Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Republik Angola
Staatsoberhaupt: José Eduardo dos Santos
Regierungschef: António Paulo Kassoma
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 18,5 Mio.
Lebenserwartung: 46,5 Jahre
Kindersterblichkeit: 220/189 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 67,4%

Die Regierung ging weitere Verpflichtungen zur Bereitstellung von Sozialwohnungen ein. Nach wie vor kam es jedoch zu Zwangsräumungen, darunter auch eine der größten Zwangsräumungen der letzten Jahre. Es gab Berichte über staatlichen Mord, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sowie Folter und andere Misshandlungen durch die Polizei. Menschenrechtsorganisationen sahen sich weniger Einschüchterungsversuchen ausgesetzt, doch wurden Journalisten wegen ihrer Arbeit schikaniert und strafrechtlich verfolgt.

Hintergrund

Im September war Präsident José Eduardo dos Santos seit 30 Jahren im Amt. Die für 2009 angesetzten Präsidentschaftswahlen wurden wegen der noch ausstehenden Genehmigung der neuen Verfassung weiter verschoben. Es gab drei verschiedene Verfassungsentwürfe, die zur öffentlichen Diskussion in Umlauf gebracht wurden. Ein Entwurf sah die Direktwahl des Präsidenten durch das Parlament vor. Bis zum Jahresende war noch keine Entscheidung bezüglich der Entwürfe gefallen. Im Dezember gab Präsident dos Santos bekannt, dass die Wahlen voraussichtlich um weitere drei Jahre verschoben würden.

Anfang 2009 führten schwere Regenfälle in zahlreichen Landesteilen zu Überschwemmungen. Zehntausende Menschen verloren ihr Zuhause, darunter im März etwa 25000 Bewohner der Provinz Cunene im Süden des Landes.
Im September schloss Angola mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Vereinbarung über Kredite in Höhe von bis zu 890 Mio. US-Dollar.
Recht auf Wohnen - Zwangsräumungen

Im Juli kündigte die Regierung die Aufhebung des Importzolls für einige Baustoffe an, um den Bau von Unterkünften für Menschen in Armut erschwinglicher zu machen. Im selben Monat wurde bekannt gegeben, dass die USA Angola einen Kredit in Höhe von 400 Mio. US-Dollar gewährten, um in den nächsten Jahren 1 Mio. Unterkünfte für Menschen in Armut zu bauen.

Trotz dieser Maßnahmen fanden weiterhin Zwangsräumungen statt. Im Juli wurden über 3000 Familien (ca. 15000 Personen) aus den Vierteln Bagdad und Iraque in Luanda vertrieben. Diese Zwangsräumungen hatten ein größeres Ausmaß als die Zwangräumungen in den vorangegangenen Jahren. Von offizieller Seite wurden diese Maßnahmen damit begründet, dass die Vertriebenen von der Regierung als Bauland ausgewiesenes Land illegal besetzt und bebaut hätten. Einige der Vertriebenen gaben jedoch an, einen Rechtsanspruch auf das Land zu haben. In der Provinz Benguela gab es ebenfalls Zwangsräumungen, und Zehntausende Familien im gesamten Land waren bei Jahresende weiter von Zwangsräumung bedroht.

Polizei

Die Polizei beging nach wie vor Menschenrechtsverletzungen, auch durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichen Mord. Nur wenige Beamte mussten sich strafrechtlich verantworten, und es gab kaum Informationen darüber, ob die Polizei für in der Vergangenheit begangene Verstöße zur Verantwortung gezogen wurde.

  • Ende Januar 2009 verfolgte ein Polizeibeamter in Namibe Roberto Yava Chivondu, der sich mit dem Motorrad auf dem Heimweg befand, und erschoss ihn. Der Polizist hatte ihm bedeutet anzuhalten, was er jedoch nicht tat. Ehefrau und Nichte von Roberto Yava Chivondu, die mit ihm auf dem Motorrad saßen, wurden verletzt, als sie nach den Schüssen stürzten. Der Polizist, der bereits bei einem früheren Vorfall einen Menschen getötet haben soll, wurde im Juni vom Provinzgericht Namibe der Tötung von Roberto Yaha Chivondu für schuldig befunden und zu 20 Jahren Haft verurteilt.
  • Im August 2009 schoss ein Polizeibeamter bei einem Polizeieinsatz in der Stadt Lobito (Provinz Benguela), bei dem eine Gruppe verdächtiger junger Männer festgenommen werden sollte, Jorge Euclia in den Unterleib. Der Beamte gab drei Schüsse auf Jorge Euclia ab, als dieser versuchte, den Beamten davon abzuhalten, seinen Bruder zu schlagen. Jorge Euclia musste wegen seiner Verletzungen auf die Intensivstation gebracht werden und überlebte. Der Polizeikommandant der Provinz Benguela gab an, dass Jorge Euclia nicht von der Polizei, sondern von einem der Verdächtigen angeschossen worden sei. Es gab keine Ermittlungen, und niemand wurde für die Schüsse zur Verantwortung gezogen.
  • Im September 2009 begann am Provinzgericht von Luanda der Prozess gegen sieben Polizeibeamte, die angeklagt waren, in der Gegend von Largo da Frescura in Luanda im Juli 2008 acht Jugendliche getötet zu haben. Das Verfahren war bei Jahresende noch nicht abgeschlossen.

Willkürliche Festnahmen, Folter und andere Misshandlungen

Es gab Berichte über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei. Die meisten Festnahmen waren begleitet von einem exzessiven Einsatz von Gewalt. Nach weiteren Informationen soll die Polizei außerdem Häftlinge in der Provinz Lunda Norte gefoltert und auf andere Weise misshandelt haben.

  • Am 1. April 2009 brachten vier Mitglieder der Kommission für ein juristisches soziologisches Manifest des Protektorats Lunda Tchokwe (Comissão do Manifesto Jurídico Sociológico do Protectorado da Lunda Tchokwe) in der Provinz Lunda Norte eine Grundsatzerklärung zum Polizeiposten in Cuango. Dort wurden die vier Männer - Calixto Kulunga, Modesto Timóteo, Bento Majimo und Zeferino Rui Muatxingo - nach vorliegenden Informationen festgenommen und von der Polizei geschlagen, um die Namen und Adressen anderer Kommissionsmitglieder in Erfahrung zu bringen. Im Anschluss wurden etwa 270 Personen festgenommen und inhaftiert, die von den vier Männern genannt worden waren. Die meisten der Festgenommenen wurden freigelassen. Die vier Männer sowie etwa 30 andere Mitglieder der Kommission blieben jedoch im Gefängnis Conduege in Lunda Norte inhaftiert, wo sie Berichten zufolge gefoltert wurden. Sie sollten im November wegen Verbrechen gegen den Staat vor Gericht gestellt werden, der Prozess wurde jedoch verschoben.

Menschenrechtsverteidiger

Im März kam das Verfassungsgericht zu der Entscheidung, für ein Verfahren gegen die Vereinigung für Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie (Associação de Justiça, Paz e Democracia) nicht zuständig zu sein. In dem Verfahren wurde die Auflösung der Vereinigung mit der Begründung beantragt, dass ihre Satzung Bestimmungen enthalte, die gegen angolanisches Recht verstießen. Das Verfassungsgericht übergab die Entscheidung des Falls an den Obersten Gerichtshof.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Journalisten sahen sich weiterhin mit Schikanen durch Prozesse und andere Einschränkungen konfrontiert. Mindestens drei Journalisten beschuldigte man des Missbrauchs der Medien, ein weiterer wurde zu einer Bewährungsstrafe wegen Verleumdung verurteilt.

  • Dem Herausgeber der Zeitung Folha 8 wurde im Mai sein Reisepass abgenommen, als er versuchte, nach Namibia auszureisen. Man teilte ihm mit, dass er zu dem Kreis von Personen gehöre, denen das Verlassen des Landes untersagt sei.
  • Im Juli 2009 wurde der Herausgeber der Zeitung A Capital Berichten zufolge unter dem Verdacht eines "Angriffs auf die Ehre und Würde des Staatsoberhaupts" - nach angolanischem Recht ein Straftatbestand - zum Verhör durch die Kriminalpolizei bestellt. Die Anschuldigung basierte auf einer Beschwerde des Büros des Staatsanwalts und bezog sich auf einen Zeitungsartikel, in dem der Präsident kritisiert wurde. Eine Entscheidung in dem Fall stand zum Jahresende noch aus.
  • Im Juli 2009 wurde der Journalist Eugénio Mateus vom Provinzgericht Luanda wegen Verleumdung der Streitkräfte zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Die Anklage beruhte auf einer Beschwerde des Stabschefs der Armee wegen eines Artikels, in dem Eugénio Mateus 2007 die Armee u. a. eines exzessiven Alkoholkonsums bezichtigt hatte.

Provinz Cabinda

In der Provinz Cabinda kam es nach wie vor zu sporadischen Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften von Angola und dem militärischen Flügel der Befreiungsfront für den Staat Cabinda (Frente de Libertação do Estado de Cabinda).

  • Im März 2009 begann der Prozess gegen fünf Personen, die 2008 wegen Verbrechen gegen den Staat in der Provinz Cabinda festgenommen und angeklagt worden waren. Im Mai wurden vier der Angeklagten freigesprochen, ein Angeklagter wurde wegen Waffenbesitzes zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Da der Verurteilte bereits eine entsprechende Zeit in Untersuchungshaft verbracht hatte, ließ man alle fünf Angeklagten frei.
  • Im August wurde der gewaltlose politische Gefangene José Fernando Lelo nach einem
    Berufungsurteil des Obersten Militärgerichts freigelassen, dem zufolge die Beweislage nicht ausreichte, um das Urteil aufrechtzuerhalten. José Fernando Lelo war im September 2008 vom Militärgericht Cabinda wegen Verbrechen gegen die nationale Sicherheit und der Anstiftung zum Aufstand zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im August erhöhte das Oberste Militärgericht außerdem in einem Berufungsurteil das Strafmaß für fünf Soldaten, die im September mit José Fernando Lelo verurteilt worden waren, von 13 auf 22 bis 24 Jahre. Die fünf waren wegen des Versuchs der Organisation eines bewaffneten Aufstands und anderer Militärstraftaten angeklagt und verurteilt worden.

Rechte von Migranten

Die Behörden wiesen Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus, meist Staatsbürger aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), weiterhin aus. Viele der Ausgewiesenen machten für sich jedoch ein Bleiberecht in Angola geltend. Gegen Ende September begannen daraufhin die Behörden der DR Kongo in einer Vergeltungsaktion, Angolaner ebenfalls auszuweisen (siehe Länderbericht DR Kongo).

Die Massenabschiebungen fanden unter erbarmungswürdigen Umständen statt und waren begleitet von Menschenrechtsverletzungen, zu denen die Anwendung physischer und auch sexueller Gewalt durch die Streitkräfte gehörte. Viele Personen wurden in überfüllten Fahrzeugen an die Grenzen gebracht, wobei dem Vernehmen nach einige von ihnen erstickt sind. Zahlreiche Familien, auch Kinder, wurden während der Abschiebungen getrennt und die Deportierten in entlegenen Gebieten ohne Nahrung und Obdach zurückgelassen. Von den Abschiebungen waren Flüchtlinge aus beiden Ländern betroffen.
Im Oktober kamen beide Länder überein, die Abschiebungen zu stoppen. Die angolanische Regierung arbeitete mit einem interinstitutionellen UN-Ausschuss zusammen, um das entstandene humanitäre Problem in den angolanischen Provinzen Uíge und Zaire anzugehen. Es liegen keine Informationen vor, dass die während der Abschiebungen begangenen Menschenrechtsverletzungen strafrechtliche Konsequenzen nach sich zogen.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Die von Amnesty International im Oktober 2008 beantragten Visa waren noch nicht erteilt worden. Im Oktober 2009 reichte Amnesty International neue Anträge ein, die jedoch zum Jahresende ebenfalls noch nicht genehmigt worden waren.

Unjust, unlawful, unacceptable: forced evictions in Angola (AFR 12/002/2009)

Angola: Submission to the UN Universal Periodical Review (AFR 12/005/2009)

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