe, das größte Problem sei hierbei der Kostenaufwand der Krankheit. Jeder Patient koste bis zu 18.000 US-Dollar (etwa 15.280 Euro) jährlich. Dazu würden ein Mangel an spezialisierten Ärzten und ein schwerer Zugang zu spezielleren Medikamenten kommen, die es nur in Europa und den USA gebe. In Armenien benutze man laut Aghajanov Medikamente, die die Gehirndurchblutung fördern würden. Ausländische Kollegen würden manchmal Medikamente mitbringen, die aber nicht für alle Patienten ausreichen würden. Auch die National Alzheimer’s Association selber erhalte kaum finanzielle Unterstützung.

Suren Saryan, eine Armenierin, die ihre an Alzheimer leidende Mutter pflege, erzählt ebenfalls, dass die Ärzte ihrer Mutter nur Medikamente zur Durchblutung des Gehirns verschrieben hätten und dies die einzige Form der Therapie gewesen sei. Die Kosten für eine Behandlung hätten bald die Pension der Patientin überstiegen. Selbst das dazugegebene Geld einiger Familienmitglieder habe nicht gereicht, um die 15,000 Dram täglich (etwa 27 Euro) für eine Spezialbehandlung im Krankenhaus aufzubringen. Letztlich habe die Familie einen Pfleger angestellt, der aber keine Erfahrung mit der Krankheit gehabt habe. Teure Medikamente, die oft aus Russland oder Deutschland bestellt werden mussten sowie die Bezahlung des Pflegers hätten monatliche Kosten von 400 bis 800 US-Dollar (etwa 339 bis 679 Euro) verursacht:

„The Muratsan University Hospital Web site advertises diagnostic services at its Center of Memory Impairment in Yerevan. But within the clinic, people with Alzheimer’s disease - a severe form of dementia - are nowhere to be seen. Sitting in a sunny office, past the drab hallways of the pediatrics unit where mothers holding their infants wait in line or lean back into threadbare armchairs, the head of Muratsan Hospital, Dr. Kamsar Babinyan, spreads out his hands. ‘We do not have Alzheimer’s patients here,’ he says. And apparently, neither does anyone else. While Alzheimer’s disease and other forms of dementia—commonly associated with memory loss and the gradual inability to perform even the simplest daily tasks—affect an estimated 20,000 to 30,000 adults above the age of 65 in Armenia, it is surprisingly difficult to find patients and specialized doctors.

‘The problem is that people think [Alzheimer’s] is shameful and they don’t want to show their shame to the whole world,’ says Dr. Hovhannes Manvelyan, chairman of the Yerevan State Medical University Neurology Department and possibly the only neurologist in Armenia specialized in Alzheimer’s disease. Since dementia carries such a heavy social stigma, families often prefer to shroud their disgrace behind a veil of silence. For many patients, this means living behind locked doors. But at the Polyclinic No. 2, in the heart of Yerevan’s city center, Manvelyan is trying to raise awareness about the issue. Since returning to Armenia from a stint working at the University of California, San Francisco, he says things have begun to change. ‘When I came to Armenia from the U.S. in 2006, we didn’t even have an Alzheimer’s disease diagnosis,’ Manvelyan says. ‘All these cases were accepted as a normal part of aging—from abnormal living, to forgetting, to depression.’ […]

Awareness of the disease, Manvelyan says, has caught on within the medical community thanks to university lectures and training sessions for family practitioners, who are often the gatekeepers to specialized care in Armenia. ‘We spent a long time trying to show that we are dealing with a disease and the earlier the diagnosis, the more success we will have,’ Manvelyan says. While there is no cure for Alzheimer’s, generic brand prescriptions available in Armenia since the end of 2009 can somewhat slow its progression. ‘Time is not only money,’ Manvelyan says. ‘It is also brain.’ The president of Armenia’s fledgling National Alzheimer’s Association, Professor Mikhail Aghajanov, is less optimistic. Though Armenia is the only country from the Commonwealth of Independent States—after Russia—to join Alzheimer’s Disease International in 2010, he says the country still has a long way to go. According to Aghajanov, the main problem is grappling with the mounting costs of the disease. While every patient ideally requires the attention of at least 10 professionals, from psychologists and neurologists to speech therapists and round-the-clock nurses, not many families can afford such a comprehensive level of care. ‘It’s an expensive disease,’ Aghajanov says. ‘Every patient costs on average $18,000 a year.’ The issue is further exacerbated by a lack of specialized doctors and difficult access to more specific and aggressive medications offered in Europe and the U.S. ’We use medicines that improve the blood circulation in the brain,’ Aghajanov says about inadequate treatments available in Armenia. ’When my foreign colleagues come, they bring me drugs as a present but they’re not enough to share with all our patients.’ Despite plans to build a specialized clinic for people suffering from dementia, the project has come to a standstill. ’Nobody works without payment and we have no money,’ Aghajanov says. Occasional $500 checks from Alzheimer’s Disease International in London barely cover expenses for printing informational leaflets and organizing conferences on World Alzheimer’s Day on September 21. ’We have no funding,’ Aghajanov says.

Sitting in a pizza parlor along one of Yerevan’s main streets, Suren and Lilit Saryan say issues surrounding Alzheimer’s disease hit close to home. When Suren Saryan’s mother first developed symptoms of dementia, she was only in her 40s. The husband and wife have since experienced firsthand the vagaries of the healthcare system. […]

‘The doctors generally didn’t tell us any details and we didn’t feel secure that they knew what they were doing,’ Lilit Saryan says. ‘They prescribed medications to activate the circulation of blood in the brain and they could do nothing else.’ In addition to the emotional drain of the disease, costs for care soon rose well beyond the patient’s meager 40,000 dram ($98) pension. Even pooling money from various close family members was not sufficient to cover the 15,000 drams ($37) per day required for specialized care at a hospital. Finally, the family hired a caretaker with no specific knowledge of the disease. Between expensive medications, which often had to be ordered from Russia or Germany, and the caretaker’s salary, monthly bills fluctuated between $400 and $800.” (Armenia Now, 25. Juli 2012)

Bezüglich der Behandlung von Diabetes in Armenien findet sich eine Übersicht der Weltgesundheitsorganisation unter folgendem Link:

·      World Health Organization – Diabetes country profiles, 2016
http://www.who.int/diabetes/country-profiles/arm_en.pdf?ua=1

 

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 23. August 2017)

·      Armenia Now: Growing Old in Armenia: Dealing with Alzheimer’s disease, 25. Juli 2012
https://www.armenianow.com/news/39559/armenia_alzheimer_expensive_medical_care

·      Armenia Now: Officials: Number of people in retirement homes in Armenia decreasing, 1. Oktober 2015
https://www.armenianow.com/society/66676/armenia_elderly_people_world_day_nursing_houses

·      Arzt an der Neurologie-Abteilung der Yerevan State Medical University, Email-Auskunft, 23. August 2017

·      Mahakian, Jane: Email-Auskunft, 15. August 2017