Anfragebeantwortung zu den Palästinensischen Gebieten: Informationen zu Wiedereinreise von Palästinensern ins Westjordanland; Einfluss von Dauer und Grund der Abwesenheit; Einreisegenehmigung in der Praxis [a-9323]

7. September 2015

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In einem Telefongespräch am 25. August 2015 teilt die Vertretung von Palästina in Österreich mit, dass für die Wiedereinreise ins Westjordanland (Westbank) eine Westbank-ID-Karte von zentraler Bedeutung sei. Mit einer Westbank-ID-Karte gebe es keine Probleme bei der Einreise, wenn man über Jordanien über den Grenzübergang Allenby-Brücke einreise. Dieser Übergang werde von Israel kontrolliert, die Einreise könne aber mit der Westbank-ID-Karte ohne Probleme erfolgen. Dauer und Grund der Abwesenheit aus dem Westjordanland hätten keine Auswirkung auf die Wiedereinreise. Eine Registrierung bei der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNWRA) spiele für die Frage der Wiedereinreise keine Rolle. Probleme könnten entstehen, wenn jemand nach Jerusalem zurückkehren möchte, für das Westjordanland selbst aber nicht. Eine Einreise über Israel ins Westjordanland sei mit einer Westbank-ID-Karte nicht möglich. Mit einer Westbank-ID-Karte könne bei der Vertretung Palästinas ein palästinensischer Reisepass beantragt werden.“ (Vertretung von Palästina in Österreich, 25. August 2015)

 

Auf Anfrage schreibt die Botschaft des Staates Israel in Wien am 1. September 2015, dass es derzeit jeder Person, die im palästinensischen Bevölkerungsregister aufscheine, vorbehaltlich von Sicherheitsbedenken möglich sei, über den Grenzübergang Allenby-Brücke in das Westjordanland einzureisen und dort zu leben. Eine Person, deren Name nicht im palästinensischen Bevölkerungsregister aufscheine, könne in das Westjordanland nicht ohne Beantragung einer Einreisegenehmigung einreisen:

We received your enquiry dated August 13, 2015 regarding the entry of non-resident Palestinians to the West Bank and would like to address your concerns, according to the information that we have received from the relevant authorities.

We must emphasize that this is a complex issue that has been addressed in the 1995 Israeli-Palestinian Interim Agreement on the West Bank and the Gaza Strip. In Article XVII (1)(a), the Interim Agreement specifies that the Palestinian refugee issue will be negotiated in the permanent status negotiations.

As per the Interim Agreement Article XXVIII (12), the Council maintains the right to register in its population registry all persons born abroad or in the Gaza Strip and West Bank, if those individuals are under the age of sixteen and either of their parents is a resident of the Gaza Strip or the West Bank. This registry documents any changes in the Palestinian population in the Gaza Strip and in the West Bank. The Interim Agreement charges the Palestinian side with the task of updating Israel as to any modification in its population registry. (Article XXVIII (10)(b)). Currently, any individual listed in the population registry is able to enter the West Bank via the Allenby Bridge, subject to security considerations, and to live there.

An individual whose name does not appear in the Palestinian population registry may not enter the West Bank without requesting an entry permit. There are various categories of people that may request an entry permit that is valid for up to three months, including inter alia, spouses of resident Palestinians registered in the West Bank population registry and children of resident Palestinians, up to the age of 16. An entry permit may be extended for up to 27 months. The Transit Policy to the West Bank via Israel, which details the procedure for entrance of non-residents to the West Bank and the Gaza Strip, is public and may be found at the Coordination of Government Activities in the Territories’ (‘COGAT’) website.” (Botschaft des Staates Israel in Wien, 1. September 2015)

In einer Pressemitteilung vom Februar 2012 anlässlich der Publikation des Berichts “Forget About Him, He’s Not Here”; Israel’s Control of Palestinian Residency in the West Bank and Gaza von Human Rights Watch (HRW) wird auf das Thema Ausweise und Melderegister wie folgt eingegangen:

„Um als rechtmäßige Bewohner anerkannt zu werden und einen von den israelischen Behörden ausgestellten Ausweis oder Pass zu erhalten, müssen Palästinenser im Melderegister eingetragen sein. Im Westjordanland benötigen Palästinenser die Ausweispapiere, wenn sie sich von einem Ort zum anderen begeben wollen, um beispielsweise zur Schule, zur Arbeit oder zu einem Krankenhaus zu kommen oder um ihre Familie zu besuchen. Nur wer die Papiere an den von israelischen Sicherheitskräften kontrollierten Checkpoints vorweisen kann, darf diese passieren. Auch an sämtlichen Grenzen zum Westjordanland müssen Palästinenser, die das Gebiet betreten oder verlassen wollen, ihren Ausweis oder Pass vorzeigen.

Viele Familien sind durch willkürliche Änderungen der Bestimmungen auseinandergerissen worden: Israelische Grenzbeamte verweigerten im Ausland geborenen Ehepartnern sowie in Gaza ansässigen Palästinensern den Zugang zum Westjordanland, selbst wenn diese zuvor dort gelebt hatten oder nahe Verwandte im Westjordanland haben. Zudem ließen sie Bewohner des Westjordanlands, die ins Ausland gereist waren, nicht wieder einreisen. Auch im Gazastreifen, dessen südliche Grenze von Ägypten kontrolliert wird, müssen sich Palästinenser immer noch ausweisen, wenn sie in den Gazastreifen einreisen oder ihn verlassen wollen.

[...] Von 2000 an stellte Israel die Bearbeitung von Anträgen auf eine Eintragung im Melderegister und auf einen Wohnsitz von nicht im Melderegister eingetragenen Palästinensern, ihren Ehegatten und nahen Verwandten komplett ein, selbst wenn diese jahrelang im Westjordanland oder im Gazastreifen gelebt hatten und ihre Familie, ein Haus, Arbeit oder sonstige Bindungen dorthin hatten.

Außerdem verweigerte die Regierung praktisch allen Palästinensern, die ihren Wohnsitz im Gazastreifen angemeldet hatten, die Einreise ins Westjordanland und untersagte im Westjordanland lebenden, aber in Gaza gemeldeten Palästinensern, ihren Wohnsitz ins Westjordanland zu verlegen. Der israelischen Armee zufolge seien rund 35.000 ‚Gazaner‘ mit befristeten, inzwischen abgelaufenen Aufenthaltsgenehmigungen ins Westjordanland eingereist und lebten dort. Nach einem Beschluss der israelischen Armee werden sie nun als unrechtmäßige ‚Eindringlinge‘ in ihrer eigenen Heimat betrachtet.“ (HRW, Februar 2012)

Den gesamten Bericht von HRW in englischer Sprache finden Sie unter folgendem Link:

·      HRW - Human Rights Watch: “Forget About Him, He’s Not Here”; Israel’s Control of Palestinian Residency in the West Bank and Gaza, Februar 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/2016_1329144654_iopt0212webwcover.pdf

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 7. September 2015)

·      Botschaft des Staates Israel in Wien: E-Mail-Auskunft, 1. September 2015

·      HRW - Human Rights Watch: “Forget About Him, He’s Not Here”; Israel’s Control of Palestinian Residency in the West Bank and Gaza, Februar 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/2016_1329144654_iopt0212webwcover.pdf

·      HRW - Human Rights Watch: Militärische Kontrolle über Melderegister reißt Familien auseinander, 5. Februar 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/210201/330300_de.html

·      Vertretung von Palästina in Österreich: Telefonische Auskunft, 25. August 2015