Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Republik Peru
Staats- und Regierungschef: Alán García Pérez
Todesstrafe: für gewöhnliche Straftaten abgeschafft
Einwohner: 29,5 Mio.
Lebenserwartung: 73,7 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 38/27 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 89,6%

Indigenen Gruppen wurde auch 2010 ihr Recht auf die freie, vorherige und nach umfassender Aufklärung erfolgte Zustimmung zu Entwicklungsprojekten verweigert, von denen sie betroffen waren. Die Behörden versäumten es, den Opfern von Bagua aus dem Jahr 2009 Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen. Straflosigkeit für vergangene Menschenrechtsverletzungen war weiterhin vorherrschend - trotz einiger Fortschritte, ihr entgegenzuwirken. Frauen, darunter vor allem Frauen aus indigenen Gemeinschaften und mit niedrigen Einkommen, wurden nach wie vor ihre sexuellen und reproduktiven Rechte verweigert.

Hintergrund

Es gab landesweite Proteste gegen die Folgen großer Entwicklungsprojekte für Gesellschaft und Umwelt. So wurde im Juli 2010 gegen das Auslaufen von Erdöl in den Marañón-Fluss im peruanischen Amazonasgebiet protestiert und gegen die Entsorgung von Giftmüll im Escalera-Fluss in der Provinz Huancavelica. Außerdem gab es im September Demonstrationen aufgrund von Befürchtungen, der Bau eines Staudamms könnte die Wasserrechte der Bevölkerung in der Provinz Espinar in Cusco beeinträchtigen. Daraufhin erließ Präsident Alán García Pérez eine Rechtsverordnung, die den Einsatz des Militärs bei zivilen Protesten erlaubt. Dies gab Anlass zur Sorge über eine mögliche Zunahme von Fällen exzessiver Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte.
Es gab Berichte über gewaltsame Zusammenstöße der bewaffneten Oppositionsgruppe Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) mit Militär und Polizei in der Andenregion.

Rechte indigener Völker

Im Juni 2010 verweigerte Präsident García seine Zustimmung zum Gesetz über das Recht auf Vorabkonsultation der Indigenen- und Urvölker (Ley del Derecho a la Consulta Previa a los Pueblos Indígenas u Originarios). Dieser gesetzliche Meilenstein wurde unter Beteiligung der indigenen Gemeinschaften ausgearbeitet und im Mai vom Kongress verabschiedet. Außerdem versäumten es die Behörden, einem Urteil des Verfassungsgerichts vom Juni nachzukommen und einen zuverlässigen Rahmen zu schaffen, der die Konsultierung der von Entwicklungsprojekten betroffenen indigenen Volksgruppen nach ILO-Übereinkommen 169 gewährleistet. Etwa 20 neue Konzessionen wurden ohne freie, vorherige und nach umfassender Aufklärung erfolgte Zustimmung der betroffenen Gemeinschaften an Erdölgesellschaften ausgegeben.

Straflosigkeit

Hunderte von Personen, die 2009 bei Auseinandersetzungen anlässlich einer Straßenblockade in Bagua in der Amazonasregion verletzt worden waren, warteten 2010 ebenso wie die Familien der 33 dort getöteten Personen, unter ihnen 23 Polizeibeamte, weiter auf Gerechtigkeit. Gegen 109 Zivilpersonen, überwiegend Angehörige indigener Gruppen, und mindestens 18 Polizeibeamte wurde Anklage erhoben. Zum Jahresende hatten die Richter noch nicht darüber entschieden, ob die Beweislage für die Eröffnung von Verfahren gegen die Beamten ausreichend sei.

  • Der Indigenensprecher Segundo Alberto Pizango Chota, der sich für die Proteste in Bagua vor Gericht verantworten sollte, wurde im Mai bei seiner Rückkehr aus dem Exil inhaftiert und später auf Kaution wieder freigelassen. Ende 2010 waren die Anklagen gegen ihn und drei weitere Sprecher sowie eine Sprecherin indigener Organisationen noch anhängig.
  • Zwei ausländische Priester waren aufgrund ihres Einsatzes für die Rechte indigener Gemeinschaften bei Großprojekten von der Ausweisung bedroht. Einer von ihnen, Pater Bartolini, dem die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zur Last gelegt worden war, wurde im Dezember 2010 freigesprochen. Im selben Verfahren wurden fünf Indigenen- und Gemeindesprecher zu Haftstrafen von je vier Jahren auf Bewährung verurteilt. Allem Anschein nach waren die gegen sie erhobenen Klagen ein Versuch, ihren Einsatz für die Menschenrechte zu behindern. Berufungsverfahren gegen die Urteile waren zum Ende des Jahres noch anhängig.

Gewerkschafter

Die Gewerkschafter Pedro Condori Laurente und Claudio Boza Huanhayo wurden im Juli 2010 nach sieben Monaten unter Vorbehalt aus der Haft entlassen. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe, während eines Bergarbeiterstreiks im Jahr 2008 in der Provinz Huarochiri einen Polizisten getötet zu haben, entbehrten scheinbar jeglicher Grundlage. Ein Berufungsverfahren gegen die Freilassung war zum Jahresende noch anhängig.

Exzessive Gewaltanwendung

Im April 2010 wurden fünf Protestierende in Chala in der Provinz Caravelí (Departamento Arequipa) getötet, als die Polizei versuchte, eine Demonstration gegen gesetzliche Einschränkungen inoffizieller Bergbautätigkeiten unter ihre Kontrolle zu bringen. Gegen den Einsatzleiter der Polizei wurde Anzeige erstattet.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Frauen, darunter vor allem Angehörige indigener Gemeinschaften und solche mit niedrigen Einkommen, wurden nach wie vor ihre sexuellen und reproduktiven Rechte verweigert.
Zwar wurde das 2009 ergangene Urteil des Verfassungsgerichts, nach dem der Staat die "Pille danach" nicht verteilen darf, vom Gesundheitsministerium angefochten, die Verteilung der Pille jedoch nicht wieder aufgenommen. Die Behörden versäumten die Herausgabe eines Protokolls zur Erläuterung einer Abtreibung aus therapeutischen Gründen an Angehörige der Gesundheitsberufe. Diese ist legal, wenn eine Gefährdung für das Leben oder die Gesundheit der Frau besteht.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission verurteilte das Versäumnis des Staates, gemäß einer Vereinbarung von 2003 Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für über 2000 Frauen zu gewährleisten, die unter der Regierung des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori (1990-2000) zwangssterilisiert worden waren.

Müttersterblichkeit

Das staatliche Institut für Statistik meldete eine signifikante Abnahme der Müttersterblichkeit, die zuvor zu den höchsten in der Region gehört hatte. Es gab jedoch Befürchtungen, dass die Sterblichkeitsrate in ländlichen Gebieten nicht abgenommen habe. Offiziellen Zahlen zufolge gab es auch keine Verbesserung der Situation von Frauen in ländlichen Gebieten, die von fehlenden Transportmöglichkeiten zu weit entfernt liegenden medizinischen Einrichtungen betroffen waren.

Straflosigkeit

Im September 2010 wurde eine Reihe von Rechtsverordnungen erlassen, die die in den vergangenen zehn Jahren erzielten Fortschritte bei der Bekämpfung der Straflosigkeit effektiv zunichtemachten. Der Kongress stimmte für die Aufhebung der Rechtsverordnung 1097, die den Verantwortlichen vergangener Menschenrechtsverletzungen de facto Amnestie gewährte. Zwei weitere Verordnungen, nach denen Angehörige der Streitkräfte vor Militärgerichten für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können, blieben jedoch in Kraft.
Sieben Jahre nach Abschluss des Berichts der Wahrheits- und Versöhnungskommission kam der Prozess zur Gewährleistung von Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung trotz einiger Fortschritte nur langsam voran.

  • Einzelne Entschädigungen standen Ende 2010 noch aus. Dazu gehörte beispielsweise die formelle Übereignung von Land an Familien und Opfer, der die Regierung 2003 vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zugestimmt hatte. Im Januar bestätigte der Oberste Gerichtshof die 2009 gegen den ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori verhängte Strafe. Im Oktober wurden Angehörige der Todesschwadron Colina und hochrangige Regierungsbeamte unter Alberto Fujimori verurteilt. Sie trugen die Verantwortung für die Tötung von 15 Personen im Jahr 1991 sowie für das "Verschwindenlassen" von neun Dorfbewohnern in der Provinz Santa (Region Ancash) und von Pedro Yauri in der Provinz Huaura (Region Lima) 1992. Tausende weiterer Fälle blieben jedoch ungeklärt.
  • Im November 2010 begann das Verfahren gegen die Soldaten, denen die Tötung von 69 Frauen, Männern und Kindern in der Gemeinde Accomarca (Provinz Vilcashuamán) zur Last gelegt wird. Auf dem Gelände der Cabitos-Kaserne in der Provinz Huamanga wurde ein neues Grab entdeckt. Am Ort des Massakers, bei dem Weihnachten 1984 insgesamt 25 Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Putka in der Provinz Huanta umgekommen waren, wurde mit der Exhumierung der Massengräber begonnen.

Haftbedingungen

Das in 4600m Höhe gelegene Gefängnis von Challapalca in der Provinz Puno, das zwischen 2005 und 2007 geschlossen gewesen war, blieb weiter in Betrieb. Trotz der Zusicherung der Behörden, die Haftanstalt zu schließen, befanden sich im Oktober 2010 dort noch 131 Personen in Haft. Durch die Unzugänglichkeit des Gefängnisses wird das Recht der Häftlinge auf den Besuch von Anwälten und Ärzten eingeschränkt.

Amnesty International: Mission und Bericht

Im Oktober besuchte eine Delegation von Amnesty International unter der Leitung des Generalsekretärs Peru, um sich mit offiziellen Vertretern der Ministerien für Gesundheit, Justiz und auswärtige Angelegenheiten und Kongressabgeordneten zu treffen.

Bagua: Consultation promised but justice not delivered (AMR 46/010/2010)

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