Dokument #1176225
Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Vereinigte Mexikanische Staaten
Regierungschef: Felipe Calderón Hinojosa
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 109,6 Mio.
Lebenserwartung: 76 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 22/18 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 92,8%
Es gab 2009 eine zunehmende Anzahl von Berichten über schwere Menschenrechtsverletzungen, die von Angehörigen des Militärs, die Polizeiaufgaben wahrnahmen, begangen wurden. Auch die Polizeikräfte des Bundes, der Bundesstaaten und der Kommunen begingen weiterhin in mehreren Bundesstaaten schwere Menschenrechtsverletzungen. Frauen waren in hohem Maß geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt und hatten kaum Möglichkeiten, rechtlich gegen die Täter vorzugehen. Tausende Migranten ohne regulären Aufenthaltstatus wurden entführt und einige von kriminellen Banden ermordet. Viele Migrantinnen wurden vergewaltigt. Mehrere Journalisten und Menschenrechtsverteidiger wurden bedroht, wegen konstruierter Straftaten angeklagt oder getötet. Marginalisierte Bevölkerungsgruppen, deren Land für die wirtschaftliche Entwicklung benötigt wurde, waren der Gefahr von Schikanierung, rechtswidriger Zwangsräumung und Verweigerung ihres Rechts auf angemessene Information und Konsultierung ausgesetzt. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Inter-American Court of Human Rights) sprach in zwei Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen wegweisende Urteile gegen Mexiko.
Nach den Zwischenwahlen zum Kongress wurde die Partei der Institutionalisierten Revolution (Partido Revolucionaria Institucional - PRI) stärkste Partei im Abgeordnetenhaus. Im November wählte der Senat einen neuen Präsidenten der Nationalen Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos - CNDH). Mexiko erklärte sich dazu bereit, 83 der 91 vom UN-Menschenrechtsrat ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen.
Etwa 50000 Soldaten wurden mit Polizeiaufgaben betraut, um die öffentliche Sicherheit zu verbessern und das organisierte Verbrechen sowie die Drogenkartelle zu bekämpfen. Die Medien berichteten, dass mehr als 6500 Menschen durch die vom organisierten Verbrechen ausgeübte Gewalt den Tod fanden. Häufig waren die Sicherheitskräfte ebenfalls Ziel der Angriffe.
Der US-Kongress bewilligte die Auszahlung von weiteren 486 Mio. US-Dollar als Teil der Mérida-Initiative, ein über drei Jahre laufendes regionales Abkommen über Zusammenarbeit und Sicherheit. Die Freigabe von 15% der Finanzmittel der Initiative war an Auflagen zur Beachtung der Menschenrechte gekoppelt. Obwohl Mexiko die Menschenrechtsbedingungen nicht erfüllte, wurden weitere Finanzmittel freigegeben.
Militärjustiz und Menschenrechtsverletzungen durch das Militär
Die Zahl der Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Militärangehörige nahm zu. Dazu gehörten außergerichtliche Hinrichtungen und andere widerrechtliche Tötungen, "Verschwindenlassen", Folter und andere Misshandlungen sowie willkürliche Festnahmen. Die CNDH legte dem Verteidigungsministerium 30 Empfehlungen zur Behandlung nachgewiesener Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch Militärangehörige im Jahr 2009 vor. Im Vorjahr hatte die CNDH 14 Empfehlungen unterbreitet. Einige Opfer und deren Familienangehörige, die versucht hatten, Strafanzeige zu erstatten, waren Bedrohungen ausgesetzt. Menschenrechtsverletzungen, an denen Militärpersonal beteiligt war, wurden weiterhin von der Militärgerichtsbarkeit untersucht und verhandelt. Regierungsbeamte waren nicht dazu bereit, das Ausmaß der Verbrechen und der Straflosigkeit anzuerkennen.
Polizeikräfte
Im Januar trat das neue Gesetz über nationale öffentliche Sicherheit (Ley General del Sistema Nacional de Seguridad Pública) in Kraft. Es verlangt von der Polizei erhöhte Professionalität und Koordination und enthält auch einige Verbesserungen zum Schutz der Menschenrechte. Im Juni ist mit dem Bundespolizeigesetz eine einheitliche Polizeikraft des Bundes geschaffen worden, die mit neuen Befugnissen zur Entgegennahme von Strafanzeigen und zur Durchführung von Ermittlungen ausgestattet wurde. Dazu gehören die elektronische Überwachung und verdeckte Ermittlungen, die ohne ausreichende juristische Kontrollen durchgeführt werden können.
Mehrfach trafen Berichte ein, die über Menschenrechtsverletzungen, darunter "Verschwindenlassen", exzessive Gewaltanwendung, Folter und andere Misshandlungen sowie willkürliche Inhaftierung durch die Polizeikräfte des Bundes, der Bundesstaaten und der Kommunen informierten. Die Zusage der Regierung, alle Foltervorwürfe zu untersuchen, wurde nicht eingehalten.
Mehr als 60000 Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus wurden festgenommen und abgeschoben. Die meisten von ihnen waren Zentralamerikaner, die versucht hatten, in die USA zu gelangen. Unter den Migranten mussten insbesondere Frauen und Kinder mit Misshandlungen wie Schlägen, Drohungen, Entführung, Vergewaltigung und Mord rechnen. Unter den Tätern waren zumeist Mitglieder krimineller Banden, jedoch auch einige Mitarbeiter öffentlicher Behörden. Die Maßnahmen zur Verhinderung und Bestrafung der Übergriffe waren unzureichend, und die Migranten hatten praktisch keinen Zugang zu Gerichten. Im Bemühen, den Schutz von Einwandererkindern in der Haft zu verbessern, erließ die Regierung regionale Richtlinien zur Behandlung von Kindern von Migranten und bildete einige Beamte aus.
Im Juli veröffentlichte die CNDH einen Bericht, der auf die extrem hohe Anzahl von Entführungen gegen Lösegeldzahlung und andere von kriminellen Banden gegen Migranten verübte Verstöße aufmerksam machte. Schätzungen zufolge sind während der zurückliegenden sechs Monate bis zu 10000 Migranten entführt und in vielen Fällen Migrantinnen sexuell missbraucht worden. Die offiziellen Bemühungen um eine Eindämmung der Übergriffe auf Migranten waren völlig unangemessen.
Im Oktober dokumentierte ein Bericht des Büros der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in Mexiko (Office of the UN High Commissioner for Human Rights in Mexico) Bedrohungen und Angriffe auf Privatpersonen und Menschenrechtsverteidiger, die sowohl durch Staatsbeamte als auch Privatpersonen verübt worden waren. Er hob auch den Mangel an effektiven Maßnahmen zur Untersuchung und Verhinderung von Angriffen hervor. Insbesondere gegen Menschenrechtsverteidiger, die sich für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte einsetzten, wurden konstruierte Strafanzeigen gestellt und unfaire Gerichtsverfahren durchgeführt.
Journalisten, insbesondere wenn sie über Themen arbeiteten, die die öffentliche Sicherheit und Korruption betrafen, waren weiterhin Drohungen, Angriffen und Entführung ausgesetzt. Berichten zufolge wurden mindestens zwölf Journalisten während des Jahres 2009 ermordet. Die Ermittlungen führten selten zur strafrechtlichen Verfolgung der für die Tötungen, Entführungen und Bedrohungen Verantwortlichen und trugen damit zu einem Klima der Straflosigkeit bei.
Indigene Völker und Angehörige sozialer Randgruppen erfuhren häufig eine unfaire Behandlung durch die Justiz. Die Land- und Wohnrechte dieser Gruppen wurden häufig übergangen oder in mehreren Fällen bestritten, um die lokalen Ressourcen ausbeuten zu können.
Gewalt gegen Frauen im Umfeld der Familie war in den meisten Bundesstaaten nach wie vor weit verbreitet. Zahlreiche Fälle von Mord an Frauen nach Entführung und Vergewaltigung wurden aus den Bundesstaaten Chihuahua und México gemeldet. Zwar ergriffen alle Bundesstaaten rechtliche Maßnahmen, um geschlechtsspezifischer Gewalt besser vorzubeugen und diesbezügliche Vergehen angemessen zu bestrafen, doch blieb die Umsetzung der neuen Gesetze äußerst begrenzt. Straflosigkeit für die Ermordung von Frauen und andere an Frauen verübte Gewaltverbrechen blieb die Regel.
Als offensichtliche Reaktion auf die im Jahr 2007 im Bundesdistrikt beschlossene Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs verabschiedeten 17 der insgesamt 31 Parlamente der mexikanischen Bundesstaaten Änderungen ihrer bundesstaatlichen Verfassungen, die nunmehr einen Rechtsanspruch auf Leben vom Augenblick der Befruchtung an garantieren. Eine beim Obersten Gerichtshof eingereichte Verfassungsklage war Ende 2009 noch anhängig.
Die Regierung veröffentlichte schließlich eine aktualisierte Direktive für medizinisches Fachpersonal über die Versorgung von Frauen, die Gewalt erleben mussten. Nach der Direktive sind Überlebende von Vergewaltigungen berechtigt, Information über und Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen zu erhalten. Einige Regierungen informierten die Medien darüber, dass die Direktive in ihren Bundesstaaten keine Anwendung finden werde.
Die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen aus früheren Jahren blieb fest verwurzelt. Wenig oder gar nichts wurde unternommen, um die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Vertreter von Amnesty International besuchten Mexiko im Februar und Juni.
Mexico: New reports of human rights violations committed by the military (Index: AMR 41/058/2009)
© Amnesty International
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Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)