a-4749 (ACC-RUS-4749)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:

Allgemeine Information zur medizinischen Grundversorgung

Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland weist in einem Urteil vom 19. März 2004 explizit darauf hin, dass eine hinreichende medizinische Grundversorgung in der Regel nur gegen Bezahlung zugänglich sei:

„Eine kostenfreie Versorgung mit ärztlichen Leistungen und mit Medikamenten funktioniert in der Regel nur noch, wenn der Patient sich in einem „privilegierten Arbeits- oder Dienstverhältnis“ befindet oder in einer wirtschaftliche prosperierenden Region lebt und registriert ist“. (VG Saarland, 19. März 2004, S. 10)

Darüber hinaus beruft sich das VG Saarland auch auf eine - ACCORD leider nicht im Original vorliegende - fachärztliche Stellungnahme eines Regionalarztes der Deutschen Botschaft in Moskau vom 12. September 2003, wonach „es in der Praxis häufig so sei, dass die Patienten erhebliche Zahlungen an Ärzte und Pflegepersonal leisten müssten, um medizinische Behandlung zu erhalten, sowie die nötigen Medikamente selber käuflich in einer Apotheke erwerben müssten“ (VG Saarland, 19. März 2004, S. 10).

Zugang von Tschetschenen zu medizinischer Versorgung

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten keine Informationen gefunden werden, die sich direkt auf die Frage beziehen, welchen Zugang Tschetschenen zu medizinischer Versorgung haben.

Allerdings wird in mehreren Dokumenten darauf aufmerksam gemacht, dass die medizinische Versorgung davon abhängig sei, ob der Betroffene über einen Inlandspass verfüge oder am Behandlungsort registriert sei, und dass diese Melde- und Passangelegenheiten wiederum oft diskriminierend gegenüber Tschetschenen angewendet würden:

So schreibt etwa die Parlamentarische Versammlung des Europarates (CoE-PACE) in ihrem Bericht zu Russland vom 3. Juni 2005, dass für die medizinische Versorgung ein Inlandspass benötigt würde. Das System des Inlandspasses sei aber laut NGOs repressiv und restriktiv, und zu den häufigsten Opfern dieses Systems würden Migranten und ethnische Minderheiten gehören:

“341. According to NGOs, the internal passport system in Russia is repressive and restrictive and the most frequent victims of this system are migrants and ethnic minorities. Administration officials, especially in housing and immigration departments, abuse the decision making power given to them by the internal passport system to discriminate against members of certain targeted minorities. According to Aleksandr Osipov, an expert on ethnic relations from the Moscow-based Memorial, "the most massive and painful problems of the country are related to the so-called "passport system". It is a classical example of institutional racism, with elements of organised direct discrimination by the state"189.
342. A Russian citizen holding no passport is impaired in his rights to a degree amounting to an interference with his private life. The law requires that a person who wishes to find employment, receive free medical care, receive mail, marry, vote, use notaries’ services, install a telephone line, save money by buying foreign currency or travel by train or aeroplane must be able to produce an internal passport. Furthermore, not having a passport is in itself an administrative offence190.
343. […] The internal passport is also required for more crucial needs, for example, finding employment or receiving medical care.” (CoE-PACE, 3. Juni 2005)

Auch in zwei Dokumenten des UNHCR aus dem Jahr 2003 wird auf diese Problematik aufmerksam gemacht: In einem Papier zu tschetschenischen Asylsuchenden vom Februar 2003 wird angegeben, dass Binnenvertriebene in Moskau ohne Wohnsitzregistrierung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben:

“In the absence of temporary registration, IDPs in Moscow have not been able to exercise basic social and civil rights, such as access to legal employment, medical care and education.” (UNHCR, Februar 2003)

In einer UNHCR-Stellungnahme an den Bayrischen Verwaltungsgerichtshof vom Oktober 2003 wird das nicht nur für Moskau, sondern für die übrige Russische Föderation angegeben:

„Örtliche Behörden in der gesamten Russi­schen Föderation behalten sich vielmehr die Entscheidung darüber vor, die Modalitäten der Umsetzung des Rechts auf Freizügigkeit und der Wahl des Aufenthalts- oder Wohn­orts festzulegen […] Insbesondere für tschetschenische Binnen­­flüchtlinge bewirkt diese Praxis, daß sie in ihrer Möglichkeit, sich außer­halb von Tschetschenien recht­mäßig niederzulassen, stark eingeschränkt sind.
[…] Nachdem die Registrierung Voraussetzung für den Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt, zu sozialer Unterstützung, medizinischer Versorgung und zu den Bildungseinrichtungen ist, müssen jene Personen, denen die Registrierung verwehrt wird, versuchen, ihr Überleben unter Vorenthaltung elementarer sozialer Rechte sicherzustellen. Sie sind bei Kontrollen zudem der Willkür staatlicher Bedien­steter ausgeliefert.“ (UNHCR, 29. Oktober 2003)

Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.

Quellen: