Anfragebeantwortung zu Kosovo: Staatliche und andere Unterstützungen für arbeitslose und vermögenslose Personen bzw. Familien [a-9081]

4. März 2015

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Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

 

Wie das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) in seinem im Februar 2014 veröffentlichten Länderbericht zur Menschenrechtslage im Berichtsjahr 2013 festhält, seien Sozialhilfeprogramme in der Lage, anspruchsberechtigten Familien, die über keine ausreichenden Mittel verfügen würden, einen monatlich Betrag von bis zu 80 Euro auszuzahlen. Eine Einzelperson könne monatlich bis zu 40 Euro an Sozialhilfe erhalten. Familien bzw. Einzelpersonen könnten zusätzliche Beihilfen beziehen, wenn sie Kinder hätten, sowie Ermäßigungen auf die Stromkosten und andere Vergünstigungen:

„Social assistance programs could provide eligible families without sufficient resources up to 80 euros ($110) each month, and an individual could receive up to 40 euros ($54). Families and individuals could receive additional funds for children, discounts in electricity, and other benefits.” (USDOS, 27. Februar 2014, Section 7d)

Die staatliche Entwicklungszusammenarbeitsorganisation Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bietet auf seinem „Länderinformationsportal“ unter anderem folgende Informationen zum Thema soziale Sicherheit im Kosovo (Stand: November 2014):

„Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie I definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, insofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die monatliche Unterstützungsleistung variiert von € 40 für eine einzelne Person bis zu maximal € 80 für eine Familie mit sieben oder mehr Mitgliedern. Das durchschnittliche Niveau der Leistungen liegt bei ca. € 60, was einer Lohnersatzquote zwischen 17.9% und 22.9% entspricht. 2011 empfingen 34.867 Familien Sozialhilfe, ein Bevölkerungsanteil von 9%.” (GIZ, November 2014)

[Passage aus dem Asylbericht des deutschen Auswärtigen Amtes entfernt]

 

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schreibt in ihrem Country Fact Sheet vom Juni 2014, dass soziale Dienstleistungen von den insgesamt 30 „Zentren für soziale Arbeit“ im Land, die dem Ministerium für Arbeit und Soziales unterstellt seien, angeboten würden. Diese Zentren würden bestimmten Kategorien von Personen, welche die im Folgenden aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen würden, Sozialhilfe anbieten.

Kategorie 1 der Anspruchsberechtigten umfasse Familien ohne Vermögen, die über kein einziges arbeitsfähiges Mitglied verfügen würden bzw. über kein Mitglied, von dem zu erwarten sei, dass es künftig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen würde. Jedes Familienmitglied müsse hierbei einer der folgenden Kategorien angehören: arbeitslose Personen über 65 Jahren; unselbständige Kinder bzw. Jugendliche unter 15 Jahren; unselbständige Kinder bzw. Jugendliche unter 18 Jahren, die sich in Vollzeit-Ausbildung befinden; Erwachsene mit einer dauerhaften Behinderung, die nicht arbeitsfähig sind; arbeitslose alleinstehende Eltern (Mutter oder Vater) von Kindern unter zehn Jahren, in deren Haushalt keine weitere erwachsene Person lebt; pflegende Angehörige, die eine dauerhaft behinderte, über 65-jährige Person ganztägig zu betreuen haben; Familien, denen es nicht gestattet ist, mehr als einen halben Hektar Land zu besitzen.

Kategorie 2 der Anspruchsberechtigten umfasse Familien ohne Vermögen, in denen ein Familienmitglied arbeitsfähig sei und sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müsse. Die Familie dürfe zudem keine finanziellen Zuwendungen durch Angehörige im In- oder Ausland erhalten. Darüber hinaus müssten folgende weitere Voraussetzungen vorliegen: Kein Familienmitglied übt im Monat vor Stellung des Sozialhilfeantrags irgendeine Art von Erwerbstätigkeit aus; jedes arbeitsfähige Familienmitglied hat beim Arbeitsamt einen Nachweis darüber einzuholen, dass es dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und arbeitssuchend ist; die Familie verfügt über nicht mehr als einen halben Hektar Land; die Familie hat mindestens ein Kind unter fünf Jahren oder hat ein Waisenkind ganztägig zu betreuen; die Familie besitzt kein motorisiertes Fahrzeug (Traktor, PKW etc.); alle Familienmitglieder desselben Haushalts müssen im Antrag aufgeführt sein, damit der Anspruch der gesamten Familie (nicht der Anspruch einzelner Familienmitglieder) auf Sozialhilfe geprüft werden kann.

Die Höhe der Sozialhilfe (für Familien) variiere je nach Zahl der Familienmitglieder zwischen 34 und 62 Euro, wobei maximal fünf Familienmitglieder berücksichtigt würden.

Anträge auf Sozialhilfe seien beim nächstgelegenen Zentrum für Soziale Arbeit zu stellen. Bei der Prüfung von Anträgen werde Folgendes geprüft: die Höhe der verfügbaren Bezüge (Einkommen, finanzielle Zuwendungen durch Verwandte, Pensionszahlungen), Gewinne aus anderen Vermögensgegenständen (etwa Vieh, Fahrzeugen oder Land) sowie die Größe des Landbesitzes:

IV. SOCIAL SECURITY

1.       Department of Social Welfare

Social services are provided through 30 Centres for Social Work that operates Kosovo-wide under the direct supervision of the Ministry of Labor and Social Welfare/ Department of Social Welfare. They offer assistance to different categories of persons who meet the eligibility criteria/preconditions listed below:

Category One

For families without resources, where no family member is capable to work or expected to make himself or herself available for work. All members of the family must fit into one of the following categories:

-         Persons over the age of 65, who are unemployed

-         Dependent children under the age of 15

-         Dependent children in full time education up to the age of 18 or at the end of the school year in which they reach the age of 18

-         Adults with a permanent disability, who are incapable of working

-         Unemployed single parents with children under the age of 10 and with no other adult living in the household

-         Full time caregiver for a person of the family, who is over the age of 65 or who is permanently disabled

-         The family is not allowed to own more than half a hectare (0.5 ha) of land

Category Two

For families without resources, where a family member is capable to work and who must make themselves available for work. The family must be without resources and must not be receiving assistance from any members working in or outside Kosovo. All members of the family have to fit into one of the following categories:

-         No one in the family receives payment in exchange for work (the family is not eligible if any member is self-employed or employed full or part time, or if anyone is engaged in casual labor (for daily or hourly wage) during the month preceding the application)

-         Every member of the family, who is capable to work, has to register and obtain a certificate from the Office of Employment certifying he/she is available and seeking work

-         The family does not own more than half a hectare (0.5 ha) of land

-         The family has at least one child under the age of five (4 years and younger) or the family has to be in full time care of an orphan.

-         The family does not own a motorized vehicle (including tractor or automobile)

-         All family members of the same household must be included in the application in order to establish the eligibility of the family (it is the eligibility of the family, which is assessed not the individual)

If any of the family members is an adult (18-65 years) and capable to work, the family is not eligible for category one assistance, even if some members of the family meet the criteria for category one. These families have to apply for category two. The amount to be received varies from 34 Euro to 62 Euro a month, depending on the number of family members (there is a maximum of five members per family).

2. Application for Social Assistance

To receive social assistance applicants have to complete an application form and submit it to the closest Centre for Social Work (CSW). Internally displaced persons (IDPs) should provide a letter from the CSW in their home municipality stating that they are not receiving social assistance from the respective CSW.

In order to receive social assistance the following issues have to be checked:

Resources

The amount of social assistance depends on the amount of available resources (including income, remittances and pensions). Returnees must also state from where they have returned and what financial benefit the family received upon departure from the country. Any such benefits will be considered as resources and taken into account in the assessment of the family’s eligibility. Applicants must provide complete information on all resources of the family in the application form. During verification visits by the staff of the CSW, they will be asked specific questions about the available resources.

Remittances

All remittances should be declared on the application form. For each family member, listed as living abroad, the family will be asked during verification visits to declare the amount of cash remittance, if any, being provided. Households with a family member living abroad will be on the priority list for verification, irrespective of the amount of remittances declared.

Pensions

All pensions received by a member of the family have to be reported on the application form. […]

Other assets

Households possessing other assets such as livestock, motor vehicles or property are required to report any cash or in-kind transfers derived from these resources.

Land

The family must not own more than one half hectare (0.5 ha) of land irrespectively of the type of the land. […]” (IOM, Juni 2014, S. 23-25)

Die wirtschaftsliberale Bertelsmann Stiftung, eine deutsche gemeinnützige Denkfabrik mit Sitz in Gütersloh, hält in ihrem Länderbericht zum Kosovo ebenfalls fest, dass das soziale Sicherheitssystem des Landes zwei Kategorien von Unterstützung beinhalte: Die erste Kategorie erfasse bedürftige Haushalte, in denen es keine arbeitende Person gebe oder in denen die einzige arbeitsfähige Person dauerhaft mit der Betreuung einer unselbständigen Person beschäftigt sei. Die zweite Kategorie erfasse Haushalte mit arbeitslosen erwachsenen Familienmitgliedern und mindestens einem Kind, das fünf Jahre alt oder jünger sei, oder mit einem Waisenkind im Alter von bis zu 15 Jahren. Nach einer Erhöhung der Bezüge im Jahr 2009 würden die standardmäßigen Brutto-Sozialhilfebezüge für einen Ein-Personen-Haushalt bei 40 Euro und für einen Zwei-Personen-Haushalt bei 55 Euro liegen. Mit jeder zusätzlichen Person im Haushalt würden sich die Bezüge erhöhen, jedoch liege die maximale Höhe der Sozialhilfe pro Haushalt bei 80 Euro. Weiters bemerkt die Bertelsmann Stiftung, dass das für die soziale Sicherung vorgesehene staatliche Budget zwar zielgerecht eingesetzt werde (78 Prozent der Gelder würden an Bedürftige gehen und 45 Prozent an die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung), allerdings nur 23 Prozent aller Bedürftigen Sozialhilfe erhalten würden. Die im Kosovo am stärksten marginalisierten Gruppen (Roma, Aschkali und Ägypter) würden fast komplett aus dem sozialen Sicherungssystem herausfallen:

„The social safety system in Kosovo includes two categories of assistance. The first covers poor households with no member working or in which the only adult able to work is permanently taking care of a dependent person. The second category covers households with unemployed adult family members and at least one child aged five or below, or an orphan up to age 15. After rates were raised in 2009, the gross standard rate of social assistance for a one-person household became €40 per month, and €55 for a two-person household (if aid is added for every additional person, the household maximum is €80). The social safety scheme might be well targeted (with 78% of funds going to the poor, and 45% of funds to the bottom quintile), but it reaches only 23% of the poor. The most marginalized groups in Kosovo, Roma, Ashkali and Egyptians, almost completely fall out of the social safety system, even as they suffer higher rates of poverty, infant and under-five mortality rates (among the highest in Europe), and stunted growth and malnutrition in young children.” (Bertelsmann Stiftung, 2014, S. 18-19)

Wie Radio Televizija Kosova (RTK), der öffentlich-rechtliche Rundfunksender des Kosovo, in einem Artikel vom Februar 2015 berichtet, würden Armut und schlechte Lebensbedingungen als Hauptursachen für die massive Emigration von Kosovaren in westeuropäische Länder angesehen. Ein Interviewpartner aus einem Dorf im Gebiet Drenas habe angegeben, dass seine Familie, in der alle arbeitslos seien, zuvor Sozialhilfeleistungen in Höhe von 80 Euro pro Monat bezogen habe. Diese Leistungen seien jedoch mit der Begründung, dass die Familie ein Haus besitze, gestrichen worden. So sei der Familienvater dabei, zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern das Land zu verlassen:

„Poverty and bad life conditions are considered the main reason behind the massive emigration of Kosovo citizens towards western European countries.

Fitim Shala from the village of Zabel in Drenas, says he has no other choice except the one to leave the country. He is leaving from the main bus station in Prishtina together with his wife and three children. Their final destination, as they say, is Germany. 'I cannot stay here. We used to live on social welfare and we are not being given that anymore. They used to give us 80 euros per month and we're not receiving it anymore. They said I have a house. The house does not feed me. All my family is unemployed.“ (RTK, 9. Februar 2015)

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen zu anderen Unterstützungen für arbeitslose und vermögenslose Personen bzw. Familien gefunden werden.

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 4. März 2015)

·      AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo, 12. Juni 2013

·      Bertelsmann Stiftung: BTI 2014; Kosovo Country Report, 2014

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Kosovo.pdf

·      GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung: Kosovo, Stand: November 2014

http://liportal.giz.de/kosovo/gesellschaft/

·      IOM - International Organization for Migration: Kosovo - Country Fact Sheet 2014, Juni 2014 (verfügbar auf ZIRF/BAMF)

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/12111421/17046983/17256439/Kosovo_-_Country_Fact_Sheet_2014,_englisch.pdf?nodeid=17256440&vernum=-2

·      RTK - Radio Televizija Kosova: Poverty and unemployment, reasons behind massive emigration, 9. Februar 2015

http://www.rtklive.com/en/?id=2&r=746

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Kosovo, 27. Februar 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

https://www.ecoi.net/local_link/270751/400858_de.html