Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Königreich der Niederlande
Staatsoberhaupt: Königin Beatrix Wilhelmina Armgard
Regierungschef: Jan Peter Balkenende
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 16,6 Mio.
Lebenserwartung: 79,8 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 6/5 pro 1000 Lebendgeburten

Trotz anhaltender Bedenken, sie könnten dort keinen Zugang zu einem fairen Asylverfahren erhalten, wurden Asylsuchende nach Griechenland überstellt. Beschleunigte Asylverfahren, Inhaftierungen von Asylsuchenden und Migranten, die Verlängerung der Untersuchungshaft sowie die Verweigerung eines Rechtsbeistands bei polizeilichen Vernehmungen Straftatverdächtiger gaben 2009 Anlass zu Besorgnis.

Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten

Nach einem Gerichtsentscheid im Mai nahm die Regierung die Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland wieder auf, wo über ihren Asylanspruch nach der Dublin-II-Verordnung entschieden werden sollte. Über gravierende Bedenken in Bezug auf Asylverfahren und Haftbedingungen in Griechenland setzte sich die Regierung hinweg.
Im Juni legte die Regierung Ergänzungen zum Ausländergesetz vor. Sollten sie Rechtskraft erlangen, müsste über sämtliche Asylanträge binnen acht Tagen entschieden werden, selbst in komplizierten Fällen. Im Juli äußerte sich der UN-Menschenrechtsausschuss besorgt darüber, dass die bereits bestehende "beschleunigte Verfahrenspraxis", die eine Entscheidung über Asylanträge binnen 48 Arbeitsstunden gestattet, sowie das vorgeschlagene Acht-Tage-Verfahren es Asylsuchenden unmöglich machen könnte, ihre Ansprüche angemessen zu untermauern. Der Ausschuss sah durch die Ergänzungen die Gefahr von Zwangsrückführungen als gegeben an.

Zahlen der Regierung zufolge wurden im Lauf des Berichtsjahrs Tausende von Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus sowie Asylsuchende in Hafteinrichtungen für Zuwanderer festgehalten und wie Untersuchungsgefangene behandelt. Zu den Inhaftierten zählten auch Personen, die besonders schutzbedürftigen Gruppen angehörten, wie etwa Opfer von Menschenhandel und Folter. Über Alternativen zur Inhaftierung wurde nicht ernsthaft nachgedacht. Auch unbegleitete Minderjährige, die laut Regierung keinen legitimen Anspruch darauf hatten, in den Niederlanden zu bleiben oder sich dort niederzulassen, wurden weiterhin inhaftiert.

Einige Personen, die sich bereits seit 2008 in Einwanderungsgewahrsam befanden, wurden länger als zwölf Monate festgehalten, da der niederländische Gesetzgeber keine zeitliche Begrenzung für den Zuwanderungsgewahrsam vorsieht.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Im März äußerte sich der Menschenrechtskommissar des Europarats besorgt über von den niederländischen Behörden verabschiedete Maßnahmen, deren erklärtes Ziel die Bekämpfung des Terrorismus ist. Dazu zählten: vage und weit gefasste Definitionen von Straftaten, die nicht zu rechtfertigende Einschränkungen von Menschenrechten und Freiheiten zur Folge haben könnten; Bestimmungen nach dem Gesetz über die Aufklärung und Strafverfolgung terroristischer Straftaten, die bereits beim reinen Verdacht eines "terroristischen Verbrechens" eine Inhaftierung zulassen und die Verlängerung der Höchstdauer der Untersuchungshaft von 90 Tagen auf zwei Jahre bei Personen, denen "terroristische Straftaten" zur Last gelegt werden.

Der UN-Menschenrechtsausschuss monierte die Verweigerung eines Rechtsbeistands für Straftatverdächtige während der polizeilichen Befragung sowie die zulässige Dauer der Untersuchungshaft von bis zu zwei Jahren. Der Ausschuss kritisierte bestimmte Klauseln des Zeugenschutzgesetzes, die es gestatten, die Verteidigung bei der Befragung von Zeugen auszuschließen, deren Identität der Verteidigung aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht offengelegt wird. Er äußerte sich auch besorgt über die Befugnis lokaler Bürgermeister, mit dem Argument der Terrorbekämpfung Verwaltungsanordnungen wegen Störung der öffentlichen Sicherheit zu erlassen, ohne dass eine richterliche Ermächtigung oder Überwachung der aufgrund solcher Anordnungen verhängten Maßnahmen stattfindet.

Guantánamo-Häftlinge

Im Juli erklärte die Regierung ihre Bereitschaft, die Aufnahme einiger Personen prüfen zu wollen, welche auf dem US-amerikanischen Marinestützpunkt Guantánamo Bay inhaftiert sind.

Diskriminierung

Der Menschenrechtskommissar des Europarats äußerte sich besorgt über rassistische, antisemitische und andere intolerante Tendenzen in den Niederlanden, insbesondere Intoleranz gegenüber Muslimen.

Im Juni wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Kommunen ab 1. Januar 2010 verpflichtet, Daten über Vorfälle von Diskriminierung zu sammeln und Personen, die Diskriminierung melden wollen, den Zugang zu einem Hilfsdienst zu ermöglichen.

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