a-4714 (ACC-CHN-4714)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:

Tibetische Regionen außerhalb der Autonomen Region Tibet

Dr. Thomas Weyrauch, China-Experte im deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, lieferte folgende Auskunft via E-Mail zu tibetischen Regionen:

„Laut Zensus vom Jahr 2000 gibt es 5.416.021 Tibeter in der VR China, davon 2.427.168 in der Autonomen Region Tibet („Xizhang Zizhiqu“, TAR), 1.269.120 in Sichuan (frühere tibetische Präfekturen), 1.086.592 in Qinghai (frühere tibetische Provinz Amdo), 443.228 in Gansu, 128.432 in Yunnan sowie 61.481 in anderen Regionen, Provinzen und unmittelbaren Städten Chinas. Nicht erfasst ist eine unbekannte Zahl von Binnenmigranten, Nomaden wie Wanderarbeitern, die schon eine stolze Größe darstellen dürften.“ (Weyrauch, 9. Dezember 2005)

Das UK Home Office berichtet unter Berufung auf die Encyclopedia of the People’s of the World, dass Tibeter außer in der Autonomen Region Tibet auch in den Provinzen Qinghai, Sichuan und Yunnan leben würden (UK Home Office, November 2005, Abs. 6.269).

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia bietet eine Übersicht über die autonomen Gebiete der Volksrepublik China, mit Informationen zu den ethnischen Gruppen der jeweiligen Bevölkerung (Wikipedia, 10. Februar 2006).

Zu Tibetern finden sich folgende Gebiete:

Aba Tibetan Qiang Autonomous Prefecture (Provinz Sichuan)
http://en.wikipedia.org/wiki/Aba_Tibetan_and_Qiang_Autonomous_Prefecture (englisch)
http://de.wikipedia.org/wiki/Ngawa (deutsch)
Diqing Tibetan Autonomous Prefecture (Yunnan)
http://en.wikipedia.org/wiki/Diqing_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%AAq%C3%AAn
Gannan Tibetan Autonomous Prefecture (Gansu)
http://en.wikipedia.org/wiki/Gannan_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/Gannan
Garzê Tibetan Autonomous Prefecture (Sichuan)
http://en.wikipedia.org/wiki/Garz%C3%AA_Tibetan_Autonomous_Prefecture

http://de.wikipedia.org/wiki/Garz%C3%AA
Golog Tibetan Autonomous Prefecture (Qinghai)
http://en.wikipedia.org/wiki/Golog_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/Golog
Gyêgu Tibetan Autonomous Prefecture (Qinghai)
http://en.wikipedia.org/wiki/Gy%C3%AAgu_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/yushu
Haibei Tibetan Autonomous Prefecture (Qinghai)
http://en.wikipedia.org/wiki/Haibei_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/Haibei
Hainan Tibetan Autonomous Prefecture (Qinghai)
http://en.wikipedia.org/wiki/Hainan_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/Hainan_%28Autonomer_Bezirk%29
Haixi Mongol and Tibetan Autonomous Prefecture (Qinghai)
http://en.wikipedia.org/wiki/Haixi_Mongol_and_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/Haixi
Huangnan Tibetan Autonomous Prefecture (Qinghai)
http://en.wikipedia.org/wiki/Huangnan_Tibetan_Autonomous_Prefecture
http://de.wikipedia.org/wiki/Huangnan
Muli Tibetan Autonomous County (Sichuan)
http://en.wikipedia.org/wiki/Muli_Tibetan_Autonomous_County
http://de.wikipedia.org/wiki/Muli_%28Sichuan%29

Auf diesen Seiten finden sich Informationen zur geographischen Lage der Gebiete, zu administrativen Unterteilungen (wie Gemeinden) und zur ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung - jedoch keine Informationen zu deren politischer oder wirtschaftlicher Lage.

In einem von UNHCR in Auftrag gegebenen Bericht von Writenet-Bericht (Autor: Colin P. Mackerras) vom Februar 2005 über die Lage der Tibeter findet sich ebenfalls eine Aufzählung der autonomen tibetischen Gebiete außerhalb der Autonomen Region Tibet. Diese decken sich mit jenen auf Wikipedia, mit der Ausnahme, dass im Writenet-Bericht die Autonome Gemeinde Muli nicht erwähnt wird, sondern nur die Autonomen Bezirke (Writenet, Februar 2005, S.22).

Lage von Tibetern außerhalb der Autonomen Region Tibet (TAR)

Dr. Thomas Weyrauch lieferte folgende Angaben zur wirtschaftlichen Lage der Tibeter außerhalb der Autonomen Region Tibet (TAR):

„Während in der TAR immerhin 15 Prozent der Tibeter urbanisiert sind, sind es in Qinghai lediglich 8,5 Prozent und nur 1 Prozent in Sichuan. Allerdings hat Sichuans Hauptstadt 9,5 Prozent tibetische Bevölkerung.
Über deren Lebensverhältnisse kann ich nur subjektive Eindrücke vermitteln. Die ökonomische Dominanz der Han-Chinesen in den genannten Gebieten ist unübersehbar. Aus diesem Grund dürfte auch das Segment der Tibeter unter den Binnenmigranten unter der Maßgabe, dass die Tibeter in der Bevölkerung der Volksrepublik China nach den Han-Chinesen, Zhuang, Mandschuren, Hui, Miao, Uighuren Yi, Tujia und Mongolen an neunter Stelle stehen, nicht unerheblich sein.“ (Weyrauch, 9. Dezember 2005)

Der oben zitierte Writenet-Bericht hält zur wirtschaftlichen Lage fest, dass die wirtschaftliche Entwicklung seit den 90ern den Lebensstandard gehoben habe - dass es in den tibetischen Gebieten jedoch weiterhin drückende Armut gebe, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Weiters seien die ethnischen und regionalen Ungleichheiten weiterhin gewichtig:

“The economy has expanded and the standard of living risen. On the other hand, there is still grinding poverty in Tibetan areas, especially in the countryside, and ethnic and regional inequalities remain severe.“ (Writenet, Februar 2005, S.ii)

Laut dem Writenet-Bericht seien politisch aktive Dissidenten die am meisten gefährdete Gruppe in den tibetischen Gebieten, insbesondere jene, die ein unabhängiges Tibet fordern. Zu Gefängnisstrafen führen separatistische sowie die Staatssicherheit gefährdende Aktivitäten. Diese würden laut dem Bericht jedoch von Spionage oder Bombenattentaten über das Verteilen von die Unabhängigkeit fordernden Flugblättern bis zum Besitz eines Bildes des Dalai Lamas oder dem Lesen seiner Werke reichen:

“The main group at risk in the Tibetan areas is active political dissidents, especially those seeking Tibetan independence. Activities attracting prison terms are those classified as endangering state security or promoting separatism, but they range from espionage and even bomb blasts through distributing leaflets advocating independence to possessing the Dalai Lama’s picture or reading the Dalai Lama’s works.“ (Writenet, Februar 2005, S.26)

Das US-Außenministerium US Department of State (USDOS) berichtet in seinen beiden Berichten (über die Religionsfreiheit, vom November 2005, und über die Menschenrechtslage, vom Februar 2005) in einem Kapitel zu Tibet über sämtliche tibetische Gebiete gemeinsam. Es finden sich jedoch auch Angaben konkret zu Gebieten außerhalb der TAR.

Im Bericht über die Religionsfreiheit 2005, der im November 2005 erschien, hält das USDOS fest, insgesamt sei der Grad an Unterdrückung in den tibetischen Gebieten weiterhin hoch und die Beachtung der Regierung von Religionsfreiheit niedrig. Es gebe jedoch regionale Unterschiede. Im Allgemeinen sei die Lage in autonomen tibetischen Gebieten außerhalb der Autonomen Region Tibet (TAR) entspannter, mit Ausnahme von Teilen des Autonomen Bezirks Kardze in Sichuan:

“Overall, the level of repression in Tibetan areas remained high and the Government’s record of respect for religious freedom remained poor during the period covered by this report; however, the atmosphere for religious freedom varied from region to region. Conditions were generally more relaxed in Tibetan autonomous areas outside the TAR, with the exception of parts of Sichuan’s Kardze Tibetan Autonomous Prefecture.”

Trotz der im Vergleich mit der TAR größeren Freiheit für tibetische Buddhisten außerhalb der TAR, Gottesdienste abzuhalten, habe laut USDOS die Religionsausübung tibetischer Buddhisten außerhalb der TAR fallweise zu Festnahmen und Verhaftungen geführt. Das USDOS führt einige Beispiele an:

Im Jänner 2005 sei das Todesurteil gegen Tenzin Deleg Rinpoche, ein prominenter religiöser Anführer, in lebenslage Haft umgewandelt worden. Er war 2002 miit Lobsang Dondrub wegen mutmaßlicher Beteiligung an Bombenattentaten verhaftet worden. Dondrub sei 2003 hingerichtet worden, obwohl die Regierung versichtert hatte, die Fälle dem Obersten Gericht zur Überprüfung vorzulegen.

Im Jahr 2003 seien im Bezirk Ngaba, Provinz Sichuan, 5 Mönche und ein Künstler wegen mutmaßlicher separatistischer Aktivitäten, darunter das Malen einer Tibet-Flagge, das Besitzen von Bildern des Dalai Lama sowie das Verteilen von Materialien, die die Unabhängigkeit Tibets fordern, zu Haftstrafen von 1 bis 12 Jahren verurteilt worden.

Im September 2004 seien im Bezirk Kardze in Sichuan 2 Mönche und ein Laie zu 3-jährigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie Unabhängigkeitsposter aufgehängt hätten. Sie seien mit 57 anderen bei einer Zeremonie festgenommen worden. Die anderen seien bis Ende 2004 entlassen worden, einige von ihnen seien Berichten zufolge während der Haft geschlagen worden.

Im Oktober 2004 sei ein buddhistischer Anführer im Bezirk Golog, Provinz Qinghai, von Polizisten erschossen worden, nachdem er und andere Mönche von der Polizei verlangt habe, dass diese für die ärztliche Behandlung von in Haft erlittener Verletzungen aufkomme.

Im Februar 2005 seien 5 Mönche in der Provinz Qinghai zu Haftstrafen von 2 - 3 Jahren verurteilt worden, da sie politische Gedichte in einer Klosterzeitschrift publiziert hätten.

Im Mai 2005 seien 2 Mönche im Bezirk Ngaba, Provinz Sichuan, zu 3 Jahren Haft verurteilt worden, wegen Aufhängens von Unabhängigkeitspostern.

Ebenfalls im Mai 2005 seien im Bezirk Kardze, Provinz Sichuan, 2 Mönche zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie seien 2004 wegen des Zeigens der verbotenen tibetischen Nationalflagge verhaftet worden.

Weiters, so das USDOS, habe es auch positive Entwicklungen gegeben, was frühzeitige Entlassungen aus der Haft betrifft: Die Dui Hua Foundation habe die frühzeitige Entlassung zweier Tibeterinnen bestätigt. Deren Haftdauer von ursprünglich 3,5 Jahren wegen der Anstiftung zum Separatismus um 10 Monate verkürzt worden sei. (USDOS, 8. November 2005, Kapitel Tibet)

In seinem im Februar 2005 veröffentlichten Menschenrechtsbericht 2004 berichtet das USDOS folgendes zu Tibetern außerhalb der TAR: Die Bedingungen der Religionsfreiheit seien in autonomen tibetischen Gebieten außerhalb der TAR im allgemeinen entspannter („more relaxed“) als in der TAR, mit der auch im Bericht zur Religionsfreiheit erwähnten Ausnahme: Bezirk Kardze in Sichuan.

Die meisten Mönche und Äbte in autonomen tibetischen Gebieten außerhalb der TAR würden berichten, über im Vergleich mit der TAR größere Freiheiten zu verfügen, was die Abhaltung von Gottesdiensten, Religionsunterricht und das Managen der Klöster betreffe. Es gebe jedoch dennoch Beschränkungen.

Laut USDOS habe die Associated Press im November 2004 von einem Treffen kommunistischer Beamter mit buddhistischen Anführern in der Provinz Qinghai berichtet. Die Buddhisten seien von den Beamten vor Bestrafung gewarnt worden, wenn sie nicht für größere Akzeptanz der Politik Beijings gegenüber dem Dalai Lama, sowie für größere Unterstützung des von der Regierung auserwählten Panchen Lama sorgen würden.

Laut USDOS würden in der TAR sowie in den anderen autonomen tibetischen Gebieten die wichtigsten Stellen der öffentlich Bediensteten weiterhin von Han-Chinesen besetzt sein. (USDOS, 28. Februar 2005, Kapitel Tibet)

Die Congressional-Executive Commission on China des US-Kongresses (CECC) bietet in ihrem im Oktober 2005 veröffentlichten Jahresbericht 2005 Informationen Informationen über politische Gefangene Tibeter in und außerhalb der TAR:

Nach Angaben der CECC gebe es in der TAR rund 70 tibetische politische Gefangene, in der Provinz Sichuan 40 und weniger als 15 in Qinghai - in den Provinzen Yunnan und Gansu seien keine bekannt (mit Stand Juni 2005). Das entspreche laut CECC folgenden Quoten (politische Gefangene je Million Tibeter):

29,9 politische Gefangene je Million tibetischer Einwohner in der Provinz Sichuan

27,6 politische Gefangene je Million tibetischer Einwohner in der Autonomen Region Tibet

12 politische Gefangene je Million tibetischer Einwohner in der Provinz Qinghai

Die niedrigeren Quoten in Qinghai, Gansu und Yunnan gingen nach Angaben der CECC laut informeller Aussagen von Experten mit religiösen und die Bildung betreffenden Bedinungen einher, die weniger repressiv seien als in Sichuan und der TAR. (CECC, 11. Oktober 2005, S.112-113)

Die menschenrechtliche Lage von Tibetern betreffend unterscheidet die CECC nicht konkret zwischen Gebieten in und außerhalb der TAR. Über die menschenrechtliche Lage von Tibetern allgemein berichtet die CECC wie folgt: Im Berichtszeitraum des Jahresberichts habe es keine größeren politischen Kampagnen der Regierung in tibetischen Gebieten gegeben. Die Politik der Zentralregierung würde eine nationale chinesische Identität, die in Beijing geprägt werde, sowie den Atheismus fördern. Diese Politik würde bewirken, dass die in der Verfassung verankerten Rechte der Tibeter auf Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit stark beschränkt würden. Äußerungen und gewaltlose Handlungen, die von Behörden als Gefahr für die Herrschaft der Partei verdächtigt werden, würden manchmal als Bedrohung der Staatssicherheit bestraft. Die CECC führt die sinkende Zahl politischer Gefangener darauf zurück, dass Tibeter direkte Kritik und Proteste vermeiden würden. Während die Zahl der Berichte über politische Proteste sinke, würden laut CECC die chinesischen Zensoren und Polizisten auf andere Formen tibetischen Unmutes oder Nationalismus achten: Schreiben, Veröffentlichen oder das Teilen von Literatur, die kulturelle Verluste beklage oder ethnische Bestrebungen bewerbe, werde manchmal unterdrückt und bestraft. Die Strafen würden laut CECC von Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung bis zu Gefängnishaft reichen:

“The Chinese government did not begin major new political campaigns across Tibetan areas during the past year. CECC Annual Reports for 2002 through 2004 discussed how government policies that promote a national identity defined in Beijing, and that favor atheism, discourage Tibetan aspirations to foster their distinctive culture and religion. As a result of these policies, Tibetan rights to their constitutionally guaranteed freedoms of religion, speech, and assembly are subject to strict constraint. Expressions and nonviolent actions that officials suspect could undermine Party supremacy are sometimes punished as threats to state security. The downward trend in the number of known Tibetan political prisoners suggests that Tibetans are avoiding the risks of direct criticism or protest against Chinese policies and are turning to education, arts, and religion for ways to express and protect their culture and heritage.
As reported incidents of Tibetan political protest decline, Chinese censors and police watch for other signs of Tibetan resentment or nationalism. Writing, publishing, or sharing literature that laments cultural loss, or that advocates ethnic ambitions not sanctioned by the Party, is sometimes repressed or punished. Penalties range from loss of employment or housing to imprisonment.” (CECC, 11. Oktober 2005, S.110)

Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.

Quellen: