Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Colombia

Amnesty Report 2015

Kolumbien

 

 

Die Friedensgespräche zwischen der Regierung und der Guerillagruppe Revolutionäre Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - FARC) kamen weiter voran, obwohl sie gegen Ende des Jahres 2014 für drei Wochen ausgesetzt wurden. Die beiden Seiten erzielten bei mehreren Schlüsselthemen Teilabkommen. Bei den Präsidentschaftswahlen im Mai war der Friedensprozess ein zentrales Thema.

Nach einer zweiten Wahlrunde im Juni errang der bisherige Amtsinhaber Juan Manuel Santos Calderón erneut den Wahlsieg. Der Wahlkampf wurde von einem Abhörskandal überschattet: Um den Friedensprozess zum Scheitern zu bringen, hatten Verhandlungsgegner innerhalb der Sicherheitskräfte und der Geheimdienste die Telefongespräche der Verhandlungsführer von Regierung und FARC abgehört.

Trotz der laufenden Friedensgespräche verübten beide Seiten weiterhin Menschenrechtsverstöße und verletzten das humanitäre Völkerrecht. Auch paramilitärische Gruppen begingen derartige Verbrechen entweder allein oder mit Zustimmung bzw. stillschweigender Billigung durch Teile der Sicherheitskräfte.

Angehörige indigener Volksgruppen, afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften, Frauen und Mädchen, Menschenrechtsverteidiger, Unterstützer verschiedener Bürgerinitiativen und Gewerkschafter waren die Hauptleidtragenden der Menschenrechtsverletzungen, die im Zusammenhang mit dem seit 50 Jahren andauernden bewaffneten Konflikt verübt wurden. Zu diesen Verstößen gehörten Vertreibungen, rechtswidrige Tötungen, Geiselnahmen und Entführungen, Morddrohungen, Verschwindenlassen, Folter und sexuelle Gewalt.

Die Regierung brachte ein Gesetz ein, das zu einer Verschärfung des Problems der Straflosigkeit führen und den kleinen Fortschritt zunichtemachen könnte, der in den vergangenen Jahren bei der strafrechtlichen Verfolgung von einigen der mutmaßlich Verantwortlichen für Verbrechen nach dem humanitären Völkerrecht und für andere Menschenrechtsverstöße und -verletzungen erzielt worden war.

Interner bewaffneter Konflikt

Die Zivilbevölkerung war weiterhin am stärksten vom bewaffneten Konflikt betroffen; Opfer waren neben Menschenrechtsverteidigern insbesondere indigene Volksgruppen sowie afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften. Nach den neuesten Zahlenangaben der NGO Beratungsstelle für Menschenrechte und Vertreibung (Consultoría para los Derechos Humanos y el Desplazamiento - CODHES) wurden 2013 fast 220000 Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben.

Angaben der Indigenenorganisation Organización Nacional Indígena de Colombia (ONIC) zufolge wurden während der ersten neun Monate des Jahres 2014 zehn Angehörige indigener Volksgruppen im Zusammenhang mit dem Konflikt getötet und mindestens 2819 Personen vertrieben. Im Jahr 2013 wurden 30 Morde und 3185 Opfer von Vertreibungen verzeichnet.

Am 12. September 2014 wurden zwei Sprecher der indigenen Volksgruppe der Embera Dovida im Verwaltungsbezirk Alto Baudó im Departamento Chocó getötet. Dem Vernehmen nach war die Guerillagruppe Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional - ELN) für die Tat verantwortlich.

In der im Südwesten gelegenen Hafenstadt Buenaventura waren afro-kolumbianische Gemeinschaften Opfer einer ansteigenden Welle von Gewalt. Für die dabei verübten Verbrechen, u.a. Tötungen und Verschwindenlassen, waren vor allem Paramilitärs und kriminelle Banden verantwortlich. Einige der Opfer wurden verstümmelt. Die Gewaltverbrechen ereigneten sich insbesondere in von Armut geprägten Stadtvierteln, in denen der Ausbau der Hafeninfrastruktur und andere wirtschaftliche Projekte geplant waren.

Ein Bericht, der im Jahr 2013 vom staatlichen Nationalen Zentrum zur Historischen Erinnerung (Centro Nacional de Memoria Histórica - CNMH) veröffentlicht wurde, machte das ganze numerische Ausmaß der Menschenrechtsverstöße deutlich. Danach waren zwischen 1985 und 2012 fast 220000 Personen getötet worden, davon 80% Zivilpersonen. Im gleichen Zeitraum wurden mindestens 25000 Menschen Opfer des Verschwindenlassens, für das in den meisten Fällen Paramilitärs und die Sicherheitskräfte die Verantwortung trugen. Etwa 27000 Menschen wurden zwischen 1970 und 2010 entführt, zumeist von Guerillagruppen, und mehr als 5 Mio. Menschen zwischen 1985 und 2012 gewaltsam vertrieben. Bis November 2014 verzeichnete die Regierung eine Gesamtzahl von mehr als 7 Mio. Opfern des Konflikts.

Friedensprozess

Die in der kubanischen Hauptstadt Havanna geführten Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den FARC boten nach über zehn Jahren weiterhin die beste Chance, um die Feindseligkeiten zu beenden. Am 17. November 2014 unterbrach die Regierung jedoch die Gespräche wegen der Gefangennahme eines Armeegenerals im Departamento Chocó. Nachdem dieser am 30. November freigelassen worden war, wurden die Gespräche am 10. Dezember wieder aufgenommen. Am 17. Dezember verkündeten die FARC eine einseitige Waffenruhe, die am 20. Dezember begann.

Zum Jahresende 2014 hatten die beiden Seiten teilweise Übereinkünfte über drei der sechs Tagesordnungspunkte erzielt. Eine Rahmenvereinbarung über einen vierten Tagesordnungspunkt - Rechte der Opfer - wurde im Juni 2014 veröffentlicht.
Der Abschluss der Rahmenvereinbarung war ein wichtiger Schritt nach vorn, weil darin beide Seiten anerkannten, dass sie für Menschenrechtsverstöße verantwortlich sind, dass die Rechte der Opfer im Zentrum des Friedensprozesses stehen müssen und dass diese Rechte nicht verhandelbar sind. Das Rahmenabkommen enthielt jedoch keine explizite Verpflichtung, allen Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es existierten Befürchtungen, dass dadurch der langfristige Bestand eines möglichen Friedensvertrages untergraben werden könnte.

Soziale Proteste

Hochrangige Behördenvertreter behaupteten, dass ein im April 2014 durchgeführter Landarbeiterstreik von Guerillagruppen infiltriert worden sei. Dadurch liefen Demonstrierende Gefahr, Opfer von Vergeltungsangriffen durch Paramilitärs zu werden. Im Mai 2014 schickten Paramilitärs Menschenrechtsverteidigern Morddrohungen, und beschuldigten sie, einen Streik zu organisieren, der ihrer Ansicht nach von Guerillagruppen unterstützt werde.

Die Behörden äußerten ähnliche Beschuldigungen bei Protestkundgebungen von Gemeinschaften indigener Volksgruppen im Oktober 2013, bei einem nationalen Landarbeiterstreik im August 2013 und bei einer Demonstration von Landarbeitern in Catatumbo im Juni 2013. Die Sicherheitskräfte sollen während der Proteste übermäßige und unverhältnismäßige Gewalt angewendet haben. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte gab bekannt, dass während der Proteste im Jahr 2013 neun Demonstrierende, fünf unbeteiligte Zuschauer und ein Polizeibeamter erschossen wurden.

Sicherheitskräfte

Es gab nach wie vor Berichte über außergerichtliche Hinrichtungen durch die Sicherheitskräfte, obwohl deren Anzahl im Vergleich zu den während der Amtszeit von Präsident Álvaro Uribe Vélez (2002-10) verzeichneten Fällen geringer war. Die Generalstaatsanwaltschaft machte jedoch keine Fortschritte bei der Aufgabe, den Großteil der für diese Verbrechen Verantwortlichen - vor allem hochrangige Militärangehörige - vor Gericht zu stellen. Viele Fälle wurden weiterhin an Militärgerichte verwiesen.

Diese Gerichte, die weder unabhängig noch unparteiisch sind, waren nicht imstande, Gerechtigkeit zu schaffen. Nach Angaben des von der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte im Januar 2014 veröffentlichten Berichts über die Menschenrechtssituation in Kolumbien waren während der ersten acht Monate des Jahres 2013 insgesamt 48 Fälle außergerichtlicher Hinrichtungen, die den Sicherheitskräften zugeschrieben wurden, an das Militärjustizsystem verwiesen worden, und "viele weitere Fälle wurden direkt durch Staatsanwälte der zivilen Gerichtsbarkeit [an Militärgerichte] weitergeleitet".

Paramilitärs

Von dem Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden (Gesetz 975 von 2005) profitierten Tausende von Paramilitärs, die im Rahmen eines von der Regierung beaufsichtigten Prozesses ihre Waffen niedergelegt hatten. Die Höchststrafe war auf acht Jahre Gefängnis begrenzt, wenn sie im Gegenzug die Verübung von Menschenrechtsverletzungen eingestanden. Das Gesetz respektierte jedoch nicht das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.

Der Prozess für Gerechtigkeit und Frieden hatte im Jahr 2005 begonnen, doch bis September 2014 waren erst 63 Paramilitärs wegen Menschenrechtsverletzungen auf der Grundlage des Gesetzes 975 verurteilt worden. Die meisten der 30000 Paramilitärs, die am Demobilisierungsprozess teilgenommen haben sollen, unterzogen sich nicht dem begrenzten Überprüfungsverfahren gemäß Gesetz 975.

Die paramilitärischen Gruppen, die von der Regierung als kriminelle Banden (Bandas Criminales - Bacrim) bezeichnet wurden, existierten nach wie vor und begingen weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen, entweder allein oder in Absprache bzw. mit stillschweigender Billigung durch Teile der Sicherheitskräfte. Ihre Angriffsziele waren Menschenrechtsverteidiger, Sprecher sozialer Organisationen und Gewerkschafter ebenso wie indigene Gemeinschaften und afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinden.

Für ungefähr 160 Paramilitärs, die die Bedingungen des Gesetzes 975 erfüllt hatten, bestand ein Anspruch auf Freilassung im Jahr 2014. Einige von ihnen waren hochrangige Anführer, die sich noch in Untersuchungshaft befanden, jedoch den vom Gesetz 975 festgesetzten maximalen Zeitraum von acht Jahren Haft abgesessen hatten. Es wurde erwartet, dass viele von ihnen in die Landesteile zurückkehren würden, in denen sie vormals ihre Straftaten verübt hatten. Dies ließ Befürchtungen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Sicherheit der Opfer und Menschenrechtsverteidiger in diesen Gebieten aufkommen.

Guerillagruppen

Guerillagruppen verübten schwere Menschenrechtsverstöße und Verletzungen des humanitären Völkerrechts, insbesondere gegen Gemeinschaften in ländlichen Gebieten. Trotz ihrer öffentlichen Zusicherung, Entführungen fortan zu unterlassen, trafen weiterhin Berichte über derartige Vorfälle ein. Die NGO País libre verzeichnete in den ersten drei Monaten des Jahres 2014 insgesamt 75 Entführungen. Im selben Zeitraum des Jahres 2013 hatte die entsprechende Zahl 85 betragen. Die meisten Entführungen wurden gewöhnlichen Kriminellen zugeschrieben, während Guerillagruppen für 21% und Paramilitärs für 3% der gesamten Entführungen verantwortlich gewesen sein sollen.

Landminen, die zumeist von den FARC gelegt worden waren, töteten und verstümmelten weiterhin Zivilpersonen und Angehörige der Sicherheitskräfte. Sowohl Guerillagruppen als auch paramilitärische Gruppierungen fuhren damit fort, zumeist in ländlichen Gebieten Kinder zu rekrutieren. Viele Familien sahen sich dadurch gezwungen, zum Schutz ihrer Kinder ihre Heimatorte zu verlassen. Die FARC führten außerdem wahllose Angriffe durch, bei denen Zivilpersonen gefährdet wurden.

Straflosigkeit

Straflosigkeit blieb ein charakteristisches Merkmal des Konflikts, da nur wenige Verantwortliche für Menschenrechtsverstöße zur Rechenschaft gezogen wurden. Die Regierung unterstützte Gesetze, die die Gefahr beinhalten, der Straflosigkeit noch Vorschub zu leisten, was Zweifel an ihrem Engagement für das Recht der Opfer auf Wahrheit und Gerechtigkeit aufkommen ließ.

Im Oktober 2014 unterbreitete die Regierung dem Kongress zwei Gesetzesvorhaben. Mit dem ersten Gesetz sollte die Anzahl der Straftaten erweitert werden, die als in Ausübung des Militärdienstes begangene Aktionen klassifiziert werden können und somit in die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit fallen würden. Das zweite Gesetz sollte bewirken, dass von den Sicherheitskräften begangene Menschenrechtsverletzungen nicht als Straftaten untersucht werden, sondern dass nur der Frage nachgegangen wird, ob es sich dabei um Verletzungen des humanitären Völkerrechts handelt. Dies könnte dazu führen, dass die Täter ihrer strafrechtlichen Verfolgung entkommen können, wenn ihre Straftat als angemessene militärische Aktion im Rahmen des bewaffneten Konflikts dargestellt wird.

Im September wiesen zwölf UN-Menschenrechtsexperten warnend darauf hin, dass das im Kongress debattierte Senatsgesetz 85 ein Rückschritt für die Situation der Menschenrechte sein würde: "Der Gesetzentwurf Nr. 85 könnte die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz drastisch schwächen... Seine Annahme würde auch einen schwerwiegenden Rückschritt im langen Kampf des kolumbianischen Staats gegen die Straflosigkeit in Fällen der Verletzung des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung bedeuten".

Das Gesetzesvorhaben führte eine Reihe von Straftaten auf, die exklusiv von der Militärgerichtsbarkeit verhandelt werden sollten. Dazu zählten Tötungsdelikte und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Da außergerichtliche Hinrichtungen nicht als separate Verbrechenskategorie im Strafgesetzbuch enthalten sind, könnten solche Straftaten als Mord definiert und damit von Militärstaatsanwälten untersucht werden.

Im August 2013 bestätigte das Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des Rechtlichen Rahmens für den Frieden (Marco Legal para la Paz), der im Juni 2012 vom Kongress beschlossen worden war. Das könnte dazu führen, dass mutmaßliche Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen sich der Justiz entziehen können, weil dem Kongress die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Durchführung von Strafprozessen auf die "Hauptverantwortlichen" (máximos responsables) für Menschenrechtsverletzungen zu begrenzen.

Auch könnten die Freiheitsstrafen, die gegen Paramilitärs und Kämpfer von Guerillagruppen und gegen Sicherheitskräfte wegen der Verübung solcher Verbrechen verhängt wurden, aufgehoben werden. Das Gericht entschied jedoch, dass die Strafen für "Hauptverantwortliche" nicht ausgesetzt werden können, wenn diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen begangen haben. Es gab allerdings keine klare Definition oder Kriterien zur Bestimmung der Kategorie der "Hauptverantwortlichen".

Landrückgabe

Das Gesetz über Opferentschädigung und Landrückgabe (Ley de Víctimas y Restitución de Tierras), das im Jahr 2012 in Kraft getreten war, hatte zum Ziel, einigen der Opfer des Konflikts volle Wiedergutmachung inklusive Landrückgabe zu gewähren. Das Gesetz war ein wichtiger Schritt nach vorn in dem Bemühen, das Recht der Opfer auf Wiedergutmachung anzuerkennen, doch es wies weiterhin große Mängel auf, und seine Umsetzung ging nur schleppend voran. Bis August 2014 waren nur etwa 30000 Hektar Land Kleinbauern und ein Territorium von lediglich 50000 Hektar indigenen Gemeinschaften zuerkannt worden. Amtlichen Angaben zufolge waren im Verlauf des bewaffneten Konflikts schätzungsweise 8 Mio. Hektar verlassen oder widerrechtlich in Besitz genommen worden.

Personen, die Land zurückforderten, und jene, die diese vertraten - wie Menschenrechtsverteidiger und Behördenvertreter - wurden bedroht oder getötet. Die Täter waren zumeist Angehörige paramilitärischer Gruppen. Im August 2014 untersuchte die Generalstaatsanwaltschaft die Ermordung von mindestens 35 Personen, die vermutlich im Zusammenhang mit Forderungen auf Landrückgabe stand.

Am 8. Juli 2014 schoss ein Unbekannter auf den für die Behörde für Landrückgabe der Regierung (Unidad de Restitución de Tierras) arbeitenden Topographen Robinson Álvarez Quemba, als dieser im Verwaltungsbezirk San Roque im Departamento Antioquia Dienst tat. Robinson Álvarez Quemba erlag drei Tage später seinen Verletzungen.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger waren erheblichen Gefahren ausgesetzt. Das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in Kolumbien verzeichnete zwischen Januar und September 40 Tötungen von Menschenrechtsverteidigern. Im Vergleich dazu waren laut Angaben der NGO Somos Defensores im Jahr 2013 mehr als 70 Menschenrechtsverteidiger getötet worden. Zu den Opfern gehörten Sprecher von indigenen Volksgruppen und Afro-Kolumbianern, Landrechtsaktivisten und Gemeindesprecher. Nach Angaben der NGO Escuela Nacional Sindical wurden bis zum 11. Dezember 2014 insgesamt 20 Gewerkschaftsmitglieder ermordet. Im Jahr 2013 waren mindestens 27 Gewerkschafter Opfer von Mordanschlägen geworden.

Diese Angriffe wie auch der Diebstahl vertraulicher Informationen, anhaltende Morddrohungen und der Missbrauch des Rechtssystems für die Erhebung falscher Anschuldigungen gegen Menschenrechtsverteidiger untergruben die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und erzeugten ein Klima der Angst. Zum Ende des Jahres 2014 war ein Anstieg der Morddrohungen zu verzeichnen.

Im September und Oktober schickten mehrere paramilitärische Gruppen per Massen-E-Mails Morddrohungen an mehr als hundert Menschenrechtsverteidiger, Gemeindesprecher, Friedensaktivisten, Befürworter der Landrückgabe, Politiker und Journalisten. Von den Personen, die für die Morddrohungen sowie die Tötung von Menschenrechtsverteidigern verantwortlich waren, wurden nur wenige identifiziert oder gar zur Rechenschaft gezogen.

Die staatlichen Personenschutzprogramme, für deren Koordinierung die Nationale Einheit zum Personenschutz (Unidad Nacional de Protección - UNP) zuständig war, boten Tausenden bedrohten Personen, u.a. Menschenrechtsverteidigern, weiterhin Schutz. Aber diese Programme wiesen große Mängel auf, wie z.B. lange Verzögerungen bis zur Bereitstellung von Sicherheitsmaßnahmen.

Im September 2014 erschütterte ein Korruptionsskandal die UNP. Hochrangige UNP-Beamte, unter ihnen der Verwaltungschef und der Generalsekretär, wurden beschuldigt, von privaten Auftragnehmern, an die die UNP den Großteil ihrer Schutzmaßnahmen per Subunternehmervertrag vergibt, Bestechungsgelder entgegengenommen zu haben. Ebenfalls im September gab die UNP bekannt, dass sie wegen eines Haushaltsdefizits die Schutzmaßnahmen für einige Personen einstellen müsse.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Alle Konfliktparteien verübten Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt, die sich hauptsächlich gegen Frauen und Mädchen richteten. Die Behörden hatten das Urteil 092 des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 noch immer nicht umgesetzt. Dieses Urteil hatte den Behörden auferlegt, derartige Verbrechen zu stoppen und die dafür Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

Im Juni 2014 unterzeichnete Präsident Santos ein Gesetz über sexuelle Gewalt im Kontext des internen bewaffneten Konflikts (Gesetz 1719), das derartige Gewalt als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert. Es nimmt Bezug auf eine Reihe spezifischer Gewaltpraktiken im Rahmen des Konflikts, darunter sexuelle Sklaverei und Ausbeutung, Zwangssterilisierung sowie erzwungene Prostitution, Abtreibung, Schwangerschaft und Entblößung. Nach dem Gesetz gibt es keine Verjährung für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

US-amerikanische Hilfe

Die Hilfe der USA für Kolumbien nahm weiter ab. Im Jahr 2014 stellten die USA etwa 214,5 Mio. US-Dollar an militärischer und ungefähr 164,9 Mio. US-Dollar an nichtmilitärischer Hilfe für Kolumbien bereit. Im Jahr 2013 hatten die entsprechenden Hilfszahlungen 228,6 Mio. US-Dollar bzw. 195,9 Mio. US-Dollar betragen. Im September 2014 wurden ungefähr 25% der Militärhilfe für 2014 freigegeben, nachdem der US-amerikanische Außenminister bescheinigt hatte, dass die kolumbianische Regierung Fortschritte bei der Verbesserung der Menschenrechtssituation erzielt habe.

Internationale Kontrolle

In ihrem im Januar 2014 veröffentlichten Kolumbien-Bericht gratulierte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte der kolumbianischen Regierung zu "ihrer entschlossenen Suche nach einer Vereinbarung zur Beendigung des internen bewaffneten Konflikts". Sie merkte aber zugleich an, dass alle Konfliktparteien noch immer für Menschenrechtsverstöße und -verletzungen verantwortlich seien. In dem Bericht wurde zudem festgestellt, dass der mangelnde Wille der staatlichen Institutionen, "die Verantwortung für die Verletzung der Menschenrechte zu übernehmen, weitere Fortschritte im Bereich der Menschenrechte verhindert".

Im August 2014 veröffentlichte die Interamerikanische Menschenrechtskommission einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Kolumbien. Darin wurden die Fortschritte bei den Friedensgesprächen begrüßt, aber auch darauf hingewiesen, dass der bewaffnete Konflikt noch immer schwere Beeinträchtigungen der Menschenrechte verursache. Der Bericht machte zudem darauf aufmerksam, dass keine Lösung für die Menschenrechtssituation gefunden werden könne, solange nicht auch das Problem der Straflosigkeit angegangen werde.

Im März 2014 ersuchte die Interamerikanische Menschenrechtskommission die kolumbianische Regierung, vorsorgliche Schutzmaßnahmen für den Bürgermeister von Bogotá, Gustavo Petro Urrego, zu ergreifen sowie dessen im Januar von der Generalstaatsanwaltschaft angeordnete Amtsenthebung rückgängig zu machen, bis die Kommission eine Entscheidung in diesem Fall getroffen habe. Die Regierung lehnte es zunächst ab, diesem Ersuchen zu entsprechen. Sie widerrief ihre Entscheidung erst, nachdem sie im April 2014 vom Verfassungsgericht Kolumbiens dazu aufgefordert worden war.

Der UN-Menschenrechtsrat nahm das Ergebnis der im September 2013 durchgeführten Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung Kolumbiens an. Amnesty International begrüßte die kolumbianische Unterstützung der Empfehlungen zur Bekämpfung der Straflosigkeit, wies jedoch erneut mit Besorgnis darauf hin, dass das Gesetz zur Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs der Militärjustiz und der Rechtliche Rahmen für den Frieden (Marco Legal para la Paz) Bemühungen zur Bekämpfung der Straflosigkeit erheblich beeinträchtigen würden.

Amnesty International: Berichte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verknüpfte Dokumente