Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa (jeweilige rechtliche Lage, staatliche und gesellschaftliche Behandlung, Diskriminierung, staatlicher bzw. rechtlicher Schutz bzw. Schutz durch internationale Organisationen, regionale Unterschiede, Möglichkeiten zur Ausübung des christlichen Glaubens, Veränderungen hinsichtlich der Lage der christlichen Gemeinschaft) [a-10159]

1. Juni 2017

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Nach Angaben des US-Nachrichtendiensts Central Intelligence Agency (CIA) seien 99,7 Prozent der Bevölkerung Afghanistans Muslime. Der Anteil der Sunniten liege bei 84,7 bis 89,7 Prozent, während jener der Schiiten bei 10 bis 15 Prozent liege. Nichtmuslimische Gruppen würden 0,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen (CIA, Stand 1. Mai 2017). Laut US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) würden zu den nichtmuslimischen Gruppen vor allem Hindus, Sikhs, Bahá'í und Christen zählen. Bezüglich Zahl der christlichen Gemeinden im Land würden keine verlässlichen Schätzungen vorliegen (USDOS, 10. August 2016, Section 1). Nach Angaben des niederländischen Außenministeriums handle es sich dabei wahrscheinlich um einige Dutzend Personen (BZ, 15. November 2016, S. 65). Laut Angaben der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), eines evangelikalen Netzwerks verschiedener Kirchen und Gemeinschaften in Deutschland, gehe „[e]ine optimistische Schätzung […] davon aus, dass es mehrere Tausend einheimische Christen“ im Land gebe (EAD, 9. Juni 2015). Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt unter Berufung auf Berichte afghanischer Flüchtlinge in Europa, dass unter anderem die Zahl der Christen in Afghanistan seit dem Wiedererstarken der Taliban im Jahr 2015 vermutlich erheblich zurückgegangen sei (USCIRF, 26. April 2017).

 

 

1) Vom Islam abgefallene Personen (Apostaten)

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass Apostasie (Arabisch: ridda) in der klassischen Scharia als „Weggehen“ vom Islam verstanden werde und ein Apostat (Arabisch: murtadd) ein Muslim sei, der den Islam verleugne. Apostasie müsse nicht unbedingt bedeuten, dass sich der Apostat einer neuen Glaubensrichtung anschließe:

„Apostasi (arabisk: ridda) blir i klassisk sharia forstått som å gå bort fra islam (arabisk: ar-ruju’ ’an din al-islam), og en apostat (arabisk: murtadd) er en muslim (født muslim) som fornekter islam. Apostasi behøver ikke innebære at apostaten slutter seg til en annen trosretning.“ (Landinfo, 4. September 2013, S. 10)

Artikel 2 der Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan vom Jänner 2004 legt die „heilige Religion des Islam“ als Religion Afghanistans fest. Angehörige anderer Glaubensrichtungen steht es frei, innerhalb der Grenzen des Gesetzes ihren Glauben und ihre religiösen Rituale auszuüben. Gemäß Artikel 3 der Verfassung darf kein Gesetz in Widerspruch zu den Lehren und Vorschriften des Islam stehen. Laut Artikel 7 ist Afghanistan indes verpflichtet, die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, zwischenstaatlicher Vereinbarungen, internationaler Vertragswerke, deren Vertragsstaat Afghanistan ist, sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einzuhalten. Artikel 130 der Verfassung schreibt vor, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Fällen die Bestimmungen der Verfassung und anderer Gesetze zu berücksichtigen haben. Wenn es jedoch zu einem Fall keine Bestimmungen in der Verfassung oder anderen Gesetzen gibt, so haben die Gerichte entsprechend der (sunnitischen) hanafitischen Rechtssprechungstradition innerhalb der Grenzen der Verfassung auf eine Art und Weise zu entscheiden, welche am besten geeignet ist, Gerechtigkeit zu gewährleisten:

„Article Two

The sacred religion of Islam is the religion of the Islamic Republic of Afghanistan. Followers of other faiths shall be free within the bounds of law in the exercise and performance of their religious rituals.” (Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, 26. Jänner 2004, Artikel 2)

“Article Three

No law shall contravene the tenets and provisions of the holy religion of Islam in Afghanistan.” (Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, 26. Jänner 2004, Artikel 3)

“Article Seven

The state shall observe the United Nations Charter, inter-state agreements, as well as international treaties to which Afghanistan has joined, and the Universal Declaration of Human Rights.” (Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, 26. Jänner 2004, Artikel 7)

“Article One Hundred Thirty

In cases under consideration, the courts shall apply provisions of this Constitution as well as other laws. If there is no provision in the Constitution or other laws about a case, the courts shall, in pursuance of Hanafi jurisprudence, and, within the limits set by this Constitution, rule in a way that attains justice in the best manner.” (Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, 26. Jänner 2004, Artikel 130)

Bezug nehmend auf den soeben zitierten Artikel 130 der afghanischen Verfassung schreibt Landinfo im August 2014, dass dieser Artikel hinsichtlich Apostasie und Blasphemie relevant sei, da Apostasie und Blasphemie weder in der Verfassung noch in anderen Gesetzen behandelt würden. (Landinfo, 26. August 2014, S. 2). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiere keine Definition von Apostasie (Landinfo, 4. September 2013, S. 10; USDOS, 10. August 2016, Section 2). Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt, dass das Strafgesetzbuch den Gerichten ermögliche, Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst seien, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten „hudud“-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (USCIRF, 26. April 2017). Die Scharia zähle Apostasie zu den sogenannten „hudud“-Vergehen (USDOS, 10. August 2016, Section 2) und sehe für Apostasie wie auch für Blasphemie die Todesstrafe vor (Landinfo, 26. August 2014, S. 2).

 

Die United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), eine staatliche Einrichtung der USA zur Beobachtung der Situation hinsichtlich der Meinungs- Gewissens- und Glaubensfreiheit im Ausland, schreibt in ihrem Jahresbericht vom April 2017, dass staatlich sanktionierte religiöse Führer sowie das Justizsystem dazu ermächtigt seien, islamische Prinzipien und das Scharia-Recht (gemäß Hanafi-Rechtslehre) auszulegen. Dies führe zuweilen zu willkürlichen und missbräuchlichen Auslegungen und zur Verhängung schwerer Strafen, darunter der Todesstrafe (USCIRF, 26. April 2017).

 

Die Internationale Humanistische und Ethische Union (International Humanist and Ethical Union, IHEU), ein Zusammenschluss von über 100 nichtreligiösen humanistischen und säkularen Organisationen in mehr als 40 Ländern, bemerkt in ihrem im November 2016 veröffentlichten „Freedom of Thought Report 2016“, dass sich die Gerichte bei ihren Entscheidungen weiterhin auf Auslegungen des islamischen Rechts nach der Hanafi-Rechtslehre stützen würden. Das Office of Fatwa and Accounts innerhalb des Obersten Gerichtshofs Afghanistans würde die Hanafi-Rechtsprechung auslegen, wenn ein Richter Hilfe dabei benötige, zu verstehen, wie die Rechtsprechung umzusetzen sei:

“The Office of Fatwa and Accounts within the Supreme Court interprets Hanafi jurisprudence when a judge needs assistance in understanding its application. Courts continue to rely on Hanafi interpretations of Islamic law, even in cases which conflict with the country’s international commitments to the Universal Declaration of Human Rights and the International Covenant on Civil and Political Rights.” (IHEU, 1. November 2016)

Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützige Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, die Analysen zu politischen Themen in Afghanistan und der umliegenden Region erstellt, bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) Folgendes bezüglich der Rechtspraxis:

„Zwar gibt es drei parallele Rechtssysteme (staatliches Recht, traditionelles Recht und islamisches Recht/Scharia), doch letztendlich ziehen sich viele Richter, wenn die Lage irgendwie politisch heikel wird, auf das zurück, was sie selber als Scharia ansehen, statt sich etwa auf die Verfassung zu berufen. Die Scharia ist nicht gänzlich kodifiziert, obwohl verschiedenste Rechtskommentare etc. existieren, und zudem gibt es zahlreiche Widersprüche in den Lehrmeinungen.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

Michael Daxner, Sozialwissenschaftler, der das Teilprojekt C9 „Sicherheit und Entwicklung in Nordost-Afghanistan“ des Sonderforschungsbereichs 700 der Freien Universität Berlin leitet, bemerkte beim selben Expertengespräch vom Mai bezüglich der Auslegung des islamischen Rechts und islamischer Prinzipien:

„Sehr oft stammen die liberalsten Auslegungen von Personen, die etwa an einer Einrichtung wie der Al-Azhar in Kairo studiert haben und daher mit den Rechtskommentaren vertraut sind. Man kann sich indes kaum vorstellen, wie wenig theologisch und religionswissenschaftlich versiert die Geistlichen auf den unteren Ebenen sind. Wenn ein Rechtsgelehrter anwesend ist, der etwa von der Al-Azhar kommt, kann er die Sache auch ein Stück weit zugunsten des Beschuldigten drehen, denn je mehr glaubwürdige Kommentare dem Scharia-Text zugefügt werden, desto besser sieht es für die Betroffenen aus.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) geht in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender wie folgt auf die strafrechtlichen Konsequenzen von Apostasie bzw. Konversion vom Islam ein:

„Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten ‚ungeheuerlichen Straftaten‘, die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwalt-schaft fallen.

Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist.“ (UNHCR, 19. April 2016, S. 61)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem im August 2016 veröffentlichten Länderbericht zur internationalen Religionsfreiheit (Berichtsjahr 2015), dass laut Hanafi-Rechtlehre Männer bei Apostasie mit Enthauptung und Frauen mit lebenslanger Haft zu bestrafen seien, sofern die Betroffenen keine Reue zeigen würden. Richter könnten zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestünden. Laut der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte würde der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion Apostasie darstellen. In diesem Fall habe die betroffene Person drei Tage Zeit, um die Konversion zu widerrufen. Widerruft sie nicht, so habe sie die für Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Die genannten Entscheidungsempfehlungen würden in Bezug auf Personen gelten, die geistig gesund und vom Alter her „reif“ seien. Dieses Alter werde im Zivilrecht mit 18 Jahren (bei Männern) bzw. 16 Jahren (bei Frauen) festgelegt. Gemäß islamischem Recht erreiche eine Person dieses Alter, sobald sie Anzeichen von Pubertät zeige:

„According to Sunni Hanafi jurisprudence, beheading is appropriate for male apostates, while life imprisonment is appropriate for female apostates unless they repent. A judge may also impose a lesser penalty if doubt about the apostasy exists. This guidance applies to individuals who are of sound mind and have reached the age of maturity. Although civil law states the age of majority for male citizens is 18 and for female citizens 16, Islamic law defines it as the point at which one shows signs of puberty.

Under the courts’ interpretation of Islamic law, conversion from Islam to another religion is apostasy. If someone converts to another religion from Islam, he or she shall have three days to recant the conversion. If the person does not recant, then he or she shall be subject to the punishment for apostasy.” (USDOS, 10. August 2016, Section 2)

Auch der Bericht von Landinfo vom September 2013 behandelt unter Berufung auf verschiedene Quellen die rechtlichen Folgen von Apostasie. Das Strafrecht sehe gemäß Scharia die Todesstrafe für erwachsene zurechnungsfähige Männer vor, die den Islam freiwillig verlassen hätten. Diese Rechtsauffassung gelte sowohl für die schiitisch-dschafaritische als auch für die (in Afghanistan dominierende) sunnitisch-hanafitische Rechtsschule. Nach einer Einschätzung in einer Entscheidung des britischen Asylum and Immigration Tribunal aus dem Jahr 2008 sei das Justizwesen in Afghanistan mehrheitlich mit islamischen Richtern besetzt, die den Doktrinen der hanafitischen bzw. dschafaritischen Rechtssprechung folgen würden, welche die Hinrichtung von muslimischen Konvertiten empfehlen würden. Die Strafen für Frauen im Falle von Apostasie seien indes weniger schwer: sie würden „gefangen gehalten“. Die sunnitisch-hanafitische Rechtslehre sehe dabei eine mildere Bestrafung vor als die schiitisch-dschafaritische. Während letztere vorsehe, dass (weibliche) Apostatinnen täglich jeweils zu den Gebetszeiten ausgepeitscht würden, sehe die hanafitische Lehre vor, dass sie jeden dritten Tag geschlagen würden, um sie zu zur Rückkehr zum Islam zu bewegen. Neben Frauen seien auch Kinder, androgyne Personen und nichtgebürtige Muslime im Fall von Apostasie von der Todesstrafe ausgenommen. Bezüglich der Anwendung der Scharia und der strafrechtlichen Konsequenzen für Apostasie liege kein Erfahrungsmaterial speziell zu Afghanistan vor. Zugleich sei Landinfo der Auffassung, es gebe Grund zur Annahme, dass etwaige gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich unterschiedlich ausgefallen seien, jedoch den soeben beschriebenen Richtlinien entsprechen würden, wobei die Variationen eventuell weniger ausgeprägt sein könnten. Dies gelte auch für die zivilrechtlichen Folgen von Apostasie. Wie Landinfo bemerkt, könne in Afghanistan gemäß Verfassung und religiösen Rechtsmeinungen die Todesstrafe verhängt werden, wenn ein Fall von Konversion vor Gericht komme. Dies gelte sowohl für das staatliche als auch für das traditionelle Rechtssystem:

„Strafferettslig hjemler tradisjonell sharia dødsstraff for en tilregnelig voksen mann som frafaller islam frivillig (Peters & De Vries 1976, s. 5). Denne rettsforståelsen gjelder både for shia ja’fari og den rådende lovskoleretningen i Afghanistan, sunni hanafi; The judicial system in Afghanistan is largely comprised of conservative Islamic judges who follow Hanafi or Jafari doctrines recommending execution for converted Muslims (Asylum and Immigration Tribunal 2008). Straffealternativene for kvinner, både innenfor hanafi- og ja’fari-rett, er mindre alvorlige; ‚women are ‚kept in hostage‘ instead.‘ Sunni Hanafi anviser mildere sanksjoner enn shia ja’fari, som forskriver pisking ved bønnetid: ‚Dabei ist sie täglich zu peitschen, nach den Ga’fariten jeweils zur Gebetszeit‘ (Tellenbach 2006). Sunni Hanafi anviser pryl hver tredje dag: ‘They shall be beaten every three days in order to effect their return to Islam’ (Peters & De Vries 1976, s. 5). At kvinnelige apostater straffes mildere, kan antagelig ses som en indirekte erkjennelse av kvinnenes underordnede stilling. Kvinner er i liten grad i posisjon til å ta genuint selvstendige avgjørelser på dette felt. Barn, hermafroditter og muslimer som ikke er født som muslimer, er også unntatt for dødsstraff (Peters & De Vries 1976, s. 6). Når det gjelder sharia og strafferettslige konsekvenser, forligger det ikke afghansk erfaringsmateriale. Samtidig mener Landinfo at det er grunn til å tro at eventuelle rettslige avgjørelser på dette felt ville ha variert, men vært i tråd med de generelle føringene det er redegjort for overfor, eventuelt med mindre variasjoner. Dette gjelder også for de sivilrettslige konsekvensene av apostasi […]. Grunnlovens bestemmelser og de rådende religiøse rettsoppfatning(er) i Afghanistan innebærer at dødsstraff vil kunne bli anvendt i tilfelle en konverteringssak kommer til rettslig behandling (se del 5.2, første avsnitt). Dette gjelder både for det offentlige og tradisjonelle rettsystemet.“ (Landinfo, 4. September 2013, S. 10)

Dem USDOS zufolge seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt (USDOS, 10. August 2016, Section 2).

 

UNHCR schreibt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender Folgendes über zivilrechtliche und gesellschaftliche Folgen einer (vermeintlichen) Apostasie bzw. Konversion:

„Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren.

Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können Berichten zufolge selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. […]

Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).“ (UNHCR, 19. April 2016, S. 61-62)

Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen sei mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen seien:

„Apostater som konverter til en annen religion i Afghanistan vil imidlertid komme i en annen situasjon enn ateister eller personer med sekulært politisk grunnsyn. Å benekte eller tvile på eksistensen av Gud/guder innebærer ingen forventninger om eller krav til adferd i dagliglivet; studier, klesdrakt, erkjennelse, bekjennelse eller rituelle handlinger, og en slik anskuelse som sådan vil være enklere å skjule enn konvertering til religion med adferdsimperativ, menighetstradisjoner og ritualer […].“ (Landinfo, 4. September 2013, S. 9)

Die IHEU bemerkt in ihrem Bericht vom November 2016, dass nur sehr wenige Fälle von „Ungläubigen“ bzw. Apostaten verzeichnet würden, was wahrscheinlich jedoch bedeute, dass viele Konvertiten und Andersgläubige zu viel Angst davor hätten, ihren Glauben öffentlich kundzutun. Der Übertritt vom Islam werde selbst von vielen Personen, die sich allgemein zu demokratischen Werten bekennen würden, als Tabu angesehen. (IHEU, 1. November 2016)

 

Laut einem Artikel von BBC News vom Jänner 2014 stelle Konversion bzw. Apostasie in Afghanistan nach islamischem Recht eine Straftat dar, die mit der Todesstrafe bedroht sei. In manchen Fällen würden die Leute jedoch die Sache selbst in die Hand nehmen und einen Apostaten zu Tode prügeln, ohne dass die Angelegenheit vor Gericht gelange:

„Conversion, or apostasy, is also a crime under Afghanistan's Islamic law and is punishable by death. In some instances, people may even take matters into their own hands and beat an apostate to death without the case going to court.” (BBC News, 14. Jänner 2014)

Weiters bemerkt BBC News, dass für gebürtige Muslime ein Leben in der afghanischen Gesellschaft eventuell möglich sei, ohne dass sie den Islam praktizieren würden oder sogar dann, wenn sie „Apostaten“ bzw. „Konvertiten“ würden. Solche Personen seien in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren würden. Gefährlich werde es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben. Es gebe kein Mitleid mit Muslimen, die „Verrat an ihrem Glauben“ geübt hätten, indem sie zu einer anderen Religion konvertiert seien oder aufgehört hätten, an den einen Gott und an den Propheten Mohammed zu glauben. In den meisten Fällen werde ein Apostat von seiner Familie verstoßen:

„For those who were born Muslim, it might be possible to live in Afghan society if one does not practise Islam or even becomes an ‘apostate’ or a ‘convert’. They are safe as long as they keep quiet about it. The danger comes when it is made public that a Muslim has stopped believing in the principles of Islam. There is no compassion for Muslims who ‘betray their faith’ by converting to other religions or who simply stop believing in one God and the Prophet Muhammad. And, in most cases, the family itself disowns a person who becomes an apostate.” (BBC News, 14. Jänner 2014)

2) Christliche KonvertitInnen

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016), dass Christen als religiöse Gruppe in der afghanischen Verfassung „(wohl bewusst) nicht genannt“ würden, während Sikhs und Hindus in der Verfassung genannt würden und die gleichen Rechte hinsichtlich der Religionsausübung zuerkannt bekämen wie Muslime schiitischer Konfession. Da es jedoch niemanden gebe, der in der Lage sei, die Verfassung umzusetzen, könne „die Verfassung einen Christen wohl auch dann nicht schützen, wenn die Verfassung die Religionsausübung von Christen garantieren würde und sich ein Christ auf die Verfassung berufen könnte“. (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

 

UNHCR bemerkt in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, dass nichtmuslimische religiöse Minderheiten, darunter Christen, „weiterhin im geltenden Recht diskriminiert“ würden. Die sunnitische Hanafi-Rechtssprechung gelte für „alle afghanischen Bürger, unabhängig von ihrer Religion“. Die „einzige Ausnahme“ würden „Personenstandsachen [bilden], bei denen alle Parteien Schiiten sind“, in diesem Fall würde „das schiitische Recht für Personenstandsachen angewendet“. Für andere religiöse Gruppen gebe es „kein eigenes Recht“. Wie UNHCR weiter ausführt, würden unabhängig davon „nicht-muslimische Minderheiten Berichten zufolge weiterhin gesellschaftliche Schikanierung und in manchen Fällen Gewalt“ erfahren. So würden Mitglieder religiöser Minderheiten wie etwa der Christen „aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung“ es vermeiden, „sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln“. (UNHCR, 19. April 2016, S. 57-58)

 

Ähnlich schreibt das US-Außenministerium (USDOS) in seinem im August 2016 veröffentlichten Jahresbericht zur Religionsfreiheit (Berichtsjahr: 2015) unter Berufung auf Vertreter von Minderheitenreligionen, dass die afghanischen Gerichte Nichtmuslimen nicht dieselben Rechte wie Muslimen zugestehen würden und Nichtmuslime häufig der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung unterworfen würden (USDOS, 10. August 2016, Section 2).

 

Ruttig geht im Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) wie folgt auf die Lage von christlichen Konvertiten ein:

„Die Gleichberechtigung gilt nicht für die zunehmende Zahl von Christen, bei denen es sich ausschließlich um Konvertiten (oft durch evangelikale Gruppen; aber auch bewusste Abwendungen vom Islam unter Gebildeten) und nicht um autochthone Gruppen handelt. Als ehemalige Muslime gelten sie als Abtrünnige, worauf nach der Scharia (siehe Rechtssysteme) die Todesstrafe stehen kann. Ihre Zahl ist nicht bekannt. Es gibt heute eine ganze Reihe von Afghanen, die zum Christentum übergetreten sind. Sie tun alle sehr wohl daran, ihren Glaubensübertritt nicht (weitestgehend nicht einmal gegenüber der eigenen Familie) bekanntzugeben. Es handelt sich zum Teil um Angehörige stark unterprivilegierter Gruppen (Straßenkinder, sehr arme Familien), die über humanitäre Ausreichungen konvertiert worden sind und ich habe auch Leute von denen getroffen, die oft nur geringe Kenntnisse über das Christentum haben. Aber es gibt auch sehr bewusste Entscheidungen unter gebildeten Afghanen, die sich bewusst vom Islam abwenden und Christen werden. Mir sind persönlich Fälle von drei oder vier Leuten bekannt (aber es gibt natürlich viel mehr!), deren Konversion bekannt geworden ist, die dann aus Afghanistan gerettet und ausgeflogen werden mussten. Konversion ist einfach nicht vorgesehen, deswegen stehen diese Christen unter starkem Verfolgungsdruck.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 8-9)

„Afghanen, die einer Konversion beschuldigt werden, stehen völlig im Regen. Es gibt niemanden, der ihnen helfen kann. Falls die Sache vor ein staatliches Gericht kommt (was unwahrscheinlich ist), dann sehen sich die Richter ideologisch derart gezwungen, nach der Scharia zu urteilen, dass der Fall nur schlecht für den Betroffenen ausgehen kann.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

Wie UNHCR bemerkt, dürften Nichtmuslime „Berichten zufolge nur dann untereinander heiraten, wenn sie sich nicht öffentlich zu ihren nicht-islamischen Überzeugungen bekennen“ würden (UNHCR, 19. April 2016, S. 58).

 

Weitere Informationen zur rechtlichen Lage von christlichen Konvertiten entnehmen Sie bitte dem obigen Unterkapitel „Vom Islam abgefallene Personen“ (Apostaten)“.

 

UNHCR schreibt Folgendes über gesellschaftliche Haltungen gegenüber Christen sowie über das Vorgehen der Taliban gegen (vermeintlich) christliche ausländische Hilfsorganisationen:

„Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist Berichten zufolge weiterhin offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. In Afghanistan existieren keine öffentlichen Kirchen mehr und Christen beten allein oder in kleinen Versammlungen in Privathäusern. Im Jahr 2013 riefen vier Parlamentsmitglieder Berichten zufolge zur Hinrichtung von Personen auf, die zum Christentum konvertiert sind. Die Taliban haben Berichten zufolge ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien.“ (UNHCR, 19. April 2016, S. 58-59)

Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt im April 2017, dass nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen seien. Es würden unter anderem Berichte über Schikanen gegen vom Islam konvertierte Personen vorliegen. Mitglieder nichtmuslimischer Gemeinschaften hätten berichtet, dass allgemein vorherrschende Unsicherheit und Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten sie dazu bewegt hätten, das Land zu verlassen:

„Non-Muslim religious communities continue to face societal discrimination, harassment, and, at times, violence. Intimidation and harassment to pressure non-Muslims to convert to Islam have been reported, as well as harassment of converts from Islam. Additionally, non-Muslim communities reported that general insecurity and a lack of economic opportunities have compelled them to emigrate.” (USCIRF, 26. April 2017)

Das USDOS bemerkt, dass Christen aus Angst vor staatlichen Repressalien weiterhin Situationen aus dem Weg gehen würden, die geeignet wären, bei der Regierung den Eindruck zu erwecken, sie würden versuchen, ihre Religion zu verbreiten. Weiters hätten Christen angegeben, dass die öffentliche Meinung gegenüber christlichen Konvertiten und der Idee der christlichen Missionierung feindselig sei. Mitglieder der kleinen christlichen Gemeinde, von denen viele im Ausland zum Christentum konvertiert seien, würden aus Angst vor Diskriminierung oder Verfolgung weiterhin alleine oder in kleinen Gruppen in Privathäusern Gottesdienst halten. Es gebe weiterhin keine öffentlichen christlichen Kirchen in Afghanistan. Für nichtafghanische Staatsangehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen gebe es Gebetsstätten innerhalb von Militäreinrichtungen der Koalitionstruppen sowie in Botschaften in Kabul:

Christians said they continued to avoid situations where the government might perceive them as seeking to spread their religion to the larger community out of fear of government reprisal.” (USDOS, 10. August 2016, Section 2)

Christians said public opinion continued to be hostile toward converts to Christianity and to the idea of Christian proselytizing. They said members of the small Christian community, many of whom had converted to Christianity while living in third countries, continued to worship alone or in small congregations in private homes out of fear of societal discrimination and persecution. […]

There continued to be no public Christian churches. Worship facilities for noncitizens of various faiths were located at coalition military facilities and at embassies in Kabul.” (USDOS, 10. August 2016, Section 3)

Laut Angaben der USCIRF befinde sich die einzige bekannte christliche Kirche im Land auf dem Gelände der italienischen Botschaft (USCIRF, 26. April 2017).

 

Der Deutschlandfunk, ein öffentlich-rechtlicher Radiosender mit Sitz in Köln, zitiert im Februar 2017 den deutschen reformierten Theologen und Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher mit folgender Aussage, die sich auf Übertritte afghanischer Asylwerber zum Christentum bezieht:

„‚Für viele Muslime ist die Sache hoch gefährlich, weil im Islam eine Strafe auf Apostasie und Blasphemie steht. Und sie können dann so oder so nicht mehr in ihre Länder zurück. Im Regelfall wird aber auch die Familie sie verstoßen. In Afghanistan gibt es – ja man kann schon sagen – ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem offiziellen Islam und allen abweichenden Formen und der zweitgrößten Religion im Land, dem Christentum.‘“ (Deutschlandfunk, 13. Februar 2017)

Die Evangelische Allianz in Deutschland (EAD) beschreibt die Lage von Christen wie folgt:

„Gemeinden leben fast ausschließlich als Untergrundkirche, und es gab nur eine leichte Verbesserung seit dem Sturz der Taliban. Gläubige aus dem Ausland, die stark zugenommen haben, können nur sehr vorsichtig ihren Glauben bezeugen. Die Zahl der afghanischen Gläubigen wächst, ebenso die Mittel, die zur Verfügung stehen, um ihnen zu helfen. […] Werden spirituellen Aktivitäten unter den Gläubigen entdeckt, wird auf dem muslimischem Hintergrund in den Medien intensiv darüber berichtet und versichert, hart durchzugreifen bis hin zur Todesstrafe.“ (EAD, 9. Juni 2015)

Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass sich die religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Beschränkungen, denen Christen in Afghanistan unterworfen seien, nicht anders gestalten würden als für andere Gruppen mit Meinungen, Weltansichten, politischen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen, die als Abfall vom Islam wahrgenommen werden könnten. Ebenso wie Personen mit säkularen Ansichten, Atheisten und nichtgläubige Afghanen müssten auch Christen ständige Selbstzensur üben und könnten sich wegen drohender Angriffe nicht zu ihrem Verhältnis zum bzw. ihrer Sicht auf den Islam äußern. Angehörige solcher Gruppen seien gezwungen, sich konform mit dem Islam, d.h. so zu verhalten, als wären sie Muslime. Nach außen hin müssten alle Afghanen die religiösen Erwartungen ihrer lokalen Gemeinschaft hinsichtlich religiösen Verhaltensweisen, Gebeten etc. erfüllen. Laut Angaben unter anderem der norwegischen Kulturberatungsfirma Hansen Cultural Coaching (HCC) gebe es viele Afghanen (nicht nur christliche Konvertiten), die lokale religiöse Sitten befolgen und an religiösen Ritualen teilnehmen, ohne dass diese Handlungen ihre tatsächlichen inneren Glaubensvorstellungen und Überzeugungen widerspiegeln würden:

„De begrensninger religiøse, kulturelle og sosiale rammer setter for kristne i Afghanistan – som enkeltpersoner med en særskilt ‚indre‘ overbevisning betraktet – er ikke eller fungerer ikke annerledes enn for enkelte andre grupper med synspunkt, verdensanskuelse, politisk overbevisning eller tro som kan oppfattes som frafall fra islam. Personer i sekulære miljøer, ateister og ikke-troende afghanere vil – som de kristne – måtte utøve kontinuerlig selvsensur og ikke ytre seg om sitt forhold til eller synspunkt på islam, på grunn av risiko for sanksjoner.

Likeledes vil disse gruppene være tvunget til adferd som er konform med islam; de må handle og opptre som om de var muslimer; i det ytre må alle afghanere oppfylle det lokale miljøs forventninger om religiøs adferd, bønn, og så videre. Det er, blant annet ifølge HCC, mange afghanere, ikke kun kristne konvertitter, som følger lokale religiøse skikker og deltar i ritualer uten at det reflekterer deres ‚indre‘ tro og overbevisning (samtale 13. august 2013).“ (Landinfo, 4. September 2013)

Die US-Tageszeitung New York Times (NYT) berichtet in einem älteren Artikel vom Juni 2014, dass es aus offizieller Sicht keine afghanischen Christen gebe. Die wenigen Afghanen, die das Christentum praktizieren würden, würden dies aus Angst vor Verfolgung im Privaten tun und eine der wenigen Untergrundkirchen besuchen, von denen man annehme, dass sie im Land existieren würden. Ausländische Christen würden Kapellen in Botschaftseinrichtungen besuchen, doch diese seien für Afghanen praktisch unzugänglich. Im vergangenen Jahrzehnt seien nur wenige Fälle von Konversion öffentlich bekannt geworden. In der Regel sei die Regierung dann rasch und lautlos vorgegangen: Die Betroffenen seien dazu aufgefordert worden, ihren Glaubensübertritt zu widerrufen, und wenn sie sich geweigert hätten, seien sie aus dem Landes vertrieben worden, in der Regel nach Indien:

In official eyes here, there are no Afghan Christians. The few Afghans who practice the faith do so in private for fear of persecution, attending one of a handful of underground churches that are believed to be operating in the country. Expatriates use chapels on embassy grounds, but those are effectively inaccessible to Afghans.

Only a few Afghan converts have surfaced in the past decade, and the government has typically dealt with them swiftly and silently: They are asked to recant, and if they refuse, they are expelled, usually to India, where an Afghan church flourishes in New Delhi.” (NYT, 21. Juni 2014)

Die NYT berichtet weiters über den Fall eines in Deutschland zum Christentum konvertierten Afghanen („Josef“), der danach nach Italien abgeschoben und von dort mangels Perspektiven nach Pakistan gegangen sei, um dort bei seiner Frau und deren Familie zu leben. Als die Brüder seiner Frau von seinem Glaubensübertritt erfahren hätten, hätten sie ihn verprügelt, gefesselt, in ein Zimmer gesperrt und mit dem Tod gedroht. Josefs Vater sei dazwischen gegangen und habe erklärt, er wolle zuerst seine Familie (Josefs Onkeln) um Rat fragen, wie vorzugehen sei. Inzwischen sei Josef die Flucht gelungen und er sei nach Kabul gegangen. Dort halte ihn ein Jugendfreund in einem kleinen Kellerraum eines leerstehenden Hauses versteckt und versorge ihn einmal wöchentlich mit Nahrung. Kürzlich sei ein Schwager Josefs aus Pakistan in Kabul eingetroffen, um den Konvertiten ausfindig zu machen und zu töten. Der Schwager habe zudem angekündigt, auch Josefs dreijährigen Sohn in Pakistan zu töten, da dieser der „Bastard“ eines nichtmuslimischen Vaters sei. Wie die NYT bemerkt, könne Josef nicht mit der Hilfe der Polizei rechnen, zumal Konvertiten berichtet hätten, dass sie in Gewahrsam geschlagen und sexuell missbraucht worden seien:

In a dank basement on the outskirts of Kabul, Josef read his worn blue Bible by the light of a propane lantern, as he had done for weeks since he fled from his family in Pakistan.

His few worldly possessions sat nearby in the 10-by-10-foot room of stone and crumbling brown earth. He keeps a wooden cross with a passage from the Sermon on the Mount written on it, a carton of Esse cigarettes, and a thin plastic folder containing records of his conversion to Christianity.

The documents are the reason he is hiding for his life. On paper, Afghan law protects freedom of religion, but the reality here and in some other Muslim countries is that renouncing Islam is a capital offense.

Josef’s brother-in-law Ibrahim arrived in Kabul recently, leaving behind his family and business in Pakistan, to hunt down the apostate and kill him. Reached by telephone, Ibrahim, who uses only one name, offered a reporter for The New York Times $20,000 to tell him where Josef was hiding.

‘If I find him, once we are done with him, I will kill his son as well, because his son is a bastard,’ Ibrahim said, referring to Josef’s 3-year-old child. ‘He is not from a Muslim father.’ […]

The police would be no help. Converts report being beaten and sexually abused while in custody. His family in Afghanistan is also a dead end: His uncles are hunting for him now, too. […]

In Hanover, close to where his siblings lived, Josef found a Protestant church for Farsi speakers, and began attending services, at first just to watch. […]

After 15 days in Germany, he turned himself in and applied for asylum, and was held in a refugee camp where the monotony was broken by visits from missionaries.

‘I think I was impressed by the personality of Jesus himself,’ he said. ‘The fact that he came here to take all of our sins, that moved me. I admired his character and personality long before I was baptized.’

When he was released to live with his sister in Kassel, he returned to the church in Hanover and converted, a decision his siblings accepted with open-mindedness.

The reprieve was short-lived; the German authorities rearrested him and deported him to Italy because he had not sought asylum in the European Union country where he was first processed, as required. Without family or friends in Italy, he sought aid from churches and charities that offered him food but no shelter.

Homeless, broke, depressed and in deteriorating health, Josef gave up and went to live with his wife and her family in northern Pakistan.

Knowing the stakes of his secret, he put digital copies of his asylum paperwork and mementos of his conversion and baptism on a flash drive he carried in his pocket, finding some comfort in having them with him.

But one day in March, he left the flash drive at home. While he ran errands, one of his wife’s brothers borrowed the flash drive to save a file, and discovered what was on it.

When Josef came home that evening, his in-laws grabbed him by the throat and beat him. ‘We tied his hands and his legs and we wanted to kill him,’ Ibrahim said. ‘It was my father who intervened, and said that he wanted to talk to his family first.’

The father said they would contact Josef’s uncles for guidance, and in the meantime Josef would be locked in a room at the side of the house, bound hand and foot.

In the middle of the night, Josef managed to escape, sneaking out of the house without a final goodbye to his wife or son. He caught a night bus to the border with Afghanistan. On the way, he phoned a childhood friend to ask for help, and then called his sister in Germany, weeping into his cellphone. […]

To aid a convert is nearly as despised here as to be one, but his friend helped him anyway, hiding him in the basement of an empty house and bringing him food once a week.” (NYT, 21. Juni 2014)

Die International Humanist and Ethical Union (IHEU) schreibt, dass im Jahr 2006 ein Afghane namens Abdul Rahman, der vom Islam zum Christentum konvertiert sei, strafrechtlich angeklagt worden sei. Der Richter habe gedroht, Rahman zum Tode zu verurteilen, sollte er nicht wieder zum Islam zurückkehren. Schließlich habe der damalige Staatspräsident Karsai auf internationalen Druck hin den Obersten Gerichtshof ersucht, die Anklage zurückzuziehen. Die Anklagepunkte seien dann aufgrund mangelhafter Beweislage und offensichtlicher psychischer Labilität Rahmans fallengelassen worden, und dieser habe kurz darauf das Land verlassen (IHEU, 1. November 2016, siehe hierzu auch BBC News, 14. Jänner 2014).

3) Personen, die Kritik am Islam äußern

UNHCR geht in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender wie folgt auf die Rechtlage in Bezug auf Blasphemie ein:

„Das afghanische Gesetzesrecht enthält keine Bestimmungen zu Blasphemie und demzufolge behandeln die afghanischen Gerichte Blasphemie nach islamischem Recht. Gemäß der Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte stellt Blasphemie ein Kapitalverbrechen dar. Geistig zurechnungsfähige Männer über 18 Jahren und Frauen über 16 Jahren, die der Blasphemie bezichtigt werden, kann daher die Todesstrafe drohen. Wie auch bei Apostasie haben die Beschuldigten drei Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen.“ (UNHCR, 19. April 2016, S. 62)

Wie das USDOS in seinem Jahresbericht zur Religionsfreiheit vom August 2017 (Berichtszeitraum: 2015) bemerkt, sei Blasphemie, zu welcher auch islamfeindliche Publikationen und Reden zählen würden, gemäß den islamisch rechtlichen Auslegungen der Gerichte ein Kapitalverbrechen. Ähnlich wie bei Apostasie würden die Gerichte in Fällen von Blasphemie den Betroffenen drei Tage Zeit geben, um ihre Tat zu widerrufen. Andernfalls drohe die Hinrichtung:

„Blasphemy, which may include anti-Islamic writings or speech, is a capital crime under the courts’ interpretation of Islamic law. Similar to apostates, the courts give blasphemers three days to recant or face death.” (USDOS, 10. August 2016, Section 2)

Artikel 45 Absatz 1 des afghanischen Gesetzes zu Massenmedien von 2009 (in englischer Übersetzung) verbietet unter anderem das Produzieren, Reproduzieren, den Druck und die Veröffentlichung von Berichten und Materialien durch die Massenmedien bzw. sonstige Agenturen, die den Prinzipien der heiligen Religion des Islam zuwiderlaufen. Weiters verbietet Absatz 6 desselben Artikels das Publizieren und Verbreiten (Propagieren) anderer Religionen als der heiligen Religion des Islam durch die Massenmedien bzw. sonstige Agenturen (Gesetz zu Massenmedien, 2009, Artikel 45, Absatz 1 und 6).

 

UNHCR erwähnt in seinen Richtlinien vom April 2016, dass das Strafgesetzbuch Bestimmungen zu „Straftaten gegen Religionen“ enthalte:

„Das Strafgesetzbuch enthält Bestimmungen für ‚Straftaten gegen Religionen‘, denen zufolge Personen, die Angehörige einer jeglichen Religion angreifen, zu einer kurzen Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten und einer Geldbuße verurteilt werden sollen.“ (UNHCR, 19. April 2016, S. 58)

Das USDOS führt hierzu aus, dass das Strafgesetzbuch für „Straftaten gegen Religionen” (darunter verbale und physische Angriffe auf Anhänger einer Religion) eine Gefängnisstrafe von nicht weniger als drei Monaten sowie eine Geldstrafe von 3.000 und 12.000 Afghani (ca. 39 bis 157 Euro, Anm. ACCORD) vorsehe.

Das Strafgesetzbuch sieht laut USDOS weiters vor, dass Personen, die gewaltsam die Abhaltung von Ritualen irgendeiner Religion verhindern oder „zugelassene Gebetsstätten“, an denen religiöse Rituale abgehalten werden, zerstören oder beschädigen oder irgendein Zeichen oder Symbol einer Religion zerstören oder beschädigen, mit einer Strafe „mittlerer Länge“ zu bestrafen seien. Eine Strafe „mittlerer Länge“ werde als mindestens einjährige und maximal fünfjährige Gefängnisstrafe und/oder Geldstrafe in Höhe von 12.000 bis 60.000 Afghani (ca. 157 bis 786 Euro, Anm. ACCORD) definiert:

„The criminal code punishes ‘crimes against religions,’ which includes verbal and physical assault on a follower of a religion. It specifies a person who attacks a follower of any religion shall receive a prison sentence of not less than three months and a fine of between 3,000 and 12,000 afghanis ($44 to $177). […]

The criminal code states persons who forcibly stop the conduct of rituals of any religion, those who destroy or damage ‘permitted places of worship’ (a term not defined by the code) where religious rituals are conducted, or those who destroy or damage any sign or symbol of any religion are subject to a medium-term punishment. The criminal code defines medium-term as confinement in jail for not less than one and not more than five years and/or a fine of between 12,000 and 60,000 afghanis ($177 to $884).” (USDOS, 10. August 2016, Section 2)

Der Gesetzestext der Bestimmungen zu „Straftaten gegen Religionen” findet sich im Kapitel 18 (Artikel 347 und 348) des afghanischen Strafgesetzbuchs von 1976, das in englischer Übersetzung unter folgendem Link zugänglich ist:

·      Strafgesetzbuch (Afghanistan), 7. Oktober 1976 (veröffentlicht auf der Website von UNODC)
https://www.unodc.org/res/cld/document/penal-code-amended_html/PENAL_CODE_with_Amendments.pdf

 

Laut USDOS seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Blasphemie bekannt, allerdings gebe es eine im Jahr 2013 wegen Blasphemie verurteilte Person, die nach wie vor eine 20-jährige Gefängnisstrafe verbüße. Obwohl es im Berichtsjahr keine Berichte über Strafverfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie gegeben habe, hätten Personen, die vom Islam konvertiert seien, angegeben, sie hätten Angst vor möglichen Konsequenzen ihres Glaubensübertritts. (USDOS, 10. August 2016, Section 2)

 

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) beschreibt in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) den Fall eines afghanischen Journalisten, der wegen Blasphemie verurteilt worden sei:

„Wir hatten einen Fall, bei dem es noch nicht einmal um Konversion ging, sondern nur um Blasphemie. Ein junger afghanischer Journalist, der es gewagt hatte, schiitische Rechtsauslegungen zu Frauenrechten auszudrucken, zu vervielfältigen und unter Studenten zu verteilen, wurde zuerst zum Tode, später zu 30 Jahren Haft verurteilt, bevor er schließlich über diplomatische Bemühungen aus Afghanistan herausgeholt wurde. Wenn es da schon so schwierig wird, dann wird die Sache bei einem aus islamischer Sicht (bzw. aus Sicht mancher Muslime), noch problematischeren Fall einer Konversion noch schwieriger.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 10)

Die IHEU erwähnt in ihrem Bericht vom November 2016, dass es selbst aus Sicht vieler Afghanen, die sich allgemein zu demokratischen Werten bekennen würden, ein Tabu darstelle, den Islam zu kritisieren. Atheisten und Freidenkende seien daher gezwungen, ihre Überzeugungen zu verbergen, und könnten ihre Gedanken lediglich anonym über soziale Medien ausdrücken. Personen, denen Blasphemie oder Beleidigung der Religion vorgeworfen werde, könnten zum Ziel gewaltsamer Übergriffe werden:

„Assuming or defending any right to criticize, abandon or renounce Islam is considered a taboo even by many people who adhere to broadly democratic values. […]

As a result atheists and freethinkers are forced to hide their beliefs and the only way they can express their thoughts are anonymously through social media. […]

When accusations of blasphemy or defamation of religion are made people can be violently targeted.” (IHEU, 1. November 2016)

Landinfo schreibt in einer Anfragebeantwortung vom August 2014 unter Berufung auf eine im Oktober 2013 in Kabul interviewte Quelle, dass Personen, die im öffentlichen Raum die Existenz Allahs oder des Propheten direkt oder indirekt negieren oder mangelnden Respekt gegenüber dem Koran zeigen würden, als Ungläubige angesehen und zum Ziel von Angriffen werden könnten. Zu Reaktionen könne es auch kommen, wenn ein Mullah erkläre, dass eine Person durch ihre Ansichten die Gesellschaft verderbe.

Ein Autor, der mit Freidenker-Kreisen in Afghanistan vertraut sei, habe angegeben, dass ein kritischer Freidenker in Bezug auf das, was er veröffentliche oder öffentlich verlautbare, Klugheit walten lassen müsse. Es gebe starke konservative religiöse Kräfte und Strömungen in der Gesellschaft, welche die Bevölkerung beeinflussen würden. Einige davon würden einen zentralen Platz in der öffentlichen Debatte einnehmen und seien genauso konservativ wie die Taliban.

Die relativ geringe Zahl an Gerichtsprozessen in Zusammenhang mit Apostasie und Blasphemie seit 2004 zeige vermutlich, dass für die Mehrheit der Bevölkerung keine Möglichkeit bestehe, kritische Fragen zum Islam zu stellen. Personen aus liberalen bzw. intellektuellen Kreisen, welche die grundlegenden Prinzipien der Religion und deren Rolle in der Gesellschaft diskutieren wollten, müssten ein beträchtliches Maß an Selbstzensur üben in Bezug darauf, was sie im öffentlichen Raum sagen könnten.

Ein Vertreter einer Menschenrechtsorganisation in Kabul habe Landinfo im Oktober 2013 mitgeteilt, dass in der afghanischen Gesellschaft wenig Toleranz gegenüber Kritik und religiösen Glaubensvorstellungen bestehe, die dem Islam zuwiderlaufen würden. Der Quelle zufolge hänge das Risiko von Angriffen davon ab, inwieweit die Ansichten bzw. Kritik öffentlich bekannt würden. In der Bevölkerung bestehe eine starke Intoleranz gegenüber Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert seien. Für Atheisten und Nichtgläubige gestalte sich die Situation anders. Anders als bei Konvertiten, die durch religiöse Praktiken ihre Zugehörigkeit zu einer anderen Religion zum Ausdruck bringen würden, sei es schwieriger, einen Nichtgläubigen als solchen zu identifizieren. Laut Einschätzung der Quelle würde ein Atheist bzw. Nichtgläubiger nicht zum Ziel von Angriffen, solange er im öffentlichen Raum keine Respektlosigkeit gegenüber dem Islam zeige.

Ein Autor, der mit Freidenker-Kreisen im Land vertraut sei, habe erklärt, er kenne mehrere Personen, die tagtäglich Selbstzensur praktizieren würden. Würden diese Personen ihre wahren Meinungen und Werte öffentlich zum Ausdruck bringen, würden sie von den Behörden verhaftet. So müssten sie sowohl in Bezug auf schriftliche als auch mündliche Äußerungen Selbstzensur üben.

Wo die Grenzen dessen liegen würden, was man öffentlich ausdrücken könne, variiere sowohl in geografischer als auch gesellschaftlicher Hinsicht. Zwischen Städten und dem ländlichen Raum würden große Unterschiede bestehen. In liberaleren Milieus (in den Städten) gebe es eine größere Toleranz gegenüber Diskussionen, auch zu religiösen Themen. Diskussionen, in denen religiöse Tabus verletzt würden, würden starken Widerspruch hervorrufen. Eine Quelle habe jedoch angeführt, dass derartiger Widerspruch nicht unbedingt in Angriffe münden müsse.

Ein Vertreter einer Medienorganisation habe angegeben, dass soziale Netzwerke (Engl.: „social media“) einen Bereich bilden würden, in dem Atheisten und Nichtgläubige ihre Meinungen äußern könnten. Der Quelle seien Afghanen bekannt, die in Facebook-Gruppen für Atheisten aktiv seien, sei sich jedoch nicht sicher, ob sich die betreffenden Personen in Afghanistan oder im Ausland befänden. Die in sozialen Netzwerken gewährte Anonymität könne wahrscheinlich die Schwelle zur Äußerung umstrittener Inhalte senken:

„En kilde hevder at personer som i det offentlige rom benekter, direkte eller indirekte, Allah og Profetens eksistens, eller viser manglende respekt for Koranen, kan bli oppfattet som ikke-troende, noe som kan medføre reaksjoner mot vedkommende. Reaksjoner kan også forekomme om en mullah uttaler at en person korrumperer samfunnet gjennom sine meninger eller ytringer (samtale i Kabul, oktober 2013). En forfatter med kjennskap til et miljø av fritenkere, underbygget dette synspunktet: en kritisk fritenker må være «smart» rundt hva han publiserer eller ytrer seg om i det offentlige. Det er sterke konservative religiøse krefter og strømninger i samfunnet som påvirker befolkningen. Enkelte av de som har en sentral plass i den offentlige debatten, er like konservative som Taliban (samtale i Kabul, oktober 2013).

Det forholdsvis lave antallet apostasi- og blasfemisaker som har vært rettslig behandlet etter 2004, reflekterer antagelig at for majoriteten av befolkningen er det ikke et alternativ å stille kritiske spørsmål ved islam. Personer i liberale og/eller intellektuelle kretser som ønsker å diskutere grunnprinsipper i religionen og dens rolle i samfunnet, utøver stor grad av selvsensur med hensyn til hva de ytrer seg om i det offentlige rom. […]

Landinfo drøftet situasjonen for ateister og ikke-troende med flere møtepartnere under informasjonsinnhentingsreisen til Kabul i oktober 2013. En representant for en menneskerettighetsorganisasjon bekreftet at det i det afghanske samfunnet er lav toleranse for kritikk og religiøse meninger som strider mot islam. Ifølge representanten avhenger faren for sanksjoner av hvorvidt synspunktene eller kritikken blir offentlig kjent. Kilden mente at det i befolkningen er sterk intoleranse mot personer som har konvertert til en annen religion enn islam. For ateister og ikke-troende er situasjonen annerledes. I motsetning til konvertitter som gjennom religiøs praksis viser sin tilhørighet til en annen religion, er det vanskeligere å identifisere en ikke-troende. Kilden hevdet at så lenge en ateist/ikke-troende ikke viser respektløshet overfor islam i det offentlige rom, vil vedkommende ikke utsettes for sanksjoner (samtale i Kabul, oktober 2013). […]

En skribent med kjennskap til fritenkermiljøer i Afghanistan, hevdet at han kjenner flere som daglig utøver selvsensur. Hvis de skulle uttrykke sine egentlige meninger og verdier i det offentlige, ville de bli arrestert av myndighetene og lett kunne nå forsidene i internasjonale medier. De må utøve selvsensur hva gjelder både skriftlige og muntlige ytringer. Kilden hevdet at de kritiske stemmene vet akkurat hvor grensen går, og at de forsøker å presse denne for å utvide ytringsrommet (samtale i Kabul, oktober 2013).

Hvor grensen for ytringer går, varierer både geografisk og samfunnsmessig. Det er stor variasjon mellom byer og landsbygda. Liberale miljøer vil i stor grad bestå av den utdannede delen av befolkningen bosatt i urbane områder. I de mer liberale miljøene vil det være høyrere toleranse for samfunnsdebatt, også for diskusjon rundt religion. Diskusjoner der religiøse tabu blir brutt, kan mislikes og sterkt argumenteres imot. En kilde påpekte likevel at det å mislike en ytring, ikke nødvendigvis betyr at det iverksettes sanksjoner (samtale i Kabul, oktober 2013).

En representant for en medieorganisasjon hevdet at sosiale medier er en arena hvor ateister og ikke-troende kan ytre seg. Kilden kjente til afghanere som er aktive i Facebook-grupper for ateister, men var usikker på om de befinner seg i Afghanistan eller i utlandet (samtale i Kabul, oktober 2013). Anonymiteten sosiale medier kan gi, kan trolig senke terskelen for å ytre seg om kontroversielle temaer.“ (Landinfo, 26. August 2014, S. 2-4)

Die österreichische Tageszeitung Der Standard berichtet über den Lynchmord an einer 27-jährigen Afghanin in Kabul im März 2015, welcher fälschlicherweise vorgeworfen worden sei, den Koran verbrannt zu haben:

„Wegen des Lynchmords an einer jungen Frau wegen angeblicher Blasphemie in Kabul hat ein afghanisches Gericht vier Männer zum Tode verurteilt. Richter Safiullah Mujadidi verkündete am Mittwoch nach dreitägiger Verhandlung, die Verurteilten sollten gehängt werden. Das Schnellverfahren stieß aber bei Angehörigen der Frau und Menschenrechtsorganisationen auf Kritik. Acht weitere Angeklagte wurden jeweils zu 16 Jahren Haft verurteilt, 18 Verdächtige wurden freigesprochen. Die Vorwürfe reichten von Ermunterung zu einer Straftat bis hin zu Mord. Gegen 19 Polizisten, denen unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird, will das Gericht am Sonntag ein Urteil fällen. […]

Die 27-jährige Farkhunda war am 19. März [2015] nahe einer Moschee in Afghanistans Hauptstadt von einer großen Menschenmenge zu Tode geprügelt worden. Ihre Leiche wurde anschließend in Brand gesteckt und in einen Fluss geworfen. Zuvor hatte ein Amulettverkäufer der Frau, einer Absolventin der Islamwissenschaften, fälschlicherweise vorgeworfen, den Koran verbrannt zu haben. Die Familie der 27-Jährigen widersprach der Darstellung. Nach Angaben der afghanischen Polizei und der Vereinten Nationen war sie vor ihrer Ermordung vier Jahre psychiatrisch behandelt worden. Vor der Moschee hatte sich die junge Frau mit Mullahs über den Verkauf von Glücksamuletten gestritten. Der Lynchmord fand am helllichten Tag vor den Augen der Polizei statt. Mehrere Polizisten sollen nicht eingegriffen haben. Insgesamt wurden 49 Menschen festgenommen, darunter 19 Polizisten. Die Urteile gegen die Polizisten wegen ‚Pflichtverletzung‘ sollen am Sonntag fallen. […]

Ein Bruder des Opfers kritisierte das Urteil am Mittwoch. An dem Mord seien dutzende Menschen beteiligt gewesen, ‚aber das Gericht hat nur vier zum Tod verurteilt‘, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Es müssten ‚mehr Täter‘ zur Rechenschaft gezogen werden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigte sich angesichts der kurzen Prozessdauer ‚sehr besorgt‘. Einige der Angeklagten hätten offensichtlich keine Verteidiger an ihrer Seite gehabt, bemängelte sie. Richter Mujadidi gab an, bei den Urteilen müsse es sich nicht um eine ‚endgültige Entscheidung‘ handeln. ‚Sie haben das Recht zur Berufung‘, sagte er mit Blick auf die Verurteilten.“ (Der Standard, 6. Mai 2015)

Im Juli 2015 schreibt der deutsche Auslandsrundfunk Deutsche Welle (DW) bezüglich desselben Falles:

„Die vier Männer haben im vergangenen März eine Frau gefoltert und ermordet. Doch nun zog ein afghanisches Berufungsgericht die Todesstrafe gegen sie zurück. Drei der für den Mord an Farkhunda Malikzada angeklagten Täter verurteilte das Gericht zu 20 Jahren Haft, den vierten Mann zu 10 Jahren, teilte der oberste Richter des Kabuler Berufungsgerichts, Abdul Nasir Murid, mit. Der Prozess fand hinter verschlossenen Türen statt.“ (DW, 2. Juli 2015)

Über den soeben beschriebenen Fall berichten weiters unter anderem folgende Medienartikel:

·      BBC News: Farkhunda: The making of a martyr, 11. August 2015
http://www.bbc.com/news/magazine-33810338

·      NYT - New York Times: Flawed Justice After a Mob Killed an Afghan Woman, 26. Dezember 2015
https://www.nytimes.com/2015/12/27/world/asia/flawed-justice-after-a-mob-killed-an-afghan-woman.html

 

Die britische Tageszeitung Guardian berichtet im Oktober 2014 über Proteste in mehreren Städten Afghanistans, die ausgebrochen seien, nachdem ein Kolumnist der Zeitung Afghanistan Express in einem Artikel den Islamischen Staat und die Taliban kritisiert habe und geäußert habe, dass Menschen wichtiger seien als Gott. Die Protestierenden hätten den Artikel als blasphemisch verurteilt, und mehrere von ihnen hätten von der Regierung die Hinrichtung der Mitarbeiter der Zeitung gefordert:

„A newspaper columnist condemning Islamic State (Isis) and the Taliban triggered demonstrations in several Afghan cities on Friday, with protesters denouncing the article as blasphemous and calling on the government to punish the publication.

In Kabul, a crowd of approximately 500 people, including clerics and several members of parliament, gathered in front of the Eid Gah Mosque, the city’s second largest house of worship.

‘The government must stop the people who insulted the prophet, the Qur’an and Islam, and prevent them from leaving the country,’ said Fazl Hadi Wazin, an Islamic scholar at Salam University who spoke from the outdoor podium.

In an opinion piece published last week in the English-language daily the Afghanistan Express, a journalist named AJ Ahwar admonished Muslims for remaining silent in the face of Isis and the Taliban.

He also criticised Islam for not accepting other religions and minorities such as homosexuals and Hazaras, a Shia minority in Afghanistan.

The article ended by concluding that human beings are more important than God, which seemed to particularly incense protesters.

‘The newspaper said God can’t control people and that God is unwise,’ said Mangal Bader, 38, one of the protesters. He joined others in calling for the newspaper staff to suffer the same fate as five men who were recently convicted of rape and hanged, after great public furore.

‘They need to be executed so humans know that you cannot insult the religion of Allah,’ said Ahmad, 22, another protester. […]

‘The international community pretend to be heroes of freedom of expression,’ said Wazin after his speech. ‘They have to come out and say they are not behind this. If they don’t, these protests will grow.’

In a public apology issued days after the controversial article, the Afghanistan Express explained that the op-ed was published due to a ‘technical mistake’. The apology, however, has done little to quell the anger.

‘I think the newspaper and the editors crossed all boundaries. Even our non-Muslim brothers don’t speak like this,’ said Wazin. ‘This kind of writing is destabilising to the country.’” (Guardian, 24. Oktober 2014)

Christian Today, eine christliche Nachrichtenwebsite mit Sitz in Großbritannien, berichtet in einem älteren Artikel vom April 2011, dass Shoaib Assadullah, ein afghanischer christlicher Konvertit, der wegen seiner Konversion fünf Monate lang inhaftiert gewesen sei und dem die Hinrichtung gedroht habe, Ende März 2011 freigelassen worden sei und das Land verlassen habe. Er sei im Oktober 2010 verhaftet worden, nachdem er einem Mann eine Bibel ausgehändigt habe, der ihn dann bei den örtlichen Behörden denunziert habe:

„A human rights organisation has learned that Shoaib Assadullah, an Afghan Christian who was imprisoned for five months and threatened with execution for his conversion to Christianity, was released from prison in late March and recently fled Afghanistan to safety.

According to International Christian Concern (ICC), Assadullah was arrested on October 21 in Mazar-e-Sharif for giving a Bible to a man who later reported him to local authorities.” (Christian Today, 23. April 2011)

In einem Artikel vom Februar 2011 berichtet Christian Today über die Freilassung eines afghanischen christlichen Konvertiten namens Said Musa, der während seiner Haft körperlich und sexuell misshandelt worden sei:

„A Red Cross employee has captured international attention after being imprisoned and sentenced to death in Afghanistan for converting to Christianity.

Said Musa, who lost his leg to a land mine while serving in the Afghan army, worked with fellow amputees for the International Committee of the Red Cross for 15 years. Eight years ago, he converted to Christianity.

International Christian Concern (ICC) reports that Musa was released from prison last week. ‘The call came on February 21 from an official from the U.S. Embassy in Kabul confirming that Said Musa was released and safely out of the country,’ ICC reports. Compass Direct has confirmed Musa's release. […]

Musa, who was sexually and physically abused in prison, was quietly transferred to a different prison last fall after he wrote a letter to the international church and President Barack Obama detailing his abuse and pleading for help. His wife and six children have fled to Pakistan.” (Christian Today, 24. Februar 2011)

Das Institute for War and Peace Reporting (IWPR), ein in London ansässiges internationales Netzwerk zur Förderung freier Medien, schreibt in einem Artikel vom Februar 2009, dass sich der afghanische Journalist Ghaws Zalmai seit November 2007 in Haft befinde. Er sei zu einer 20-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, nachdem er eine volkssprachliche Version des Koran veröffentlich habe, welche von den islamischen Rechtsgelehrten (Ulema) als unrichtig eingestuft worden sei:

„Ghaws Zalmai, a prominent Afghan journalist, has been behind bars since November 2007. He has been sentenced to 20 years in prison, for publishing a vernacular version of the Koran which the Ulema found to be inaccurate. His appeal has been repeatedly delayed, most recently on February 8 [2009].” (IWPR, 12. Februar 2009)

BBC News berichtet im Oktober 2008, dass ein Afghane namens Sayed Pervez Kambaksh zum zunächst zum Tode verteilt worden sei, nachdem er Berichten zufolge aus dem Internet Informationen über Frauenrechte im Islam heruntergeladen habe. Ein Berufungsgericht in Kabul habe das Strafmaß reduziert:

„Sayed Pervez Kambaksh, 24, was sent to prison in October 2007 after reportedly downloading material from the internet on women's rights in Islam. A court is his home city of Mazar-e-Sharif condemned him to death. An appeals court in Kabul reduced the sentence, but Mr Kambaksh's family say they will fight for his full release. Mr Kambaksh's brother, Sayed Yaqub Ibrahimi, said they expected the conviction to be overturned. He said the family believes the court was ‘influenced by extremists’.” (BBC News, 21. Oktober 2008)

4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) erläuterte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016):

„Obwohl es sicher einzelne Personen gibt, die zum Atheismus tendieren, besucht selbst der stärkste Säkularist trotz allem hin und wieder die Moschee und nimmt an bestimmten Handlungen nach altem islamischen Brauch teil. So sind Dinge, von denen man gemeinhin annimmt, dass man sie nur tun könne, wenn man vom Islam abfällt (wie z.B. Bier trinken) weiter verbreitet, als man denkt: Man kann Bier trinken und dennoch Moslem sein. Aber Atheismus als Bewegung gibt es in Afghanistan eher nicht. […]

Einfach schon zur Tarnung nimmt man weiter an traditionellen religiösen Handlungen teil. Ein Glaubensübertritt lässt sich recht gut verheimlichen, da es ohnehin viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. D.h. wenn jemand nicht in die Moschee geht, kommt er nicht automatisch dadurch in den Verdacht, etwa zum Christentum übergetreten zu sein. Und zu besonderen Anlässen wie Begräbnissen und Hochzeiten geht ohnehin jeder in die Moschee. Derlei Dinge haben dann nicht mehr unbedingt religiösen Charakter. Dies macht es leichter, einen Übertritt geheim zu halten. Doch wenn ein Glaubensübertritt bekannt wird, habe ich keinen Fall gesehen, bei dem dieser toleriert wurde. Die größten Probleme, die auftreten, sind dann häufig solche mit der Familie bzw. Personen in der Nachbarschaft.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 9)

Der Sozialwissenschaftler Michael Daxner erklärte im Expertengespräch vom Mai 2016:

„Es gab schon immer auch eine säkulare Tradition, wenn auch stets in beschränktem Umfang. Sie wird in der Regel toleriert, solange man bestimmte islamische religiöse Handlungen mitmacht und nicht agitiert. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. So ist ein Bekannter von mir, mit dem ich 2003-2005 an hoher staatlicher Position zusammengearbeitet habe, schlichtweg wegen Säkularismus enthoben worden […].“ (ACCORD, Juni 2016, S. 9)

Wie Landinfo in einer Anfragebeantwortung vom August 2014 bemerkt, werde eine Person nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnehme. Auch für strenggläubige Muslime könne es legitime Gründe geben, religiösen Zeremonien fernzubleiben. Ein Vertreter einer örtlichen Menschenrechtsorganisation habe erklärt, dass es Personen im städtischen Raum möglich sei, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Es gebe geografisch bedingte Unterschiede, und solche abweichenden Verhaltensweisen würden im städtischen Raum und in gebildeten Milieus eher toleriert als im ländlichen Raum.

Derselben Quelle zufolge könne es auch Unterschiede je nach ethnischer und religiöser Gruppe geben. So hätten Schiiten mehr Freiheit zu entscheiden, zu welchem Mullah sie gehen möchten und damit auch in Bezug auf die Frage, ob sie in die Moschee gehen wollen und gegebenenfalls in welche Moschee. Bei Sunniten werde in stärkerem Ausmaß erwartet, dass sie zumindest eines der fünf Gebete am Tag in einer Moschee verrichten. Nach Angaben der Quelle sei es zudem in der paschtunischen Kultur üblich, seiner religiösen Zugehörigkeit durch kulturelle Praktiken (Handlungen im Alltag) Ausdruck zu verleihen. Folglich sei es schwieriger, abweichende Haltungen zu verschleiern, und es bestehe eine geringere Toleranz für divergierende Handlungen. Andere Quellen hätten bestätigt, dass es Raum dafür gebe, auf Befolgung religiöser Rituale und Vorschriften zu verzichten, ohne dass dies notwendigerweise Aufmerksamkeit errege. In Gemeinden, wo Abweichungen von religiösen Ritualen und Vorschriften keine Akzeptanz fänden, würden Personen mit abweichenden religiösen Ansichten die Rituale befolgen, um keinen Verdacht zu erregen:

„En person oppfattes ikke nødvendigvis som ikke-troende selv om han unnlater å følge religiøse ritualer i det offentlige rom. Også for en rettroende muslim kan det være legitime grunner for å fravike ritualer. En representant for en lokal menneskerettighetsorganisasjonen mente at det i urbane områder vil være mulig å unnlate å gå i moskeen eller overholde fasten under ramadan. Det er geografiske variasjoner, og det er generelt større toleranse for avvik i urbane og utdannede miljøer, enn i rurale områder.

Ifølge kilden kan det også være variasjoner mellom ulike etniske og religiøse grupper. Kilden hevdet at shia-muslimer generelt har større valgfrihet når det gjelder hvilken mullah de ønsker å be sammen med, og dermed i større grad kan velge om de ønsker å gå til moskeen og i tilfelle hvilken. Blant sunni-muslimer er det en større forventning om at minst en av dagens fem bønner, skal gjennomføres i en moske. Kilden hevdet også at man i den pashtunske kulturen i større grad viser sin religiøse tilhørighet gjennom kulturelle praksiser, i sin daglige gjøren og laden. Det betyr at det her er vanskeligere å kamuflere og en lavere toleranse for divergerende handlinger (samtale i Kabul, oktober 2013). Andre kilder bekreftet at det er rom for å unnlate å følge religiøse ritualer og normer, uten at dette nødvendigvis vekker oppmerksomhet (samtale i Kabul, oktober 2013). I lokalsamfunn der avvik fra religiøse ritual og normer ikke aksepteres, vil personer med avvikende personlige verdier følge ritualene for å unngå at mistenksomhet oppstår (seminar Landinfo, mai 2013; samtale i Kabul, oktober 2013).“ (Landinfo, 26. August 2014, S. 4)

5) Rückkehrer aus Europa

In einem im Mai 2016 abgehaltenen und im Juni 2016 veröffentlichten Expertengespräch ging Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) wie folgt auf die Lage von Rückkehrenden aus dem westlichen Ausland ein:

„Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wirkt in den Augen vieler Leute kontaminierend und zudem ist Afghanistan im Laufe der Konflikte konservativer, orthodoxer und fundamentalistischer geworden. Da Intervention, Modernisierung und Finanzhilfen durch das Ausland keine Verbesserung der Lage bewirkt haben, ist auch das Misstrauen gegenüber dem Ausland insgesamt gewachsen. Die Leute bekommen ja inzwischen auch viel über soziale Netzwerke, Fernsehen oder Radio mit. So habe ich Leute in Afghanistan getroffen, die mich etwa gefragt haben: ‚Stimmt es, dass da Muslime zum Christentum übertreten?‘ Wenn dann jemand aus dem Westen zurückkommt, wird die Person genauer unter die Lupe genommen und das kann dann schon dazu führen, dass Verdachtsmomente auftauchen. Aber ich denke, dass die Auslöser für Anschuldigungen wahrscheinlich doch etwas konkreter sind, d.h. die betreffende Person verplappert sich bzw. sagt einmal etwas Falsches in Diskussionen (die durchaus hitzig geführt werden), oder es wird eine entsprechende religiöse Handlung beobachtet, zumal sich die Christen auch (in kleineren Gruppen) in bestimmten Räumen treffen, um ihre Gottesdienste abzuhalten bzw. zu beten. Es kann sein, dass diese überwacht werden und auch der Geheimdienst (der ja auch nicht völlig unpolitisch ist) Derartiges mitbekommt. Dies wären in etwa Anlässe, bei denen dann jemand wegen Glaubensübertritts in Verdacht geraten könnte.“ (ACCORD, Juni 2016, S. 11)

Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Fall von Farkhunda Malikzada thematisiert Frederike Stahlmann, Doktorandin am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle (Deutschland) mit Forschungsschwerpunkt auf Recht und Religion in Afghanistan, in einem Artikel vom März 2017 die Lage von Rückkehrenden aus dem Ausland:

„Das Beispiel weist zugleich auf das besondere Risiko für Rückkehrende hin, als ‘verwestlicht‘ angesehen zu werden und somit dem Vorwurf der Kollaboration mit dem Feind oder des Abfalls vom Glauben ausgesetzt zu werden. Auch hier besteht eine tödliche Gefahr nicht nur von Seiten der Taliban, sondern auch durch die Gesellschaft im Allgemeinen.“ (Stahlmann, März 2017, S. 83)

Auf verschiedene Aspekte betreffend die Lage von Rückkehrenden nach Afghanistan wird auch in einem Artikel von Adam Naber, derzeit Mitarbeiter beim deutschen Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, eingegangen:

·      Naber, Adam: Afghanistan: Gründe der Flucht und Sorgen jugendlicher Rückkehrer, Asylmagazin 1–2/2016, Februar 2016, S. 4–9
http://www.asyl.at/adincludes/dld.php?datei=93.12.ma,afghgrndederflucht.pdf

 

Liza Schuster, Migrationsforscherin und Dozentin für Soziologie an der City University in London

mit mehrjähriger Forschungserfahrung in Afghanistan, und Nassim Majidi, eine unter anderem

auf Rückkehrmigration spezialisierte Sozialwissenschaftlerin und Mitarbeiterin in der unter anderem auf sozioökonomische Analysen zu Afghanistan spezialisierten Denkfabrik Samuel Hall, verfassten 2013 einen gemeinsamen wissenschaftlichen Artikel zum Thema Rückkehr. Den Autorinnen zufolge sei die Rolle von Schamgefühlen nicht zu unterschätzen, zumal diese weiteren Druck auf Rückkehrer ausüben würden, erneut das Land zu verlassen. So hätten junge afghanische Männer in Paris, die nach ihrer Abschiebung erneut emigriert seien, erklärt, dass ihre Familien kein Verständnis für die leidvollen Erfahrungen und Schwierigkeiten gehabt hätten, mit denen sie auf der Reise bzw. während ihres Aufenthalts in Europa konfrontiert gewesen seien. Es sei sehr schwierig gewesen, ihren Familien die Bürokratie in Europa zu erklären, oder die Tatsache, dass sie abgeschoben worden seien, ohne dass sie sich einer Straftat schuldig gemacht hätten. Außerdem würden sie mit Söhnen aus anderen Familien verglichen, die ihren Familien regelmäßig Geld oder Güter aus dem Ausland schicken würden.

Eine Fokusgruppe junger Männer, die aus Großbritannien nach Kabul zurückgeschoben worden seien, habe angegeben, dass man mit dem Finger auf sie zeige und sie als „Abgeschobene“ bezeichne. In einem Land wie Afghanistan, wo die Nachbarn alles über einen wissen würden, sei es sehr schwierig, die Tatsache einer Abschiebung geheim zu halten. Mitglieder in der örtlichen Gemeinde seien manchmal der Ansicht, das Leben im Westen habe die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen „kontaminiert“, die in jungem Alter das Land verlassen und nach Großbritannien gegangen seien und dann – sichtbar oder unsichtbar – kulturell verändert (mit anderer Kleidung, anderen Verhaltensweisen und anderem Akzent) zurückgekommen seien. Es werde davon ausgegangen, dass sich das Leben in Großbritannien negativ auf ihre Entwicklung ausgewirkt habe. So habe ein in den Jahren 2009 und 2011 interviewter junger Mann aus dem Distrikt Paghman der Provinz Kabul angegeben, dass seine Rückkehr aus Großbritannien zu Hause zu Konflikten wegen seiner veränderten Sichtweisen geführt habe. Seine Angehörigen würden ihm unter anderem vorwerfen, er habe seine Kultur verloren und sei ein „kafir“ („Ungläubiger“, Anm. ACCORD) geworden. Ein anderer Afghane sei nach seiner Abschiebung in dasselbe Dorf getötet worden. Der Interviewpartner habe sein Heimatdorf verlassen, da er sich nicht sicher gefühlt habe, und habe nun weder Arbeit, stabiles Einkommen, Fertigkeiten, eine Zukunftsperspektive, noch könne er auf familiäre Unterstützung zählen:

„The power of shame should not be underestimated and creates further pressure to migrate. Young men in Paris after re-migrating post-deportation to Afghanistan spoke bitterly of their families’ lack of comprehension of what they had suffered en route to and in Europe, and of the difficulties they faced. They had found it very hard to explain European bureaucracy, or that they would have been deported even though they had committed no crime. In addition, there are comparisons with the sons of other families who regularly send back money or equipment, giving rise to the question: ‘If he could take care of his family, why can’t you?’ […]

A focus group with young men deported from the UK in Kabul highlighted a common experience: having fingers pointed at them, and being called ‘the deportee’ […]. In a country where neighbours know everything about each other and there is very little room for privacy it is difficult to hide a deportation. […] Life in the West is sometimes seen by community members as having ‘contaminated’ the teenagers and young adults who left for the UK at a young age and returned with visible and invisible signs of their cultural change (clothing, behaviour, accent etc.). Life in the UK is perceived as having had a negative impact on their development. In the case of one young man interviewed in 2009 and again in 2011, from Paghman district in Kabul province, his return home led to clashes arising from his changed perspectives: They all bother me because I went to the UK. They say I lost my culture, became a kafir . . . all sorts of insults. Another deportee – Habib – returned and was killed in our village last year. I left because I no longer felt safe. But now I have no employment, no stable income, no skills, no future and no family by my side. (Najib, 22)” (Schuster / Majidi, 2013)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 1. Juni 2017)

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Afghanistan; Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner vom 4. Mai 2016, Juni 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1466684031_dokumentation-coi-seminar-afg-20160623.pdf

·      BBC News: Afghan man spared death sentence, 21. Oktober 2008
http://news.bbc.co.uk/2/mobile/south_asia/7682449.stm

·      BBC News: Controversy of apostasy in Afghanistan, 14. Jänner 2014
http://www.bbc.com/news/world-asia-25732919

·      BZ - Ministerie van Buitenlandse Zaken: Algemeen Ambtsbericht Afghanistan, 15. November 2016
https://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten/ambtsberichten/2016/11/15/algemeen-ambtsbericht-afghanistan/algemeen ambtsbericht Afghanistan november 2016.pdf

·      Christian Today: How Said Musa's Case Got Attention (Updated: Musa Released from Prison), 24. Februar 2011
http://www.christianitytoday.com/ct/2011/februaryweb-only/saidmusascase.html

·      Christian Today: Afghan Christian released from prison and safely out of the country, 23. April 2011
https://www.christiantoday.com/article/afghan.christian.released.from.prison.and.safely.out.of.the.country/27869.htm

·      CIA - Central Intelligence Agency: CIA World Factbook – Afghanistan, Stand 1. Mai 2017
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html

·      Der Standard: Kabul: Vier Todesurteile nach Lynchmord an Afghanin, 6. Mai 2015
http://derstandard.at/2000015391097/Kabul-Vier-Todesurteile-nach-Lynchmord-an-Afghanin

·      Deutschlandfunk: Sekten locken Flüchtlinge in Angst vor Abschiebung mit Blitztaufen, 13. Februar 2017
http://www.deutschlandfunk.de/ploetzlich-christ-sekten-locken-fluechtlinge-in-angst-vor.886.de.html?dram:article_id=378593

·      DW- Deutsche Welle: Todesurteil nach Mord an Frau in Kabul aufgehoben, 2. Juli 2015
http://www.dw.com/de/todesurteil-nach-mord-an-frau-in-kabul-aufgehoben/a-18557842

·      EAD - Evangelische Allianz in Deutschland (Arbeitskreis Religionsfreiheit): Afghanistan: Christen müssen vorsichtig sein, 9. Juni 2015
http://www.ead.de/arbeitskreise/religionsfreiheit/nachrichten/einzelansicht/article/afghanistan-zahl-der-glaeubigen-waechst.html

·      Gesetz zu Massenmedien (Afghanistan), 2009 (veröffentlicht auf der Website der UNESCO)
http://www.unesco.org/fileadmin/MULTIMEDIA/HQ/CI/Afghanistan%20Media%20Law%202009.pdf

·      Guardian: Afghan newspaper’s ‘blasphemy’ causes protests after rebuking Isis and Islam, 24. Oktober 2014
https://www.theguardian.com/world/2014/oct/24/afghanistan-express-article-isis-taliban-islam-blasphemy

·      IHEU - International Humanist and Ethical Union: The Freedom of Thought Report 2016 - Afghanistan, 1. November 2016
http://freethoughtreport.com/countries/asia-southern-asia/afghanistan/

·      IWPR - Institute for War and Peace Reporting: Pressure on Afghan Media Ahead of Elections, 12. Februar 2009
https://iwpr.net/global-voices/pressure-afghan-media-ahead-elections

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: Situasjonen for kristne og konvertitter, 4. September 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1383062872_landinfoafg.pdf

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: Ateister, 26. August 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1409561226_2956-1.pdf

·      Naber, Adam: Afghanistan: Gründe der Flucht und Sorgen jugendlicher Rückkehrer, Asylmagazin 1–2/2016, Februar 2016, S. 4–9
http://www.asyl.at/adincludes/dld.php?datei=93.12.ma,afghgrndederflucht.pdf

·      NYT - New York Times: A Christian Convert, on the Run in Afghanistan, 21. Juni 2014
https://www.nytimes.com/2014/06/22/world/asia/afghanistan-a-christian-convert-on-the-run.html?_r=0

·      Schuster, Liza / Majidi, Nassim: What happens Post-Deportation? The Experiences of Deported Afghans. In: Migration Studies 1(2), 2013, S. 221–240
http://openaccess.city.ac.uk/4717/1/2013%20Schuster%20Majidi%20.pdf

·      Stahlmann, Frederike: Bedrohungen im sozialen Alltag Afghanistans. In: Asylmagazin 3/2017 (Themenschwerpunkt Afghanistan), März 2017 (veröffentlicht vom Informationsverbund Asyl und Migration, verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/6_1495100812_am17-3-thema-afghanistan.pdf

·      Strafgesetzbuch (Afghanistan), 7. Oktober 1976 (veröffentlicht auf der Website von UNODC)
https://www.unodc.org/res/cld/document/penal-code-amended_html/PENAL_CODE_with_Amendments.pdf

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19. April 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1471846055_unhcr-20160419-afg-richtlinien-de.pdf

·      USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: Tier 2 Countries: Afghanistan, 26. April 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494407455_afghanistan-2017.pdf

·      USDOS - US Department of State: 2015 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, 10. August 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/328423/469202_de.html

·      Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, 26. Jänner 2004 (veröffentlicht auf der Website des französischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und internationale Entwicklung)
http://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/The_Constitution_of_the_Islamic_Republic_of_Afghanistan.pdf