Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Honduras

 

 

Staatliche wie kriminelle Akteure gingen gegen Menschenrechtsverteidiger sowie Sprecher von indigenen, kleinbäuerlichen und afro-honduranischen Gemeinschaften, die an Landkonflikten beteiligt waren, mit Gewalt und Einschüchterungen vor. Mit derartigen Vergeltungsmaßnahmen für rechtmäßige Aktivitäten sahen sich auch Aktivisten konfrontiert, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen (LGBTI) einsetzten, sowie Vertreter der Justizbehörden und Journalisten. Die Attacken fanden im Kontext generell verbreiteter Kriminalität und Gewalt statt. Ein schwaches Strafjustizsystem und Korruption trugen zu einem Klima der Straflosigkeit für diese Verstöße bei.

Hintergrund

Im April 2015 entschied der Oberste Gerichtshof von Honduras, dass die Streichung des Verfassungsartikels, der die Präsidentschaft auf eine Amtsperiode begrenzt, verfassungskonform sei. Diese Entscheidung ermöglicht Präsident Juan Hernández Alvarado die Wiederwahl im Jahr 2017.

Zehntausende Menschen, die als "Die Empörten" (Los Indignados) bezeichnet wurden, beteiligten sich über Monate hinweg an einigen der größten Demonstrationen in der jüngeren Geschichte des Landes und protestierten gegen Korruption. Vorausgegangen war eine Reihe von Skandalen, in die Regierung und Parteien verwickelt waren. Die Regierung lehnte die Forderung der Protestierenden ab, eine internationale Kommission zu bilden, die die Befugnis haben sollte, Straftaten und Korruption von Regierungsbeamten zu untersuchen. Stattdessen kündigte die Regierung im September 2015 eine Initiative in Zusammenarbeit mit der Organisation Amerikanischer Staaten an, um das Justizsystem zu reformieren und die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Die Protestierenden lehnten diesen Vorschlag als unzureichend ab und setzten ihre Kampagne für eine internationale Kommission mit Untersuchungsbefugnissen fort.

Menschenrechtsverteidiger

Im April 2015 verabschiedete der Kongress das Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Journalisten, Sozialkommunikatoren und Mitarbeitern im Justizsystem (Ley de Protección para las y los Defensores de Derechos Humanos, Periodistas, Comunicadores Sociales y Operadores de Justicia). Die Maßnahme wurde als wichtiger Schritt zum Schutz dieser Berufsgruppen begrüßt, doch bekundete im August 2015 eine Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen gegenüber der Regierung schriftlich ihre Besorgnis hinsichtlich der mangelnden Genauigkeit und Transparenz des Entwurfs der Ausführungsbestimmungen des Gesetzes und ersuchte die Regierung, die Verabschiedung dieser Bestimmungen um mehrere Monate auszusetzen.

Menschenrechtsverteidiger, insbesondere Frauen, waren Drohungen und Gewalt ausgesetzt, doch wurden diese Verstöße nur selten untersucht. Die Regierung setzte die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission angemahnten Schutzmaßnahmen nicht um und untersuchte auch eine Reihe von Menschenrechtsverstößen nicht, die in den vergangenen Jahren an Sprechern der indigenen Gruppe der Tolupán verübt worden waren, darunter die bei Demonstrationen verübten Tötungen von zwei ihrer Angehörigen durch lokale Auftragsmörder im Jahr 2013.

Neben gewalttätigen Attacken waren Menschenrechtsverteidiger wegen ihrer rechtmäßigen Arbeit auch mit Drangsalierungen durch die Justizbehörden konfrontiert. Die Frauenrechtlerin Gladys Lanza Ochoa wurde der Verleumdung des Direktors der staatlichen Wohnungsbaustiftung Fundación para el Desarrollo de la Vivienda Social, Urbana y Rural (FUNDEVI) für schuldig befunden und erhielt eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren. Ihre Organisation hatte zuvor eine Frau unterstützt, die den FUNDEVI-Direktor der sexuellen Belästigung beschuldigt hatte. Gladys Lanza Ochoa blieb auf freiem Fuß, weil sie gegen das Urteil Rechtsmittel einlegte. Der Journalist Julio Ernesto Alvarado verlor mehrere Rechtsmittelverfahren, in denen er seine Verurteilung wegen Verleumdung des Dekans der Wirtschaftsfakultät der Autonomen Nationalen Universität von Honduras angefochten hatte. Mit seiner Verurteilung war ein 16-monatiges Verbot journalistischer Tätigkeit verbunden,das nach 13 Monaten im Dezember 2015 ausgesetzt wurde.

Im August 2015 akzeptierte die Regierung von Honduras die Empfehlungen, die die Interamerikanische Menschenrechtskommission im Jahr 2014 wegen der Menschenrechtsverletzungen gegen den Umweltaktivisten Carlos Escaleras Mejía und Mitglieder seiner Familie ausgesprochen hatte. Carlos Escaleras Mejía war 1997 ermordet worden. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte festgestellt, dass Honduras sowohl für die Verletzung der Rechte auf Leben, Vereinigungsfreiheit und politische Betätigung von Carlos Escaleras Mejía als auch für die Verletzung der Integrität seiner Familie verantwortlich war. Die Empfehlungen beinhalteten auch die Akzeptanz der völkerrechtlichen Verantwortung des Staates für die Unterlassung sowohl einer effektiven Untersuchung der Tötung als auch der Bestrafung der Beamten, die in diesem Fall ihre Pflichten verletzt hatten.

Straflosigkeit

Laut Regierungsstatistiken sank die Zahl der Tötungsdelikte. Dennoch verzeichnete das Land weiterhin eine übermäßig hohe Anzahl von Gewaltverbrechen, die angesichts des mangelhaften Strafjustizsystems eine anhaltende Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen zur Folge hatte. Die honduranische NGO Allianz für Frieden und Gerechtigkeit (Alianza por la Paz y la Justicia) wies im Jahr 2014 in einem Bericht darauf hin, dass weniger als 4% der Mordfälle eine Verurteilung nach sich zogen.

Das ineffektive Strafjustizsystem und die durch Polizeibeamte zu verantwortenden Korruptionsfälle und Verletzungen der Menschenrechte trugen zu einem Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz bei.

Landkonflikte

Im Zusammenhang mit den seit langer Zeit bestehenden Landkonflikten waren lokale Organisationen von Kleinbauern in der Region Bajo Aguán in den vergangenen Jahren gewaltsamen Angriffen durch privates Sicherheitspersonal mit Verbindungen zu mächtigen Landeigentümern ausgesetzt. Zudem kam es wiederholt zu Verstößen durch Soldaten während Vertreibungen. Lokale Organisationen in der Region Bajo Aguán gaben an, dass zwischen 2008 und 2013 mehr als 90 Kleinbauern (campesinos) getötet worden seien. Obwohl im April 2014 in der Generalstaatsanwaltschaft eine Spezialeinheit zur Untersuchung dieser Tötungen (Unidad Especial de Investigación de Muertes Violentas en el Bajo Aguán) gebildet worden war, gab es in diesen Fällen kaum Fortschritte.

Im September 2015 hatte die Vertreibung von campesinos im Departamento Cortés den Tod eines minderjährigen Jungen unter ungeklärten Umständen zur Folge. Landarbeiter sagten aus, dass der Junge von einem Polizisten erschossen worden sei, während ein Polizeisprecher erklärte, dass die an der Räumungsaktion beteiligten Polizisten zu keiner Zeit Schüsse abgegeben hätten und die Polizei Ermittlungen aufnehmen werde.

Rechtliche Entwicklungen

Lokale zivilgesellschaftliche Gruppen wiesen warnend darauf hin, dass dem Kongress vorliegende Änderungsvorschläge zum Strafgesetzbuch die im Jahr 2013 in Paragraph 321 eingeführten Bestimmungen aufheben würden, die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität verboten.

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