Dokument #1095174
AI – Amnesty International (Autor)
Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde 2009 noch weiter eingeschränkt. Die Gesetze zum Verbot von Folter und anderen Misshandlungen und ihre Anwendung entsprachen nicht den internationalen Standards; so wurden z. B. Foltervorwürfe nicht untersucht. Unabhängige Journalisten und zivilgesellschaftliche Aktivisten waren weiterhin Schikanen ausgesetzt. Einige wurden des Rowdytums und der Verleumdung angeklagt und inhaftiert. Die Behörden unterließen es, umfassende Ermittlungen zum Tod eines Menschenrechtsverteidigers, der in Haft gestorben war, einzuleiten. Der Menschenrechtler war in einem unfairen Gerichtsverfahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. In Haft hatte man ihm die notwendige medizinische Versorgung verweigert.
Im Konflikt um das umstrittene Gebiet Nagorny-Karabach konnten in Gesprächen zwischen Aserbaidschan und Armenien Fortschritte erzielt werden. Nagorny-Karabach ist eine überwiegend von Armeniern besiedelte Enklave in Aserbaidschan, die nach dem armenisch-aserbaidschanischen Krieg 1990 ihre Unabhängigkeit erklärte. Nach einem Treffen in Moskau am 2. November unterschrieben Armenien und Aserbaidschan eine Vereinbarung, in der sie erklärten, den Konflikt um Nagorny-Karabach auf Grundlage des Völkerrechts beizulegen. Etwa 600000 Menschen, die aufgrund des Konflikts zu Binnenflüchtlingen geworden waren, wurden die wirtschaftlichen und sozialen Rechte nur eingeschränkt gewährt.
Im November äußerte sich der UN-Ausschuss gegen Folter besorgt darüber, dass die aserbaidschanische Regierung das Übereinkommen gegen Folter weder auf Gesetzes- noch auf Anwendungsebene umgesetzt hat und für Folter Verantwortliche nicht strafrechtlich verfolgt wurden. Der Ausschuss reagierte außerdem beunruhigt auf die Auslieferung von Tschetschenen an Russland und von Kurden an die Türkei, da beiden Gruppen in dem jeweiligen Land Folter drohte.
Straßenproteste wurden verhindert und jugendliche oppositionelle Aktivisten, die in Baku demonstrieren wollten, wurden Berichten zufolge von der Polizei festgenommen.
Im März 2009 verabschiedete das Parlament mehrere Gesetzesänderungen, welche die Arbeit der Massenmedien weiter einschränkten. Die Novellierungen erlaubten die Schließung von Medieneinrichtungen in Fällen des "Missbrauchs der Redefreiheit und der Rechte eines Journalisten". Der Tatbestand wurde nur vage formuliert und bezog sich auf die Verbreitung von Informationen, welche die "Integrität des Staates" oder die öffentliche Ordnung gefährdeten.
Das Verfassungsreferendum im März führte zu weiteren repressiven Maßnahmen in der Verfassung und Gesetzgebung. So wurden Film-, Foto- und Audioaufnahmen von Personen ohne deren vorherige Zustimmung verboten. Da dieses Verbot sich auch auf die Öffentlichkeit bezog, war die Berichterstattung über Veranstaltungen öffentlichen Interesses praktisch nicht möglich. Anhänger der Opposition und oppositionelle Gruppierungen, die versuchten, gegen das Referendum zu protestieren, waren Berichten zufolge Einschüchterungen und Drangsalierungen der Polizei ausgesetzt.
Unabhängige Journalisten und zivilgesellschaftliche Aktivisten wurden häufig wegen Straftaten wie Verleumdung und Rowdytum angeklagt und inhaftiert. Der UN-Menschenrechtsrat forderte die aserbaidschanische Regierung auf, den Tatbestand der Verleumdung zu entkriminalisieren und das Verbot ausländischer Rundfunksender aufzuheben. Der Rat zog damit Konsequenzen aus der universellen regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtslage im Juni. Im August drängte der UN-Menschenrechtsausschuss darauf, dass die Regierung den direkten und indirekten Einschränkungen der Meinungsfreiheit ein Ende setzen soll.
In der autonomen Republik Naxçivan, einer Exklave in Aserbaidschan nahe der Grenze zu Iran und Armenien, wurden Journalisten auch weiterhin bei ihrer Arbeit von den Behörden schikaniert und behindert.
Menschenrechtsverteidiger sahen sich auch 2009 Druck ausgesetzt. Im September traten neue Bestimmungen für NGOs in Kraft, die vorsahen dass NGOs zukünftig einen nicht näher definierten finanziellen Rechenschaftsbericht vorlegen müssen. Darüber hinaus wird darin von ausländischen NGOs eine Genehmigung des Justizministeriums verlangt, um in Aserbaidschan arbeiten zu können.
Im Falle eines schwerkranken Menschenrechtsverteidigers, der in Haft starb, weil er offenbar nicht die notwendige medizinische Versorgung erhalten hatte, versäumten die Behörden, eine sofortige, umfassende und unparteiische Untersuchung einzuleiten.
Azerbaijan: Independent journalists under siege (EUR 55/004/2009)
© Amnesty International
© Amnesty International
Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)