a-4860 (ACC-SYR-4860)
Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
Basisinformationen zur Azadi-Partei: Benennungen, Vorsitzender, Schreibweisen
In einer Stellungnahme der Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie an das VG Schleswig-Holstein vom August 2005 wird sehr ausführlich auf die Lage kurdischer Parteien in Syrien eingegangen. In Anlage 2 wird unter Punkt 8 die “Unabhängigkeitspartei der Kurden in Syrien“ genannt. Als kurdischer Name der Partei wird „Partiya Azadi ya Kurdi li Süriye“, als arabischer Name „al-Hizb al-Yasari al-Kurdi fi Suriya“ und als Vorsitzender „Xeyridin Murad“ angegeben. Als Gründungsmonat der Partei wird in einem Schaubild in Anlage 1 der Mai 2005 genannt (Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, 23. August 2005).
In einem Artikel von KurdishMedia.com kommt die Bezeichnung Kurdish Freedom Party (Azadi) vor (KurdishMedia.com, 14. März 2006). In zwei weiteren Quellen finden sich zwei andere Schreibweisen des Generalsekretärs der Azadi-Partei: Kheir al-Deen Murad (NYT, 28. Oktober 2005) bzw. Kheireddin Mrad (Tharwa Project, 8. Juni 2005).
Auf der Website der Kurdish Azadi Party in Syria wird der kurdische Parteiname mit Partiya Azadî Kurd li Suryê, der arabische Name mit „Hizb Azadi al Kurdi fi Suriya“ [Umschrift aus dem Arabischen, RJ] angegeben (Kurdish Azadi Party, Website, ohne Datum).
Die Unabhängigkeitspartei (Azadi-Partei) sei laut Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie aus dem Zusammenschluss mehrerer Parteien hervorgegangen:
„Bei der Unabhängigkeitspartei handelt es sich um einen im Mai 2005 vollzogenen Zusammenschluss der Kurdischen Linken Parteien von Xeyridin Murad sowie der Kurdischen Volksunion, die beiden Parteien lösten sich in der Unabhängigkeitspartei auf.“ (Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, 23. August 2005, S. 8)
Situation der Partei und deren Mitglieder und Symphatisanten
Laut Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie seien die kurdischen Parteien in Syrien verboten und deren Beziehungen (auch der Unabhängigkeitspartei) zur syrischen Regierung angespannt:
„Es ist richtig, dass die Kurdische Volksunion in Syrien verboten ist bzw. war: Alle Parteien außerhalb der Baathpartei bzw. der fünf mit ihr in der »National Progressive Front« (NFP) zusammengeschlossenen, völlig bedeutungslosen Kleinparteien, sind illegal. Dies gilt auch für die kurdischen Parteien, Aktivitäten werden nur in einem bestimmten, sehr engen Rahmen geduldet. Hieran wird sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern: Auf dem letzten Baathparteitag im Juni 2005 wurde zwar beschlossen, politische Parteien jenseits der Baathpartei zuzulassen - allerdings unter dem verfassungsmäßig abgesicherten Vorbehalt, dass die Baathpartei nach wie vor die führende Partei in Staat und Gesellschaft ist und dass ethnisch und religiös ausgerichtete Parteien verboten bleiben. Angesichts der Tatsache, dass lediglich die kurdische sowie die islamisch orientierte Opposition in Syrien über einen gewissen Organisationsgrad sowie eine gewisse Anhängerschaft verfügen, wird sich die Situation oppositioneller Gruppen in Syrien auch bei einer Umsetzung der beschlossenen Änderungen kaum positiv entwickeln können. Insofern ist es richtig, dass die Beziehungen zwischen den kurdischen Parteien (inklusive kurdischer Volksunion bzw. ihrer Nachfolgerin, der Unabhängigkeitspartei) und syrischer Regierung angespannt sind. In Bezug auf letztere beiden kommt hinzu, dass sie zu den radikaleren der syrisch-kurdischen Parteien gehören - hierauf wurde weiter oben bereits eingegangen.“ (Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, 23. August 2005, S. 15-16)
In der Stellungnahme der Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie vom August 2005 wird von Massendemonstrationen im Mai 2005 berichtet, die in Folge der Ermordung des kurdischen Scheichs Khesnawi von kurdischen Parteien organisiert worden waren. Dabei sei es auch zu Übergriffen auf kurdische Demonstrationsteilnehmer gekommen:
„Im Zusammenhang mit Entführung und Tod Khesnawis kam es, ähnlich wie im März 2004, in Qamischli zu Massendemonstrationen. Bereits am 15. Mai 2005 forderten Vertreter der Kurdischen Demokratischen Partei der Einheit in Syrien, der Kurdischen Linken Partei in Syrien von Xeyridin Murad, der Einheitspartei der Kurden in Syrien und der Partei der kurdischen Volksunion vor dem Staatssicherheitsgericht in Damaskus u. a. die Freilassung Khesnawis. An der Kundgebung nahmen um die 400 Personen teil. Am 21. Mai folgte eine Massenkundgebung in der Stadt Qamischli, an der zwischen 10 000 und 20 000 Menschen teilnahmen. Zu dieser Demonstration hatten die Einheitspartei der Kurden in Syrien, die Kurdische Volksunion, die Partei der demokratischen Versöhnung der Kurden in Syrien (Rekeftina Demokrat a Kurd li Suriye) und die Kurdische Zukunftsbewegung in Syrien (Sepela Peseroja Kurd li Suriye) aufgerufen. Am 1. Juni wurde der Leichnam des Scheichs nach Qamischli gebracht, aus diesem Anlass versammelten sich am Abend zahlreiche Menschen zu einer spontanen Kundgebung. In den folgenden beiden Tagen besuchten Zehntausende Menschen das Trauerzelt Khesnawis, jeweils an den Abenden fanden Demonstrationen statt, am 2. Juni wurden 15 Jugendliche festgenommen. Vertreter der verschiedenen syrisch-kurdischen Parteien nahmen an den Demonstrationen teil bzw. besuchten das Trauerzelt Khesnawis. Am 4. Juni schließlich kündigten die Einheitspartei der Kurden in Syrien (Partiya Yekiti ya Kurd li Suriye) und die Partiya Azadi ya Kurdi li Suriye (Unabhängigkeitspartei der Kurden in Syrien) für den kommenden Tag eine weitere Kundgebung an. [...] Der syrische Geheimdienst warnte die Parteien, dass bei Fortsetzung der Proteste von Staatsseite mit Gegenmaßnahmen zu rechnen sei. Nichtsdestotrotz fand am 5. Mai eine weitere Demonstration statt. Die Informationen, die wir zu dieser Demonstration erhalten haben, machen deutlich, dass, ähnlich wie im März 2004, von Staatsseite eine Zuspitzung der Situation aktiv befördert wurde. Glaubwürdigen Berichten zufolge wurden Angehörige arabischer Stämme - so der Tay und der Schammar - aufgefordert, gegen die kurdischen Protestierenden vorzugehen - wobei die Schammar sich geweigert haben sollen. Während der Demonstrationen selbst gingen mit Holzlatten bewaffneten Zivilisten gegen kurdische Demonstranten vor, dabei wurde immer wieder beobachtet, dass sie von syrischen Sicherheitskräften unterstützt wurden. Einem anderen Bericht zufolge wurden arabische Bewohner unter anderem in der Stadt Derik von syrischen Sicherheitskräften aufgefordert, kurdische Geschäfte zu plündern - Geschäfte von christlichen und arabischen Besitzern hingegen sollten explizit verschont werden. Mehrfach wurde berichtet, dass kurdische Ladenbesitzer nicht wagten, die Plünderer aufzuhalten, weil diese von syrischen Soldaten eskortiert wurden. Insgesamt sollen im Rahmen der Unruhen gut hundert Personen verhaftet worden sein.“ (Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, 23. August 2005, S. 6-9)
In der Stellungnahme wird der Schluss gezogen, dass Aktivitäten im Rahmen der Kurdischen Volksunion, deren Nachfolgepartei die Unabhängigkeitspartei ist, zu Verfolgung führen können:
„Abschließend ist somit festzuhalten, dass die Entwicklung der kurdischen Frage in Syrien seit 2002 eine völlig neue Aktualität gewonnen hat, auf die der Staat bislang ausschließlich repressiv reagiert. Reformen in Bezug auf die kulturellen und politischen Rechte der kurdischen Bevölkerung Syriens wurden bislang nicht eingeleitet. Die Kurdische Volksunion bzw. ihre Nachfolgerin, die Unabhängigkeitspartei, gehörte zu den besonders aktiven Parteien - gemeinsam mit der Kurdischen Einheitspartei und der Kurdischen Linken Partei, sie hat zu fast allen Demonstrationen und Kundgebungen - in diesem Gutachten wurden nur die wichtigsten genannt - mit aufgerufen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass Aktivitäten im Rahmen der Kurdischen Volksunion in Syrien zu Verfolgung führen können - die Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist, hängt insbesondere von der Art der Aktivitäten ab. [...] Unserer Einschätzung nach gründet sich Verfolgung in Syrien weniger auf konkrete Hierarchien, d. h. auf Positionen, die innerhalb einer der kurdischen Parteien eingenommen wurden, als vielmehr auf die Art und Weise, in der Personen für eine der kurdischen Parteien de facto aktiv geworden sind. Teilweise genießen die Führungspersönlichkeiten kurdischer Parteien aufgrund ihrer - relativen - Prominenz sogar eher Schutz als Parteimitglieder, die zwar aktiv sind, jedoch nicht über einen herausgehobenen Status und die entsprechenden Kontakte verfügen, bzw. als parteilose politisch aktive Personen. Ein Beispiel ist das Vorgehen des syrischen Staates während der Unruhen im März 2004. Damals hatte der syrische Geheimdienst den Führern verschiedener kurdischer Parteien offen mit Repressalien gedroht, wenn sie die Massenproteste der kurdischen Bevölkerung nicht eindämmen würden. Die Drohungen waren erfolgreich: Zwar hatten die Parteien auf den Ausbruch der Unruhen - diese entwickelten sich spontan im Anschluss an das weiter oben genannte Fußballspiel - keinen Einfluss. Wohl aber gelang es ihnen, die Unruhen relativ schnell einzudämmen: Nach dem 16. März 2004 fanden keine Massendemonstrationen mehr statt, auch nicht am 21. März, dem kurdischen Neujahrsfest, das hierfür prädestiniert gewesen wäre. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung verzichtete aufgrund der Aufforderungen der Parteien zudem auf öffentliche Feiern. Hätten die Parteien sich umgekehrt an die Spitze der Demonstrationen gestellt und deren Fortführung unterstützt, wären diese sicherlich deutlich länger fortgeführt worden - die grundsätzliche Bereitschaft der Bevölkerung dürfte bestand[en] haben.“ (Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, 23. August 2005, S. 13-14)
„Abschließend ist festzuhalten, dass eine führende Stellung innerhalb einer Partei zwar nicht notwendig zu Inhaftierungen führt, wohl aber dazu, dass eine Person stärker unter Beobachtung steht und folglich bei bestimmten politischen Aktivitäten (Teilnahme an Demonstrationen, Verteilung von Flugblättern/Parteizeitungen etc.) schneller inhaftiert wird als andere. Gleichzeitig werden einflussreiche Parteimitglieder insbesondere in Krisensituation teils aus strategischen Gründen nicht festgenommen - wobei eine derartige strategische Nachsicht nichts ist, worauf politische Aktivisten sich dauerhaft verlassen könnten.“ (Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, 23. August 2005, S. 15)
In einem Artikel von Al-Jazeera vom Juni 2005 wird von der polizeilichen Auflösung einer Demonstration in Qamischli berichtet, die unter anderem von der Azadi-Partei organisiert worden war:
“Later on Sunday, riot police dispersed a demonstration by hundreds of Syrian Kurds in the northeastern town of Kameshli, residents said. The demonstration was organised by two other banned Kurdish parties, Yikiti and Azadi Kurdish Party in Syria.” (Al-Jazeera, 5. Juni 2005)
In einem Artikel der Zeitung Daily Star vom Oktober 2005 wird von einer Demonstration berichtet, die von der Polizei unter Anwendung von Gewalt aufgelöst worden sei. Dabei sei auch Mustafa Jumaa, zweiter Mann der Azadi-Partei, verhaftet worden:
“Damascus: Several demonstrators were hurt as Syrian
police dispersed a sit-in by hundreds of Kurds to demand the return of Syrian nationality to thousands who lost it 43 years ago, a Kurdish party said. "Hundreds of Kurds gathered in Shahbandar Square in Damascus in response to a call from several parties to protest against the policy of oppression against the Kurds and against a racist census in 1962" in the northern province of Hassakeh, the Azadi Party said. Around 200,000 Kurds had their nationality withdrawn at the time. Their identity
cards were confiscated and they were denied
civil rights. "Despite the peaceful nature of the sit-in, police and security
services beat the demonstrators, injuring a number of citizens, including Mustafa Jumaa, the number two of Azadi," the party said in a statement.” (Daily Star, 6. Oktober 2005)
In einer Aussendung des Syrian Human Rights Committee (SHRC) vom September 2005 wird im Zusammenhang mit der ansteigenden Zahl von Verhaftungen syrischer Kurden ein Mann namens Mustafa Jumah erwähnt. Er wird in einer Liste von Menschen genannt, die im Jahr 2005 als Unterstützer der Unity Democratic Kurdish Party verhaftet worden seien. Es ist uns mit den derzeit zur Verfügung stehenden Quellen nicht möglich festzustellen, ob es sich dabei ebenfalls um den oben erwähnten Mustafa Jumaa handelt:
“Kurdish sources have revealed that the number of Syrian Kurdish detainees is increasing day after day. Sources close to the Unity Democratic Kurdish Party have also revealed that the Syrian authorities have arrested many of its members, supporters and sympathizers this year (2005). In accordance with these sources, 56 Kurds have been detained this year without being transferred to court. SHRC also came to know that four juveniles were arrested and referred to the first Inquest court in Aleppo, whilst news from a previous date revealed that 3 Kurds were arrested in Aleppo. At the same time, the number of Kurds detained by the security apparatus and referred to the Supreme State Security Court (SSSC) in Damascus has reached the figure of 42. Bringing together this information, the number of those arrested this year equals to 105 Syrian Kurds. Supporters of the mentioned party were also arrested after the events of March last year, of which 45 remain in prison. [...] Supporters of the Unity Democratic Kurdish Party who were detained in 2005: [...] 7- Mustafa Jumah s/o Abdullah” (SHRC, 13. September 2005)
Das Integrated Regional Information Network (IRIN) berichtet im März 2006 von einer Massendemonstration in Qamischli, bei der auch Vertreter der verbotenen Azadi-Partei teilgenommen hätten. Dabei seien auch Menschenrechtsaktivisten festgenommen worden:
“Damascus: Security forces detained human rights activists and a former opposition MP following demonstrations on 14 March marking the anniversary of deadly clashes between Kurds and Syrian security officials in 2004, according to protest participants. [...] In Qamishli, the site of the clash and home to a large number of Syria's 1.5 million Kurds, some 15,000 people gathered at the graveyard of the slain. Attendees included representatives of the Kurdish Yakiti and Azadi parties, both of which have been outlawed by Damascus.” (IRIN, 15. März 2006)
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.
Quellen: