Dokument #1040852
Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Islamische Republik Iran
Staatsoberhaupt: Ayatollah Sayed Ali Khamenei
Regierungschef: Mahmud Ahmadinedschad
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren 2012 weiterhin stark eingeschränkt. Regierungskritiker und Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen und Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, wurden willkürlich festgenommen, ohne Kontakt zur Außenwelt in Gewahrsam gehalten, nach unfairen Gerichtsverfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt und daran gehindert, ins Ausland zu reisen. In den Gefängnissen wurden zahlreiche gewaltlose politische Gefangene und politische Gefangene festgehalten. Folter und andere Misshandlungen an Gefangenen waren an der Tagesordnung und blieben für die Täter straffrei. Frauen, Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten sowie Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) wurden weiterhin durch die Gesetzgebung und im Alltag diskriminiert. Es wurden gerichtlich angeordnete grausame Prügel- und Amputationsstrafen vollstreckt. Offizielle Quellen gaben die Zahl der Hinrichtungen mit 314 an, insgesamt wurden 544 registriert. Die tatsächliche Zahl der 2012 vollstreckten Todesurteile könnte jedoch noch weit höher liegen.
Die internationalen Spannungen aufgrund des iranischen Atomprogramms hielten auch im Berichtsjahr an. Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und andere Regierungen sowie die Vereinigten Staaten von Amerika hielten bestehende Sanktionen aufrecht und verhängten oft noch zusätzliche Strafmaßnahmen, darunter Reiseverbote für Personen, die mutmaßlich für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Es kam zu Engpässen in der Versorgung mit Lebensmitteln, und die wirtschaftliche Not im Land nahm zu.
Im März wurden Tausende potenzielle Kandidaten von der Parlamentswahl ausgeschlossen. Ebenfalls im März verlängerten die UN das Mandat des Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation im Iran um ein weiteres Jahr. Sowohl der Sonderberichterstatter als auch der UN-Generalsekretär veröffentlichten Berichte über weit verbreitete Menschenrechtsverstöße wie fehlende Rechtsstaatlichkeit und Straflosigkeit.
Im Februar verabschiedete das Parlament Änderungen des Strafgesetzbuchs, nach denen grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen weiterhin angewendet werden dürfen. Außerdem wurden Strafen legitimiert, die nicht gesetzlich festgeschrieben sind. Vergewaltigung bleibt unter bestimmten Umständen straflos. Weder die Todesstrafe für jugendliche Straftäter noch die Hinrichtung durch Steinigung wurden abgeschafft. Die Änderungen des Strafgesetzbuchs waren Ende 2012 noch nicht in Kraft.
Im Dezember 2012 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, mit der die iranische Regierung aufgefordert wurde, die Menschenrechtssituation im Land zu verbessern.
Die Regierung hielt 2012 an den drastischen Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit fest. Die Behörden leiteten Maßnahmen ein, um ein kontrolliertes nationales "Internet" zu schaffen, hörten Telefone ab, blockierten Internetseiten und störten ausländische Fernseh- und Radioprogramme und gingen mit äußerster Härte gegen alle Andersdenkenden vor. Medienschaffende und Blogger wurden schikaniert und inhaftiert. Studentische Aktivisten und Angehörige von Minderheiten kamen in Haft oder wurden schikaniert. Einige von ihnen wurden der Hochschule verwiesen. Dutzende von gewaltlosen politischen Gefangenen, die in den Vorjahren festgenommen worden waren, blieben in Haft. Gegen weitere Personen ergingen im Berichtsjahr Freiheitsstrafen.
Zahlreiche unabhängige Gewerkschafter blieben im Berichtsjahr wegen ihres friedlichen Engagements für Arbeitsrechte in Haft.
Sicherheitsbeamte nahmen weiterhin willkürlich Regierungskritiker und Oppositionelle fest. Die Festgenommenen blieben oft über lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Man verweigerte ihnen die notwendige medizinische Behandlung. Viele wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt. Gegen rund zehn Personen ergingen Freiheitsstrafen nach unfairen Gerichtsverfahren.
Zahlreiche friedliche Regierungskritiker, die in den Jahren 2009-11 im Zusammenhang mit den Massenprotesten inhaftiert worden waren, befanden sich im Berichtsjahr noch immer im Gefängnis oder standen unter Hausarrest. Viele von ihnen sind gewaltlose politische Gefangene.
Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte, Gewerkschafter, Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten eingesetzt hatten, sowie Frauenrechtlerinnen wurden nach wie vor schikaniert, willkürlich festgenommen und inhaftiert oder erhielten nach unfairen Gerichtsverfahren Freiheitsstrafen. Viele von ihnen, auch die in den vergangenen Jahren in unfairen Prozessen verurteilten Personen, sind gewaltlose politische Gefangene. Die Behörden schikanierten beharrlich die Familien von Aktivisten.
Angeklagte, die aus politischen und anderen Gründen vor Gericht standen, erhielten äußerst unfaire Verfahren vor Revolutions- und Strafgerichten. Die Anklagepunkte waren dabei häufig so vage formuliert, dass sich darin keine strafbaren Handlungen erkennen ließen. Die Angeklagten hatten häufig keinen Rechtsbeistand und wurden aufgrund von "Geständnissen" oder anderen Informationen verurteilt, die offenbar während der Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren. Die Gerichte ließen diese "Geständnisse" als Beweismittel zu, ohne zu untersuchen, wie sie zustande gekommen waren.
Folter und andere Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte während der Haft waren nach wie vor weit verbreitet; die Verantwortlichen blieben straffrei. Zu den am häufigsten beschriebenen Foltermethoden gehörten Schläge, Scheinhinrichtungen, Drohungen, das Einsperren in winzige Verschläge und die Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung.
Mindestens acht Menschen starben im Gewahrsam, womöglich an den Folgen der Folter. In keinem der Fälle wurde eine unabhängige Untersuchung angeordnet.
Frauen waren nach wie vor sowohl durch die Gesetzgebung als auch im täglichen Leben Diskriminierungen ausgesetzt - im Hinblick auf Eheschließung und Scheidung, erbrechtliche Fragen, Sorgerechte für Kinder, Staatsbürgerschaft und Auslandsreisen. Frauen, die gegen staatlich verordnete Bekleidungsvorschriften verstießen, drohte der Verweis von der Universität. Einige weiterführende Schulen und Hochschulen begannen damit, die Studierenden nach Geschlechtern zu trennen. Der Zugang zum Studium einiger Fächer wurde für Frauen eingeschränkt oder ihnen gänzlich untersagt.
Der Entwurf für das sogenannte Gesetz zum Schutz der Familie, das die Diskriminierung von Frauen noch verschärfen würde, wurde im Parlament weiterhin diskutiert. Ein Entwurf des Strafgesetzes lässt die vorhandene Diskriminierung der Frauen außer Acht und hält beispielsweise daran fest, dass die Aussage einer Frau vor Gericht nur halb so viel Gewicht hat wie die eines Mannes.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle waren 2012 weiterhin vor dem Gesetz und im täglichen Leben Diskriminierungen ausgesetzt.
Ethnische Minderheiten im Iran litten weiterhin unter systematischer Diskriminierung sowohl durch die Gesetzgebung als auch im Alltag. Dies betraf u.a. Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aserbaidschaner, Belutschen, Kurden und Turkmenen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Bildungswesen sowie die Ausübung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte waren im Vergleich zu anderen iranischen Staatsbürgern stark eingeschränkt. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Regierungseinrichtungen und als Unterrichtssprache in Schulen blieb untersagt. Menschen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, wurden öffentlich bedroht, festgenommen und inhaftiert.
Die Behörden boten afghanischen Flüchtlingen keinen ausreichenden Schutz gegen Übergriffe und zwangen einige von ihnen, den Iran zu verlassen. In Isfahan verweigerten die Behörden afghanischen Staatsangehörigen den Zugang zu einem Stadtpark.
Aserbaidschanische Aktivisten kritisierten die iranischen Behörden wegen der nur schleppend vorangehenden und unzureichenden Hilfsmaßnahmen nach dem Erdbeben vom 11. August 2012 in Qaradagh in der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan. Außerdem bezichtigten die Aktivisten die Behörden, die Sachschäden und die Zahl der Todesopfer heruntergespielt und mehrere Hilfskräfte inhaftiert zu haben. Im September erhielten 16 Angehörige von Minderheiten eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, weil sie angeblich während ihrer humanitären Arbeit Vergehen gegen die Sicherheit begangen hätten.
Die Behörden diskriminierten nicht-schiitische Gemeinschaften, darunter andere muslimische Gemeinden, oppositionelle schiitische Geistliche sowie Sufis und Anhänger der Gemeinschaft der Ahl-e Haqq und anderer religiöser Minderheiten, darunter Personen, die vom Islam zum Christentum konvertiert waren. Betroffen von Diskriminierungen waren auch philosophische Vereinigungen. Die Verfolgung der Baha'i-Glaubensgemeinschaft nahm zu: Angehörige der Baha'i wurden von Behördenvertretern und in den staatlich kontrollierten Medien öffentlich dämonisiert.
Gerichte verhängten weiterhin Prügel- und Amputationsstrafen, die auch vollstreckt wurden.
Gegen Hunderte von Personen wurden Todesurteile verhängt. Mindestens 314 Menschen wurden offiziellen Angaben zufolge im Berichtsjahr hingerichtet.
Vertrauenswürdige Quellen sprachen von mehr als 230 weiteren Hinrichtungen, womit die Gesamtzahl der vollstreckten Todesurteile bei 544 liegen würde. Viele Gefangene wurden im Geheimen hingerichtet. Die tatsächliche Zahl der Hinrichtung im Jahr 2012 könnte weit höher liegen, bei über 600. In den Todeszellen befanden sich etwa 100 jugendliche Straftäter. Von den offiziell bestätigten Hinrichtungen erfolgten 71% nach unfairen Gerichtsverfahren aufgrund von Drogendelikten. Bei den zum Tode Verurteilten handelte es sich vielfach um Menschen, die in bitterer Armut lebten, sowie um Angehörige marginalisierter Bevölkerungsgruppen, allen voran afghanische Staatsangehörige. Die Todesstrafe kann im Iran wegen Mord, Vergewaltigung, Schusswaffeneinsatz bei einer Straftat, Spionage, Apostasie, außerehelicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen verhängt werden. Mindestens 63 Hinrichtungen fanden öffentlich statt. Es gab keine Hinweise auf Steinigungen, doch drohte mindestens zehn Gefangenen weiterhin die Hinrichtung durch Steinigung. Tausende Gefangene saßen in den Todeszellen.
Der Zugang zum Land zum Zweck einer Untersuchung der Lage der Menschenrechte wird Amnesty International seit 1979 verwehrt. Die iranischen Behörden antworteten nur selten auf Briefe der Organisation.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2013 - The State of the World's Human Rights - Iran (Periodischer Bericht, Englisch)