Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte -

Amtliche Bezeichnung: Republik Belarus
Staatsoberhaupt: Alexander Lukaschenko
Regierungschef: Michail Mjasnikovich

Gewaltlose politische Gefangene waren weiterhin in Haft; in einigen Fällen wurde ihre Haftdauer wegen Verstößen gegen die Gefängnisordnung verlängert. Zivilgesellschaftlich engagierte Bürger, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten sahen sich mit Einschränkungen ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit konfrontiert. Zwei Männer wurden hingerichtet.

Hintergrund

Am 5. Juli 2012 beschloss der UN-Menschenrechtsrat, einen Sonderberichterstatter für Belarus einzusetzen. Bereits zuvor hatte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte einen Bericht vorgelegt, aus dem hervorging, dass sich die Menschenrechtslage in Belarus seit Dezember 2010 gravierend verschlechtert hatte.

Bei den Parlamentswahlen am 23. September 2012 errang die Opposition kein einziges Mandat. Die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellte Verstöße gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Vereinigungsfreiheit fest. Sie gelangte zu der Einschätzung, dass die Wahl weder frei noch unparteiisch war. Am 27. August hatte der Zentrale Wahlausschuss entschieden, dass Kandidaten, die zum Wahlboykott aufriefen, keine Sendezeit im Fernsehen und im Rundfunk erhalten dürften. Dies führte dazu, dass zwei Oppositionsparteien faktisch keinerlei Medienpräsenz hatten.

Gewaltlose politische Gefangene

Sechs Personen, die im Zusammenhang mit einer Demonstration in der Hauptstadt Minsk am 19. Dezember 2010 festgenommen worden waren, saßen Ende 2012 noch immer in Haft. Mindestens vier von ihnen - Mykalau Statkevich, Pavel Sevyarynets, Zmitser Dashkevich und Eduard Lobau - waren gewaltlose politische Gefangene.

  • Am 24. Januar 2012 wies das Stadtgericht Minsk die Rechtsmittel von Ales Bialiatski zurück, der am 24. November 2011 wegen "Verschleierung von Einkünften in erheblichem Umfang" zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Im September 2012 wurde die Entscheidung des Stadtgerichts vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Ales Bialiatski ist Vorsitzender des Menschenrechtszentrums Viasna und Vizepräsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte (Fédération internationale des ligues des droits de l'Homme - FIDH). Seine Verurteilung stand im Zusammenhang mit privaten Bankkonten in Litauen und Polen, die er nutzte, um die Arbeit des belarussischen Menschenrechtszentrums Viasna zu unterstützen.
  • Am 14. April 2012 wurde der Präsidentschaftskandidat der belarussischen Opposition, Andrei Sannikau, aus dem Gefängnis entlassen, nachdem Staatspräsident Lukaschenko ihn begnadigt hatte. Berichten zufolge hatte man Andrei Sannikau unter Druck gesetzt, ein Gnadengesuch zu stellen, und ihm mitgeteilt, sein Strafregister-Eintrag werde erst nach acht Jahren gelöscht. Er hatte 16 Monate seiner fünfjährigen Haftstrafe verbüßt. Am 15. April wurde auch Zmitser Bandarenka, ein Mitglied des Wahlkampfteams von Andrei Sannikau, aus der Haft entlassen.
  • Am 28. August 2012 wurde Zmitser Dashkevich zu einem weiteren Jahr Haft verurteilt, weil er gegen die Gefängnisordnung verstoßen haben soll. Das Verfahren fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Gefängniskolonie Glubokoe statt. Zmitser Dashkevich war wegen verschiedener geringfügiger Verstöße gegen die Gefängnisregeln wiederholt bestraft worden. Die Gefängnisverwaltung gab an, er sei in einigen Fällen in eine Strafzelle verlegt worden, um ihn vor tätlichen Angriffen seiner Mithäftlinge zu schützen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden des Landes griffen nach wie vor auf die Straftatbestände "Verleumdung des Staatspräsidenten" und "Beleidigung des Staatspräsidenten" zurück, um gegen Journalisten vorzugehen und deren legitime Kritik an den staatlichen Behörden zu unterbinden.

  • Am 21. Juni 2012 wurde der Journalist Andrzej Poczobut in seiner Wohnung in Grodno unter dem Vorwurf der "Verleumdung des Staatspräsidenten" festgenommen. Die Anklage stützte sich auf Artikel, die er in unabhängigen Presseorganen des Landes publiziert hatte. Andrzej Poczobut ist Korrespondent der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza und ein bekannter Vertreter der polnischen Minderheit in Belarus. Am 30. Juni wurde er gegen Kaution aus der Haft entlassen. Andrzej Poczobut war zuvor bereits wegen anderer Zeitungsartikel zu einer dreijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden, deren Frist noch nicht abgelaufen war. Sollte er erneut verurteilt werden und beide Strafen verbüßen müssen, drohen ihm mehr als sieben Jahre Gefängnis. Ende 2012 waren die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger waren Schikanen unterschiedlicher Art ausgesetzt, dazu zählten Reiseverbote und Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten wie "Fluchen in der Öffentlichkeit". Am 11. März 2012 wurde dem stellvertretenden Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums Viasna, Valiantsin Stefanovich, die Ausreise nach Litauen verweigert, weil er angeblich als Reservist der belarussischen Streitkräfte eine Wehrübung nicht angetreten hatte. Im März teilte man dem Menschenrechtsverteidiger Oleg Volchek mit, sein Name stehe auf der Liste derjenigen, die das Land nicht verlassen dürften.

  • Am 26. Juni 2012 wurde Andrei Bondarenko vom Staatsanwalt der Stadt Minsk offiziell gewarnt, er könne wegen "Verunglimpfung der Republik Belarus und ihrer Institutionen" strafrechtlich verfolgt werden. Andrei Bondarenko ist Vorsitzender der NGO Platforma, die sich mit den Haftbedingungen in belarussischen Gefängnissen befasst. Die Organisation hatte kurz zuvor zu einem Boykott der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 in Minsk aufgerufen. Am 19. Juli erfuhr Andrei Bondarenko, dass sein Name auf der Liste der Personen stehe, die nicht ausreisen dürfen, da gegen ihn wegen Steuerhinterziehung ermittelt werde. Als er sich beim Innenminister darüber beschwerte, wurden die Ermittlungen eingestellt und sein Name von der Liste gestrichen.
  • Am 26. November 2012 wurde das Büro der Menschenrechtsorganisation Viasna in Minsk von den Behörden geräumt und beschlagnahmt. Die Maßnahme stand in Zusammenhang mit einem Urteil gegen den Vorsitzenden der Organisation, Ales Bialiatski (siehe oben).

Im Jahr 2012 wurden mindestens 15 Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Oppositionelle wegen der Ordnungswidrigkeit "Fluchen in der Öffentlichkeit" verfolgt.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Das Gesetz über gesellschaftliche Vereinigungen legte für Organisationen weiterhin strikte Bestimmungen fest, was ihre Registrierung und ihre Tätigkeit betraf. Alle NGOs benötigten nach wie vor eine staatliche Genehmigung, um arbeiten zu können. Sich an Aktivitäten nicht registrierter Vereinigungen zu beteiligen, galt nach Paragraph 193 Abs. 1 des belarussischen Strafgesetzes weiter als Straftat.

  • Im Januar 2012 erfuhr die Organisation Human Rights Project Gay Belarus, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen einsetzt, dass ihr Antrag auf Registrierung abgelehnt worden war. Zur Begründung hieß es, die Namen von zwei der 61 Gründungsmitglieder hätten Schreibfehler enthalten und ihre Geburtsdaten seien nicht korrekt gewesen.
  • Am 9. Oktober 2012 ordnete das Wirtschaftsgericht Minsk die Schließung der NGO Platforma an. Die Steuerbehörden des Minsker Bezirks Sovetskiy warfen der Organisation vor, ihre Steuererklärung verspätet eingereicht und eine Adressänderung nicht mitgeteilt zu haben. Andrei Bondarenko, der Vorsitzende von Platforma, erklärte hingegen, er habe die Steuererklärung fristgerecht abgegeben und die offizielle Adresse der Organisation sei gleich geblieben.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Öffentliche Versammlungen waren auch 2012 durch das Gesetz über Massenveranstaltungen in unangemessener Weise eingeschränkt. Die Organisatoren mussten weiterhin ihre "Finanzierungsquellen" angeben und durften für ihre Veranstaltung erst werben, wenn die offizielle Genehmigung vorlag, das hieß mitunter erst fünf Tage vorher. In der Regel wurden Anträge auf öffentliche Zusammenkünfte aus technischen Gründen abgelehnt.

  • Die Stadtverwaltung von Brest verweigerte dem Mitglied der unabhängigen Gewerkschaft REP, Alexander Denisenko, die Genehmigung einer öffentlichen Protestveranstaltung gegen hohe Wohnkosten, die am 17. März stattfinden sollte. Zur Begründung hieß es, er habe mit der Polizei, den Rettungsdiensten und den lokalen Behörden keine Verträge zur Installation von Sanitäreinrichtungen und bezüglich der Aufräumarbeiten abgeschlossen. Alexander Denisenko legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel vor dem erstinstanzlichen Gericht, dem Berufungsgericht, dem Bezirksgericht und dem Obersten Gerichtshof ein, verlor aber in allen Instanzen.

Todesstrafe

In Belarus wurden nach wie vor Todesurteile vollstreckt. Dies geschah unter strikter Geheimhaltung. Weder die zum Tode Verurteilten noch ihre Angehörigen wurden von der bevorstehenden Hinrichtung in Kenntnis gesetzt. Der Leichnam wurde der Familie nicht übergeben, und diese erfuhr auch nicht, wo ihr Angehöriger bestattet worden war. Oft dauerte es Wochen oder gar Monate, bevor eine offizielle Todesnachricht eintraf.

  • Im März 2012 wurden Uladzslau Kavalyou und Dzmitry Kanavalau hingerichtet. Die Anklage gegen sie stand im Zusammenhang mit einer Reihe von Bombenanschlägen, darunter dem auf eine Minsker U-Bahn-Station am 11. April 2011. Es bestanden erhebliche Zweifel an der Fairness des Verfahrens gegen die beiden Männer. Wie im Fall von Vasily Yuzepchuk und Andrei Zhuk (beide wurden im März 2010 hingerichtet) sowie im Fall von Andrei Burdyko (er wurde im Juli 2011 hingerichtet) ignorierten die Behörden auch im Fall von Uladzslau Kavalyou und Dzmitry Kanavalau die Aufforderung des UN-Menschenrechtsausschusses, die Todesurteile gegen die beiden Männer nicht zu vollstrecken, solange der Ausschuss die Fälle prüfe.

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