Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage der Glaubensgemeinschaft der Astrachaner [a-8529]

8. Oktober 2013
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In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine aktuellen Informationen zur Lage der Glaubensgemeinschaft der Astrachaner in der Russischen Föderation bzw. Dagestan gefunden werden. Im Folgenden finden Sie ältere, allgemeine Informationen zu den Astrachanern sowie allgemeine Informationen zur Lage der Muslime in der Russischen Föderation:
 
Informationen zu den Astrachanern entnehmen Sie bitte auch folgenden ACCORD-Anfragebeantwortungen:
  • ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: 1) Lage von MuslimInnen (Gerichtsverfahren gegen MuslimInnen, Behandlung durch die Polizei, „Extremismus“-Datenbank); 2) Informationen zu AstrachanerInnen [a-7898], 15. Februar 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
    https://www.ecoi.net/file_upload/response_de_211092.html
  • ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: Dagestan: Muslimische Glaubensrichtung der "Astrachaner"; allgemeine Situation von muslimischen Gruppierungen [a- 6669-1], 9. März 2009 (verfügbar auf ecoi.net)
    https://www.ecoi.net/file_upload/response_de_148928.html
 
Das Center for Strategic and International Studies (CSIS) eine in Washington, D.C. ansässige, private, steuerbefreite Institution, die sich auf internationale Politik spezialisiert, schreibt in einem Bericht vom Jänner 2013, dass Ajub (Anguta) Omarow, ein salafistischer Prediger aus Dagestan, 1994 seine eigene Gruppe von Muslimen in Astrachan gegründet habe. Die Mehrheit der Gruppe seien Awaren gewesen, es hätten ihr aber auch Russen, Tataren und Kinder aus gemischten Ehen angehört. Omarow habe sich und seine AnhängerInnen als „Mu‘min“ gesehen, „richtige“ Gläubige, die sich völlig dem Willen Allahs unterworfen hätten. Omarow habe zudem versucht, sich rhetorisch vom aus Saudi-Arabien stammenden Islam abzugrenzen. Sein Hauptaugenmerk habe auf religiöser Frömmigkeit im Alltag gelegen, weshalb Alkohol, Zigaretten und persönliche Bilder verboten gewesen seien. Omarow habe versucht, sich aus der Politik herauszuhalten. Nach dem Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs habe er eine zurückhaltende Position eingenommen und alle Seiten des Konflikts beschuldigt, für die Gewalt verantwortlich zu sein. Dies habe dazu geführt, dass er sich sowohl mit den radikalen Muslimen als auch den offiziellen islamischen Strukturen überworfen habe, weshalb er 2000 Astrachan auf der Suche nach einem sicheren Ort verlassen habe. Die Gesamtzahl der Mitglieder der Gruppe von Omarow und der Gruppe, die von den Brüdern Abdurasakow in Astrachen geleitet worden sei, habe sich auf etwa 300 Personen belaufen:
„1994 Ayub (Anguta) Omarov, a Salafi preacher of Dagestani descent, founded his own group of Muslims in Astrakhan. The group’s composition was mixed and included ethnic Avars (the majority), Russians, Tatars, and children of mixed marriages. Omarov identified himself and his followers as Mu’mins (‘real’ believers who completely submitted to the will of Allah) and rhetorically tried to differentiate this identity from Saudi-originated Islam. His primary focus was on religious piety in everyday life — namely, no alcohol, smoking, or personal photos — and he tried to stay out of politics. After the second Chechen campaign, he took a cautious position and blamed the violence on all of the sides that had been engaged in the conflict. This approach placed him at odds with both radicals and the official Islamic structures, so in 2000 he left Astrakhan looking for a safe haven. The total membership of this group and one led by the Abdurazakov brothers, ethnic Avars in Astrakhan, amounted to about 300 people.“ (CSIS, Jänner 2013, S. 20)
Robert Bruce Ware, Professor für Philosophie an der Southern Illinois University Edwardsvill und Nordkaukasusexperte, und ‎Enver Kisriev, Leiter der Kaukasus-Abteilung am Zentrum für zivilisatorische und regionale Untersuchungen des Afrika-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, erwähnen in einem Buch vom Dezember 2009 Ajub Omarow (alias Ajub Astrachanskij), einen dagestanischen Awaren aus dem Rajon Zumada, der eine ultraradikale wahhabitische Randgruppe angeführt habe. Er habe in Astrachan gelebt und seine ultraradikale Gruppe in der dagestanischen Diaspora der Region aufgebaut. Ajub Astrachanskij sei einer der wenigen gewesen, die sich selbst als Wahhabiten bezeichnet hätten und einen langen Bart, einen gepflegten Oberlippenbart und gekürzte, überweite Hosen getragen hätten. Seine geografische Isolierung in Kombination mit seinen den Traditionen zuwiderlaufenden Praktiken hätten dazu geführt, dass er nur wenige AnhängerInnen in Dagestan gehabt habe:
„The demise of Akhtaev’s moderate brand of Salafism left only two alternatives for the approximately 10 percent of the Dagestani population (see below) who sought an Islamist response to the corruption and incompetence of the Dagestani government: radical Wahhabism or ultraradical wahhabism. An ultraradical Wahhabi fringe group was headed by Ayub Omarov (aka Ayub Astrakhansky), a Dagestani Avar from the Tsumadinskii raion. He resided in Astrakhan, and organized his ultraradical group among the Dagestani diaspora in that area. He was among the few who openly called himself a Wahhabi and who fully dressed the part with a long beard, trimmed mustache, and shortened, baggy pants. However, his geographical isolation combined with his counter-traditional practices to leave him with a few followers inside Dagestan.“ (Ware/Kisriev, Dezember 2009, S. 98)
Paul Lies, ein Politologe und Slawist aus Mannheim, schreibt Folgendes in seinem 2008 erschienenen Buch:
„Unter Anhängern des islamischen Fundamentalismus in Dagestan lassen sich drei Gruppen unterscheiden. Eine Gruppe bilden Anhänger des in Astrachan‘ wohnenden Avaren Anguta Omarov, der unter dem arabischen Pseudonym Ajub agiert. Ein Anhänger Ajubs gründete 1992 im dagestanischen Dorf Belidži eine fundamentalistische Gemeinde - die erste im Süden Dagestans -, die Mitte der 1990er 40 bis 50 Mitglieder zählte.
Ajub machte durch besonders radikale Rhetorik auf sich aufmerksam: Zum einen forderte er die sofortige Einrichtung eines islamischen Staates im Nordkaukasus und griff in seinen Äußerungen Muslime, die seine Ansichten nicht teilten, extrem scharf an. Zum anderen bezeichneten sich die Mitglieder seiner Gemeinde im Gegensatz zu anderen Gruppen als Wahhabiten. Viele Mitglieder brachten ihre Gesinnung mit ihrer Kleidung zum Ausdruck, indem sie den Propheten Mohammed äußerlich nachahmten: Sie ließen sich einen Bart ohne Schnurrbart wachsen und trugen eine Hose, die nur bis zu den Knöcheln langte. Der kompromisslose und weltfremde Charakter dieser Gruppierung äußerte sich z. B. darin, dass Nizan Razachanov, Leiter der dagestanischen ‚Zelle‘ zwischen 1996 und 1998, völlig verarmte, weil jeder Versuch, Geld zu verdienen, seitens der Führung als Ausdruck des ‚illegitimen Materialismus‘ bewertet wurde.
Nachdem 1999 repressive Maßnahmen gegenüber islamischen Fundamentalisten in Dagestan eingeleitet worden waren, wanderten einige aktive Mitglieder dieser Gruppe nach Astrachan‘ aus und schlossen sich Ajubs Gemeinde dort an. Andere, darunter auch Razachanov, stellten Ajubs Lehren in Frage und wurden verstoßen. Die Angaben zur Gesamtzahl der Anhänger Ajubs russlandweit schwanken zwischen 400 und 1000. Weder in Astrachan‘ noch in Dagestan ist diese Gruppe durch politische Aktivitäten aufgefallen. Der radikale Charakter blieb auf die aggressive Rhetorik beschränkt. Heute spielt diese Gruppe in Dagestan kaum eine Rolle mehr.” (Lies, 2008, S. 43)
Hilary Pilkington, Soziologieprofessorin an der University of Manchester, und Galina Yemelianova, Senior Lecturer am Centre for Russian and East European Studies der University of Birmigham, schreiben in einem 2002 veröffentlichten Buch, dass eine ultraradikale Version des Wahhabismus, die alle AnhängerInnen des traditionellen Islam als kafir (ungläubig) erachte, sich vor allem in der dagestanischen Diaspora in Astrachan ausgebreitet habe. Der Anführer dieser Gruppe sei Anguta Ajub aus dem dagestanischen Rajon Zumada gewesen. In Dagestan selbst habe er nur wenige AnhängerInnen, obwohl es Mitglieder seiner Gruppe gewesen seien, die die erste wahhabitische Gemeinschaft in Süddagestan gegründet hätten. Die AnhängerInnen von Ajub würden für das verpflichtende Tragen des Niqab für Frauen eintreten:
„The ultra-radical version of Wahhabism, which views all followers of traditional Islam as kafirs (unbelievers), has spread mainly among the Dagestani diaspora in Astrakhan. The leader of these ultra radicals is Anguta Ayub, who is from the Tsumadinskii raion of Dagestan. In Dagestan itself he has few followers, although it was members of this group who established the first Wahhabi community in southern Dagestan (in Belidji). […] Thus while Ayub’s followers support the compulsory wearing of the niqab for women, and Bagauddin allows for a choice between niqab and hijab, Ahmed-qadi argued that, in the case of Dagestan, the niqab was harmful, because, contrary to its purpose, it only succeeded in attracting universal attention to women.“ (Pilkington/Yemelianova, 12. November 2002)
Die Jamestown Foundation, eine unabhängige, unparteiische und gemeinnützige Organisation, die Informationen zu Terrorismus, den ehemaligen Sowjetrepubliken, Tschetschenien, China und Nordkorea zur Verfügung stellt, veröffentlicht im August 2013 einen Artikel, in dem darüber berichtet wird, dass Salafisten noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion Astrachan als Zentrum gewählt hätten. In den 1990er Jahren habe eine Gemeinschaft von „Gläubigen“ (von arabisch mu’min – gläubig) unter der Führung von Anguta Omarow (alias Ajub Astrachanskij) in der Region existiert. Die Gemeinschaft habe vor allem aus ethnischen Awaren und Darginen bestanden. Von 2009 bis 2011 seien viele Mitglieder salafistischer Organisationen im Gebiet Astrachan verhaftet worden. Die Tatsache, dass mehrere salafistische Organisationen in der Region existiert hätten, deute darauf hin, dass die Salafisten in Astrachan entlang ethnischer Linien gespalten gewesen seien. Die Salafisten hätten die Polizei angegriffen und beispielsweise Bombenanschläge verübt. Teilweise seien russische Konvertiten die Anführer der salafistischen Organisationen gewesen, beispielsweise sei das Dschamaat (wahhabitische Gemeinschaft) der Mumin von Oleg Maruschkin geleitet worden. Im Mai 2013 seien mehrere Personen von den Strafverfolgungsbehörden in Astrachan wegen des Verdachts, zu terroristischen Akten aufzurufen und lokale Anwohner für die Teilnahmen an radikal-islamistischen Gruppen zu rekrutieren, festgenommen worden. Im Juli 2013 habe ein Sprecher des russischen Geheimdienstes FSB im Gebiet Astrachan geäußert, dass es etwa 60 Frauen in der Gegend gebe, die die Frauen oder Witwen von Rebellen seien und die von den Strafverfolgungsbehörden für potentielle Terroristinnen gehalten würden. Die lokalen Behörden würden Versuche von einigen lokalen muslimischen Anführern unterbinden, Moscheen zu übernehmen und sich von der zentralen Geistigen Verwaltung der Muslime abzuspalten. So sei etwa Mansur Schangarejew, der versucht habe, den Status der Moschee im Dorf Bachtemir zu ändern, von den Behörden zum „Wahhabiten“ erklärt worden und man habe eine strafrechtliche Anklage gegen ihn konstruiert. So würden die Behörden entscheiden, welcher Strömung des Islam eine Moschee angehören solle. Durch dieses Verhalten käme es zur Gründung von Gruppen im Untergrund, die die offiziellen Imame, die eng mit der Regierung zusammenarbeiten würden, ablehnen würden. Vor Beginn des neuen Schuljahrs habe der ethnisch-religiöse Rat des Gebiets Astrachan das Tragen von Hidschabs in Schulen verboten. Die neuen Regeln würden ab dem 1. September 2013 gelten:
„Strangely, prior to the collapse of the Soviet Union the Salafis chose Astrakhan as their center in the Russian Federation. In fact, in 1990, the first conference of the then-underground Party of Islamic Rebirth movement took place in Astrakhan. This can only be explained by an environment created by local Tatars that is conducive to Salafist ideology. Otherwise, despite its favorable geographic location, Astrakhan is poorly connected to other parts of the country because its transportation routes run mainly via Moscow. (www.verigi.ru/?book=200&chapter=24). Prominent Islamic radicals from the North Caucasus such as Bagaudin Kebedov, Magomed Karachai and Ahmad-kadi Tagaev, among others, were among the most active participants in the conference. In the 1990s, a Salafist community of Mumins (Faithful) existed in the region, headed by Anguta Omarov (a.k.a. Ayub Astrakhanski) from the Dagestani village of Kvanada. The community consisted mostly of ethnic Avars and Dargins (http://astrakhan.ru/history/read/40/). […]
From 2009 to 2011, many members of Salafist organizations were arrested in the Astrakhan region. The fact that there were several Salafi organizations in the region indicates that the Salafis were divided along ethnic lines. The Salafis of Astrakhan are generally divided into Tatar-Kazakh, Chechen and Dagestani groups. The Salafis attacked the police, carried out bomb attacks, like ones targeting the Interior Ministry’s Academy in the city of Volgograd, the Road Police’s headquarters, and so on. At times, Russians who converted to Islam were the leaders of those organizations (www.aspu.ru/images/File/Izdatelstvo/Kaspiiskii%20region%202(35)%202013/19-26.pdf)—for example, Yuri Avdonin was the leader of Jamaat Tablig and Oleg Marushkin headed one of the units of the Mumin Jamaat.
In May 2013, law enforcement agents in Astrakhan arrested seven people on suspicion of calling for terrorist acts and recruiting residents of the region for participation in a radical Islamic group (http://islam30.ru/news/interview/142-islamoved-andrej-syzranov). In July 2013, the spokesman for the Federal Security Service (FSB) in Astrakhan region, Aleksei Baigushkin, stated that about 60 females in the region were wives or widows of rebels and that law enforcement officials regarded them as potential terrorists who could stage attacks in the region and other parts of the Russian Federation (www.kavkaz-uzel.ru/articles/227902/). […]
Regional authorities routinely cut short attempts by some local Muslim leaders in Astrakhan to take over mosques and split from the Central Spiritual Board of Muslims headed by Tajuddin. This happened to Mansur Shangareyev, who tried to change the status of the mosque in the village of Bakhtemir. The authorities announced him a ‘Wahhabi’ (a.k.a. Salafi) and fabricated a criminal case against him (www.islamnews.ru/news-1017.html). Thus, the authorities decide which current of Islam a mosque should belong to. This attitude alienates dissident mosques and, in turn, spawns the creation of underground groups that reject the official imams who closely cooperate with the government.
Meanwhile, on the eve of the coming school year, the ethnic-religious council of the Astrakhan region has outlawed the wearing of the hijab in schools. The new rules are effective as of September 1, 2013. The officials astonishingly announced that those who disagreed with their decision were free to leave Astrakhan region for any other place in the Russian Federation (http://islam-astrakhan.livejournal.com/9171.html).“ (Jamestown Foundation, 2. August 2013)
Informationen zur Lage der Muslime in der Russischen Föderation
Das deutsche Auswärtige Amt (AA)[1] schreibt in seinem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation vom Juni 2013 Folgendes zur Lage der Muslime in Russland:
„In Russland leben rund 20 Millionen Muslime; der Islam ist eine der traditionellen Hauptreligionen Russlands. Der Islam in Russland ist in seiner Grundausrichtung von Toleranz gegenüber anderen Religionen geprägt. Es gibt Anzeichen dafür, dass Spannungen innerhalb der muslimischen Gemeinde(n) in Russland zunehmen. Der Staat fördert und kontrolliert die Ausbildung von Imamen. Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen, wie insbesondere die Zeugen Jehovas oder islamische Strömungen im Nordkaukasus und im Wolgagebiet, denen der Vorwurf gemacht wird, in Bezug zu Terrorgruppen zu stehen, stoßen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden. Gegen solche Religionsgemeinschaften erheben die Behörden häufig nicht plausibel belegte Extremismusvorwürfe und leiten auf dieser Grundlage auch Strafverfahren ein. […]
Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenen, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschter Beweise zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien.“ (AA, 10. Juni 2013, S. 11-12)
Das niederländische Außenministerium erwähnt in seinem allgemeinen Amtsbericht vom Juni 2013, dass muslimische Gemeinschaften regelmäßig mit Diskriminierung und Schikanierungen durch (lokale) Regierungen konfrontiert seien, obwohl der Islam zu den anerkannten traditionellen Religionen in der Russischen Föderation gehöre:
„Ondanks het behoren tot de vier bovengenoemde traditionele religies, hebben moslimgemeenschappen overigens ook regelmatig te maken met discriminatie en intimidatie door (lokale) overheden.“ (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, 4. Juni 2013, S. 30)
Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt in ihrem Jahresbericht zur Religionsfreiheit, dass die Anwendung des häufig abgeänderten Anti-Extremismus-Gesetzes durch die russische Regierung eine ernsthafte Bedrohung für die Religionsfreiheit sei. VertreterInnen der russischen Muslime hätten geäußert, dass das Anti-Extremismus-Gesetz zu eklatanten Fällen von Verfolgung von Muslimen geführt habe und Menschenrechtsgruppen hätten über zahlreiche Fälle von strafrechtlicher Verfolgung von nicht gewalttätigen Muslimen wegen Extremismus oder Terrorismus berichtet. Darunter seien Dutzende Fälle von Einzelpersonen gewesen, die wegen des Besitzes religiöser Literatur, beispielsweise des Korans, oder auf der Grundlage von Beweisen, darunter verbotene Literatur, Drogen, Waffen oder Sprengstoffe, die mutmaßlich von der Polizei platziert worden seien, festgenommen worden seien. Menschenrechtsgruppen würden behaupten, dass vielen, wenn nicht den meisten Beschuldigten ein ordnungsgemäßes faires Verfahren verweigert werde und sie in Haft misshandelt würden. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Memorial seien mindestens 100 Personen, die mutmaßlich Verbindungen zu islamischen, von den russischen Behörden als extremistisch erachteten Gruppen hätten, bei Polizeirazzien im Herbst 2012 in Moskau und Baschkortostan festgenommen worden. Russische Gerichte jeder Instanz könnten ein literarisches Werk für extremistisch erklären, wodurch es dann auf die föderale Liste des Justizministeriums für extremistische Materialien, die in ganz Russland verboten seien, gesetzt würde. Seit dem Zerfall der Sowjetunion würden Beobachter berichten, dass der Salafosmus sich im Nordkaukasus verbreite. Die meisten Salafisten seien friedlich, hätten aber Probleme bei der Integration in die lokale Gemeinschaft und Wirtschaft. In Dagestan seien salafistische Gemeinschaften verboten:
„A serious threat to religious freedom has emerged in the Russian government’s application of its much-amended anti-extremism law. The June 2002 Extremism Law defines extremism in a religious context as ‘propaganda of the exclusivity, superiority or inferiority of citizens according to their attitude towards religion or religious affiliation.’ In 2007, the definition was expanded to include ‘obstruction of the lawful activity (…) of social, religious or other organizations’ without requiring the threat or use of violence. Russia’s Muslim representatives have said that the extremism law has resulted in ‘blatant cases of persecution of Muslims’ and Russian human rights groups have reported numerous prosecutions of nonviolent Muslims for extremism or terrorism. These included dozens of cases of individuals detained for possession of religious literature, such as the Qur’an, or on the basis of evidence—including banned literature, drugs, weapons, or explosives—allegedly planted by the police. Russian human rights groups claim that many, if not most, of the accused are denied proper due process in these trials and are maltreated in detention. […]
According to the Memorial Human Rights Center (MHRC), at least 100 individuals, allegedly connected with Islamic groups deemed extremist by the Russian authorities, were detained in police raids in Moscow and Bashkortistan in the fall of 2012. Two imams in Novosibirsk, Ilhom Merazhov and Komil Odilov, were arrested in September 2012 for allegedly organizing a banned Nursi group and could face a maximum four-year prison term, Forum 18 reported. The imams claim they reject violence. The trial is ongoing as of this writing. In Kazan, Tatarstan, five suspects were held in connection with a July 2012 attack on the republic’s Chief Mufti Ildus Faizov and the murder of its Deputy Mufti Valiulla Yakupov, but dozens of Muslims not linked to these attacks were arrested, according to Russian human rights groups. […]
A Russian court at any level may rule a work of literature extremist, which then places it on the Justice Ministry’s Federal List of Extremist Materials that are banned throughout Russia. By February 2013, 1700 titles were banned as extremist, the SOVA Center reported, and texts continue to be added to the list. Most religious texts are Islamic materials, including texts printed by Russia’s official-sanctioned Islamic publishers and approved by the Council of Muftis, as well as Russian translations of 15 texts by Turkish Muslim theologian Said Nursi. […]
Since the fall of the USSR, observers report that the Salafist form of Islam has been spreading in the North Caucasus. Its growth is influenced by the negative official treatment of conservative Muslims, local traditions of religion and ethnicity, ties to the Chechen conflict, and the roles of local religious leaders, the International Crisis Group noted in October 2012. Most local Salafis are peaceful but face difficult integration into local societies and economies. In Dagestan, the North Caucasus’ most violent region, Salafi communities are banned, but the local government has initiated an effort to build social consensus on Islam. That initiative, however, may have been hindered by the August 2012 murder of Said Afandi Atsayev, a key local Sufi leader.” (USCIRF, 30. April 2013, S. 254-257)
Informationen zum religiösen Konflikt in Dagestan entnehmen Sie bitte auch unserem Themendossier sowie einer ACCORD-Anfragebeantwortung vom April 2013:
 
 
 
 
 
 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 8. Oktober 2013)
 
 
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