Dokument #1026918
AI – Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Königreich Swasiland
Staatsoberhaupt: König Mswati III.
Regierungschef: Barnabas Sibusiso Dlamini
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Einwohner: 1,2 Mio.
Lebenserwartung: 48,7 Jahre
Kindersterblichkeit: 73 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 86,9%
Eine rechtsstaatliche Krise und die unfaire Entlassung eines Richters gefährdeten die Unabhängigkeit der Justiz. Die Behörden versuchten politische Proteste durch willkürliche und geheime Inhaftierungen sowie strafrechtliche Verfolgung aus politischen Gründen und exzessive Gewaltanwendung niederzuschlagen. Der Bericht eines Parlamentsausschusses machte deutlich, dass die Gesetze, die Wilderei verbieten, gewalttätigem Vorgehen gegen mutmaßliche Wilderer Vorschub leisten könnten. Hinsichtlich der Aufhebung von Gesetzen, die Frauen diskriminieren, waren nur geringe Fortschritte zu verzeichnen. Die Behandlung von HIV/AIDS war in steigendem Maße durch die sich verschlechternde Finanzlage des Landes gefährdet.
Die Finanzlage der Regierung von Swasiland verschlechterte sich dramatisch, und die Bemühungen der Regierung, von verschiedenen Gebern Kredite zu erhalten, verliefen ergebnislos. Dies war zum Teil darauf zurückzuführen, dass es der Regierung nicht gelang, Steuerreformen umzusetzen, und sie nicht bereit war, bestimmte Bedingungen wie die Umsetzung politischer Reformen innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens zu akzeptieren. Die Regierung ignorierte die mehrfachen Versuche von Organisationen der Zivilgesellschaft, einen Dialog über Schritte hin zu einer Mehrparteien-Demokratie aufzunehmen. Bei der Anhörung Swasilands im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat lehnte die Regierung im Oktober 2011 die Empfehlung ab, politischen Parteien die Teilnahme an Wahlen zu gestatten.
Die Chancen auf faire und unparteiische Gerichtsverfahren wurden durch eine aufziehende rechtsstaatliche Krise gefährdet. Auch Opfer von Menschenrechtsverletzungen waren von der Krise betroffen. Beschränkungen in Form einer "Anordnung zur Gerichtspraxis", die in den vom Obersten Richter geleiteten höherinstanzlichen Gerichten galt, machten es zivilen Klägern schwerer bzw. unmöglich, die Justiz in Fällen anzurufen, in denen der König indirekt als beklagte Partei betroffen war. Eine weitere Anordnung bestimmte, dass die Kontrolle über die tägliche Zuweisung von Fällen selbst bei dringenden mündlichen Verhandlungen ausschließlich beim Obersten Richter lag. Die Ernennung dieses Richters auf der Grundlage eines Zeitvertrages war vom König genehmigt worden. Die Beschränkungen führten zum Verlust der Neutralität in der Justizverwaltung, weil Prozessparteien oder Angeklagte in Strafverfahren sich in einigen Fällen nicht an Gerichte wenden konnten bzw. keine Chance auf ein faires Verfahren hatten. Im August initiierte der Juristenverband von Swasiland einen Boykott der Gerichte. Er protestierte damit gegen die genannten Entwicklungen sowie gegen die Weigerung der Behörden, sich der Beschwerden des Verbands über die Verwaltung der Gerichte und das Verhalten des Obersten Richters in angemessener Form anzunehmen. Der Verband überbrachte in den Wochen darauf dem Justizminister eine Petition, mit der dieser aufgefordert wurde, etwas zu unternehmen. Rechtsanwälte, die in der Nähe des Oberen Gerichts (High Court) demonstrierten, wurden dort mehrfach von bewaffneten Polizisten vertrieben. Nach Gesprächen mit der Justizverwaltungskommission (Judicial Service Commission - JSC) setzte der Juristenverband den Boykott zeitweilig aus. Den meisten Beschwerden des Juristenverbands wurde jedoch nicht nachgegangen.
Obwohl die Kommission für Menschenrechte und öffentliche Verwaltung bereits seit zwei Jahren bestand, gab es nach wie vor weder ein Gesetz, das ihre Arbeit regelte, noch genügend Mitarbeiter und geeignete Büroräume.
Gewerkschaften und andere Organisationen hatten vom 12. bis 14. April 2011 Demonstrationen geplant. Diese wurden jedoch von der Regierung im April verboten. Um die friedlichen Proteste gegen die Regierung zu unterdrücken, setzten die Behörden mehrere Tage lang notstandsähnliche Maßnahmen ein, darunter willkürliche und geheime Inhaftierungen und Hausarreste ohne rechtliche Grundlage. Unter den festgenommenen Personen waren auch führende Mitglieder der Studierendenvereinigung des Landes und verbotener Organisationen. Die Polizei ging mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vor.
Ein parlamentarischer Ausschuss, der eingesetzt worden war, um zu untersuchen, ob Wildhüter unter Einsatz von Gewalt gegen mutmaßliche Wilderer vorgegangen waren, stellte seine Schlussfolgerungen und Empfehlungen im August 2011 dem Parlament vor. Der Ausschuss hatte gewaltsame Vorfälle untersucht, bei denen mutmaßliche Wilderer und Wildhüter verletzt und getötet worden waren. In dem Bericht wurden neun Vorfälle erwähnt, bei denen Wildhüter angegriffen und 33 Fälle, bei denen mutmaßliche Wilderer angegriffen worden waren. Die meisten Fälle waren entweder noch in der Ermittlungsphase, lagen bei der Staatsanwaltschaft oder waren bei den Gerichten anhängig. Einige mutmaßliche Wilderer, die von Wildhütern verletzt worden waren, wurden auch auf der Grundlage der Neufassung des Wildschutzgesetzes belangt. Kein Wildhüter musste sich wegen tödlicher oder nicht tödlicher Schüsse vor Gericht verantworten. Der Ausschuss empfahl, bestimmte Bestimmungen des geänderten Wildschutzgesetzes dringend zu überarbeiten, weil diese als "Billigung brutalen Verhaltens gegenüber mutmaßlichen Wilderern" verstanden werden könnten.
Die Gesetzesvorlage über Sexualstraftaten und Gewalt in der Familie wurde im Parlament beraten, trat jedoch bis Jahresende nicht in Kraft.
Im Juni 2011 brachte die Regierung den Entwurf für die Änderung des Grundbuchgesetzes (Deeds Registry Act) ins Parlament ein. Sie reagierte damit auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Mai 2010. Danach war die Bestimmung, die den meisten verheirateten Frauen das Recht absprach, unter ihrem Namen ins Grundbuch einer Wohnung oder einer anderen Immobilien eingetragen zu werden, verfassungswidrig und musste geändert werden. Der Gesetzentwurf, der nicht genügend Schutzklauseln enthielt, war bis Jahresende noch nicht in Kraft getreten.
Das ins Parlament eingebrachte Staatsangehörigkeitsgesetz enthielt Bestimmungen, die Frauen diskriminieren, weil ihnen darin nicht das Recht zugestanden wird, ihren Kindern oder ihren ausländischen Ehemännern die Staatsbürgerschaft Swasilands weiterzugeben.
Bei der Anhörung im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat lehnte die Regierung im Oktober 2011 ab, die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen aufzuheben und Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu ergreifen.
Nach Angaben des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS UNAIDS war die Rate der HIV-Infizierten in Swasiland mit 26% nach wie vor extrem hoch, sie sank aber. In dem Bericht, den die Regierung im Juli für das UPR-Verfahren vorlegte, hieß es, dass 85% der Einrichtungen, die Schwangere versorgen, auch Therapien anbieten, mit denen die Übertragung von HIV von der Mutter auf das Kind verhindert werden kann. Die Regierung gab außerdem bekannt, dass sie die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine antiretrovirale Therapie in einem früheren Stadium der Krankheit angenommen habe. Im November 2011 wurden ungefähr 65000 Menschen mit HIV/AIDS behandelt.
Dennoch war der Zugang zu und die Einhaltung der Therapie für einige Patienten immer noch schwierig. Die Gründe dafür waren Armut, fehlende Verkehrsmittel im ländlichen Bereich, Mangel an Nahrungsmitteln, eine unzureichende Arzneimittelversorgung und - bedingt durch das schlechte Finanzmanagement des Landes - fehlende Finanzmittel.
Obwohl die Verfassung von 2006 die Anwendung der Todesstrafe erlaubt, haben seit 1983 keine Hinrichtungen mehr stattgefunden.
Es gab noch zwei weitere zum Tode verurteilte Personen in Swasiland. Regierungsvertreter gaben bei der Anhörung im Rahmen des UPR-Verfahrens im Oktober an, dass die Todesstrafe in Swasiland "in der Praxis abgeschafft" sei. Es sei jedoch eine "landesweite Diskussion" erforderlich, bevor die Todesstrafe per Gesetz abgeschafft werden könne.
Delegationen von Amnesty International besuchten
Swasiland im Juni und November.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)