Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Iran

Amtliche Bezeichnung: Islamische Republik Iran
Staatsoberhaupt: Ayatollah Sayed Ali Khamenei
Regierungschef: Mahmud Ahmadinedschad

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren 2012 weiterhin stark eingeschränkt. Regierungskritiker und Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen und Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, wurden willkürlich festgenommen, ohne Kontakt zur Außenwelt in Gewahrsam gehalten, nach unfairen Gerichtsverfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt und daran gehindert, ins Ausland zu reisen. In den Gefängnissen wurden zahlreiche gewaltlose politische Gefangene und politische Gefangene festgehalten. Folter und andere Misshandlungen an Gefangenen waren an der Tagesordnung und blieben für die Täter straffrei. Frauen, Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten sowie Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) wurden weiterhin durch die Gesetzgebung und im Alltag diskriminiert. Es wurden gerichtlich angeordnete grausame Prügel- und Amputationsstrafen vollstreckt. Offizielle Quellen gaben die Zahl der Hinrichtungen mit 314 an, insgesamt wurden 544 registriert. Die tatsächliche Zahl der 2012 vollstreckten Todesurteile könnte jedoch noch weit höher liegen.

Hintergrund

Die internationalen Spannungen aufgrund des iranischen Atomprogramms hielten auch im Berichtsjahr an. Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und andere Regierungen sowie die Vereinigten Staaten von Amerika hielten bestehende Sanktionen aufrecht und verhängten oft noch zusätzliche Strafmaßnahmen, darunter Reiseverbote für Personen, die mutmaßlich für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Es kam zu Engpässen in der Versorgung mit Lebensmitteln, und die wirtschaftliche Not im Land nahm zu.

Im März wurden Tausende potenzielle Kandidaten von der Parlamentswahl ausgeschlossen. Ebenfalls im März verlängerten die UN das Mandat des Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation im Iran um ein weiteres Jahr. Sowohl der Sonderberichterstatter als auch der UN-Generalsekretär veröffentlichten Berichte über weit verbreitete Menschenrechtsverstöße wie fehlende Rechtsstaatlichkeit und Straflosigkeit.

Im Februar verabschiedete das Parlament Änderungen des Strafgesetzbuchs, nach denen grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen weiterhin angewendet werden dürfen. Außerdem wurden Strafen legitimiert, die nicht gesetzlich festgeschrieben sind. Vergewaltigung bleibt unter bestimmten Umständen straflos. Weder die Todesstrafe für jugendliche Straftäter noch die Hinrichtung durch Steinigung wurden abgeschafft. Die Änderungen des Strafgesetzbuchs waren Ende 2012 noch nicht in Kraft.

Im Dezember 2012 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, mit der die iranische Regierung aufgefordert wurde, die Menschenrechtssituation im Land zu verbessern.

Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die Regierung hielt 2012 an den drastischen Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit fest. Die Behörden leiteten Maßnahmen ein, um ein kontrolliertes nationales "Internet" zu schaffen, hörten Telefone ab, blockierten Internetseiten und störten ausländische Fernseh- und Radioprogramme und gingen mit äußerster Härte gegen alle Andersdenkenden vor. Medienschaffende und Blogger wurden schikaniert und inhaftiert. Studentische Aktivisten und Angehörige von Minderheiten kamen in Haft oder wurden schikaniert. Einige von ihnen wurden der Hochschule verwiesen. Dutzende von gewaltlosen politischen Gefangenen, die in den Vorjahren festgenommen worden waren, blieben in Haft. Gegen weitere Personen ergingen im Berichtsjahr Freiheitsstrafen.

  • Shiva Nazar Ahari, eine Journalistin, Menschenrechtsverteidigerin und Angehörige des Komitees der Menschenrechtsreporter (Committee of Human Rights Reporters) trat im September eine vierjährige Haftstrafe an. Im Oktober begann sie zusammen mit acht weiblichen Mitgefangenen einen Hungerstreik, um gegen ihre Misshandlungen durch das Wachpersonal im Teheraner Evin-Gefängnis zu protestieren.
  • Abbas Khosravi Farsani, ein Student der Universität von Isfahan, wurde am 21. Juni festgenommen. In einem Buch und in seinem Blog hatte er Kritik an den Behörden geäußert. Er wurde zu einem "Geständnis" gezwungen, wonach er "gegen die nationale Sicherheit" gehandelt, "Lügen veröffentlicht sowie öffentliche Unruhe gestiftet" habe. Die weiteren Anklagen lauteten auf "Beleidigung des Obersten Religionsführers" und "Mitgliedschaft in einer Oppositionsgruppe mit Verbindungen zu Israel". Nach 20 Tagen kam er wieder auf freien Fuß, durfte jedoch sein Hochschulstudium nicht fortsetzen. Ende 2012 wartete er noch auf sein Gerichtsverfahren.

Zahlreiche unabhängige Gewerkschafter blieben im Berichtsjahr wegen ihres friedlichen Engagements für Arbeitsrechte in Haft.

  • Reza Shahabi, der Schatzmeister der unabhängigen Teheraner Busfahrer-Gewerkschaft (Sherkat-e Vahed), befand sich seit 2010 im Gefängnis. Im Februar 2012 erfuhr er, dass er wegen "Zusammenkunft und Konspiration gegen die Staatssicherheit" sowie wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Berichten zufolge war sein Gesundheitszustand als Folge von Folterungen stark angegriffen. Eine angemessene medizinische Behandlung wurde ihm verweigert.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Sicherheitsbeamte nahmen weiterhin willkürlich Regierungskritiker und Oppositionelle fest. Die Festgenommenen blieben oft über lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Man verweigerte ihnen die notwendige medizinische Behandlung. Viele wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt. Gegen rund zehn Personen ergingen Freiheitsstrafen nach unfairen Gerichtsverfahren.

Zahlreiche friedliche Regierungskritiker, die in den Jahren 2009-11 im Zusammenhang mit den Massenprotesten inhaftiert worden waren, befanden sich im Berichtsjahr noch immer im Gefängnis oder standen unter Hausarrest. Viele von ihnen sind gewaltlose politische Gefangene.

  • Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Frau Zahra Rahnavard befanden sich 2012 noch immer unter Hausarrest, der im Februar 2011 ohne richterliche Anordnung verhängt worden war.
  • Mansoureh Behkish, die der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Mütter des Laleh-Parks (Mothers of Laleh Park) angehört, wurde im Juli 2012 von einem Berufungsgericht zu sechs Monaten Haft verurteilt. Man hatte sie für schuldig befunden, die nationale Sicherheit gefährdet zu haben, indem sie
eine "Gruppe trauernder Mütter gegründet" und "Propaganda gegen das System verbrei-
tet" habe. Darüber hinaus erhielt sie eine 42-monatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Ende des Jahres befand sie sich noch auf freiem Fuß.
  • Der Blogger Hossein Ronaghi Maleki wurde im August zusammen mit zahlreichen anderen Helfern und Menschenrechtlern in einem Lager für Erdbebenopfer in der Provinz Aserbaidschan verhaftet. Sieben Wochen zuvor war der ehemalige gewaltlose politische Gefangene aus gesundheitlichen Gründen und nach Zahlung einer beträchtlichen Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er seit 2010 eine 15-jährige Freiheitsstrafe verbüßt hatte. Er gab an, nach seiner erneuten Festnahme in einem Haftzentrum des Ministeriums für Geheimdienste und Sicherheit in Täbris gefoltert worden zu sein. Im November 2012 wurde er freigelassen.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte, Gewerkschafter, Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten eingesetzt hatten, sowie Frauenrechtlerinnen wurden nach wie vor schikaniert, willkürlich festgenommen und inhaftiert oder erhielten nach unfairen Gerichtsverfahren Freiheitsstrafen. Viele von ihnen, auch die in den vergangenen Jahren in unfairen Prozessen verurteilten Personen, sind gewaltlose politische Gefangene. Die Behörden schikanierten beharrlich die Familien von Aktivisten.

  • Mohammad Sadiq Kabudvand, Journalist und Gründer der Menschenrechtsorganisation Kurdistan (Human Rights Organisation of Kurdistan), muss weiterhin wegen seiner Tätigkeit als Journalist und Menschenrechtsverteidiger eine Haftstrafe von zehneinhalb Jahren verbüßen. Im Mai und Juli 2012 trat er jeweils in einen Hungerstreik, um gegen das Verbot der Behörden zu protestieren, seinen schwerkranken Sohn zu besuchen. Seine eigene Gesundheit war ebenfalls stark angegriffen. Die notwendige medizinische Behandlung wurde ihm verweigert.
  • Die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, die früher die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi vertreten hatte, blieb auch weiterhin inhaftiert. 2011 war sie wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppe mit dem Ziel, der nationalen Sicherheit zu schaden" zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Sie gilt seit 2010 als gewaltlose politische Gefangene. Im Dezember beendete sie einen 49-tägigen Hungerstreik, nachdem die Behörden eingewilligt hatten, Restriktionsmaßnahmen gegen ihre 13-jährige Tochter aufzuheben.
  • Die Rechtsanwälte Mohammad Ali Dadkhah, Abdolfattah Soltani und Mohammad Seyfzadeh, die gemeinsam das Ende 2008 von den Behörden geschlossene Zentrum für Menschenrechtsverteidiger (Centre for Human Rights Defenders - CHRD) gegründet hatten, befanden sich Ende 2012 noch immer als gewaltlose politische Gefangene in Haft. Die Geschäftsführerin des CHRD, Narges Mohammadi, durfte das Gefängnis im Juli für eine medizinische Behandlung vorübergehend verlassen. Im November wurde die Ehefrau von Abdolfattah Soltani zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Zudem darf sie fünf Jahre lang den Iran nicht verlassen. Die Strafen standen mit einem Menschenrechtspreis in Zusammenhang, den ihr Ehemann erhalten hatte.

Unfaire Gerichtsverfahren

Angeklagte, die aus politischen und anderen Gründen vor Gericht standen, erhielten äußerst unfaire Verfahren vor Revolutions- und Strafgerichten. Die Anklagepunkte waren dabei häufig so vage formuliert, dass sich darin keine strafbaren Handlungen erkennen ließen. Die Angeklagten hatten häufig keinen Rechtsbeistand und wurden aufgrund von "Geständnissen" oder anderen Informationen verurteilt, die offenbar während der Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren. Die Gerichte ließen diese "Geständnisse" als Beweismittel zu, ohne zu untersuchen, wie sie zustande gekommen waren.

  • Mohammad Ali Amouri und vier weitere Angehörige der Minderheit der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi wurden im Juli 2012 zum Tode verurteilt. Die vage Anklage lautete u.a. auf "Feindschaft zu Gott und Verdorbenheit auf Erden" (moharebeh). Die Männer hatten sich bereits seit fast einem Jahr in Gewahrsam befunden, weil sie sich für die arabische Gemeinschaft der Ahwazi eingesetzt hatten. Mindestens vier der Gefangenen sollen dem Vernehmen nach gefoltert worden sein und bekamen keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Die Berufungsverfahren hatten Ende 2012 noch nicht stattgefunden.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte während der Haft waren nach wie vor weit verbreitet; die Verantwortlichen blieben straffrei. Zu den am häufigsten beschriebenen Foltermethoden gehörten Schläge, Scheinhinrichtungen, Drohungen, das Einsperren in winzige Verschläge und die Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung.

  • Der wegen Drogenvergehen zum Tode verurteilte Werkstattarbeiter Saeed Sedeghi wurde im Evin-Gefängnis gefoltert, nachdem seine Hinrichtung aufgrund von internationalen Protesten verschoben worden war. Am 22. Oktober 2012 wurde er dann durch den Strang hingerichtet.

Mindestens acht Menschen starben im Gewahrsam, womöglich an den Folgen der Folter. In keinem der Fälle wurde eine unabhängige Untersuchung angeordnet.

  • Der Blogger Sattar Beheshti starb im November 2012 während seiner Haft bei der Internetpolizei, nachdem er eine Beschwerde wegen Folter eingelegt hatte. Widersprüchliche Aussagen von Beamten ließen erhebliche Zweifel an der Unparteilichkeit der gerichtlichen Untersuchung aufkommen. Seine Familie wurde von Sicherheitskräften genötigt, Stillschweigen zu bewahren.

Diskriminierung von Frauen

Frauen waren nach wie vor sowohl durch die Gesetzgebung als auch im täglichen Leben Diskriminierungen ausgesetzt - im Hinblick auf Eheschließung und Scheidung, erbrechtliche Fragen, Sorgerechte für Kinder, Staatsbürgerschaft und Auslandsreisen. Frauen, die gegen staatlich verordnete Bekleidungsvorschriften verstießen, drohte der Verweis von der Universität. Einige weiterführende Schulen und Hochschulen begannen damit, die Studierenden nach Geschlechtern zu trennen. Der Zugang zum Studium einiger Fächer wurde für Frauen eingeschränkt oder ihnen gänzlich untersagt.

Der Entwurf für das sogenannte Gesetz zum Schutz der Familie, das die Diskriminierung von Frauen noch verschärfen würde, wurde im Parlament weiterhin diskutiert. Ein Entwurf des Strafgesetzes lässt die vorhandene Diskriminierung der Frauen außer Acht und hält beispielsweise daran fest, dass die Aussage einer Frau vor Gericht nur halb so viel Gewicht hat wie die eines Mannes.

  • Bahareh Hedayat, Mahsa Amrabadi und sieben weitere Frauen, die im Evin-Gefängnis inhaftiert waren, traten im Oktober 2012 in einen Hungerstreik, um gegen demütigende Leibesvisitationen und die Konfiszierung von persönlichen Gegenständen durch die Gefängniswärterinnen zu protestieren. Daraufhin unterzeichneten 33 weibliche politische Gefangene einen offenen Brief, in dem sie die Durchsuchung von Körperöffnungen als eine Form des sexuellen Missbrauchs bezeichneten und eine Entschuldigung der Gefängnisbeamten forderten. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Gefangenen in Zukunft nicht mehr derartig misshandelt würden.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle waren 2012 weiterhin vor dem Gesetz und im täglichen Leben Diskriminierungen ausgesetzt.

Diskriminierung von ethnischen Minderheiten

Ethnische Minderheiten im Iran litten weiterhin unter systematischer Diskriminierung sowohl durch die Gesetzgebung als auch im Alltag. Dies betraf u.a. Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aserbaidschaner, Belutschen, Kurden und Turkmenen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Bildungswesen sowie die Ausübung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte waren im Vergleich zu anderen iranischen Staatsbürgern stark eingeschränkt. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Regierungseinrichtungen und als Unterrichtssprache in Schulen blieb untersagt. Menschen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, wurden öffentlich bedroht, festgenommen und inhaftiert.

  • Jabbar Yabbari und mindestens 24 weitere Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi wurden im April 2012 festgenommen. Sie hatten an Demonstrationen teilgenommen, die an eine Protestaktion gegen Diskriminierung im Jahr 2005 erinnern sollten.

Die Behörden boten afghanischen Flüchtlingen keinen ausreichenden Schutz gegen Übergriffe und zwangen einige von ihnen, den Iran zu verlassen. In Isfahan verweigerten die Behörden afghanischen Staatsangehörigen den Zugang zu einem Stadtpark.

Aserbaidschanische Aktivisten kritisierten die iranischen Behörden wegen der nur schleppend vorangehenden und unzureichenden Hilfsmaßnahmen nach dem Erdbeben vom 11. August 2012 in Qaradagh in der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan. Außerdem bezichtigten die Aktivisten die Behörden, die Sachschäden und die Zahl der Todesopfer heruntergespielt und mehrere Hilfskräfte inhaftiert zu haben. Im September erhielten 16 Angehörige von Minderheiten eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, weil sie angeblich während ihrer humanitären Arbeit Vergehen gegen die Sicherheit begangen hätten.

Religionsfreiheit

Die Behörden diskriminierten nicht-schiitische Gemeinschaften, darunter andere muslimische Gemeinden, oppositionelle schiitische Geistliche sowie Sufis und Anhänger der Gemeinschaft der Ahl-e Haqq und anderer religiöser Minderheiten, darunter Personen, die vom Islam zum Christentum konvertiert waren. Betroffen von Diskriminierungen waren auch philosophische Vereinigungen. Die Verfolgung der Baha'i-Glaubensgemeinschaft nahm zu: Angehörige der Baha'i wurden von Behördenvertretern und in den staatlich kontrollierten Medien öffentlich dämonisiert.

  • Der oppositionelle muslimische Geistliche Sayed Hossein Kazemeyni Boroujerdi verbüßte weiterhin eine im Jahr 2007 gegen ihn verhängte elfjährige Haftstrafe. Die Behörden bestellten zehn seiner Anhänger im April, Mai und Dezember zu Verhören ein. Offenbar ergingen jedoch keine Anklagen gegen sie.
  • Im August 2012 verhafteten die Behörden in der Provinz Khuzestan mindestens 19 sunnitische Muslime sowie 13 Personen in West-Aserbaidschan, offenbar aufgrund ihres Glaubens. Weitere acht Menschen wurden im Oktober in Kurdistan in Gewahrsam genommen. Es ist nicht bekannt, ob Anklage gegen diese Personen ergangen ist oder ob weitere Verhöre stattgefunden haben.
  • Pastor Yousef Naderkhani war 2009 verhaftet und zum Tode verurteilt worden, nachdem ihn ein Gericht 2010 der "Apostasie" (Abfall vom Glauben) für schuldig befunden hatte. Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil, welches jedoch aufgehoben wurde, als der Fall an den Obersten Religionsführer verwiesen wurde. Der Pastor kam im September nach Verbüßung einer dreijährigen Haftstrafe wegen Missionierung von Muslimen frei.
  • Mindestens 177 Anhänger der Baha'i, denen das Recht, ihren Glauben zu praktizieren, untersagt wird, befanden sich 2012 wegen ihrer religiösen Überzeugung im Gefängnis. Sieben im Jahr 2009 festgenommene Religionsführer, fünf Männer und zwei Frauen, mussten weiterhin ihre Haftstrafen verbüßen. Sie waren wegen "Spionage für Israel" und "Verleumdung der heiligen Religion" zu 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden.

Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen

Gerichte verhängten weiterhin Prügel- und Amputationsstrafen, die auch vollstreckt wurden.

  • Der Journalist und Blogger Siamak Ghaderi sowie 13 weitere politische Gefangene wurden dem Vernehmen nach im August 2012 im Evin-Gefängnis ausgepeitscht. Sie waren wegen angeblicher "Beleidigung des Präsidenten" und "Verbreitung von Lügen" sowie wegen der 2007 erfolgten Veröffentlichung eines Interviews mit Angehörigen der LGBTI-Gemeinschaft in seinem Blog zu vier Jahren Freiheitsentzug und 60 Peitschenhieben verurteilt worden.

Todesstrafe

Gegen Hunderte von Personen wurden Todesurteile verhängt. Mindestens 314 Menschen wurden offiziellen Angaben zufolge im Berichtsjahr hingerichtet.

Vertrauenswürdige Quellen sprachen von mehr als 230 weiteren Hinrichtungen, womit die Gesamtzahl der vollstreckten Todesurteile bei 544 liegen würde. Viele Gefangene wurden im Geheimen hingerichtet. Die tatsächliche Zahl der Hinrichtung im Jahr 2012 könnte weit höher liegen, bei über 600. In den Todeszellen befanden sich etwa 100 jugendliche Straftäter. Von den offiziell bestätigten Hinrichtungen erfolgten 71% nach unfairen Gerichtsverfahren aufgrund von Drogendelikten. Bei den zum Tode Verurteilten handelte es sich vielfach um Menschen, die in bitterer Armut lebten, sowie um Angehörige marginalisierter Bevölkerungsgruppen, allen voran afghanische Staatsangehörige. Die Todesstrafe kann im Iran wegen Mord, Vergewaltigung, Schusswaffeneinsatz bei einer Straftat, Spionage, Apostasie, außerehelicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen verhängt werden. Mindestens 63 Hinrichtungen fanden öffentlich statt. Es gab keine Hinweise auf Steinigungen, doch drohte mindestens zehn Gefangenen weiterhin die Hinrichtung durch Steinigung. Tausende Gefangene saßen in den Todeszellen.

  • Allahverdi Ahmadpourazer, ein Sunnit und Angehöriger der aserbaidschanischen Minderheit, wurde im Mai 2012 wegen angeblicher Drogenvergehen hingerichtet. Sein Prozess entsprach offensichtlich nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren.
  • Amir Hekmati, der sowohl die iranische als auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde im Januar 2012 wegen Spionage zum Tode verurteilt. Sein angebliches "Geständnis" war im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt worden. Im März hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf. Amir Hekmati befindet sich weiterhin in Haft und wartet auf die Wiederaufnahme des Verfahrens.
  • Die Familie des kanadisch-iranischen Staatsbürgers Hamid Ghassemi-Shall wurde im April 2012 von der bevorstehenden Hinrichtung ihres Angehörigen in Kenntnis gesetzt. Er befand sich jedoch zum Ende des Berichtsjahres noch immer in der Todeszelle. Er war 18 Monate lang ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand in Haft gehalten worden. Nach einem unfairen Gerichtsverfahren war er im Dezember 2008 zum Tode verurteilt worden. Die Anklage lautete auf "Feindschaft zu Gott", "Spionage" und "Zusammenarbeit mit einer verbotenen Oppositionsgruppe".
  • Drei Angehörige der kurdischen Minderheit wurden am 20. September 2012 wegen ihrer politischen Aktivitäten im Zentralgefängnis von Oroumieh hingerichtet.
  • Die Behörden setzten das Todesurteil gegen den Kanadier Saeed Malekpour aus. Ihm war "Beleidigung und Entweihung des Islam" vorgeworfen worden. Eine von ihm entwickelte Software zum Hochladen von Fotos war ohne sein Wissen dazu benutzt worden, pornographische Bilder ins Netz zu stellen. Er befand sich seit Oktober 2008 in Haft. Seinen Foltervorwürfen ist nie nachgegangen worden.

Amnesty International: Missionen und Bericht

Der Zugang zum Land zum Zweck einer Untersuchung der Lage der Menschenrechte wird Amnesty International seit 1979 verwehrt. Die iranischen Behörden antworteten nur selten auf Briefe der Organisation.

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