Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Czech Republic

Amnesty Report 2015

Tschechien

 

 

Roma waren nach wie vor weitverbreiteten Diskriminierungen ausgesetzt. Die Europäische Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Tschechische Republik wegen der Diskriminierung von Roma-Schülern im Bildungssystem ein. Es wurden Misshandlungen von geistig behinderten Menschen in staatlichen Einrichtungen aufgedeckt. Muslime waren zunehmend Anfeindungen in der Öffentlichkeit ausgesetzt.

Hintergrund

Die Polizei kündigte im Oktober 2014 eine Untersuchung der Vorwürfe an, die sich auf Wahlfälschung und den Kauf von Stimmen von Angehörigen der Volksgruppe der Roma während der im selben Monat durchgeführten Kommunalwahlen bezogen. Nach den Angaben von NGOs, die die Wahlen beobachtet hatten, haben mehrere Parteien in einigen Regionen Stimmenkauf betrieben.

Diskriminierung

Roma
Im Juni 2014 beanstandete der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dass in Tschechien viele Roma-Schüler sogenannte praktische Schulen (früher als Sonderschulen bezeichnet) für Schüler mit leichten geistigen Behinderungen besuchen. Der Ausschuss forderte die Regierung auf, die Praxis der Segregation von Roma-Schülern sowie die "praktischen Schulen" abzuschaffen. Er gab ferner die Empfehlung ab, dass Regelschulen ein inklusives Bildungsangebot für sozial benachteiligte Kinder und Roma-Schüler haben sollten.

Im September 2014 leitete die Europäische Kommission gegen die staatlichen Stellen ein Vertragsverletzungsverfahren des Landes wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot im Bildungsbereich ein, das in der EU-Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft festgeschrieben ist.

Mehr als vier Jahre nachdem sich die Regierung wegen der Zwangssterilisierung von Roma-Frauen entschuldigt hatte, legte der Minister für Menschenrechte im August 2014 einen Verfassungsentwurf vor, der eine Entschädigung in Höhe von je 3500 bis 5000 Euro für die Opfer vorsieht. Nach Angaben der nichtstaatlichen Organisation Český helsinský výbor (Tschechisches Helsinki-Komitee) wurden im Zeitraum von 1972 bis 1991 etwa 1000 Frauen zwangssterilisiert und hätten somit Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung.

Im November 2014 räumte die Regierung ein, dass Roma nach wie vor diskriminiert werden, was den Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zu Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung betrifft. In einem von der Regierung in Auftrag gegebenen Bericht über die Lage der Minderheit der Roma wird auf Hürden beim Zugang zu erschwinglichem Wohnraum u.a. wegen der Diskriminierung durch private Vermieter hingewiesen. Des Weiteren wird darin die unverhältnismäßig hohe Zahl von Roma-Schülern in den praktischen Schulen hervorgehoben.

Hassverbrechen
Das Verfassungsgericht wies im Oktober 2014 die Rechtsmittel zweier verurteilter Straftäter gegen die Länge ihrer Haftstrafen zurück, zu denen sie wegen eines im April 2009 verübten Brandanschlags auf eine Roma-Familie verurteilt worden waren. Bei dem Anschlag hatte ein zweijähriges Mädchen Verbrennungen von 80% der Körperoberfläche erlitten.

Muslime
Die Medien berichteten über einzelne Fälle von Vandalismus in der Prager Moschee, darunter islamfeindliche Schmierereien. Polizeiliche Ermittlungen in Bezug auf diese Vorfälle waren Ende 2014 noch nicht abgeschlossen.

In September 2014 unterzeichneten über 25000 Menschen eine Petition, in der die staatlichen Stellen aufgefordert wurden, der registrierten Vereinigung islamischer Gemeinden keine "erweiterten Rechte" einzuräumen. Nach dem Kirchengesetz können religiöse Organisationen, die seit zehn Jahren registriert sind, beantragen, dass man ihnen "erweiterte Rechte" gewährt. Dazu gehören das Recht, Religionsunterricht in staatlichen Schulen anzubieten, und die Anerkennung religiöser Hochzeitszeremonien.

In der Petition wird die Regierung aufgefordert, die Einrichtung islamischer Schulen, die Einführung islamischen Religionsunterrichts in staatlichen Schulen sowie islamischen Gottesdienst in Gefängnissen nicht zuzulassen. Bis Ende 2014 hatte die Vereinigung islamischer Gemeinden keinen Antrag auf "erweiterte Rechte" gestellt.

Die Ombudsfrau befand im September 2014, dass eine Oberschule für Krankenschwestern zwei Frauen (eine aus Somalia Geflüchtete und eine Asylsuchende aus Afghanistan) diskriminiert hatte, da ihnen das Tragen eines Kopftuchs nicht gestattet worden war. Die Ombudsfrau stellte klar, dass nach dem Gesetz eine Beschränkung der Verwendung religiöser Symbole in Schulen nicht vorgesehen sei und dass daher das dem Anschein nach neutrale Verbot jeglicher Kopfbedeckung indirekt eine Diskriminierung darstelle. Eine Beschwerde der somalischen Schülerin wurde vom tschechischen Schulaufsichtsamt abgewiesen.

Folter und andere Misshandlungen

Es kam weiterhin zur Misshandlung von Patienten mit geistigen Behinderungen in psychiatrischen Einrichtungen. Im Juni 2014 forderten das Mental Disability Advocacy Center und die Liga für Menschenrechte die Regierung auf, die Verwendung von Netzbetten und anderen unmenschlichen Fixierungsmethoden umgehend zu verbieten.

In einem Bericht, in dem die Situation in acht psychiatrischen Kliniken unter die Lupe genommen wurde, legten die beiden NGOs Belege für die anhaltende Verwendung von Fixierungsmethoden wie Netzbetten, Riemen sowie die nicht geregelte exzessive Verordnung von Medikamenten vor.

Daraufhin besuchte die Ombudsfrau im August 2014 sechs Krankenhäuser und stieß dabei ebenfalls auf Belege für die Verwendung von Vorrichtungen zur Fixierung von Patienten. Sie bemängelte eine fehlende wirksame Kontrolle dieser Praktiken und forderte Gesetzesänderungen zur Einführung besserer Schutzbestimmungen.

Menschenrechtsverteidiger

Im Oktober 2014 wurden während einer Woche gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit die Internetseiten der nichtstaatlichen Organisationen Tschechisches Helsinki-Komitee und Vzájemné soužití (Zusammenleben) Ziel rechtsextremer Hackerangriffe.

Die private E-Mail-Adresse der Koordinatorin einer Gruppe von Amnesty International in Brünn wurde ebenfalls von Hackern angegriffen, und die Täter veröffentlichten anschließend die interne Korrespondenz der Mitglieder der Gruppe auf ihren Websites. Das Tschechische Helsinki-Komitee kündigte an, Strafanzeige gegen die Hacker zu stellen.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Obwohl es ursprünglich Pläne gegeben hatte, ein kleines Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge zu starten, beschloss die Regierung im Oktober 2014, ihre Unterstützung für humanitäre Hilfe an syrische Flüchtlinge mit akuten gesundheitlichen Beschwerden in Jordanien einzuschränken.

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