Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights

Amtliche Bezeichnung: Republik der Philippinen
Staats- und Regierungschef: Benigno S. Aquino III.
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 94,9 Mio.
Lebenserwartung: 68,7 Jahre
Kindersterblichkeit: 33,1 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 95,4%

Für Benigno "Noynoy" Aquino III. begann im Juni 2011 das zweite Jahr als Präsident. Es gingen weiterhin Berichte über Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und das Verschwindenlassen von Personen ein. Hunderte von derartigen Fällen aus den vergangenen Jahren blieben unaufgeklärt. Im September wurde zum ersten Mal ein Strafverfahren wegen Folter eingeleitet.

Das Recht von Frauen und Männern auf reproduktive Gesundheit unterlag weiterhin schwerwiegenden Einschränkungen, dies betraf auch den Zugang zu Empfängnisverhütung. Im August ratifizierten die Philippinen das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs.

Interner bewaffneter Konflikt

Im Februar 2011 nahm die Regierung Friedensgespräche mit den beiden wichtigsten bewaffneten Oppositionsgruppen auf: der Islamischen Befreiungsfront der Moro (Moro Islamic Liberation Front - MILF) und dem bewaffneten Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen, der Neuen Volksarmee (New People's Army - NPA). Nachdem die Feindseligkeiten zunächst zurückgingen, flammten sie später im Jahr wieder auf.

  • Im Oktober kam es auf der südphilippinischen Insel Basilan zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und der MILF. Es waren die schwersten Kämpfe seit dem gewaltsamen Konflikt auf der Insel Mindanao 2008/09. Das gemeinsame Waffenstillstandskomitee wurde damit beauftragt, die Behauptung des Militärs zu untersuchen, sechs der insgesamt 19 bei den Kämpfen getöteten Regierungssoldaten seien gefangen genommen und im Schnellverfahren hingerichtet worden. Bei einem militärischen Vorstoß auf der Insel Basilan mit dem Ziel, Mitglieder der bewaffneten Gruppe Abu Sayyaf zu ergreifen, führten Luftangriffe und Bodenoperationen dazu, dass 30000 Zivilpersonen vertrieben wurden. Berichten zufolge starb mindestens eine Zivilperson.
  • In der Provinz Surigao del Norte im Norden von Mindanao griffen Angehörige der Neuen Volksarmee im Oktober private Bergbaubetriebe an und töteten drei Wachmänner. Als Reaktion darauf führte Präsident Benigno Aquino die von der Vorgängerregierung begonnene Politik fort, die Sicherheit privater Bergbaubetriebe durch den Einsatz ziviler Milizen zu erhöhen. Diese Milizen, deren Operationen ohne militärische Disziplin und ohne Rechenschaftspflicht erfolgen, waren in Fälle von Folter sowie in willkürliche Festnahmen und die Ermordung lokaler indigener Sprecher verwickelt.

Rechtswidrige Tötungen

Politisch aktive Bürger und Journalisten fielen nach wie vor politischen Morden zum Opfer. Im November kündigten die USA an, sie würden einen Teil der Militärhilfe einbehalten, bis die Philippinen Fortschritte bei der Lösung des Problems der außergerichtlichen Hinrichtungen erzielt hätten.

  • Rodel Estrellado, ein Mitglied der linksgerichteten Partei Bayan Muna, wurde im Februar 2011 in der Provinz Albay in der Nähe seines Hauses von Männern entführt, die behaupteten, Mitarbeiter der philippinischen Drogenbehörde (Philippine Drug Enforcement Agency) zu sein. Zwei Tage später fand seine Familie seine Leiche in einer Leichenhalle. Sie war unter einem fiktiven Namen registriert. Einige Stunden vor der Entführung hatte das Militär eine Mitteilung herausgegeben, in der es hieß, eine Person namens Rodel Estrellado sei bei bewaffneten Auseinandersetzungen getötet worden. Laut dieser Nachricht hatte sich der Vorfall in einer anderen Provinz ereignet. Im Mai bestätigte das Militär, dass neun Armeeangehörige, darunter zwei Offiziere, wegen des Mordes angeklagt worden waren.
  • Im Januar 2011 wurden mindestens drei Journalisten getötet. Einer von ihnen war der Radiomoderator Gerardo Ortega von der Insel Palawan, der gegen Bergbauaktivitäten auf der Insel Stellung bezogen hatte. Die Polizei nahm einen Verdächtigen fest und verfolgte die Spur der Mordwaffe bis zu einem früheren Angestellten des Provinzgouverneurs Joel Reyes zurück, den Ortega wegen Korruption kritisiert hatte. Im Juni ließ das Justizministerium die Mordanklage gegen den Gouverneur fallen.
  • Die Gerichtsverfahren gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen des Massakers von Maguindanao im Jahr 2009 wurden 2011 fortgesetzt. Bei dem Vorfall hatte eine bewaffnete Gruppe 57 Menschen getötet, die auf der Insel Mindanao eine Wahlkampfveranstaltung besuchten. Die Polizei hatte mindestens 93 Verdächtige festgenommen, darunter ehemalige lokale Beamte, doch wurde bisher noch niemand verurteilt.

Verschwindenlassen

Hunderte Fälle des Verschwindenlassens blieben unaufgeklärt. Im August veröffentlichte die NGO Families of Victims of Involuntary Disappearance, in der sich Angehörige von "Verschwundenen" zusammengeschlossen haben, eine Statistik, der zufolge sich die Zahl der Opfer seit dem Sturz von Ferdinand Marcos 1986 im Jahresdurchschnitt kaum verändert hat. Während seiner 21-jährigen Herrschaft wurden 875 Fälle von Verschwindenlassen dokumentiert, in den 25 Jahren seit seinem Sturz belief sich die Zahl auf 945.

  • Im Juli 2011 wies der Oberste Gerichtshof die Streitkräfte an, Jonas Burgos, der sich für die Rechte von Kleinbauern eingesetzt hatte, vorzuführen. Er war im Jahr 2007 aus einem Einkaufszentrum in Manila entführt worden. Dabei wurde ein Auto benutzt, das kurz zuvor vom Militär beschlagnahmt worden war. In ihrem Bericht an das Gericht empfahl die Menschenrechtskommission, Strafanzeige gegen einen Major zu stellen, der nach Angaben eines Augenzeugen in den Vorfall verwickelt war. Im Juni erstattete die Mutter von Jonas Burgos Strafanzeige, nachdem von offizieller Seite keine Anklage gegen den Major erhoben worden war.
  • Im Juli verabschiedete der Senat ein bahnbrechendes Gesetz, mit dem das Verschwindenlassen zur Straftat erklärt wurde. Ende des Jahres stand noch die Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu dem Gesetz aus, das erstmals 1995 eingebracht worden war.

Folter und andere Misshandlungen

Im Berichtsjahr wurden zum ersten Mal Angehörige der Sicherheitskräfte auf der Grundlage des Antifoltergesetzes strafrechtlich verfolgt. Es gab jedoch nach wie vor Berichte über Folter und andere Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte. Die strafrechtliche Verfolgung von Tatverdächtigen hing in hohem Maße von persönlichen Zeugenaussagen ab, dazu zählten auch erzwungene "Geständnisse".

  • Im September 2011 erhob die Staatsanwaltschaft erstmals Anklage wegen einer Straftat auf der Grundlage des Antifoltergesetzes von 2009. Das Justizministerium empfahl, einen höheren Polizeiinspektor und sechs weitere Polizisten anzuklagen. Im August 2010 hatte eine Nachrichtensendung im Fernsehen ein Video ausgestrahlt, das im selben Jahr mit einem Handy aufgenommen worden war. Darauf war der wegen Diebstahls verdächtigte Darius Evangelista zu sehen, der sich vor Schmerzen wand, als der Polizeiinspektor ruckartig an einer Schnur zog, die am Penis des Verdächtigen befestigt war.
  • Im August 2011 erfolgte die Festnahme von vier Angehörigen der Rangertruppe der Armee im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Folterung von Abdul Khan Ajid. Die vier wurden beschuldigt, ihn im Juli mit Benzin übergossen und angezündet zu haben, um ihn zu dem Geständnis zu bringen, er sei Mitglied der Gruppe Abu Sayyaf. Die vier Soldaten, unter ihnen ein Offizier, wurden bis zur Anklageerhebung von ihrem Dienst in der Provinz Basilan suspendiert.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Friedliche Aktivisten sahen sich weiterhin mit dem Risiko konfrontiert, vom Militär schikaniert, festgenommen und inhaftiert zu werden, wenn sie sich in der Nähe militärischer Einsatzgebiete aufhielten.

  • Im Februar 2011 nahmen Angehörige des Militärs den Journalisten Ericson Acosta in der Provinz Samar fest. Während seines Verhörs in einem Militärlager wurde ihm der Tod angedroht für den Fall, dass er nicht zugeben würde, ein Funktionär der (nicht mehr verbotenen) Kommunistischen Partei der Philippinen zu sein. Die Militärs erstatteten danach Strafanzeige gegen Acosta wegen illegalen Besitzes von Sprengstoff - ein Delikt, bei dem eine Entlassung gegen Kaution nicht möglich ist. Obwohl das Gesetz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren einen maximalen Zeitraum von 180 Tagen zwischen Anklageerhebung und Verfahrensbeginn vorschreibt, war Acosta Ende des Jahres bereits zehn Monate im Gefängnis, ohne dass der Prozess begonnen hatte.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Die Regierungspolitik zur Geburtenkontrolle diskriminierte Frauen und verletzte ihr Recht darauf, den höchstmöglichen Gesundheitsstandard zu genießen, da der Zugang zu Verhütungsmitteln und zu Informationen über Familienplanung Einschränkungen unterlag. Ein Schwangerschaftsabbruch war weiterhin in jedem Fall strafbar, es sei denn, ein Ärztegremium bescheinigte, dass das Leben der Frau durch die Schwangerschaft bedroht war. Im Kongress wurde die Debatte über das Gesetz zur reproduktiven Gesundheit (Reproductive Health Bill) fortgesetzt, das die derzeit gültigen Verbote und Hindernisse beseitigen soll, die den Zugang zu Dienstleistungen und Informationen rund um die reproduktive Gesundheit erschweren.

  • Im Januar 2011 erließ eine lokale Behörde in Manila eine Verordnung, die Sexualerziehung, Kondome, die Pille und andere Mittel zur Empfängnisverhütung verbot. Für den Kauf von Kondomen war ein ärztliches Rezept erforderlich. Werbemaßnahmen für Methoden zur Geburtenkontrolle wurden mit Strafen geahndet.
  • Im März räumte Präsident Aquino in einer Rede die hohe Zahl unsicherer illegaler Abtreibungen auf den Philippinen ein, indem er sagte, es gebe jedes Jahr 300000 "eingeleitete Fehlgeburten".
  • Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender waren weiterhin Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Philippine LGBT Hate Crime Watch wurden 2011 in der ersten Jahreshälfte 28 Hassverbrechen mit Todesfolge verübt. Ein im Jahr 1999 eingebrachter Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes wurde weiterhin im Kongress blockiert.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegationen von Amnesty International besuchten die Philippinen in den Monaten April, November und Dezember.

Verknüpfte Dokumente