Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Philippines

Amtliche Bezeichnung: Republik der Philippinen
Staats- und Regierungschef:
 Benigno S. Aquino III.

Das Leben von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten war in Gefahr. Tausende Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen blieben unaufgeklärt. Den Opfern von Menschenrechtsverletzungen, auch derjenigen, die unter dem Kriegsrecht 1972-81 begangen worden waren, wurden weiterhin Gerechtigkeit, Wahrheit und Entschädigungen versagt. Im April 2012 unterzeichneten die Philippinen das Zusatzprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter, doch das Land richtete den erforderlichen Mechanismus zur Überwachung der Behandlung von Gefangenen bis zum Jahresende nicht ein. Der Zugang zur reproduktiven Gesundheitsversorgung war nach wie vor eingeschränkt; im Dezember trat ein Gesetz zur reproduktiven Gesundheit in Kraft.

Hintergrund

Im Oktober 2012 unterzeichneten die Regierung und die Islamische Befreiungsfront der Moro (Moro Islamic Liberation Front - MILF) ein Rahmenabkommen, das zwar die Grundlage für eine friedliche Lösung des seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konflikts in Mindanao schuf, aber nicht umfassend auf die Menschenrechte einging. Im Oktober erließ der Kongress das Gesetz zur Verhinderung von Computerkriminalität (Cybercrime Prevention Act), auf dessen Grundlage eine Person, die Meinungen im Internet veröffentlicht, die als verleumderisch beurteilt werden, bis zu zwölf Jahre inhaftiert werden kann.

Nachdem dies in der Öffentlichkeit auf heftige Kritik gestoßen war, setzte das Oberste Gericht das Inkrafttreten des Gesetzes bis zum Abschluss einer gerichtlichen Überprüfung aus. Im November nahmen die Philippinen die Menschenrechtserklärung der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN an, obwohl ernste Vorbehalte bestanden, da sie weit hinter internationalen Menschenrechtsstandards zurückbleibt.

Rechtswidrige Tötungen

Mehr als zwölf politisch engagierte Bürger, die sich gegen Bergbauprojekte wehrten, und einige ihrer Familienangehörigen sowie mindestens sechs Journalisten wurden getötet.

  • Männer auf Motorrädern erschossen mehrere Rundfunkjournalisten aus Mindanao: im Januar 2012 Christopher Guarin, im April Rommel Palma und Aldion Layao sowie im Mai Nestor Libaton. Auf die gleiche Weise kam im November der Rundfunkjournalist Julius Causo aus Cabanatuan ums Leben. Im September wurde in Maguindanao der Leichnam des Journalisten und Politikers Eddie Apostol aufgefunden. Er wies Schussverletzungen am Kopf auf.
  • Im September 2012 schossen Unbekannte auf den Sprecher der indigenen Volksgruppe der Subanen, Timuay Lucenio Manda, als er seinen elfjährigen Sohn Jordan zur Schule brachte. Timuay Manda, der gegen Bergbauaktivitäten Widerstand leistet, wurde bei dem Überfall verwundet, sein Sohn Jordan getötet. Es kam zur Festnahme von zwei Tatverdächtigen.
  • Im Oktober nahmen Soldaten in Davao del Sur das Haus des lokalen Sprechers der Volksgruppe der B'laan, Daguil Capion, unter Beschuss. Er hatte gegen ein Bergbauvorhaben protestiert. Bei dem Angriff wurden seine schwangere Frau Juvy sowie ihre Kinder, der 13-jährige Sohn Jordan und der achtjährige Sohn John, getötet. Die Behörden kündigten an, dass 13 Soldaten als Tatverdächtige vor ein Kriegsgericht gestellt würden. Ungeklärt blieb, ob die strafrechtlichen Ermittlungen von einem Gericht der zivilen Justiz geführt werden sollten.

Drei Jahre nach dem Massaker von Maguindanao, bei dem von staatlichen Stellen bewaffnete und von Armeeangehörigen geführte Milizen 57 Menschen getötet hatten, hatte die Polizei erst die Hälfte der 197 Tatverdächtigen festgenommen. Während der fortlaufenden Gerichtsverfahren gegen die mutmaßlichen Täter wurden als Kronzeugen vorgesehene Personen sowie andere Zeugen und deren Familienangehörige bedroht.

  • Im Februar 2012 wurde Alijol Ampatuan getötet. Er war ein nicht öffentlich aufgetretener Zeuge, der sich bereit erklärt hatte, Mitglieder der Zivilen Freiwilligen-Organisation (Civilian Volunteer Organisation), die sich an dem Massaker beteiligt hatten, zu identifizieren.
  • Gleichfalls im Februar beging der als Kronzeuge geltende Polizist Hernanie Decipulo Berichten zufolge im Polizeigewahrsam Selbstmord.
  • Im Mai 2012 wurde der mit einer Säge zerstückelte Leichnam von Esmail Amil Enog aufgefunden. Er hatte als Zeuge vor Gericht ausgesagt.
  • Im Juni 2012 gab die Polizei bekannt, dass drei Angehörige von Zeugen im Maguindanao-Verfahren seit dem Massaker getötet worden seien.
    Im Oktober forderte der UN-Menschenrechtsausschuss die Regierung auf, die Effektivität ihres Zeugenschutzprogramms zu verbessern und "Fälle von Tötungen und mutmaßlicher Einschüchterung von Zeugen vollständig zu untersuchen, um das Klima der Angst zu beenden, das die Ermittlung und Strafverfolgung erheblich belastet".

Folter und andere Misshandlungen

Drei Jahre nach dem Erlass des Antifoltergesetzes war seine Umsetzung noch immer nicht zufriedenstellend. Bisher wurde noch kein Täter wegen eines Folterdelikts verurteilt. Opfer von Folter, insbesondere Personen, die unter dem Verdacht standen, Straftaten begangen zu haben, nahmen aus Furcht vor Repressalien und lang andauernder strafrechtlicher Verfolgung davon Abstand, Beschwerde einzureichen.

  • Das Gerichtsverfahren im Fall von Darius Evangelista wurde fortgeführt. In seinem Fall waren der Tatbestand der Folter und die Identität der Täter im Jahr 2010 auf Video dokumentiert worden. Sieben Polizeibeamte wurden beschuldigt, aber nur zwei von ihnen angeklagt. Die Tatverdächtigen befanden sich anfänglich in Polizeigewahrsam, doch laut Angaben der Philippinischen Menschenrechtskommission verschwanden sie im April 2012 aus dem Polizeiarrest und sind seither flüchtig.

Verschwindenlassen

Es gab weiterhin Berichte über das Verschwindenlassen von politisch und sozial engagierten Bürgern, mutmaßlichen Aufständischen und Personen, die verdächtigt wurden, Straftaten verübt zu haben.

  • Im Januar 2012 wurden die Landwirte Najir Ahung, Rasbi Kasaran und Yusoph Mohammad, die mit dem Flugzeug aus Zamboanga City kamen, bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen in Manila dem Vernehmen nach von Sicherheitskräften festgenommen. Sie wurden seither nicht mehr gesehen. Die Behörden lehnten es ab, den Anwälten, die die vermissten Männer vertreten, die Bänder der Videoüberwachung oder eine Liste der Sicherheitskräfte, die während des Verschwindens der Männer auf dem Flughafen Dienst taten, auszuhändigen.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten Lobbyarbeit der Zivilgesellschaft gab der Kongress im Oktober seine Zustimmung zum Gesetz gegen das Verschwindenlassen (Anti-Enforced or Involuntary Disappearence Act of 2012). Das Gesetz, das Verschwindenlassen zur Straftat erklärt und dafür ein Strafmaß bis zu lebenslanger Haft vorsieht, wurde vom Präsidenten am 21. Dezember unterzeichnet.

Straflosigkeit

Folter, Verschwindenlassen und rechtswidrige Tötungen blieben trotz der von der Regierung abgegebenen Verpflichtung, diese Verbrechen zu verfolgen und die Täter vor Gericht zu stellen, weiterhin straflos. Gerichtsverfahren, die Menschenrechtsverletzungen zum Gegenstand hatten, die während des Kriegsrechts (1972-81) begangen worden waren, wurden entweder eingestellt oder ungebührlich in die Länge gezogen. Im November ordnete der Präsident die Schaffung eines interinstitutionellen Ausschusses an, der Fälle von Folter, Verschwindenlassen und rechtswidrigen Tötungen untersuchen soll, die in der jüngeren Vergangenheit verübt wurden.

  • Im Januar 2012 wurde Raymond Manalo, der Folter und Verschwindenlassen überlebt hat, aufgefordert, im Büro des Ombudsmanns als Zeuge auszusagen. Die Aufforderung erfolgte mehr als drei Jahre nach seiner Anzeige gegen seine Peiniger wegen Entführung, willkürlicher Gefangennahme und Folter. Er war zusammen mit mehreren anderen Personen im Jahr 2006 Opfer von Verschwindenlassen und Folter geworden. Nach vorliegenden Informationen wurden die Straftaten von Soldaten verübt, die unter dem Kommando von General Jovito Palparan standen, der sich seit dem Jahr 2011 seiner Festnahme entzieht.

Recht auf Gesundheit

Im Juni 2012 gab die Regierung die Ergebnisse ihrer im Jahr 2011 durchgeführten Untersuchung über die Gesundheit in den Familien bekannt. Danach war die Müttersterblichkeit im Zeitraum von 2006 bis 2010 von 162 auf 221 pro 100000 Lebendgeburten gestiegen. Auf der Grundlage dieser Daten schätzte der Gesundheitsminister, dass jeden Tag elf Frauen infolge leicht vermeidbarer Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt gestorben waren.

Im Dezember wurde nach zehnjähriger Lobbyarbeit durch zivilgesellschaftliche Organisationen das Gesetz zur reproduktiven Gesundheit (Reproductive Health Bill) verabschiedet. Das Gesetz führt die proaktive Finanzierung moderner Methoden der Empfängnisverhütung durch die Regierung sowie obligatorische Gesundheits- und Sexualerziehung ein.

Amnesty International: Mission und Berichte

Eine Delegation von Amnesty International besuchte die Philippinen im September.



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