Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Volksrepublik China
Staatsoberhaupt: Hu Jintao
Regierungschef: Wen Jiabao
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 1,4 Mrd.
Lebenserwartung: 73,5 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 25/35 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 93,7% (ohne Hongkong)

Die chinesische Regierung reagierte auf eine zunehmend wachsende Zivilgesellschaft mit der Inhaftierung und Strafverfolgung von Menschen, die in friedlicher Weise ihre Meinung zum Ausdruck brachten, vom Staat nicht zugelassenen Religionsgemeinschaften angehörten, für demokratische Reformen und Menschenrechte eintraten oder die Rechte ihrer Mitbürger verteidigen wollten. Die Internetseiten beliebter sozialer Medien waren nach wie vor aufgrund der staatlichen Zensurmaßnahmen nicht zugänglich. Tibeter, Uiguren, Mongolen und andere ethnische Minderheiten des Landes waren weiterhin Repressionen vonseiten der Behörden ausgesetzt. Auf internationaler Bühne trat China selbstbewusster und aggressiver auf, indem es Länder bestrafte, deren führende Politiker die Menschenrechtslage Chinas öffentlich zur Sprache brachten.

Hintergrund

Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften konnte China 2010 sein relativ hohes Wirtschaftswachstum trotz der anhaltenden weltweiten Rezession aufrechterhalten. Die Unzufriedenheit und die Proteste im Lande nahmen jedoch an Heftigkeit zu. Sie waren auf eine wachsende wirtschaftliche und soziale Kluft, eine weit verbreitete Korruption im Justizwesen, Polizeiübergriffe und die Unterdrückung der Religionsfreiheit und anderer Menschenrechte zurückzuführen. Auch in den von Tibetern und Uiguren bewohnten Landesteilen hielten die Unruhen und Repressionsmaßnahmen an. Trotz eines Anstiegs des Durchschnittseinkommen hatten Millionen von Menschen keinen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung. Wanderarbeiter wurden nach wie vor als Bürger zweiter Klasse behandelt, und viele Familien konnten das Geld für die Schulgebühren ihrer Kinder nicht aufbringen.
Die Behörden bekundeten erneut ihre Absicht, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Nichtsdestotrotz konnten jene, die als politische Bedrohung des Regimes beziehungsweise der Interessen örtlicher Behördenvertreter angesehen wurden, weiterhin nicht damit rechnen, ihre Rechte geltend machen zu können. Die politische Einflussnahme auf die Justiz und die Korruption in deren Reihen waren nach wie vor allseits zu beobachten.
Die wachsende internationale wirtschaftliche und politische Bedeutung Chinas spiegelte sich darin wider, dass die Regierung des Landes immer häufiger Staaten, die Kritik an der Menschenrechtslage in China übten, wirtschaftliche und politische Vergeltungsmaßnahmen androhte. Viele Länder zeigten sich daher wenig geneigt, mangelnde Fortschritte Chinas im Bereich der Menschenrechte öffentlich anzusprechen. Bilaterale Kanäle, wie etwa ein Menschenrechtsdialog, erwiesen sich zudem als weitgehend wirkungslos. Die Behörden reagierten verärgert auf die Nachricht von der Verleihung des Friedensnobelpreises an den langjährigen chinesischen politischen Aktivisten Liu Xiaobo und verschoben bilaterale Handelsgespräche mit Norwegen auf unbestimmte Zeit. Ausländische Diplomaten berichteten, von chinesischer Seite unter Druck gesetzt worden zu sein, an der Verleihungszeremonie am 10. Dezember 2010 in Oslo nicht teilzunehmen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden hinderten Personen daran, politisch brisante Themen öffentlich anzusprechen oder darüber zu berichten, indem sie Anschuldigungen der Preisgabe von "Staatsgeheimnissen", des Separatismus (Nationalismus ethnischer Minderheiten), der Verleumdung oder des Straftatbestands "Subversion" gegen sie erhoben. Vage formulierte Bestimmungen dienten dazu, die Veröffentlichung politisch brisanten Materials zu kontrollieren oder zu unterbinden. Dazu gehörten Verweise auf die Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989 und Themen wie Menschenrechte, Demokratie, Falun Gong sowie die Anliegen von Tibetern und Uiguren. Die staatliche Zensur stützte sich in großem Maße auf "Zurückhaltung im Vorfeld", eine Form der Selbstzensur, und die Internet-Firewall, mit der unliebsame Inhalte von den Behörden gesperrt oder gefiltert wurden.
Die Änderung des Gesetzes über Staatsgeheimnisse, die im Oktober 2010 in Kraft trat, sieht eine neue Bestimmung vor, wonach Internet- und andere Telekommunikationsunternehmen gemäß Artikel 28 zur Zusammenarbeit bei Ermittlungen in Fällen der Offenlegung von Staatsgeheimnissen verpflichtet sind. Andernfalls droht diesen Firmen ein Strafverfahren. Die Behörden übten wie bisher eine strenge Kontrolle über die Nachrichtenberichterstattung im Internet aus und erteilten entsprechende Lizenzen lediglich an große Internetseiten, die staatliche Unterstützung genossen. Viele Portale von sozialen Medien blieben gesperrt, darunter Facebook, Twitter, YouTube und Flickr.

  • Am 5. Juli 2010 wurde Liu Xianbin, ein Mitglied der verbotenen Chinesischen Demokratischen Partei, in dem Ort Suining der Provinz Sichuan wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" festgenommen. Die Anklage bezog sich auf seine Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern und Artikel, die er auf ausländischen Internetseiten veröffentlicht hatte.
  • Der Uigure Gheyret Niyaz wurde im Juli 2010 wegen der "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Als Belastungsmaterial wurden u.a. von ihm verfasste Essays über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage von Uiguren in China angeführt. Berichten zufolge hing seine Verurteilung mit Aussagen gegenüber ausländischen Medien zusammen, in denen er die Politik der Regierung der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang (Sinkiang) kritisiert hatte.

Religionsfreiheit

Der Staat wies 2010 alle Religionsgruppen an, sich behördlich registrieren zu lassen, und wachte über die Ernennung von religiösen Funktionsträgern. Die Anhänger nicht registrierter oder verbotener Religionsgemeinschaften mussten mit Drangsalierungen, Strafverfolgung, Gewahrsam und Gefängnisstrafen rechnen, wobei einige der Gemeinschaften von den Behörden als "ketzerische Sekten" eingestuft wurden. Von den als illegal eingestuften Religionsgemeinschaften errichtete Kirchen oder Tempel konnten jederzeit abgerissen werden. Über 40 katholische Bischöfe, die den staatlich nicht zugelassenen "Hauskirchen" angehören, waren weiterhin in Haft, standen unter Hausarrest, hielten sich versteckt oder waren verschollen.

  • Im Dezember 2010 protestierten über 100 Studierende eines katholischen Priesterseminars in der Provinz Hebei gegen die Ernennung eines nicht katholischen Beamten zum Schulleiter. Es war die erste Protestkundgebung dieser Art seit dem Jahr 2000.
  • Die gegen Alimjan Yimit verhängte 15-jährige Freiheitsstrafe wurde im März 2010 vom Oberen Volksgericht der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang bestätigt. Alimjan Yimit war wegen der "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" in Haft genommen worden, nachdem er im April und Mai 2007 in der Stadt Urumqi zweimal mit einem Christen aus den USA gesprochen hatte.

Falun Gong

Die Behörden setzten 2010 ihre Kampagne zur "Umformung" von Falun-Gong-Anhängern fort, die vorsah, dass in Haftanstalten und Untersuchungsgefängnissen inhaftierte Anhänger dieser Religionsgemeinschaft gezwungen werden, ihrem Glauben abzuschwören. Diejenigen unter ihnen, die sich weigerten, eine entsprechende Erklärung zu unterzeichnen und daher als "widerspenstig" galten, wurden nach gängiger Praxis so lange gefoltert, bis sie einwilligten. Viele von ihnen starben in der Haft oder kurz nach ihrer Haftentlassung.
Falun-Gong-Anhänger waren vor großen nationalen Ereignissen erneut im Visier groß angelegter Razzien. So wurden nach Angaben von Falun Gong vor Beginn der Weltausstellung in Shanghai 124 ihrer Anhänger inhaftiert und Dutzende von ihnen in Lager der Umerziehung durch Arbeit gesteckt oder zu Gefängnisstrafen verurteilt. Menschenrechtsanwälte waren besonders gefährdet, von den Behörden bestraft zu werden, wenn sie die Verteidigung von Falun-Gong-Anhängern übernahmen. Zu den Sanktionen gegen sie gehörten der Entzug ihres Anwaltspatents, Drangsalierungen und die Einleitung von Strafverfahren.

  • Guo Xiaojun, ein früherer Universitätsdozent, wurde im Januar 2010 als Falun-Gong-Anhänger in Shanghai festgenommen und später der "Untergrabung der Rechtsordnung mit Hilfe einer ketzerischen Organisation" angeklagt. Man verurteilte ihn anschließend zu vier Jahren Freiheitsentzug, weil er Falun-Gong-Material verteilt haben soll. Guo Xiaojun wurde im Gefängnis gefoltert und in Einzelhaft gehalten, so dass er schließlich ein Geständnis unterschrieb, das später in einem Berufungsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Bestätigung seines Schuldspruchs diente. Er hatte zuvor bereits wegen seines Glaubens fünf Jahre im Gefängnis verbracht.
  • Das städtische Justizamt von Peking entzog den beiden Anwälten Tang Jitian und Liu Wei im April ihr Patent mit der Begründung, sie hätten "die Gerichtsordnung gestört und sich in das ordentliche Gerichtsverfahren eingemischt". Die Rechtsanwälte hatten im April 2009 einen Falun-Gong-Anhänger in der Provinz Sichuan vertreten.

Menschenrechtsverteidiger

Zivilgesellschaftliche Strukturen breiteten sich weiter aus, und immer mehr nichtstaatliche Organisationen wurden im ganzen Land tätig. Die Behörden erließen indes weitere Restriktionen gegen solche Organisationen und gegen Menschenrechtsverteidiger. Auf Druck der Behörden kappte die Universität Peking im Mai 2010 ihre Verbindungen mit vier zivilgesellschaftlichen Gruppen, darunter mit dem Zentrum für Frauenrechte und Rechtsberatung.

  • Der prominente Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng war seit Februar 2009 "verschwunden", nachdem ihn Vertreter des Amts für öffentliche Sicherheit in Gewahrsam genommen hatten. Er tauchte im April kurz auf, ist aber seitdem erneut verschollen.
  • Der am 9. September aus dem Gefängnis entlassene Chen Guangcheng und seine Ehefrau standen Ende 2010 weiterhin unter Hausarrest. Selbst für einen Arztbesuch durften sie ihre Wohnung nicht verlassen.
  • Tian Xi, der 1996 im Alter von neun Jahren infolge einer Bluttransfusion mit HIV sowie Hepatitis B und C infiziert worden war, musste sich am 21. September 2010 wegen "vorsätzlicher Sachbeschädigung" vor Gericht verantworten. Er hatte sich jahrelang darum bemüht, vom Krankenhaus eine Entschädigung für sich und andere Infizierte zu erhalten. Bei einem Treffen am 2. August im Krankenhaus verlor er die Beherrschung und schmiss einige Gegenstände vom Schreibtisch herunter. Eine Gesetzeslücke ermöglichte es, seinen Prozess zu vertagen und ihn so ohne zeitliche Begrenzung in Gewahrsam zu halten.

Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren

Die Anwendung rechtswidriger Formen der Inhaftierung breitete sich aus, darunter Hausarrest ohne Rechtsgrundlage über lange Zeiträume hinweg sowie die Inhaftierung in "inoffiziellen Hafteinrichtungen", Zentren zur "Gehirnwäsche", psychiatrischen Kliniken und nicht als solche gekennzeichneten "Hotels". Bezüglich einer Reform bzw. Abschaffung des Systems der Administrativhaft ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren, wie z.B. der Umerziehung durch Arbeit, waren keine Fortschritte zu erkennen. Hunderttausende von Menschen waren nach wie vor in entsprechenden Einrichtungen inhaftiert.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen in Hafteinrichtungen waren weiterhin eine allseits gängige Praxis. Bei Amnesty International gingen Berichte über Todesfälle in der Haft in einer ganzen Reihe staatlicher Einrichtungen einschließlich Gefängnissen und Untersuchungsgefängnissen der Polizei ein, von denen einige auf Folter zurückzuführen waren. Im Juli 2010 traten neue Bestimmungen in Kraft, um das Verbot der Verwendung illegaler mündlicher Geständnisse in Strafverfahren wie etwa von erzwungenen "Geständnissen" zu stärken. Gleichwohl enthält die Strafprozessordnung des Landes bislang immer noch kein explizites Verbot der Verwendung von "Geständnissen" als Beweismittel vor Gericht, die durch Folter oder Misshandlungen zustande gekommen sind.

Todesstrafe

Die Statistiken über Todesurteile und Hinrichtungen waren 2010 weiterhin unter Verschluss. Öffentlich zugängliche Informationen weisen jedoch darauf hin, dass die Todesstrafe weiterhin in großem Umfang angewandt wurde und man Tausende nach unfairen Prozessen hingerichtet hatte. Eine Reihe von Fällen, in denen Unschuldige zum Tode verurteilt oder exekutiert wurden, war Gegenstand heftiger öffentlicher Debatten. Dadurch erhöhte sich der Druck auf die Regierung, sich dieses Missstandes anzunehmen.

Autonome Uigurische Region Xinjiang

Die Behörden versäumten es, eine unabhängige Untersuchung der Ausschreitungen vom Juli 2009 in der Stadt Urumqi sowie möglicher Fälle des Missbrauchs staatlicher Gewalt durchzuführen. Es wurden weitere Personen, die an den gewaltsamen Zusammenstößen beteiligt waren, in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Im März 2010 gab der Gouverneur der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang, Nur Bekri, bekannt, dass 97 Strafsachen, in denen sich 198 Personen vor Gericht verantworten mussten, abgeschlossen seien. Allerdings wurden lediglich die Urteile in 26 Verfahren, die 76 Personen betrafen, bekannt gemacht. Die Behörden rieten Menschenrechtsanwälten erneut dringend davon ab, sich dieser Fälle anzunehmen, und im Januar gab das Obere Gericht der Autonomen Region Xinjiang "Stellungnahmen zur Anleitung" an die Gerichte heraus, in denen aufgeführt war, wie derartige Gerichtsverfahren abzulaufen haben.
Die Sicherheitsvorkehrungen in Xinjiang wurden verschärft, u.a. durch eine am 1. Februar in Kraft getretene Neufassung der Umfassenden Regelung der gesellschaftlichen Ordnung. Dies bestärkte die Behörden darin, gegen Straftäter in der Region "hart durchzugreifen", insbesondere bei einer "Gefährdung der nationalen Sicherheit". Wie die Behörden bekannt gaben, wurden im Jahr 2010 insgesamt 376 solcher Fälle vor Gericht verhandelt, im Vergleich zu 268 Fällen im Jahr 2008.

Recht auf freie Meinungsäußerung

In der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung per Gesetz stark beschnitten, indem die aus Sicht der Behörden missbräuchliche Nutzung des Internets und anderer Formen der digitalen Kommunikation unter Strafe gestellt wurden. Zu den Rechtsübertretungen gehörten auch vage formulierte Straftaten des "ethnischen Separatismus", wie z.B. die "Anstiftung" zum Separatismus und die Verteilung von Material und literarischen Werken mit "separatistischen" Inhalten. Nachdem SMS-Dienste im Januar teilweise wieder ermöglicht worden waren, hat man über 100 Personen wegen der "Verbreitung schädlicher Informationen" und der "Beeinträchtigung der Einheit der Volksgruppen" durch die Versendung von SMS-Nachrichten festgenommen. Einige von ihnen wurden in Strafhaft genommen. Die völlige Blockade von Informationen und Kommunikationswegen, die im Anschluss an die Unruhen vom Juli 2009 über die gesamte Autonome Uigurische Region Xinjiang verhängt worden war, wurde zwar im Mai nahezu vollständig wieder aufgehoben, aber mehrere beliebte uigurische Internetseiten blieben gesperrt.
Auf einem im Mai abgehaltenen "zentralen Arbeitsforum" wurden ehrgeizige wirtschaftliche und politische Pläne für die Region vorgestellt, in denen aber auf seit langem bestehende Anliegen der Uiguren, wie deren Besorgnis über die massive Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, nicht eingegangen wurde. Die Behörden in Xinjiang trieben ihre Politik der "zweisprachigen Bildung" gegen alle Widerstände voran, bei der in der Praxis Hochchinesisch als Unterrichtssprache gefördert und Uigurisch sowie andere Sprachen ethnischer Minderheiten selbst in den Schulen für die Kinder ethnischer Minderheiten an den Rand gedrängt werden.

  • Im Juli 2010 wurden Nureli, Dilixiati Perhati und Nijat Azat, die Betreiber einer uigurischen Internetseite, wegen der "Gefährdung der staatlichen Sicherheit" durch Veröffentlichungen in ihrem Portal zu drei, fünf bzw. zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
  • Am 1. April 2010 verhängte das Mittlere Volksgericht von Urumqi gegen die uigurische Web-Administratorin Gulmira Imin wegen "Separatismus, Weitergabe von Staatsgeheimnissen und Abhaltung einer illegalen Demonstration" eine lebenslange Haftstrafe. Es wird angenommen, dass die Anklage mit ihren regelmäßigen Veröffentlichungen auf der Internetseite Salkin zusammenhing - eine der Websites, auf denen der Aufruf zu Protesten am 5. Juli 2009 veröffentlicht worden war.

Autonome Region Tibet

Die Behörden gingen weiterhin massiv gegen lokale Proteste vor, die mit den Protesten vom März 2008 in Zusammenhang standen. Führende tibetische Intellektuelle gerieten zunehmend ins Visier der Behörden. So wurden mehrere namhafte Personen aus Künstler-, Publizisten- und Kulturkreisen unter Angabe fadenscheiniger Gründe zu drakonischen Strafen verurteilt. Die Weitergabe von Informationen über politisch brisante Themen an Ausländer zog schwere Strafen nach sich. Tausende tibetische Studierende demonstrierten gegen die Politik der Behörden, Tibetisch als Hauptunterrichtssprache in den Schulen durch Hochchinesisch zu ersetzen. Dies wurde von den Tibetern gemeinhin als eine Bedrohung für die Bewahrung ihrer eigenständigen Kultur angesehen. Die Behörden gingen gegen diese Protestkundgebungen zwar nicht vor, sie hielten jedoch an ihrer Sprachenpolitik fest. Die Demonstrationen griffen im Oktober auf die Universität für nationale Minderheiten in Peking über, wo Hunderte von tibetischen Studierenden gegen diese Politik protestierten.
Die Behörden schränkten 2010 das Recht auf Religionsfreiheit nach wie vor ein. Die offizielle Buddhistenvereinigung Chinas erließ Maßnahmen mit Wirkung vom 10. Januar, in denen die Demokratischen Verwaltungsausschüsse der Mönchs- und Nonnenklöster aufgefordert wurden, zu überprüfen, ob die bei ihnen Beschäftigten den politischen, fachlichen und personalpolitischen Kriterien genügen. Dadurch stand den Behörden ein weiteres Instrument zur Verfügung, politisch "unzuverlässige" religiöse Würdenträger zu entfernen.

  • Im Mai 2010 wurde gegen Tagyal, einen in einem staatlichen Verlag beschäftigten tibetischen Intellektuellen, Anklage wegen der "Anstiftung zum Separatismus" erhoben, nachdem er Tibeter davor gewarnt hatte, Geldspenden für die Opfer des Erdbebens vom April in Yushu in der Provinz Qinghai korrupten Beamten anzuvertrauen. Tagyal hat zudem ein Buch über die tibetischen Proteste von 2008 herausgebracht.

Sonderverwaltungsregion Hongkong

Die Regierung unterbreitete Vorschläge für eine Gesetzesänderung, die eine begrenzte Reform des Modus zur Wahl des Gesetzgebenden Rates (LegCo) und zur Kür des Verwaltungschefs von Hongkong im Jahr 2012 vorsahen. Daraufhin wurden Forderungen nach schnellen Fortschritten auf dem Weg zu einem allgemeinen Wahlrecht erhoben, wie es im Grundgesetz von Hongkong festgeschrieben ist. Der Gesetzgebende Rat nahm die Gesetzesänderungen im Juni erst in letzter Minute nach einem kontroversen Kompromiss zwischen der Zentralregierung in Peking und der Demokratischen Partei an. Demnach erhielten alle Wahlberechtigten eine zweite Stimme über einen aus Bezirksräten zusammengesetzten funktionalen Wahlkreis.

Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Zu den Ausländern, denen die Einreise nach Hongkong im Berichtszeitraum verwehrt wurde, gehörten Chen Weiming, der Bildhauer der Statue der Göttin der Demokratie für die Mahnwache in Hongkong zum Gedenken an die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 auf dem Pekinger Tiananmen-Platz, sowie sechs Bühnentechniker eines Tanzensembles von Falun Gong.

  • Die Polizei setzte im Januar 2010 Pfefferspray ein, um Tausende von Demonstrierenden auseinanderzutreiben, die das Gebäude des Gesetzgebenden Rats belagerten, als dort über eine Eisenbahnverbindung mit der Provinz Guangdong (Kanton) abgestimmt wurde, deren Kosten 66,9 Mrd. Hongkong-Dollar (6,3 Mrd. Euro) betragen sollen. Die Teilnehmer an der Protestkundgebung bemängelten eine unzureichende Konsultation und Entschädigung der aufgrund des Projekts zum Umzug gezwungenen Menschen.
  • Am 29. und 30. Mai 2010 nahm die Polizei 13 Aktivisten fest und beschlagnahmte zweimal auf dem Times Square ausgestellte Statuen der Göttin der Demokratie. Als neue Taktik leiteten Beamte des Gesundheitsamts Strafverfolgungsmaßnahmen ein, weil die Organisatoren der Demonstration vorab keine Genehmigung für eine "Veranstaltung zur öffentlichen Unterhaltung" eingeholt hatten. Nach öffentlicher Kritik wurden die Statuen vor Beginn der Veranstaltung zum Gedenken an das Tiananmen-Massaker, zu der zwischen 113000 und 150000 Menschen erschienen, wieder ausgehändigt.
    Mehrere politisch engagierte Bürger, die wegen Zusammenrottung oder tätlicher Angriffe auf Beamte während der Demonstration vor dem Verbindungsbüro der Zentralregierung angeklagt worden waren, sprach man frei. Im August gaben die Polizeibehörden interne Richtlinien für die Anklageerhebung wegen tätlicher Angriffe auf Sicherheitsbeamte heraus, nachdem öffentliche Kritik an vermeintlich grundlosen Strafverfahren und voreingenommenen Urteilssprüchen laut geworden war.

Diskriminierung

Im April 2010 veröffentlichte die Regierung Verwaltungsrichtlinien zur Förderung der Rassengleichheit.

  • Im Mai 2010 fällten die Geschworenen eines Untersuchungsgerichts einen Schuldspruch wegen der ungesetzlichen Tötung des in Hongkong geborenen nepalesischen Obdachlosen Dil Bahadur Limbu, der im März 2009 von einem wegen einer Ruhestörung zu einem Hang in Kowloon gerufenen Polizisten erschossen worden war. Vereinigungen ethnischer Minderheiten hatten die Einsetzung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses gefordert. Die Entscheidung über den Antrag der Witwe von Dil Bahadur Limbu auf eine richterliche Überprüfung stand zum Jahresende noch aus.
  • Im Oktober 2010 wurde das Rechtsmittel einer transsexuellen Frau, nach einem operativen Eingriff ihren Freund heiraten zu dürfen, abgewiesen.

Flüchtlinge und Asylssuchende

In dem 2009 zum ersten Mal eingeführten Verfahren zur Prüfung der Anträge von Personen, die ihre Ausweisung unter Verweis auf ein Folterrisiko zu verhindern versuchen, wurden in zehn Monaten 122 Fälle bearbeitet; die Bearbeitung 6700 weiterer Fälle steht noch aus.

  • Im November 2010 reichten drei vom UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) anerkannte Flüchtlinge und ein Mann, der seit langem in Hongkong lebt und dessen Antrag unter Berufung auf Foltergefahr stattgegeben wurde, Verfassungsklage gegen Richtlinien ein, mit denen ihnen ein Rechtsstatus, Visa und eine Arbeitserlaubnis in Hongkong verwehrt werden.

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