Anfragebeantwortung zu Mauretanien: Informationen zu Sklaverei und Menschenhandel [a-9332]

11. September 2015

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Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zu Menschenhandel vom Juli 2015 (Beobachtungszeitraum April 2014 bis März 2015), dass Mauretanien ein Ausgangs- und Zielland für den Menschenhandel sei, dessen Opfer als ZwangsarbeiterInnen eingesetzt oder sexuell ausgebeutet würden. Erwachsene und Kinder aus traditionellen Sklavenkasten innerhalb der Gemeinschaften der schwarzen Mauren und Afro-Mauretanier würden Opfer von mit Sklaverei in Verbindung stehenden Praktiken, die in altüberlieferten Herr-Sklave-Beziehungen verwurzelt seien. Obwohl es keine verlässlichen Daten zur Gesamtzahl der SklavInnen in Mauretanien gebe, seien sich lokale und internationale ExpertInnen darin einig, dass die Sklaverei weiterhin einen erheblichen Teil der Bevölkerung des Landes, sowohl auf dem Land als auch in den Städten, betreffe. SklavInnen würden dazu gezwungen, ohne Bezahlung als Viehhirten und Hausbedienstete zu arbeiten:

Mauritania is a source and destination country for women, men, and children subjected to forced labor and sex trafficking. Adults and children from traditional slave castes in the Black Moor and Afro-Mauritanian communities are subjected to slavery-related practices rooted in ancestral master-slave relationships. Although reliable data on the total number of slaves does not exist, local and international experts agree that slavery continues to affect a significant portion of the country’s population in both rural and urban settings. Held for generations by slave-holding families, persons subjected to slavery are forced to work without pay as cattle herders and domestic servants.” (USDOS, 27. Juli 2015)

Wie der USDOS-Bericht weiters anführt, würden darüber hinaus einige Jungen in Mauretanien und anderen westafrikanischen Ländern, die an Koranschulen unterrichtet würden, anschließend von gewissenlosen Imamen zum Betteln gezwungen. Diese Jungen würden unter harten Bedingungen leben und keine Schule besuchen. Viele müssten um Essen betteln und täglich einen gewissen Betrag verdienen, um den Imam zu bezahlen. Jungen aus einkommensschwachen Familien der Halpulaar-Gemeinschaft (schwarzafrikanische Ethnie, Anm. ACCORD) seien der größten Gefahr ausgesetzt, zum Betteln gezwungen zu werden. Kindern, die über keine Geburtsurkunde verfügt hätten, sei im Allgemeinen nicht erlaubt worden, eine Schule zu besuchen, weshalb diese Kinder einem erhöhten Risiko ausgesetzt gewesen seien, Opfer von Menschenhandel zu werden.

Mauretanische Mädchen, sowie Mädchen aus anderen westafrikanischen Ländern, würden Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Einige von ihnen würden Zwangsehen eingehen, die von Vermittlern und Reiseagenturen in Mauretanien angebahnt würden, und anschließend als Sexsklavinnen im Ausland ausgebeutet. Männer aus dem Nahen Osten und Nordafrika würden legal eingegangene „Zeitehen“ als Mittel verwenden, um Mädchen und Frauen in Mauretanien sexuell auszubeuten:

Separately, some boys from within Mauritania and other West African countries who study at Koranic schools – referred to as talibes – are subsequently subjected to forced begging by corrupt imams. Talibe victims live in harsh conditions and do not attend school; many are forced to beg for food and to earn a daily financial quota to pay the imam. Boys from low-income families in the Halpulaar community were most vulnerable to forced begging. Children who lacked birth certificates were generally not permitted to enroll in school and were therefore at increased risk to trafficking. Mauritanian girls, as well as girls from Mali, Senegal, The Gambia, and other West African countries, are forced into domestic servitude in Mauritania. Mauritanian women and girls are subjected to sex trafficking in the country or the Middle East. Some enter into forced marriages, facilitated by brokers and travel agencies in Mauritania, and are subsequently exploited as sex slaves overseas. Men from Middle Eastern and North African countries use legally contracted ‘temporary marriages’ as a means to sexually exploit young girls and women in Mauritania.” (USDOS, 27. Juli 2015)

Laut dem USDOS würden VertreterInnen der Zivilgesellschaft die Strafverfolgungsbehörden und JustizbeamtInnen weiterhin dafür kritisieren, Fälle von Sklaverei, die ihnen zur Kenntnis gebracht würden, nicht angemessen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen:

Civil society representatives continued to criticize law enforcement and judicial officials for a failure to appropriately investigate and prosecute slavery cases brought to their attention.” (USDOS, 27. Juli 2015)

Die Regierung habe unwesentliche Bemühungen zur Vollstreckung der gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung des Menschenhandels unternommen, so das USDOS weiter. Alle Formen des Menschenhandels, ausgenommen erbliche Sklaverei, würden durch das Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels von 2003, das Strafen von fünf bis zehn Jahren Haft für Gesetzesverstöße vorsehe, verboten. Diese Strafen seien ausreichend streng und würden das Strafausmaß bei schweren Verbrechen wie Vergewaltigung überschreiten. Sklaverei, darunter erbliche Sklaverei, werde durch ein Gesetz von 2007 verboten. Ein Gesetz von 2013 weite die zehnjährige Verjährungsfrist des Gesetzes von 2007 aus. Letztgenanntes stelle eine Definition von Sklaverei zur Verfügung und sehe eine ausreichend strenge Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft für Gesetzesverstöße vor. Die Effektivität des Gesetzes werde jedoch durch die Anforderung beeinträchtigt, dass SklavInnen eine Klage einbringen müssten, bevor die strafrechtliche Verfolgung beginnen könne. Darüber hinaus sei es NGOs nicht erlaubt, im Namen von SklavInnen, von denen viele AnalphabetInnen seien, Klagen einzubringen. Obwohl die Nationale Behörde für die Bekämpfung der Überreste der Sklaverei, Integration und den Kampf gegen die Armut (bekannt als Tadamoun) über die Befugnis verfüge, im Namen von Opfern Klagen einzureichen, habe sie dies während des Berichtszeitraums nicht getan.

Die Regierung habe einen Fall von Sklaverei, der von einer NGO identifiziert worden sei, untersucht, jedoch während des Berichtszeitraums keine Menschenhändler strafrechtlich verfolgt oder verurteilt. Als Ergebnis dieser einen Untersuchung habe die Regierung einen mutmaßlichen Sklavenhalter festgenommen, letztlich aber keine Anklage auf Grundlage des Gesetzes zur Bekämpfung der Sklaverei von 2007 erhoben. Der Sklavenhalter sei schließlich wieder freigelassen worden und es sei unklar, ob die Regierung den Fall vor Gericht bringen werde. NGOs hätten berichtet, rund 4.000 Fälle von Kinderarbeit an die Polizei verwiesen zu haben. Allerdings habe keiner davon zu Untersuchungen, strafrechtlicher Verfolgung oder Verurteilungen wegen Kinderzwangsarbeit geführt:

The government made negligible anti-trafficking law enforcement efforts. All forms of trafficking, except hereditary slavery, are prohibited by the 2003 Law Against Trafficking in Persons, which prescribes penalties of five to 10 years’ imprisonment for violations. These penalties are sufficiently stringent and exceed those prescribed for serious crimes, such as rape. Slavery, including hereditary slavery, is prohibited by Law 2007-048, enacted in September 2007; a 2013 law against slavery and torture broadens the 2007 law’s 10-year statute of limitations. The 2007 law defines slavery and prescribes a sufficiently stringent penalty of five to 10 years’ imprisonment for violations. Its effectiveness is impaired by a requirement that slaves file a legal complaint before prosecution can be pursued, as well as by barring NGOs from filing complaints on behalf of slaves – many of whom are illiterate. Although the National Agency to Fight against the Vestiges of Slavery, Integration, and the Fight against Poverty, known as Tadamoun, has the authority to submit complaints on behalf of victims, it did not do so during the reporting period.

The government investigated one slavery case identified by an NGO, but did not prosecute or convict any traffickers during the reporting period. In the single investigation conducted, the government initially arrested an alleged slave master, but ultimately did not file charges under the 2007 anti-slavery law and released the slave master; it is unclear whether the government will bring the case to trial. NGOs reported referring approximately 4,000 cases of child labor to the police; however, none resulted in any investigations, prosecutions, or convictions for forced child labor.” (USDOS, 27. Juli 2015)

Mit Hinblick auf die Gesetzeslage im Zusammenhang mit Sklaverei berichtet Radio France Internationale (RFI), der Auslandsdienst des öffentlichen Hörfunks in Frankreich, in einem Artikel vom August 2015, dass das mauretanische Parlament ein neues Gesetz angenommen habe. Die Sklaverei werde nunmehr als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen. Das neue Gesetz stelle mehr Praktiken unter Strafe als das alte, außerdem würden die Haftstrafen für Personen, die der Sklaverei für schuldig befunden worden seien, verdoppelt.

Laut Balla Touré, dem Sprecher der NGO Initiative de résurgence du mouvement abolitionniste (IRA), sei in der Verabschiedung des neuen Gesetzes allerdings eine Doppelzüngigkeit der mauretanischen Behörden zu erkennen, da die obersten Verantwortlichen des Landes behaupten würden, dass es in Mauretanien keine Sklaverei gebe.

Bislang habe das mauretanische Gesetz Sklaverei als Freiheitsentzug oder eine Arbeit ohne Lohn/Gehalt verstanden. Der neue Gesetzestext berücksichtige hingegen zehn weitere Formen der Sklaverei, darunter die Zwangsverheiratung einer versklavten Frau im Austausch für eine Gegenleistung, die Abtretung einer Sklavin an einen Dritten oder ihre Vererbung („transmission par succession“) an eine andere Person. Darüber hinaus sehe das neue Gesetz die Einrichtung von spezialisierten Gerichten zur Verfolgung von Verbrechen im Zusammenhang mit Sklaverei vor und gestehe den Opfern einen Rechtsbeistand („assistance judiciaire“) und eine unentgeltliche Prozessdurchführung zu:

„Le Parlement mauritanien a adopté jeudi 13 août une nouvelle loi contre l'esclavage. La pratique est désormais considérée comme un crime contre l'humanité. Dans ce nouveau texte, adopté à l'unanimité, les pratiques incriminées sont plus nombreuses et les peines d'emprisonnement à l'encontre de ceux jugés coupables d'esclavage sont doublées. […]

Après le vote d’un nouveau cadre juridique renforçant l'interdiction de l’esclavage en Mauritanie, Balla Touré, porte-parole de l’ONG Initiative de résurgence du mouvement abolitionniste (IRA Mauritanie), dénonce un double discours des autorités mauritaniennes. ‘Ça ne changera pas, dit-il, puisque les premiers responsables du pays passent leur temps à dire qu’il n’y a pas d’esclavage en Mauritanie’. […]

Jusqu'à présent, la loi mauritanienne pénalisait l'esclavage compris comme une privation de liberté ou un travail sans salaire. Le nouveau texte prend en compte dix autres formes d'esclavage, dont le mariage forcé d'une femme esclave en échange d'une contrepartie, la cession d'une esclave à un tiers, ou sa transmission par succession à une autre personne. Elle met par ailleurs en place des juridictions spécialisées pour juger les crimes d'esclavage et accorde une assistance judiciaire ainsi qu'une procédure gratuite aux victimes.(RFI, 15. August 2015)

Auch das Büro des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) erwähnt in einer Pressemitteilung vom August 2015 die Verabschiedung eines neuen Anti-Sklaverei-Gesetzes in Mauretanien, das eine Verdopplung der Haftstrafen für Sklaverei von zehn auf 20 Jahre vorsehe und spezielle Gerichte für die strafrechtliche Verfolgung von Sklaverei und sklavereiähnliche Praktiken schaffe. Die Verabschiedung dieses Gesetzes sei von UNO-Sonderberichterstatterin Urmila Bhoola begrüßt worden, gleichzeitig habe sie jedoch angemahnt, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Gänze umgesetzt werden müssten.

Laut Bhoola räume das Gesetz zivilgesellschaftlichen Organisationen das Recht ein, als Zivilpartei im Namen der Opfer Klage beim Gericht einzureichen, allerdings könnten die im Gesetzestext vorgesehenen Voraussetzungen einige NGOs daran hindern, so zu verfahren. Das Gesetz sehe außerdem eine unentgeltliche rechtliche Unterstützung für Opfer vor und verweise auf deren Recht auf Rücksiedlung („repatriation“), ohne jedoch auf die Modalitäten einzugehen:

„United Nations Special Rapporteur Urmila Bhoola applauded the adoption of a new anti-slavery law in Mauritania that doubles the maximum prison sentence for the crime of slavery from 10 to 20 years and creates special tribunals for prosecution of slavery and slavery-like practices. However, she cautioned, ‘this welcome development needs to be followed by its full implementation.’ […]

Commenting on the new anti-slavery legislation adopted by the Mauritanian National Assembly last week, Ms. Bhoola hailed the fact that it gives the right to civil society organisations to lodge complaints in courts on behalf of the victims as civil party but noted that the requirements set in the law might impede some of them to do so. The Law also foresees free legal assistance for victims and refers to their right to reparation, however without elaborating on its modalities.” (OHCHR, 21. August 2015)

Die britische Tageszeitung The Guardian berichtet in einem Artikel vom August 2015 über die Bestätigung einer zweijährigen Haftstrafe für drei Anti-Sklaverei-Aktivisten durch ein mauretanisches Gericht. Die Aktivisten seien während Protesten gegen Knechtschaft („bondage“) in dem westafrikanischen Land festgenommen worden. Laut Verteidiger Brahim Ould Ebetty handle es sich dabei angesichts der Verabschiedung eines strengeren Gesetzes zur Bekämpfung von Sklaverei zwei Wochen zuvor um eine „Justizfarce“.

Wie der Artikel weiters anführt, sei Sklaverei laut der in Australien ansässigen Organisation Walk Free in Mauretanien tief verwurzelt. In ihrem Global Slavery Index 2014 habe die Organisation geschätzt, dass es 156.000 SklavInnen in Mauretanien gebe, was rund vier Prozent der Bevölkerung des Landes ausmache:

A Mauritanian court has upheld a two-year prison sentence against three anti-slavery activists who were arrested during a protest against bondage in the west African nation. […]

He [defence lawyer Brahim Ould Ebetty] slammed a ‘parody of justice’ just two weeks after Mauritania adopted a hardened law to crack down on slavery, which activists say is widespread in the country despite being criminalised in 2007. […]

Slavery is deeply entrenched in Mauritania, with slave status often passed on from generation to generation, according to the Australia-based Walk Free Movement, which estimated in its 2014 global slavery index that there were 156,000 slaves in Mauritania – about 4% of the population.” (The Guardian, 21. August 2015)

Der im obigen Zitat erwähnte Global Slavery Index 2014 der Organisation Walk Free, die sich gegen Sklaverei und Menschenhandel einsetzt, findet sich unter folgendem Link:

·      Walk Free: The Global Slavery Index 2014, November 2014
http://d3mj66ag90b5fy.cloudfront.net/wp-content/uploads/2014/11/Global_Slavery_Index_2014_final_lowres.pdf

 

Hinsichtlich der Zahl der versklavten Personen in Mauretanien erwähnt eine im März 2012 veröffentlichte Reportage des US-amerikanischen Fernsehsenders CNN allerdings, dass Gulnara Shahinian, UNO-Sonderberichterstatterin über moderne Formen der Sklaverei, diese auf zehn bis 20 Prozent der 3,4 Millionen Menschen umfassenden mauretanischen Bevölkerung schätze:

An estimated 10% to 20% of Mauritania’s 3.4 million people are enslaved – in ‘real slavery,’ according to the United Nations’ special rapporteur on contemporary forms of slavery, Gulnara Shahinian.” (CNN, März 2012)

Die Minority Rights Group International (MRG), eine internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, schreibt in ihrem im Juli 2015 veröffentlichten Jahresbericht zur Lage von Minderheiten, dass die Minderheit der Haratin, die als „schwarze Mauren“ bekannt seien, während Jahrhunderten von der dominierenden arabisch-berberischen Bevölkerung in einem System erblicher Sklaverei versklavt worden sei. 2014 habe Mutuma Ruteere, UNO-Sonderberichterstatter über moderne Formen des Rassismus, angeführt, dass geschätzte 50 Prozent der Haratin von De-facto-Versklavung, unter anderem als Hausbedienstete und ArbeiterInnen in Schuldknechtschaft, betroffen seien:

„In Mauritania the Haratine minority, known as ‘Black Moors’, were enslaved by the dominant Arab Berber population over centuries in a system of hereditary slavery. […] In 2014, the Special Rapporteur on contemporary forms of racism, Mutuma Ruteere, reported that an estimated 50 per cent of Haratines face de facto slavery, including as domestic servants and bonded labourers. In November, the Walk Free Foundation also reported that Mauritania had the highest proportion of slaves to population in the world.” (MRG, 2. Juli 2015, S. 89)

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) berichtet in einem Artikel vom März 2015 über ein Gespräch mit Khali Ould Maouloud, einem ehemaligen mauretanischen Sklaven und jetzigen Anti-Sklaverei-Aktivisten. Der Artikel erwähnt auch, dass Walk Free den Anteil der versklavten Bevölkerung in Mauretanien im Jahr 2014 auf vier Prozent geschätzt habe, dass die Zahlen zu Sklaverei aber variieren könnten, „[j]e nachdem, wie Sklaverei und andere Formen der Zwangsarbeit definiert werden“:

„Khali Ould Maouloud ist Mauretanier. Er wurde als Sklave geboren, weil seine Eltern Sklaven waren. Seine Eltern gehören zur Ethnie der Haratines. Aus dieser Volksgruppe stammen alle Sklavinnen und Sklaven in Mauretanien. Anders als die meisten Sklavenkinder hatte Khali Ould Maouloud aber die Möglichkeit, in die Schule zu gehen. […]

‚In Mauretanien liegt die gesamte Macht in den Händen von arabisch-stämmigen Berbern, die gerade einmal zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachen‘, sagt Khali Ould Maouloud. ‚Die restlichen achtzig Prozent sind Schwarzafrikaner, von denen die Hälfte zur Ethnie der Haratines gehört. Etwa ein Drittel dieser Haratines ist frei, der Rest dient den arabisch-berberischen Herren und Herrinnen.‘ Es gibt keine verlässlichen Zahlen, wie viele Menschen in dem Land in Sklaverei leben. Die IRA [Initiative pour la résurgence du mouvement abolitionniste] schätzt, dass zwischen zehn und zwanzig Prozent der 3,8 Millionen MauretanierInnen Sklavinnen und Sklaven sind. ‚Man kann gut von einer halben Million Sklaven sprechen, es sind wohl eher mehr.‘

Je nachdem, wie Sklaverei und andere Formen der Zwangsarbeit definiert werden, können die Zahlen zur Sklaverei in Mauretanien jedoch variieren; so geht die Organisation ‚Walk Free‘ von weit niedrigeren Zahlen aus, nämlich 4 Prozent im Jahr 2014.

Die Sklaverei ist in Mauretanien seit 1981 offiziell verboten, wird jedoch erst seit 2007 strafrechtlich verfolgt. ‚Auf dem Papier zumindest‘, so Khali Ould Maouloud. ‚In sieben Jahren kam es nur zu einer einzigen Verurteilung – auf Bewährung. Der angeklagte Herr konnte das Gericht als freier Mann verlassen.‘ […] ‚Es hat Veränderungen gegeben, doch die sind Fassade. So gibt es seit etwa 15 Jahren keine Sklavenmärkte mehr, auf denen Männer, Frauen und Kinder zum Verkauf angeboten werden.‘ Heute werden die Transaktionen im Privaten, zwischen den Herrschenden, gemacht. ‚Damit war der Staat fein raus, als der Menschenrechtsrat, in dem Mauretanien sitzt, 2009 genauer hinschaute: Man konnte sagen, man habe von nichts gewusst.‘“ (AI, März 2015)

„Nicht nur das Justizsystem stütze die Sklaverei, erklärt Khali Ould Maouloud. ‚Die Sklaverei ist tief in der Mentalität der Mauretanier und Mauretanierinnen verankert, sowohl bei den Herrschenden als auch bei Sklavinnen und Sklaven. Sie dauert nicht nur an, weil die Herrschenden ansonsten auf den Komfort von Dienenden verzichten müssten, sondern auch, weil die Sklavinnen und Sklaven nicht die Ausbildung haben, um das System in Frage zu stellen.‘ Sklaven, Sklavinnen und ihre Kinder gelten so viel wie Grundeigentum oder Lasttiere. ‚Sie haben keine Identitätspapiere, kein Recht auf eigene Unterkunft. Sie können wie irgendein Gegenstand verkauft werden. Dies gilt insbesondere für Frauen und Mädchen, die häufig von ihren Besitzern als Sexsklavinnen angeboten werden. Kinder, die aus diesen Vergewaltigungen entspringen, werden nicht anerkannt. Sie vergrössern einfach die ‹Herde› des Herrn.‘

Einige Imame würden dem System noch einen religiösen Anstrich geben, so Khali Ould Maouloud. ‚Die Sklaverei sei mit dem Koran vereinbar, erklärt man uns die ganze Zeit. Warum also riskieren, sich gegen ein gottgewolltes System aufzulehnen?‘ In letzter Zeit habe sich dies noch verschlimmert: In Predigten werde gegen die Anti-Sklaverei-AktivistInnen gehetzt, indem man sie mit ‚den Zionisten‘ oder ‚den Amerikanern‘ in Verbindung bringe. […]

Sklavinnen und Sklaven, die sich selbst aus diesem Joch befreien möchten, sind von der Gnade des Herrn abhängig oder müssten sich an das Gericht oder religiöse Institutionen wenden. ‚Selbst wenn sie dies schaffen, müssen sie sich danach erst einen Platz in der Gesellschaft erkämpfen: Sie haben keine Papiere, ja selbst ihr Name verrät ihre Herkunft als Sklavin oder Sklave.‘“ (AI, März 2015)

Dieselbe Quelle führt in ihrem Jahresbericht vom Februar 2015 (Berichtszeitraum 2014 und wichtige Ereignisse von 2013) folgende Informationen zu Sklaverei in Mauretanien an:

„Sklaverei existierte weiterhin. Manche Familien wurden schon über Generationen hinweg in Sklaverei gehalten. Betroffen waren hiervon insbesondere Frauen und Mädchen. […]

Obwohl Gesetze verabschiedet worden waren, die Sklaverei als Straftat definierten, und zudem im Dezember 2013 ein Sondertribunal zur Anhörung von Fällen der Sklaverei eingerichtet worden war, wurden diese Gesetze in der Praxis kaum umgesetzt.

Gerichtsverfahren zogen sich übermäßig in die Länge. Zwischen 2010 und Ende 2014 wurden der Staatsanwaltschaft mindestens sechs Fälle von Sklaverei übergeben, über die bis Ende 2014 aber noch nicht entschieden worden war.

Die Regierung beschloss im März 2014 ein Strategiepapier zur Abschaffung der Sklaverei. Die darin enthaltenen 29 Empfehlungen sahen u.a. vor, das Antisklavereigesetz von 2007 auf weitere Formen der Sklaverei wie vererbte Sklaverei, Schuldknechtschaft und Frühverheiratung auszudehnen. Zudem wurde empfohlen, das Gesetz von 2007 durch Bestimmungen über Wiedereingliederungsprogramme für Menschen, die aus der Sklaverei befreit wurden, zu ergänzen. Außerdem sollen Initiativen durchgeführt werden, die das Bewusstsein dafür schärfen, dass es sich bei Sklaverei um eine Straftat handelt.

Im Mai 2014 wurde eine Sklavenhalterin in Echemin wegen der Versklavung der 15-jährigen MBeirika Mint M'Bareck angezeigt. Die Anklage gegen die Sklavenhalterin lautete auf ‚Ausbeutung einer Minderjährigen‘, Menschenrechtsorganisationen forderten jedoch, die Anklage in ‚Sklaverei‘ umzuändern. Als MBeirika Mint M'Bareck im Juni befreit wurde, klagte die Staatsanwaltschaft sie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs (Zina) an, weil sie schwanger war. Die Anklage wurde später fallengelassen. Ihre Mutter und zwei Schwestern wurden Ende 2014 in Azamat, einer Stadt nahe der Grenze zu Mali, noch immer als Sklavinnen gehalten.

Ebenfalls im Mai berichtete die Organisation Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in Mauretanien (L'initiative pour la Résurgence du Mouvement Abolitionniste en Mauritanie - IRA), dass eine Frau und ihre fünf Kinder in Ould Ramy nahe Wembou im Südosten von Mauretanien als Sklaven gehalten würden. Nachdem der Fall der Polizei übergeben worden war, verhörte diese die IRA-Vertreter und machte geltend, dass die IRA keine legal anerkannte Organisation sei. Schließlich erhielt die Gendarmerie den Auftrag, den Fall zu untersuchen. Bis Ende 2014 lagen jedoch keine Berichte über etwaige Untersuchungsfortschritte vor.“ (AI, 25. Februar 2015)

Die oben bereits zitierte CNN-Reportage vom März 2012 führt an, dass die meisten Sklavenfamilien in Mauretanien aus dunkelhäutigen Personen bestehen würden, deren Vorfahren Jahrhunderte zuvor von hellerhäutigen arabischen Berbern gefangen genommen worden seien. SklavInnen würden üblicherweise nicht ge- und verkauft, sondern lediglich verschenkt, und seien ihr Leben lang in ihrem Schicksal gefangen. Ihre Nachkommen würden automatisch auch zu SklavInnen.

Es existiere ein Kontinuum zwischen Sklaverei und Freiheit, auf dem sich viele Männer und Frauen in Mauretanien befinden würden. Einige würden geschlagen, andere nicht. Einige würden gefangen gehalten und mit Gewalt bedroht, während andere durch kompliziertere Methoden festgehalten und dazu gebracht würden, zu glauben, dass sie aufgrund ihrer dunkleren Hautfarbe weniger wert seien und es ihre Bestimmung sei, hellhäutigen Herren zu dienen. Einige seien geflüchtet und würden in Angst leben, entdeckt und zurückgebracht zu werden, während andere freiwillig zurückkehren, da sie nicht in der Lage seien, ohne Hilfe zu überleben.

Wie in der Reportage weiters erwähnt wird, würden einige Herren, die die Hilfe von SklavInnen nicht mehr benötigen würden, diese in Dörfer auf dem Land schicken, die ausschließlich von SklavInnen bewohnt würden. Nur gelegentlich würden die Herren den SklavInnen Kontrollbesuche abstatten oder Informanten beauftragen, sicherzustellen, dass die SklavInnen das Dorf nicht verlassen:

„Most slave families in Mauritania consist of dark-skinned people whose ancestors were captured by lighter-skinned Arab Berbers centuries ago. Slaves typically are not bought and sold – only given as gifts, and bound for life. Their offspring automatically become slaves, too. […]

It’s impossible, from the road, to know for sure which of these men and women are enslaved and which are paid for their work. Many exist somewhere on the continuum between slavery and freedom. Some are beaten; some aren’t. Some are held captive under the threat of violence. Others are like Moulkheir once was – chained by more complicated methods, tricked into believing that their darker skin makes them less worthy, that it’s their place to serve light-skinned masters. Some have escaped and live in fear they’ll be found and returned to the families that own them; some return voluntarily, unable to survive without assistance. […]

In a strange twist, some masters who no longer need a slave’s help send the servants away to slave-only villages in the countryside. They check on them only occasionally or employ informants who make sure the slaves tend to the land and don’t leave it.” (CNN, März 2012)

Die französische Asylbehörde Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (OFPRA) geht in einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission nach Mauretanien im Zeitraum vom 1. bis zum 8. März 2014 unter Bezugnahme auf die Angaben verschiedener GesprächspartnerInnen auf die Situation im Zusammenhang mit Sklaverei ein. Laut OFPRA sei die Sklaverei weiterhin verbreitet, sowohl in den schwarzmauretanischen (négro-mauritaniens“)  als auch in den arabisch-berberischen Gemeinschaften, wo der Begriff Haratin die SklavInnen und deren befreite Nachkommen bezeichne. Allerdings würden sich die Sklavereipraktiken zwischen diesen beiden Gemeinschaften stark voneinander unterscheiden.

Boubacar Messaoud, Vorsitzender der Vereinigung SOS-Esclaves schätze, dass die Sklaverei in Mauretanien weiterhin ein ausgeprägtes Phänomen sei, auch wenn es nicht möglich sei, dieses zu quantifizieren. Solange der Staat nicht sicher sei, die Ergebnisse manipulieren zu können, werde keine diesbezügliche Untersuchung durchgeführt, so Messaoud:

L’esclavage demeure répandu tant dans les communautés négro-mauritaniennes que dans les communaués arabo-berbères, où le terme harratine désigne les esclaves ainsi que leurs descendants affranchis. Cependant, les pratiques esclavagistes diffèrent grandement entre ces deux communautés (infra).

Boubacar Messaoud [président de l’association SOS-Esclaves] estime que l’esclavage demeure aujourd’hui prégnant en Mauritanie même s’il est, selon lui, impossible de quantifier ce phénomène: ‘Les esclaves sont nombreux, mais aucune enquête n’a été menée à ce sujet jusque là. Tant que l’Etat ne sera pas certain de pouvoir manipuler les résultats, il ne fera pas d’enquête’.” (OFPRA, 2014, S. 45)

Wie OFPRA weiters anführt, würden die Behörden trotz des gesetzlichen Rahmens die Existenz der Sklaverei leugnen. Das Gesetz erkenne nur die Nachwirkungen und Überreste der Sklaverei an. Der Staat weigere sich, sich des Problems der Sklaverei auf klare Art und Weise anzunehmen.

Ein mauretanischer Journalist habe den Fall eines Ministers erwähnt, der rund 15 Hausbedienstete für sich arbeiten lasse. Bei diesen handle es sich in Wirklichkeit um SklavInnen. Laut Hamady Lehbouss, einem Berater des Vorsitzenden der NGO IRA-Mauretanie, würden sich die Regierung, der Staat und die Behörden aus Sklavenhaltern zusammensetzen, die nicht wollen würden, dass sich das System ändere:

Selon Boubacar Messaoud, en dépit de ce cadre législatif, les autorités ‘nient l’existence de l’esclavage. La loi ne reconnaît que les séquelles, les vestiges de l’esclavage. L’Etat refuse de prendre en charge ce problème de façon claire’. […]

Un journaliste mauritanien rencontré lors de la mission évoque l’existence d’un ministre faisant travailler chez lui ‘une quinzaine de domestiques, qui sont en réalité des esclaves‘. Selon Hamady Lehbouss, conseiller du président d’Initiative pour la résurgence du mouvement abolitionniste en Mauritanie (IRA-Mauritanie), ‘Le gouvernement, l’Etat, les autorités sont composés d’esclavagistes. Ils ne veulent pas que le système change’.” (OFPRA, 2014, S. 47-48)

Laut OFPRA gebe es innerhalb der arabisch-berberischen Gemeinschaft verschiedene Formen der Sklaverei: die „traditionelle” Sklaverei, die vor allem in entlegenen Gebieten im Inneren des Landes praktiziert werde und durch althergebrachte Praktiken charakterisiert sei, sowie die „moderne“ Sklaverei, die man im Wesentlichen in urbanen Gebieten, vor allem in Nouakchott, vorfinde:

Aujourd’hui, diverses formes d’esclavage perdurent au sein des communautés arabo-berbères: l’esclavage ‘traditionnel’, pratiqué surtout à l’intérieur du pays dans des zones reculées, et qui se caractérise par la persistance de pratiques ancestrales, et l’esclavage ‘moderne’, présent essentiellement en milieu urbain, surtout à Nouakchott.” (OFPRA, 2014, S. 48)

Zur „traditionellen” Sklaverei führt OFPRA an, dass von dieser SklavInnen betroffen seien, die im Busch bei ihren Herren, im Allgemeinen nomadische Viehzüchter, leben würden. Diese SklavInnen würden die Viehherden hüten und Hausarbeiten verrichten.

Bei den arabischen Berbern übertrage sich die Sklaverei systematisch über die Mutter. Laut Hamady Lehbouss verfüge ein Sklave / eine Sklavin über keinen Vater, da die versklavten Frauen sehr häufig von ihren Herren vergewaltigt oder Gästen als Willkommensgeschenk angeboten würden.

Boubacar Messaoud zufolge würden sich SklavInnen nach außen mit dem Stamm ihrer Herren identifizieren. SklavInnen seien an ihre Besitzer gebunden und könnten vererbt oder verkauft werden. Die Herr-Sklave-Beziehung sei durch die vollständige Unterwerfung des Sklaven / der Sklavin unter seinen/ihren Herren charakterisiert.

Viele SklavInnen würden Opfer von Enteignungen oder Landraub, so OFPRA weiter. Laut Hamady Lehbouss kenne ein versklavter Junge, der die Herden hüte, weder seinen Vater, noch seine Mutter. Im Prinzip werde er niemals Eigentum erlangen. Wenn er dies zufällig doch tue, würde sein Herr sein Eigentum erben und nicht seine eigenen Kinder. Der Herr vertraue seinem Sklaven blind, mehr noch als seinem eigenen Sohn. Bei seinem Sohn bestehe das Risiko, dass dieser sein Geld verschwende. Dieses Risiko bestehe bei seinem Sklaven nicht:

Cette forme d’esclavage concerne surtout des esclaves vivant dans la brousse auprès de leurs maîtres, qui sont généralement des éleveurs nomades. Ces esclaves gardent les troupeaux et effectuent des tâches domestiques. […]

En milieu arabo-berbère, l’esclavage se transmet systématiquement par la mère. […] Selon Hamady Lehbouss, ‘l’esclave n’a pas de père, car les femmes esclaves sont très souvent violées par leurs maîtres, ou offertes en cadeau de bienvenue à un hôte de passage’. […]

Selon Boubacar Messaoud, l’esclave appartient d’abord à une famille. Cependant, à l’extérieur, il s’identifie à la tribu de ses maîtres. Lié à un propriétaire, il peut ainsi être légué ou vendu. La relation maître-esclave demeure caractérisée par une soumission totale de l’esclave à l’égard de son maître. […]

Nombre d’esclaves sont victimes d’expropriations ou de spoliations. Hamady Lehbouss précise ainsi qu’un ‘garçon esclave qui garde les troupeaux ne connaît ni son père, ni sa mère. En principe, il ne sera jamais propriétaire. Quand il devient propriétaire par accident, c’est le maître qui hérite de ses biens, et non ses propres enfants. Le maître a une confiance aveugle en son esclave, plus encore qu’envers son propre fils. Son fils, il risque de dilapider son argent, pas son esclave’.” (OFPRA, 2014, S. 49-50)

Laut OFPRA hätten verschiedene GesprächspartnerInnen auf die Frage nach der Existenz einer „modernen” Form der Sklaverei auf die Situation der ArbeiterInnen, die für große Bergbauunternehmen arbeiten würden, verwiesen. So habe Boubacar Messaoud die Existenz einer modernen Sklaverei in großen Bergbauunternehmen (Gold, Kupfer, Eisen) beklagt, die sich an einen Feudalherrn wenden würden. Dieser würde billige Arbeitskräfte beschaffen und sie an die staatlichen Unternehmen verleihen.

Laut Hamady Lehbouss würden die Bergbauunternehmen, die Gold fördern würden, bei der Rekrutierung von ArbeiterInnen auf die Dienste von Vermittlern zurückgreifen. Bei diesen Vermittlern handle es sich immer um maurische, vom Staat ausgewählte Sklavenhalter. Der Vermittler rekrutiere vorrangig seine SklavInnen. Den Monatslohn von umgerechnet rund 362 Euro übergebe das Unternehmen dem Vermittler, der sich dadurch bereichere. Bei diesem Vorgang handle es sich um eine subtilere Form der Sklaverei.

Laut Lehbouss sei Sklaverei, wenn ein Maure einen Sklaven / eine Sklavin für sich arbeiten lasse. So seien in der Armee alle Offiziere Mauren, während die Soldaten den Haratin angehören und einen miserablen Sold erhalten würden. Sie hätten keine andere Wahl, da ihnen die Wirtschaftslage nichts anderes erlaube.

Die „moderne” Sklaverei werde vor allem in städtischen Gebieten praktiziert, so OFPRA. Laut Lehbouss könne ein Herr in Nouakchott seine SklavInnen für alle Arten von Arbeit einsetzen: als Wächter, Diener, Fahrer, usw.:

Interrogés sur l’existence d’une forme ‘moderne’ d’esclavage, divers interlocuteurs évoquent la situation des ouvriers travaillant pour de grandes sociétés minières. Boubacar Messaoud déplore l’existence d’un ‘esclavage moderne au sein des grandes sociétés minières (or, cuivre, fer) qui font appel à un grand féodal. Celui-ci va faire venir des ouvriers payés des sommes modiques et louer leurs services à ces sociétés d’Etat’.

Selon Hamady Lehbouss, ‘les sociétés minières qui extraient de l’or confient toujours le tâcheronnat aux Maures. Ces sociétés passent par des intermédiaires pour recruter des travailleurs. Ces intermédiaires sont toujours des esclavagistes maures choisis par l’Etat. L’intermédiaire va recruter en priorité ses esclaves. Si la société donne 150 000 UM [environ 362 euros] de salaire par mois, elle va donner cet argent à l’intermédiaire, qui va s’enrichir. Il s’agit là d’une forme d’esclavage plus subtil’.

En réponse à cette même question, Hamady Lehbouss souligne d’autre part: ‘Qu’est ce que l’esclavage? C’est quand un Maure fait travailler un esclave. Par exemple, dans l’armée, tous les officiers sont des Maures, mais tous les hommes de troupes sont des Harratines. Ils touchent des soldes misérables. Ils n’ont pas d’autre choix, car la situation économique ne leur permet pas de faire autre chose’. […]

L‘esclavage ‚moderne‘ est pratiqué essentiellement en zone urbaine. A cet égard, Hamady Lehbouss signale: ‘A Nouakchott, un maître peut employer son esclave pour toutes sortes de travaux: gardien, boy, serviteur, chauffeur, etc.’.” (OFPRA, 2014, S. 50)

Verschiedene GesprächspartnerInnen hätten betont, dass sich die Sklaverei, die in der schwarzafrikanischen Gemeinschaft praktiziert werde, stark von der in der arabisch-berberischen Gemeinschaft unterscheide. So habe Boubacar Messaoud angegeben, dass die SklavInnen bei den Mauren an das Haus ihrer Herren gebunden seien und sie für diese arbeiten würden. Bei den Schwarzmauretaniern würden sich die Herren nicht des Erbes ihrer SklavInnen bemächtigen, während dies bei den Mauren vorkomme. Außerdem würden sich die Leute bei den Schwarzmauretaniern alle gleichen: sie hätten dieselbe Hautfarbe, dieselben Bräuche, dieselben Gewohnheiten und dieselben Normen. In der schwarzmauretanischen Gemeinschaft sei es demnach einfacher, Sklaverei zu verstecken, selbst wenn man den Status einer Person an den Begrüßungen erkenne.

Laut Mamdou Moctar Sarr von der Menschenrechts-NGO Forum des organisations des droits de l’homme (FONADH) würden die SklavInnen in der schwarzafrikanischen Gemeinschaft über mehr Unabhängigkeit verfügen: sie hätten ihr eigenes Haus, ihre Familie, eine Arbeit, sie würden heiraten wie sie wollten, usw. Ihnen würden sich lediglich Probleme im Zusammenhang mit Grundbesitz stellen, da das Land, das von den SklavInnen bewirtschaftet werde, den Herren gehöre. Im Gegensatz zu den Haratin würden den schwarzmauretanischen SklavInnen nur selten Arbeiten aufgezwungen. Einige schwarzmauretanische SklavInnen seien gebildeter als ihre Herren, so dass sie eine Klasse bilden würden, die nicht mehr von den anderen abhängig sei. Laut Sarr gebe es dennoch weiterhin Probleme. Allerdings seien die SklavInnen in der schwarzmauretanischen Gemeinschaft nicht mehr in einem solchen Ausmaß unterworfen wie früher. Sie würden nicht geschlagen und nicht zu Hausarbeiten gezwungen. Der Herr habe nicht mehr dieselbe Macht über seinen Sklaven wie zuvor. Probleme würden sich im Zusammenhang mit Eheschließungen stellen:

Divers interlocuteurs rencontrés lors de la mission soulignent que l’esclavage pratiqué au sein des communautés négro-africaines diffère grandement de celui qui subsiste parmi les communautés arabo-berbères.

Selon Boubacar Messaoud, ‘chez les Maures, l’esclave est attaché à la maison de son maître et il travaille pour lui, car son maître ne travaille pas. Chez les Négro-mauritaniens, les maîtres ne prennent pas l’héritage de leurs esclaves, alors que cela arrive chez les Maures. Chez les Négro-mauritaniens, les gens se ressemblent tous: ils ont la même couleur de peau, les mêmes coutumes, les mêmes habits, les mêmes noms. En milieu négro-mauritanien, il est donc plus facile de cacher l’esclavage, même si on finit par reconnaître le statut d’une personne grâce aux salutations’.

Selon Mamadou Moctar Sarr, secrétaire exécutif du FONADH [Forum des organisations des droits de l’homme], l’esclavage pratiqué en milieu négro-mauritanien ‘nest pas de la même nature que celui qui subsiste en milieu maure. Ce ne sont pas les mêmes comportements. En milieu négro-africain, les esclaves ont plus dindépendance: ils ont leur propre maison, leur famille, un travail, ils se marient comme ils veulent, etc. Seuls des problèmes d’ordre foncier se posent à eux, car les terres appartiennent aux maîtres, alors que ce sont les esclaves qui les cultivent, et qu’elles étaient cultivées par leurs ancêtres. Des revendications existent à ce niveau là. Autrement, les esclaves négros-mauritaniens ne revendiquent pas comme les Harratines. Rares sont les travaux imposés aux esclaves négro-mauritaniens, contrairement aux Harratines. Certains esclaves négro-mauritaniens sont à présent plus instruits que leurs maîtres, si bien qu’ils constituent une classe qui n’est plus dépendante des autres’.

Cet interlocuteur souligne d’autre part: ‘Des problèmes demeurent toutefois, car cest ancré dans les mentalités. Mais ils ne sont pas soumis comme autrefois. On ne les frappe pas, on ne les contraint pas à faire des tâches domestiques. Le maître n’a plus la même emprise sur son esclave qu’auparavant. Des problèmes se posent au niveau des mariages. Cela demande un travail de sensibilisation’.” (OFPRA, 2014, S. 53)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 11. September 2015)

·      AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Mauritania, 25. Februar 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/297421/444610_de.html

·      AI - Amnesty International: Mauretanien: Sklaverei im 21. Jahrhundert, März 2015
http://www.amnesty.ch/de/aktuell/magazin/2015-1/mauretanien-sklaverei-im-21-jahrhundert

·      CNN: Slavery’s last stronghold, März 2012
http://edition.cnn.com/interactive/2012/03/world/mauritania.slaverys.last.stronghold/index.html

·      MRG - Minority Rights Group International: State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2015, 2. Juli 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1440493883_8-mrg-state-of-the-worlds-minorities-2015-africa.pdf

·      OFPRA - Office français de protection des réfugiés et apatrides: Rapport de mission en République Islamique de Mauritanie (Du 1er au 8 mars 2014), 2014
https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/rapport_de_mission_en_mauritanie_2014.pdf

·      OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights: Mauritanian new anti-slavery law: Effective enforcement is the key – UN rights expert, 21. August 2015
http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16338&LangID=E

·      RFI - Radio France International: Loi contre l’esclavage en Mauretanie: un double discours?, 15. August 2015
http://www.rfi.fr/afrique/20150815-loi-esclavage-mauritanie-double-discours-ong-ira-balla-toure

·      The Guardian: Mauritania accused of ‘parody of justice as jailing of anti-slavery activists upheld, 21. August 2015
http://www.theguardian.com/global-development/2015/aug/21/mauritania-anti-slavery-activists-sentence-upheld-accused-parody-justice

·      USDOS - US Department of State: Trafficking in Persons Report 2015 - Country Narratives - Mauritania, 27. Juli 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/308811/446650_de.html

·      Walk Free: The Global Slavery Index 2014, November 2014
http://d3mj66ag90b5fy.cloudfront.net/wp-content/uploads/2014/11/Global_Slavery_Index_2014_final_lowres.pdf