Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Königreich Swasiland
Staatsoberhaupt: König Mswati III.
Regierungschef: Barnabas Sibusiso Dlamini
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Einwohner: 1,2 Mio.
Lebenserwartung: 47 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 111/92 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 86,5%

Menschenrechtsverteidiger und politisch engagierte Bürger wurden Opfer von willkürlichen Festnahmen, Misshandlungen und Schikanen. Vage formulierte Bestimmungen in den Antiterrorgesetzen wurden benutzt, um politische Gegner zu inhaftieren und unter Anklage zu stellen. Es gab Berichte über Folter und den ungerechtfertigten Einsatz von tödlicher Gewalt. Der Ministerpräsident schien die Anwendung von Folter öffentlich zu rechtfertigen. Diskriminierende Gesetze in Bezug auf Frauenrechte blieben in Kraft. Über 41% der Frauen, die pränatale Kliniken aufsuchten, waren HIV-positiv. In ländlichen Gebieten war der Zugang zu Therapien gegen AIDS durch Armut sowie einen Mangel an Medikamenten und Ärzten erschwert.

Hintergrund

Die Regierung klammerte 2010 nach wie vor Fragen der Regierungsführung von ihrem Dialog mit der Gewerkschaftsbewegung und der Zivilgesellschaft aus. Eine Delegation der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) besuchte im Oktober das Land, um Beschwerden über Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit nachzugehen.
Die Wirtschaft Swasilands befand sich im Berichtszeitraum weiterhin in einer Phase der Rezession. Die Einkünfte aus der Zollunion des südlichen Afrika sanken um 62%, während zugleich Arbeitslosigkeit und Armut anstiegen. Die durchschnittliche Lebenserwartung nahm aufgrund der Doppelepidemie von HIV und Tuberkulose weiter ab.

Unterdrückung abweichender Meinungen

Zivilgesellschaftlich engagierte Bürger und politisch aktive Personen berichteten von Misshandlungen, Hausdurchsuchungen sowie der Überwachung von Kommunikationskanälen und Zusammenkünften. Mehrere geplante Protestaktionen und Gewerkschaftsdemonstrationen wurden im Lauf des Jahres verhindert, jedoch konnte im November eine große, gewerkschaftlich angeführte Protestveranstaltung ohne Zwischenfälle stattfinden.

  • Im Juni und Juli 2010 führten bewaffnete Polizeieinheiten im Rahmen von Ermittlungen wegen mehrerer Anschläge mit Molotowcocktails Razzien in den Häusern zahlreicher prominenter Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschafter und politisch engagierter Personen durch. Manche dieser Durchsuchungen, vor allem solche in den Wohnungen politisch aktiver Menschen, fanden ohne richterliche Anordnung statt. Einige Betroffene wurden auf Polizeiwachen verbracht und nach ihren Aktivitäten befragt. Mindestens zwei von ihnen berichteten, mit Schlägen gefoltert und fast zum Ersticken gebracht worden zu sein.
  • Im Bestreben, geplante Protestmärsche zu verhindern, löste die Polizei am 6. September 2010 eine friedliche Zusammenkunft von Bürgern in der Stadt Manzini auf. Die Beamten nahmen widerrechtlich über 50 Personen fest, darunter auch Menschenrechtsverteidiger und Vertreter ausländischer Gewerkschaften. Überdies beschlagnahmte die Polizei Kameraausrüstungen, bedrohte und inhaftierte einen Journalisten und ging tätlich gegen einen zweiten vor. Nach ihrer Freilassung bzw. Ausweisung gaben einige Journalisten an, im Zuge ihrer Festnahme körperlich angegriffen worden zu sein. Die von den swasiländischen Gewerkschaften und der Kampagne für Demokratie in Swasiland (Swaziland Democracy Campaign) organisierten Protestmärsche setzten sich am 7. und 8. September unter massiver Präsenz von Polizei und Militär fort.

Am 8. September 2010 erklärte der Ministerpräsident auf einer Pressekonferenz, dass Folter als eine Form der Strafe gegen "sich einmischende Ausländer" und Oppositionelle zu betrachten sei. Aus seinem Büro kam später keine klare Zurücknahme seiner weithin bekanntgewordenen Äußerungen.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Die Behörden benutzten nach wie vor die weit gefassten Bestimmungen des Gesetzes zur Terrorbekämpfung (Suppression of Terrorism Act - STA), um politisch aktive Personen zu inhaftieren und unter Anklage zu stellen. Das STA wurde auch als Grundlage für Durchsuchungsbefehle und andere Maßnahmen zur Einschüchterung von Menschenrechtsverteidigern, Gewerkschaftern und Medienschaffenden herangezogen.

  • Im Juni 2010 wurden Zonke Dlamini und Bhekumusa Dlamini, zwei Mitglieder einer unter dem STA verbotenen Organisation, im Zuge polizeilicher Ermittlungen zur Aufklärung von Anschlägen mit Benzinbomben unabhängig voneinander festgenommen. Gegen die beiden Männer erging Anklage wegen Verstoßes gegen das STA. Nach einer Anhörung vor einem Gericht der ersten Instanz wurde ihr Antrag auf Freilassung gegen Kaution abgelehnt. Das Gericht wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass die beiden Männer nach ihrer Festnahme im Gewahrsam der Polizei fast zum Ersticken gebracht und anderen Misshandlungen ausgesetzt worden waren. Zonke Dlamini erklärte außerdem, dass ihm das Geständnis, das zur Festnahme von Bhekumusa Dlamini geführt hatte, unter Nötigung abgepresst worden sei. Der Prozess gegen die beiden Männer dauerte Ende des Berichtsjahrs noch an.

Tod in Haft

  • Einige Tage, nachdem er bei einer Demonstration zum 1. Mai 2010 festgenommen worden war, kam der politische Aktivist Sipho Jele im Untersuchungsgefängnis von Sidwashini ums Leben. Am 3. Mai war er vor einem Gericht der ersten Instanz wegen Verstoßes gegen das STA angeklagt worden, offenbar weil er einen Mitgliedsausweis einer unter dem STA verbotenen Organisation bei sich hatte und ein T-Shirt mit einem Aufdruck der Organisation trug. Sipho Jele wurde weder von einem Rechtsbeistand vertreten, noch gab es eine Mitschrift der Gerichtsverhandlungen. Später wurde bekannt, dass er das Gericht gebeten hatte, ihn nicht erneut in Polizeigewahrsam zu überstellen, da er fürchtete, gefoltert zu werden. Am 4. Mai fand man Sipho Jele in seiner Zelle erhängt auf. In einem ungewöhnlichen Schritt ordnete der Ministerpräsident eine Untersuchung seines Todes an. In einer öffentlichen Gerichtsverhandlung wurden mehrere Zeugen gehört. Bis Ende 2010 hatte die zuständige Rechtsmedizinerin dem Ministerpräsidenten noch keine Untersuchungsergebnisse übermittelt. Sipho Jele war 2005 schon einmal festgenommen und dem Vernehmen nach gefoltert worden. Anschließend hatte man ihn des Verrats angeklagt, jedoch kein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war nach wie vor durch die geltenden Mediengesetze und die weit gefassten Bestimmungen des STA eingeschränkt. Darüber hinaus wurden Journalisten und Herausgeber von Regierungsbeamten bedroht und dadurch in ihrer Arbeit behindert.

  • Im März 2010 begann unter der Anklage der "Missachtung des Gerichts" ein Prozess gegen Bheki Makhubu, Herausgeber der unabhängigen Zeitung The Nation. Die Anklage stützte sich auf zwei Artikel, in denen er sich besorgt über die Rechtsstaatlichkeit in Swasiland geäußert hatte. In der Sache selbst war bis Ende des Jahres noch nicht verhandelt worden.

Exzessive Gewaltanwendung

Nach wie vor trafen Berichte über den Einsatz tödlicher Gewalt durch Polizeikräfte und andere mit der Durchsetzung des Rechts betraute Personen ein. Vorliegende Indizien deuteten in den bekanntgewordenen Fällen darauf hin, dass die Opfer keine anderen Leben gefährdet hatten, als sie erschossen wurden. Im Januar äußerte sich Reverend David Matse, der damalige Vorsitzende der Kommission für Menschenrechte und öffentliche Verwaltung, besorgt darüber, dass Polizei und Militär anscheinend eine "Strategie des gezielten Todesschusses" verfolgten und damit gegen das Recht auf Leben verstießen.

  • Am 3. Januar 2010 wurde Sicelo Mamba erschossen, dem Vernehmen nach von Sicherheitsleuten, die ein Farm- und Wildtierreservat bewachten. Er wurde von drei Schüssen aus einer Schnellfeuerwaffe getroffen, davon zweimal in den Kopf. Die Sicherheitsleute und ihr Arbeitgeber, ein bekannter Farmer, schienen zu glauben, dass ihnen nach dem Wildgesetz von 1997 Immunität vor Strafverfolgung zusteht. Bis Ende des Berichtsjahrs waren noch keine offiziellen Ermittlungen eingeleitet worden.
  • Am 14. Februar 2010 wurde Sifiso Nhalabatsi Berichten zufolge von der Polizei angeschossen, als er sich bereits mit angelegten Handschellen in Gewahrsam befand. Man hatte ihn aus einer Zelle der Polizeiwache Mbabane geholt und in den Wald von Thembelihle gebracht, wo er verhört, dem Vernehmen nach tätlich angegriffen und angeschossen wurde. Er musste im Krankenhaus wegen Schussverletzungen im Schulterbereich behandelt werden. Die Polizei erklärte öffentlich, man habe ihn "ins Gesäß geschossen, als er versuchte, aus der Haft zu fliehen".

Rechte von Frauen

Die Fertigstellung von Gesetzentwürfen zur rechtlichen Gleichstellung von Frauen verzögerte sich weiterhin, obwohl Swasiland in seinem Bericht des Jahres 2010 über die Millenniums-Entwicklungsziele eingeräumt hatte, dass weitere Verzögerungen zur Verschärfung der Armut von Frauen führen würden. Im selben Bericht wurde bestätigt, dass die Fortdauer und das Ausmaß geschlechtsbedingter Gewalt ein "erhebliches Problem" darstellten. Im August verabschiedete die Regierung eine Vorlage zur staatlichen Gleichstellungspolitik.
Im Mai hob der Oberste Gerichtshof aus formalen Gründen eine Entscheidung der Vorinstanz auf, die einigen verheirateten Frauen das Recht auf Immobilienbesitz zugestanden hatte. Indes waren sich die Richter darin einig, dass die fragliche Klausel des Grundbuchgesetzes (Deeds Registry Act) von 1968, die den Frauen dieses Recht absprach, verfassungswidrig sei. Der Oberste Gerichtshof gab dem Parlament ein Jahr Zeit, um die Klausel abzuändern.
Im Oktober wurde eine Gesetzesvorlage über Sexualstraftaten und Gewalt in der Familie zu einer ausführlichen Debatte ins Parlament eingebracht, mehr als fünf Jahre, nachdem sie verfasst worden war. Das Gesetz war bis Ende 2010 noch nicht verabschiedet worden.

Armut, HIV und das Recht auf Gesundheit

Nach wie vor wies Swasiland unter Erwachsenen zwischen 15 und 49 Jahren eine der höchsten HIV-Raten der Welt auf. Frauen blieben weiterhin in unverhältnismäßig hohem Maße von der Epidemie betroffen, die Mehrzahl der Neuinfektionen entfiel nach wie vor auf Frauen. Im November gab der Gesundheitsminister bekannt, dass es bei schwangeren Frauen, die pränatale Kliniken aufgesucht hatten, einen leichten Rückgang der HIV-Infektionen auf 41,1% gegeben habe. Regierungsvertreter erklärten im Oktober gegenüber den UN, dass Frauen 90% der gesamten Fürsorge für Menschen mit AIDS-bedingten Erkrankungen leisteten.
Etwas über 50% der Menschen, die einer antiretroviralen Therapie bedurften, erhielten 2010 eine Behandlung. Zugang zu und Einhaltung der Therapie waren nach wie vor durch einen Mangel an medizinischem Personal und Medikamenten behindert. Eine sozioökonomische Barriere stellten dabei öffentliche Verkehrsmittel dar, die für Patienten in ländlichen Gegenden unbezahlbar waren. Verbesserte Behandlungsergebnisse lieferte indes Berichten zufolge ein Projekt zur Kapazitätserweiterung von Kliniken in Shishelweni, der ärmsten Region des Landes. Das Projekt wird von der Organisation Ärzte ohne Grenzen und dem Gesundheitsministerium gemeinsam betrieben.

Recht auf Bildung

Im März 2010 entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Recht auf kostenlose Grundschulbildung kein Grundrecht sei. Trotz einer Entscheidung der Vorinstanz, die eine solche Verpflichtung als Teil der Verfassung bekräftigt hatte, erklärte der Oberste Gerichtshof, dass das Problem eine Frage der Verfügbarkeit von Ressourcen sei, "nicht des pedantischen Bestehens auf der genau zutreffenden Auslegung von Absatz 29(6) der Verfassung von Swasiland". Der Einspruch war vom Staatlichen Verband ehemaliger Bergarbeiter Swasilands erhoben worden, nachdem ihr Antrag, den Gerichtsentscheid aus dem Jahr 2009 umzusetzen, im Januar 2010 abgelehnt worden war.

Todesstrafe

Obwohl die Verfassung von 2006 die Anwendung der Todesstrafe erlaubt, haben seit 1983 keine Hinrichtungen mehr stattgefunden. Im Jahr 2010 wurden auch keine neuen Todesurteile verhängt. Zwei Personen blieben allerdings vom Vollzug der Todesstrafe bedroht. Als Reaktion auf mehrere Gewaltverbrechen wurde in der Öffentlichkeit der Ruf nach Wiederaufnahme von Hinrichtungen laut.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International besuchten Swasiland im März und im August.

Swaziland: Amnesty International urges the government to ensure an effective and impartial inquiry into the death in custody of Sipho Jele (AFR 55/001/2010)

Swaziland: Activists at risk in Swazi police crackdown (AFR 55/002/2010)

Swaziland: Security forces commit human rights violations against human rights defenders and demonstrators (AFR 55/004/2010)

Swaziland: Too late, too little: The failure of law reform for women in Swaziland (AFR 55/007/2010)

Swaziland: Arrests of human rights activists in Swaziland condemned, 6 September 2010

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