Dokument #1023643
Amnesty International (Autor)
Arbeitsmigranten genossen nach wie vor keinen ausreichenden gesetzlichen Schutz gegen Ausbeutung und Misshandlungen durch ihre Arbeitgeber. Frauen wurden noch immer sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben benachteiligt und erlitten Gewalt. Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. Gerichte hielten sich nicht an die Standards für faire Gerichtsverfahren. Es wurden mindestens zwei Todesurteile verhängt. Meldungen über Hinrichtungen gab es keine.
Die ursprünglich für 2013 angesetzten Wahlen zur beratenden Versammlung (Madschlis asch-Shura) fanden nicht statt. Der ehemalige Emir hatte kurz vor seiner Abdankung als Staatsoberhaupt im Jahr 2013 die Amtszeit der beratenden Versammlung bis 2016 verlängert.
Ein Zerwürfnis zwischen Katar und anderen Staaten des Golfkooperationsrats, das sich Berichten zufolge u.a. an Katars Unterstützung der Muslimbruderschaft entzündete, führte im März 2014 zum Abzug der Botschafter Saudi-Arabiens, Bahrains und der Vereinigten Arabischen Emirate aus Katar. Im November wurde angekündigt, die Botschafter würden wieder nach Katar zurückkehren. Im September 2014 forderte Katar sieben prominente Vertreter der ägyptischen Muslimbruderschaft auf, das Land zu verlassen.
Von internationaler Seite wurde zunehmend die Forderung erhoben, die Regierung müsse stärker gegen die Verletzung der Rechte von Arbeitsmigranten vorgehen. Das Exekutivkomitee des Weltfußballverbands FIFA diskutierte bei seinem Treffen im März 2014 über die Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte und drängte die Behörden, das Problem im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar zu lösen.
Der UN-Menschenrechtsrat äußerte sich im Zuge der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung des Landes im Mai 2014 besorgt über die Verletzung der Rechte von Arbeitsmigranten, über die Gewalt gegen Frauen und ihre anhaltende Diskriminierung sowie über die Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit.
Ausländische Arbeitskräfte, die mehr als 90% der Arbeitnehmer Katars stellen, genossen 2014 weiterhin keinen ausreichenden gesetzlichen Schutz vor Ausbeutung und Misshandlungen durch ihre Arbeitgeber. Die Behörden versäumten es, die im Arbeitsgesetz von 2004 und in weiteren Dekreten vorgesehenen Schutzvorschriften entschlossen durchzusetzen.
Die Lebensbedingungen der Arbeitsmigranten waren häufig völlig unzulänglich. Viele Arbeiter berichteten, dass sie zu Überstunden verpflichtet wurden, die über das gesetzlich zulässige Maß hinausgingen, oder dass sie deutlich weniger Lohn erhielten als ursprünglich vereinbart. Manche Arbeitgeber bezahlten den Beschäftigten überhaupt keine Löhne oder sorgten nicht für notwendige Aufenthaltsgenehmigungen, ohne die Arbeitsmigranten Festnahme und Inhaftierung drohen.
Nur wenige ausländische Arbeitnehmer erhielten nach der Einreise ihre Reisepässe zurück. Etliche Arbeitgeber verweigerten ihren Beschäftigten die "Ausreiseerlaubnis", die unabdingbar ist, um das Land verlassen zu können. Bauarbeiter mussten häufig unter gefährlichen Bedingungen arbeiten. Gewerkschaften beizutreten oder zu gründen war Arbeitsmigranten nach katarischem Arbeitsrecht weiterhin verboten.
Die Regierung teilte mit, sie habe die Zahl der Inspektionen auf den Baustellen erhöht und gegen mehrere Unternehmen Sanktionen verhängt. Außerdem seien Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen ausländischer Arbeitnehmer geplant, darunter höhere Standards für deren Unterbringung und ein elektronisches System, um ihre Bezahlung sicherzustellen. Ende 2014 waren jedoch noch keine entsprechenden gesetzlichen Vorschriften erlassen worden.
Hausangestellte, bei denen es sich in der Mehrzahl um Arbeitsmigrantinnen handelte, sowie einige andere Arbeitskräfte waren weiterhin von den Schutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen. Sie waren damit in besonderem Maße Ausbeutung, Misshandlungen und sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Regierung versprach zwar mehrfach, gesetzliche Regelungen einzuführen, um dieses Problem zu bekämpfen, Ende 2014 war diesbezüglich jedoch noch nichts geschehen. Weibliche Hausangestellte, die sexuellen Missbrauch durch ihre Arbeitgeber anzeigten, liefen Gefahr, wegen "unzulässiger Beziehungen" strafrechtlich verfolgt und inhaftiert zu werden.
Das Sponsorengesetz aus dem Jahr 2009, das Arbeitsmigranten verbietet, ohne Genehmigung ihres Arbeitgebers ("Sponsors") den Arbeitsplatz zu wechseln oder das Land zu verlassen, wurde von Arbeitgebern weiterhin ausgenutzt. Ausländische Beschäftigte wurden auf diese Weise daran gehindert, sich im Falle von Misshandlung bei den Behörden zu beschweren oder den Arbeitsplatz zu wechseln. Außerdem bestand aufgrund des Sponsorensystems für Arbeitsmigranten ein hohes Risiko, Opfer von Zwangsarbeit und Menschenhandel zu werden. Im Mai 2014 kündigte die Regierung eine Reform des Sponsorengesetzes an.
Geplant war demnach, die Ausreise für Arbeitsmigranten zu erleichtern und ihnen einen Wechsel des Arbeitsplatzes zu erlauben, wenn sie fünf Jahre für einen Arbeitgeber gearbeitet hatten bzw. ihr Arbeitsvertrag erfüllt war. Ende 2014 war die angekündigte Reform jedoch weder verabschiedet noch ein entsprechender Gesetzentwurf veröffentlicht worden. Im April 2014 forderte der UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechte von Migranten die katarische Regierung nachdrücklich auf, das Sponsorensystem abzuschaffen.
Eine internationale Rechtsanwaltskanzlei legte im April 2014 einen Bericht zur Situation ausländischer Arbeitskräfte in Katar vor, den die Regierung in Auftrag gegeben hatte. Die Behörden machten das Dokument nicht öffentlich zugänglich, im Internet tauchte jedoch eine Version des Berichts auf, die mehr als 60 Empfehlungen enthielt. Die Regierung machte keine Angaben, ob eine Umsetzung dieser Empfehlungen geplant war.
Frauen wurden 2014 weiterhin durch Gesetze, politische Entscheidungen und alltägliche Hürden daran gehindert, ihre Menschenrechte in vollem Umfang auszuüben. Weil nach wie vor kein Gesetz existierte, das häusliche Gewalt unter Strafe stellte, waren Frauen Misshandlungen durch Familienmitglieder schutzlos ausgeliefert. Gesetzliche Regelungen zu Eheschließung, Scheidung, Staatsangehörigkeit und Bewegungsfreiheit diskriminierten Frauen.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung war aufgrund strikter Kontrollen 2014 weiterhin drastisch eingeschränkt; in den Medien war Selbstzensur weit verbreitet.
Der Dichter Mohammed al-Ajami, der auch unter dem Namen Mohamed Ibn al-Dheeb bekannt ist, befand sich weiterhin in Einzelhaft, nachdem der Oberste Gerichtshof am 20. Oktober 2013 seine Verurteilung zu 15 Jahren Gefängnis bestätigt hatte. Er war im November 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil er Gedichte geschrieben und vorgetragen hatte, die nach Ansicht des Gerichts den Staat und den Emir beleidigten. Im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß herabgesetzt. Nach seiner Festnahme war er drei Monate ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert, bevor ihm unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gemacht wurde. Die meiste Zeit seiner Inhaftierung verbrachte er bisher in Einzelhaft.
Im September 2014 trat ein neues Gesetz zur Internetkriminalität in Kraft. Es stellt die Verbreitung "falscher" Nachrichten und die Onlineveröffentlichung von Inhalten unter Strafe, die den "sozialen Werten" oder nationalen Interessen Katars schaden könnten. Aufgrund der vagen Formulierungen des Gesetzes war zu befürchten, dass die Selbstzensur unter Journalisten weiter zunehmen und im Internet geäußerte Kritik an der Regierung noch strikter verfolgt werden könnte.
Am 31. August 2014 nahmen Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Doha die beiden Menschenrechtsaktivisten Krishna Prasad Upadhyaya und Ghimire Gundev fest. Die britischen Staatsangehörigen galten eine Woche lang als "verschwunden", bevor die Behörden ihre Inhaftierung offiziell bestätigten und eine Kontaktaufnahme mit der britischen Botschaft erlaubten. Nach ihrer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt wurden sie am 9. September ohne Anklageerhebung freigelassen, konnten Katar jedoch erst am 19. September verlassen.
Die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten zeigte sich nach ihrem Besuch in Katar im Januar 2014 besorgt darüber, dass sich die Regierung in Gerichtsverfahren "einmische", insbesondere bei Fällen, die prominente Personen und Unternehmen betrafen. Weiterhin monierte sie Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze und die Nichteinhaltung internationaler Standards für faire Gerichtsverfahren.
Am 30. April befand ein Strafgericht in Doha drei philippinische Staatsangehörige der Spionage für schuldig. Ein Angeklagter wurde zum Tode verurteilt, die beiden anderen erhielten lebenslange Gefängnisstrafen. Die Schuldsprüche stützten sich weitgehend auf "Geständnisse", die unter Folter erpresst worden sein sollen. Alle drei Männer legten Rechtsmittel gegen die Urteile ein.
Mindestens zwei Personen wurden zum Tode verurteilt. Es gab keine Berichte über Hinrichtungen.
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Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Qatar (Periodischer Bericht, Englisch)