Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Uzbekistan

Amnesty Report 2015

Usbekistan

 

 

Folter und andere Misshandlungen in Hafteinrichtungen waren nach wie vor im ganzen Land an der Tagesordnung. Die Behörden wiesen immer noch Foltervorwürfe gegen Polizisten und Beamte des Nationalen Sicherheitsdienstes zurück und versäumten es, glaubhaften und übereinstimmenden Berichten über solche Menschenrechtsverletzungen effektiv nachzugehen.

Haftstrafen von Personen, die wegen Verbrechen gegen den Staat oder wegen terroristischer Straftaten verurteilt worden waren, wurden willkürlich verlängert, und viele Inhaftierte erhielten nicht die benötigte medizinische Versorgung. Personen, die aus dem Ausland nach Usbekistan zurückgeführt worden waren, befanden sich in ernsthafter Gefahr, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden.

Folter und andere Misshandlungen

Nach wie vor wurden regelmäßig glaubwürdige Vorwürfe über allgegenwärtige und systematische Folter und andere Misshandlung durch Polizisten und Beamte des Nationalen Sicherheitsdiensts (SNB) erhoben. Diese Misshandlungen sollen bei Festnahme und Überstellung, im Polizeigewahrsam und in Untersuchungshaft erfolgt sein, durch Sicherheitskräfte ebenso wie durch Gefängnispersonal in Hafteinrichtungen.

Die Behörden leugneten solche Berichte weiterhin hartnäckig, u.a. während der öffentlichen Prüfung der usbekischen Menschenrechtsbilanz beim Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Usbekistan im November 2014. Stattdessen wiesen sie auf die Umsetzung weitreichender Initiativen im Bereich der Menschenrechtsbildung hin, wie etwa die Durchführung zahlreicher Schulungsprogramme zur Folterverhütung für Gesetzeshüter und Beamte im Vollzug oder im Gesundheitssektor.

Zudem weiteten sie die Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft bei den Menschenrechten aus. Wie in den Vorjahren führten diese Entwicklungen jedoch nicht zu den nötigen wirksamen und umfassenden Systemreformen. Es herrschten weiterhin schwere Bedenken hinsichtlich des Versäumnisses der Behörden, existierende Gesetze und Schutzgarantien umzusetzen sowie effektive neue Maßnahmen zur Verhütung von Folter zu ergreifen. Auch gingen die Behörden Berichten über Folter und andere Misshandlungen nicht nachhaltig auf den Grund.

Im November 2014 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Usbekistan dazu auf, zu berichten, welche Maßnahmen das Land ergriffen habe, um die zahlreichen Empfehlungen des Ausschusses zur Abschaffung von Folter aus den Jahren 1999, 2005 und 2010 umzusetzen.

Haftbedingungen

Bestimmte Häftlinge wie z.B. Menschenrechtsverteidiger, Regierungskritiker und wegen der Mitgliedschaft in islamistischen Parteien bzw. Gruppierungen oder verbotenen islamischen Bewegungen verurteilte Personen wurden im Gefängnis häufig massiv schikaniert. Bei manchen Inhaftierten wurden die Haftstrafen selbst wegen kleinster mutmaßlicher Verstöße gegen die Gefängnisregeln auf lange Zeit verlängert, manchmal sogar mehrfach.

Das Strafmaß von Murad Dzhuraev, einem früheren Parlamentsabgeordneten, der 1995 unter einer politisch motivierten Anklage zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war, wurde anschließend nach Paragraph 221 des Strafgesetzbuchs viermal verlängert, weil er angeblich gegen die Gefängnisregeln verstoßen hatte. Einer der "Verstöße", die ihm angelastet wurden, bestand darin, dass er es beim Betreten des Schlafsaals der Häftlinge versäumt hatte, die Hausschuhe auszuziehen.

Murad Dzhuraevs Gesundheitszustand verschlechterte sich während seines langen Gefängnisaufenthalts gravierend. Seine Frau durfte ihn im Juli 2014 für zwei Tage besuchen und berichtete, dass er fast blind sei und alle Zähne verloren habe. Sie gab an, er habe seit 1994 keinen Zugang zu der benötigten medizinischen Versorgung erhalten. Die Gefängnisbehörden hätten außerdem versucht, ihn von den anderen Gefangenen zu isolieren, indem sie jedem Gefangenen eine Haftverlängerung androhten, der es wagte, mit ihm zu sprechen. Als Strafe für angebliche Verstöße gegen die Gefängnisregeln verbrachte Dzhuraev lange Zeiträume in Einzelhaft.

Mindestens zwei Häftlinge sollen gestorben sein, weil sie nicht die benötigte medizinische Versorgung erhalten hatten. Der Menschenrechtsverteidiger Abdurasul Khudainazarov starb am 26. Juni 2014 an einer Krebserkrankung im Endstadium, drei Wochen nachdem ein Gericht seine frühzeitige Entlassung aus humanitären Gründen angeordnet hatte.

Seine Familie berichtete, dass ihm die Gefängnisleitung trotz zahlreicher Anträge und eindeutiger körperlicher Anzeichen dafür, dass sich sein Gesundheitszustand massiv verschlechterte, über einen Zeitraum von acht Jahren wiederholt die benötigte medizinische Behandlung seiner Krebserkrankung sowie anderer ernster gesundheitlicher Probleme verweigert habe.

Es gab keine unabhängigen Überwachungsorgane, die alle Hafteinrichtungen inspiziert hätten, und weder nationale noch internationale NGOs führten regelmäßige, unangekündigte oder nicht überwachte Gefängniskontrollen durch. Obwohl Diplomaten Zugang zu manchen Hafteinrichtungen erhielten, wurden sie bei ihren Besuchen grundsätzlich von Gefängnismitarbeitern oder Sicherheitskräften begleitet. Im Januar 2014 erlaubten die Behörden einer kleinen Anzahl unabhängiger Menschenrechtsverteidiger, vier inhaftierte Kollegen zu besuchen.

Die Menschenrechtler wurden von Sicherheitskräften und Gefängnismitarbeitern begleitet und ihre Besuche auf Film aufgezeichnet. Einer der Inhaftierten berichtete, dass man ihm vor dem Treffen eine heiße Dusche genehmigt und ihm neue Kleider gegeben habe. Im November 2014 entsandte die NGO Human Rights Watch eine Delegation nach Usbekistan, doch sämtliche Anfragen für Besuche von Gefangenen und Besichtigungen von Haftanstalten wurden von den Behörden abgelehnt.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Personen, die man im Namen der nationalen Sicherheit und des "Kampfs gegen den Terror" nach Usbekistan zurückgeführt hatte, wurden oft ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, was das Risiko erhöhte, dass sie Folter oder anderen Misshandlungen ausgesetzt waren.

Die Behörden bemühten sich hartnäckig um die Auslieferung von Personen, die sie verdächtigten, an den Bombenanschlägen in der Hauptstadt Taschkent in den Jahren 1999 und 2004, den Protesten in Andischan im Jahr 2005 (bei denen Hunderte von Menschen ums Leben kamen, als die Sicherheitskräfte auf Tausende überwiegend friedliche Demonstrierende schossen) und verschiedenen anderen Gewaltakten beteiligt gewesen zu sein.

Die Behörden beschuldigten manche von ihnen, Mitglieder verbotener islamistischer Gruppen zu sein, und bemühten sich auch um die Auslieferung politischer Gegner, Regierungskritiker und wohlhabender Personen, die bei der Regierung in Taschkent in Ungnade gefallen waren.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fällte 2013 und 2014 mindestens 15 Urteile gegen die Abschiebung von Personen nach Usbekistan, da diese dort der realen Gefahr von Folter ausgesetzt seien. Dies galt insbesondere für Personen, die im Verdacht standen, Mitglieder einer islamistischen Partei oder einer in Usbekistan verbotenen Gruppierung zu sein. Im Oktober 2014 entschied der Gerichtshof im Verfahren Mamazhonov gegen Russland, dass eine Auslieferung von Ikromzhon Mamazhonov von Russland nach Usbekistan gegen Artikel 3 (Verbot von Folter) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde.

Das Gericht merkte an, dass "in den letzten Jahren keine Verbesserung der usbekischen Strafjustiz zu verzeichnen war, insbesondere was die Strafverfolgung religiös und politisch motivierter Straftaten angeht, und dass gewisse Indizien dafür vorliegen, dass Personen, die solcher Straftaten angeklagt werden, in Gefahr sind, misshandelt zu werden".

Im November 2014 wurde Mirsobir Khamidkariev, ein Produzent und Geschäftsmann aus Usbekistan, der in der Russischen Föderation Asyl beantragt hatte, von einem Gericht in Taschkent zu acht Jahren Haft verurteilt. Man verurteilte ihn wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen islamistischen Organisation, ein Vorwurf, den er strikt von sich wies.

Am 9. Juni 2014 wurde er Berichten zufolge mitten in Moskau auf offener Straße von Mitarbeitern des russischen Inlandsgeheimdienstes (FSB) entführt und misshandelt, dann auf einem Flughafen in Moskau usbekischen Sicherheitsbeamten übergeben und am nächsten Tag rechtswidrig nach Taschkent überstellt.

Mirsobir Khamidkarievs Anwalt in Moskau wusste nichts über seinen Verbleib, bis sein Mandant zwei Wochen später im Keller einer vom usbekischen Innenministerium betriebenen Hafteinrichtung in Taschkent wieder auftauchte.

Seinem russischen Rechtsbeistand zufolge, der ihn am 31. Oktober in Taschkent aufsuchen konnte, war Mirsobir Khamidkariev zwei Monate lang Folter und anderen Misshandlungen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt gewesen, die ihn zu einem falschen Geständnis zwingen wollten. Er wurde kopfüber an einer Stange an der Wand festgebunden und wiederholt geschlagen. Die Sicherheitskräfte schlugen ihm sieben Zähne aus und brachen ihm zwei Rippen.

Amnesty International: Berichte

 

 

 

 

 

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