Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage von Personen, die zum Christentum konvertiert sind [a-8367]
17. April 2013
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Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Religionsfreiheit vom Juli 2012 (Berichtszeitraum: 2011), dass nicht-muslimische Minderheitengruppen, darunter insbesondere ChristInnen, weiterhin von Verfolgung und Diskriminierung bedroht seien. Übertritt vom Islam zu einem anderen Glauben sei von schiitischen und sunnitischen Geistlichen, sowie von vielen StaatsbürgerInnen als Zuwiderhandeln gegen die Grundsätze des Islam interpretiert worden. Übertritt zu einem anderen Glauben könne, wenn dies als Abfall vom Glauben und Verbrechen gegen den Islam interpretiert werde und der Konvertit nicht widerrufe, mit dem Tode bestraft werden. Es habe nicht bestätigte Berichte über Schikanierung von ChristInnen gegeben, von denen angenommen worden sei, dass sie an Missionierung beteiligt seien. Es habe Berichte gegeben, dass internationale Hilfsorganisationen fälschlicherweise der Missionierung beschuldigt oder mit Missionierung in Verbindung gebracht worden seien. Einige ChristInnen hätten Situationen vermieden, in denen angenommen werden könnte, dass sie versuchen würden, ihre Religion in einer größeren Gemeinschaft zu verbreiten. Nicht-muslimische Minderheiten, darunter ChristInnen, seien weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und in einigen Fällen von Gewalt betroffen gewesen. Diese Behandlung sei nicht systematisch erfolgt, jedoch habe die Regierung keine Maßnahmen ergriffen, die Bedingungen im Laufe des Jahres zu verbessern. Die öffentliche Meinung gegenüber afghanischen KonvertitInnen zum Christentum und Missionierung durch christliche Organisationen und Einzelpersonen sei weiterhin offen feindselig gewesen, auch in Fällen von falschen Anschuldigungen. Muslime und Wohltätigkeitsorganisationen, die von afghanischen Muslimen geleitet wurden, seien in Zusammenhang mit persönlichen Streitigkeiten oder Vendettas fälschlicherweise der christlichen Missionierung oder des Glaubensübertritts beschuldigt worden:
„Non-Muslim minority groups, particularly Christian, Hindu, and Sikh groups, continued to be targets of persecution and discrimination. Conversion from Islam was interpreted by Shia and Sunni Islamic clergy, as well as many citizens, to contravene the tenets of Islam. Conversion, considered an act of apostasy and a crime against Islam, could be punishable by death if the convert did not recant. […] Citizens who converted from Islam to the Baha’i Faith faced risk of persecution, similar to that of Christian converts, in theory up to and including the death penalty. […]
There were unconfirmed reports of harassment of Christians thought to be involved in proselytizing. There were reports of international aid organizations being falsely accused of or affiliated with proselytizing. Some Christians avoided situations where they might be perceived as seeking to spread their religion to the larger community. […]
Non-Muslim minorities such as Sikhs, Hindus, and Christians continued to face social discrimination and harassment and in some cases violence. This treatment was not systematic, but the government took no action to improve conditions during the year. Public opinion continued to be openly hostile toward Afghan converts to Christianity and to proselytizing by Christian organizations and individuals, even in cases where groups were falsely accused of proselytizing. Practicing Muslims and charities operated by Afghan Muslims have been wrongly accused of proselytizing about Christianity or conversion to Christianity as a way for their enemies to win personal disputes or vendettas.“ (USDOS, 30. Juli 2012)
Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt in ihrem Jahresbericht zur Religionsfreiheit vom März 2012, dass religiöse Minderheiten durch das Strafgesetz diskriminiert würden, da dieses Gerichten erlaube, etwa Abfall vom Glauben und Glaubensübertritt vor Scharia-Gerichten zu verhandeln. Dies führe dazu, dass diese Anklagepunkte mit dem Tod bestraft werden könnten. Der afghanische Staat habe niemanden wegen Abfalls vom Glauben hingerichtet, jedoch habe es in den Jahren 2010 und 2011 zwei Fälle von Nicht-Muslimen (Said Musa und Shoaib Assadullah) gegeben, die wegen Abfalls vom Glauben strafrechtlich verfolgt worden seien und möglicherweise von Todesurteilen betroffen gewesen seien. Eine Ehe sei formell nur für Muslime vorgesehen. Nicht-Muslime könnten heiraten, solange sie ihre Glaubensrichtung nicht öffentlich bekunden würden. Die wenigen afghanischen ChristInnen, vom Islam Konvertierte oder ihre Kinder, seien seit langem gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen und könnten diesen nicht in der Öffentlichkeit ausüben. Die Lage von ChristInnen habe sich im Mai 2010 nach einer Sendung von Noorin TV, die AfghanInnen bei der Taufe zeigte, verschlechtert. Die Sendung habe zu heftiger Kritik des religiösen Establishments geführt. Die afghanische Regierung habe die Tätigkeiten von zwei christlichen Hilfsorganisationen unter Anklage der Missionierung verboten. Beide Organisationen hätten diese Behauptungen zurückgewiesen und hätten Berichten zufolge ihre Arbeit fortführen können. Präsident Karsai habe seine Ministerien zudem damit beauftragt, KonvertitInnen ausfindig zu machen. Berichten zufolge seien 26 Personen verhaftet worden. Der Großteil sei kurz darauf freigelassen worden. Viele seien nach Indien geflohen, wo sie aus Angst vor religiöser Verfolgung, sollten sie zu einer Rückkehr gezwungen werden, um Flüchtlingsstatus angesucht hätten.
Said Musa, ein Christ, sei sechs Monate lang in Kabul inhaftiert gewesen, bevor er aufgrund internationalen und US-amerikanischen Drucks freigelassen worden sei. Musa sei Berichten zufolge mit seiner Familie aus dem Land geflohen. Im Oktober 2010 sei Shoaib Assadullah verhaftet und in Mazar-i-Sharif sechs Monate lang inhaftiert worden. Er sei beschuldigt worden, einem Freund eine Bibel gegeben zu haben. Er sei im Mai 2011 freigelassen worden und sein Aufenthaltsort sei nicht bekannt.
Die NGO Barnabas Fund habe berichtet, dass die Taliban soziale Medien nutzen würden, um ChristInnen zu bedrohen. Im Oktober 2011 hätten die Taliban auf ihrer Website eine Warnung veröffentlicht, dass jeder Afghane, der verdächtigt werde, zum Christentum konvertiert zu sein, zum Ziel eines tödlichen Angriffs werde. Im Jänner 2012 seien auf einem Taliban-Blog Bilder von getauften ChristInnen, einzelnen Taufurkunden und Gebetstermine veröffentlicht worden. Die einzige öffentliche Kirche in Afghanistan, die hauptsächlich von der ausländischen Gemeinschaft besucht worden sei, sei 2010 geschlossen worden, als der Grundbesitzer Berichten zufolge den 99-jährigen Pachtvertrag gebrochen habe. Die Gerichte hätten den Pachtvertrag nicht bestätigt und die Einrichtung sei im März 2010 zerstört worden:
„The penal code discriminates against religious minorities by permitting the courts to defer to Shari‘ah in cases involving matters that neither the penal code nor the constitution explicitly address, such as apostasy and conversion, resulting in those charges being punishable by the death penalty. While the Afghan state has not executed anyone for apostasy, there were two known cases in 2010-11 of non-Muslims being prosecuted for apostasy and potentially facing death sentences – Said Musa and Shoaib Assadullah (see below). Marriage is formally restricted to Muslims; non-Muslims can marry as long as they do not publicly express their faith.
The few Afghan Christians, converts from Islam or their children, have long been forced to conceal their faith and are unable to worship openly. The situation for Christians deteriorated after a May 2010 broadcast by Noorin TV showed Afghans being baptized. This broadcast set off a firestorm of criticism from the religious establishment. The Afghan government suspended the operations of two Christian relief groups on charges of proselytizing. Both groups rejected these assertions and reportedly have been allowed to resume their work in the country. President Karzai also tasked his ministries with tracking down converts. Reportedly, 26 individuals were arrested. The majority were released soon after. Many fled to India, where they have applied for refugee status due to a fear of religious persecution should they be forced to return.
However, Said Musa, a Christian, was detained in a Kabul prison for six months before quietly being released due to U.S. and international pressure. Musa was reported to have fled the country with his family. Later, Shoaib Assadullah was arrested in late October 2010 and was imprisoned in Mazar-i-Sharif for six months, after being accused of giving a Bible to a friend. He was released in May 2011 and his whereabouts are unknown.
The NGO the Barnabas Fund reported that the Taliban has used social media to threaten Christians. In October 2011, the Taliban released on its website a warning that any Afghan suspected of converting to Christianity will be targeted for death. In January 2012, a Taliban blog posted pictures of Christians being baptized, individual baptismal certificates, and worship times. The one public church in Afghanistan, which predominately was used by the expatriate community, closed in 2010 when the landowner reportedly breached its 99 year lease. The courts did not uphold the lease and the facility was destroyed in March 2010. The one synagogue located in Kabul is not used due to the departure of the Jewish population years ago.“ (USCIRF, März 2012, S. 287-288)
Das katholische, deutschsprachige Online-Magazin „Katholisches“ schreibt in einem Artikel vom März 2013 Folgendes:
„Aghanistan ist auf dem Papier ein ‚rein‘ islamisches Land. Es herrscht ein absolutes Evangelisierungsverbot. Den Christen ist das Zeigen von religiösen Symbolen strikt untersagt. Pater Giuseppe hat nur die Erlaubnis, einmal am Tag die Heilige Messe zu zelebrieren. Prozessionen sind nicht einmal innerhalb der Botschaft erlaubt. ‚Das tut unserer Freude und unserer Begeisterung keinen Abbruch, mit der wir uns auf Ostern zubewegen. Wir erleben und feiern die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, als würden wir uns in der herrlichsten Kathedrale befinden. Nicht der Ort ist entscheidend, sondern die Gegenwart Christi.‘ Der Auftrag von Pater Giuseppe richtet sich vor allem an die internationalen Soldaten, die in Afghanistan stationiert sind. Sie sind die einzigen, die offiziell überhaupt Kontakt zu ihm haben dürfen und die gleichzeitig Kontakt zur moslemischen Bevölkerung Afghanistans haben. ‚Das Evangelium wird auch durch sie weitergegeben‘, so der Pfarrer. Insgesamt sind sechs katholische Priester im Hochgebirsgland am Rand des Himalaja tätig. Die anderen haben den Rang von Militärkaplänen und sind auf die großen Militärstützpunkte der internationalen Truppen über das ganze Land verstreut. Die Tatsache, daß die christliche Präsenz weitgehend mit den im Land stationierten ausländischen Truppen möglich ist, ‚erleichtert die Aufgabe gegenüber der einheimischen Bevölkerung nicht‘, so Pater Giuseppe. Aber anders ist es fast nicht möglich‘, so der Pfarrer, der froh ist, daß die katholische Präsenz auch unabhängig vom Militär geregelt ist.“ (Katholisches, 30. März 2013)
Die christliche iranische Nachrichtenagentur Mohabat News berichtet im September 2012 unter anderem, dass ChristInnen täglich zum Ziel von Muslimen würden. Muslime würden sich auf das islamische Scharia-Recht berufen, um ChristInnen der Blasphemie anzuklagen. Einige afghanische Medien würden in Zusammenhang mit Konvertierung zum Christentum schreiben: „falls heilige islamische Regeln gegen Menschen wie Abdul-Rahman und Amin Mousavi umgesetzt würden, würde heutzutage niemand überlegen, zum Christentum überzutreten“. Der Wechsel zu einer anderen Religion werde als Verbrechen eingestuft, das in Afghanistan mit dem Tod bestraft werde. Darum würden afghanische ChristInnen ständig zum Ziel von muslimischen Extremisten und der Regierung. Im Jahr 2011 sei ein Video veröffentlicht worden, das Islamisten zeige, die einen afghanischen Christen enthaupten und den Propheten Mohammed zitieren würden: „Wer auch immer seine Religion wechselt, muss getötet werden“. Die Nachrichtenagentur AfghanTelex habe einen Bericht über den Übertritt zum christlichen Glauben von einigen Mitgliedern des afghanischen Parlaments veröffentlicht und geschrieben: „Missionierung und christliche Propaganda breitet sich im Land auf hoher Ebene aus, aber dies ist das erste Mal, dass jene, die sich selbst Vertreter des afghanischen Volkes nennen, nicht nur Abtrünnige werden, sondern in christliche Ministerien gehen, um zu missionieren“:
“The negative and suspicious view of Afghanis towards Christian activities has caused Christian groups and individuals including Christians with an Islamic background, to be targeted in this war-torn country. Christian evangelism has turned into a sensitive and complicated issue in the last 10 years. Muslims target Christians every day. They refer to the Islamic Sharia Laws to charge Christians with blasphemy. […]
Some Afghani domestic media mentioned a lack of seriousness from government towards those who have converted to Christianity as a reason for youth to embrace Christianity. These media wrote, ‘If sacred Islamic rulings were implemented against people like Abdul-Rahman and Amin Mousavi, today nobody would consider converting to Christianity. The execution of apostates is one of the controversial issues that have made their way into Afghani press. We should not trivialize the threat that exists against Afghani Christians. Changing one's religion is considered a crime that is punishable by death in Afghanistan. Therefore Afghani Christians are constantly being targeted by Muslim extremists and the government. A video was published in 2011 showing Islamists beheading an Afghani Christian and quoting the prophet of Islam, Mohammad, as saying ‘whoever changes their religion must be killed.’ […]
Christianity has spread not only among ordinary Afghans but also among Afghani elites and well-known figures. In this regard, AfghanTelex news service published a report on the conversion of some members of the Afghani Parliament to Christianity and wrote, ‘Evangelism and Christian propaganda is spreading in the country at a high level, but this is the first time that those who call themselves representatives of the Afghani people not only have become ‘apostates’ but have joined Christian ministries to evangelize.’” (Mohabat News, 13. September 2012)
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 17. April 2013)