a-4508 (ACC-AZE-4508)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
Dzhafarov Dzhafar
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten leider keine Informationen dazu gefunden werden, ob Dzhafarov Dzhafar stellvertretender Oberst der OMON/OPON war und ob er sich Verbrechen gegen die Menschheit schuldig gemacht hat.
Im Bericht des Danish Immigration Service (DIS) über eine fact-finding mission vom 5. November 2002 werden in einer vom Human Rights Center of Azerbaijan erstellten Liste politischer Gefangener mit dem Datum 26. Jänner 2002 acht Personen mit dem Namen Djafarov genannt, darunter zwei Personen namens „Djafarov Djafar Mammed oglu“ bzw. „Djafarov Djafar Nureddin oglu“. Beide werden als Mitglieder der OPON bezeichnet, als Jahr der Inhaftierung wird bei beiden 1995 angeführt, als Länge der Haftstrafe 12 bzw. 11 Jahre (DIS, 5. November 2002, S. 48, Nr. 312 und 313 der Liste).
Tätigkeit der OMON bzw. OPON in den Jahren 1992 bis 1995
In dem Bericht des DIS wird erläutert, dass es sich bei OMON bzw. OPON (Otryad Milicii/Policija Osobogo Naznacenija) um eine Spezial-Miliz/Polizei-Brigade handle, die im Jahr 1991 als Spezialeinheit während der Sowjetzeit gegründet worden sei. Nach der Unabhängigkeit des Landes sei die OMON in OPON umbenannt worden. (DIS, 5. November 2002, S. 6, Fußnote 2)
 
Laut DIS-Bericht habe die OPON bereits am 2. Oktober 1994 in die Politik eingegriffen. Einheiten der OPON hätten damals das Gebäude des Generalstaatsanwalts in Baku besetzt und 40 Geiseln genommen. Dabei sei es zu Feuergefechten gekommen und die OPON habe einen Panzer erobert:
“OPON's first involvement in politics was the events of 2 October 1994 in Baku. Following an ordinary traffic accident in the Khatain area of the capital, the son of the Procurator-General Ali Omarov shot a driver; the prosecutor for that part of the town, Makhir Dzhavadov, dealt with the case. As a reaction to this Ali Omarov tried to pressurise him, and decided after first compromising him to sack him outright. On 2 October 1994 Makhir went to the Procurator- General's office and beat up Ali Omarov. Soon afterwards, Rovshan Dzhavadov and a group of OPON soldiers came and captured the Procurator-General's building and took 40 hostages, including Omarov. Following protracted negotiations, the armed OPON forces left the Procurator-General's building on the morning of 3 October and returned to their quarters. However, the building was soon surrounded by military vehicles (5 tanks, 1 personnel carrier and 1 armoured transport vehicle), and fire was exchanged for five minutes. Later it became known that the OPON forces had captured a tank.” (DIS, 5. November 2002, S. 33)
Zwischen 13. und 17. März 1995 sei die OPON laut der offiziellen Version der Behörden an einem Aufstand beteiligt gewesen, der später auch als versuchter Staatsstreich bezeichnet worden sei. Diese Ereignisse würden üblicherweise auch „März-Ereignisse“ genannt. 710 Personen seien in Folge dieser Ereignisse festgenommen worden, 373 zu Haftstrafen und zwei Menschen zum Tode verurteilt worden:
“In Azerbaijan the "events of March" are normally understood to refer to the events from 13 to 17 March 1995, when according to the authorities' official version the Special Police Brigade (OPON) staged "an uprising in which political demands were put forward', in the Kazakh and Agstafin region on the borders with Armenia and Georgia, and in the capital Baku. After being quelled by force of arms, the insurrection was later described as an attempted coup d'état, and led to the arrest of up to 710 people. Of these 207 (or 29%) were found innocent and released, 75 deserters (11%) not involved in the attempted coup were amnestied, and 7 (1%) received conditional sentences. 407 people were convicted, of whom 373 were sentenced to imprisonment and 2 were sentenced to be shot.” (DIS, 5. November 2002, S. 32)
Laut Anklagebehörde seien 45 Personen bei den Märzereignissen getötet worden, so der DIS-Bericht:
“According to information from the prosecution authority, 45 people were killed in the events of March, including 25 soldiers, 11 OPON soldiers, two policemen and seven civilians.” (DIS, 5. November 2002, S. 36)
Die OPON sei nach den März-Ereignissen aufgelöst worden, einiger ihrer Mitglieder seien in die gewöhnliche Polizei aufgenommen worden:
“The Institute of Peace and Democracy explained that following the events of March 1995, OPON was dismantled, and some of its employees were taken on by the ordinary police forces.” (DIS, 5. November 2002, S. 9)
Die Anführer der so genannten „März-Ereignisse“ seien die Brüder Rovshan and Makhir Dzhavadov gewesen. Ersterer sei stellvertretender Innenminister und damit für die OPON verantwortlich und letzterer Staatsanwalt in Baku gewesen:
“The leaders of the events of March were the brothers Rovshan and Makhir Dzhavadov. The former was the Deputy Minister for the Interior in Azerbaijan and was responsible for OPON. The other was the prosecutor in the Khatain quarter of Baku.” (DIS, 5. November 2002, S. 32)
An zwei anderen Stellen des DIS-Berichts wird erwähnt, dass Makhir Dzhavadov 1996 nach Österreich geflohen sei und dort Asyl erhalten habe:
“The Human Rights Center of Azerbaijan, the Institute of Peace and Democracy, a Western embassy (IV) which wished to be anonymous, and the Popular Front of Azerbaijan confirmed reports that Makhir Dzhavadov, brother of the late former leader of the OPON forces, Rovshan Dzhavadov, had been granted asylum in Austria and was now living in exile in Iran.” (DIS, 5. November 2002, S. 10)
“The note presented by the Institute of Peace and Democracy (Annex 2) states that CIS countries have extradited at least 13 individuals connected with the events of March 1995. According to the June 1995 figures, 29 people were still being sought in connection with the events of March. Some were arrested in 1996; one (the leader of the revolt, Makhir Dzhavadov) travelled to Austria in early 1996 where he was granted political asylum. At least one other was in the Netherlands.” (DIS, 5. November 2002, S. 15)
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) veröffentlicht auf ihrer Website einen Bericht von Eldar Zeynalov, Direktor des Menschenrechtszentrums in Baku, vermutlich aus dem Jahr 2000. Der Bericht schildert Folterungen, denen jene Menschen ausgesetzt worden seien, die nach den Ereingnissen vom März 1995 inhaftiert wurden:
„Immer noch gehetzt von albtraumhaften Qualen in einem aserbaidschanischen Gefängnis, betreibt Elchin Bekhbudov seine Rehabilitierung. Er ist ein früherer Beamter in der Koordinierungsgruppe der Präsidialverwaltung und wurde verhaftet im Gefolge des gescheiterten Putsches vom März 1995. Bekhbudov war einer von 37 Angehörigen der Sonderpolizeieinheit OPON, die man der Teilnahme an der Verschwörung beschuldigte, die der Stellvertretende Minister Rovshan Javadov angezettelt hatte, um die Regierung zu stürzen. Bekhbudov behauptet, daß er während der Verhöre immer wieder geschlagen wurde und daß man seine Beine in einen Schraubstock quetschte. Man unterzog ihn auch dem berüchtigten "Elefanten" - Ersticken mit Hilfe einer Gasmaske ohne Luftzufuhr. Unter der Androhung von Folter mit Elektroschocks unterzeichnete er ein umfassendes Geständnis und wurde dann sofort ins Gefängnis abgeführt. Aber Bekhbudov kann sich noch glücklich schätzen. Im März 1996 aus dem Gefängnis entlassen, streitet er seitdem für die Wiederaufnahme seines Verfahrens und bemüht sich, seine Peiniger vor Gericht zu bringen. Andere Angeklagte der berüchtigten "Strafsache der 37" schmachten noch immer in aserbaidschanischen Gefängnissen und haben kaum Hoffnung auf eine baldige Entlassung. Bis 1996 litten die Opfer der Polizei-Brutalitäten schweigend. Die Gefangenen hofften, ihr Stillschweigen würde sich günstig auf die Urteile auswirken, während die Angehörigen fürchteten, daß offizielle Beschwerden die gegenteilige Wirkung haben würden, was die Behandlung der Gefängnisinsassen betrifft. Tod im Polizeigewahrsam blieb nämlich ohne Strafverfolgung.
Der "Strafsache gegen die 37" folgte im Sommer 1995 die sogenannte Verschwörung der Generäle, ein zweiter Versuch eines Staatsstreichs, in den der Stellvertretende Verteidigungsminister und zwei weitere Generäle neben anderen verwickelt waren. In beiden Prozessen beschwerten sich die Angeklagten, daß man sie während der Untersuchung brutalen Verhörmethoden unterworfen habe. Generäle, Soldaten, Journalisten und Geschäftsleute, die sich vor dem Prozeß nicht gekannt hatten, schilderten die gleichen Foltermethoden. 19 der 21 Angeklagten der "Verschwörung der Generäle" sagten aus, daß sie gefoltert wurden. Ähnliche Aussagen machten 25 Angeklagte in der "Strafsache der 37" sowie 30 Zeugen im Prozeß des früheren Premierministers Suret Huseynov, der wegen seiner Verwicklung in den Putsch vom Oktober 1994 zu lebenslänglich verurteilt wurde. Versuche, die Zeugenaussagen der Opfer gerichtlich nachzuprüfen, blieben weitgehend ergebnislos. In der "Strafsache der 37" erhielten lediglich fünf von 25 Angeklagten, die über Polizei-Brutalitäten berichtet hatten, Gelegenheit, von Sachverständigen überprüft zu werden. Unter diesen fanden sich drei, bei denen Rippenbrüche festgestellt wurden. Der Richter wies die Beschwerden jedoch später aus dem Grunde zurück, daß die Verletzungen von OPON-Angehörigen herrühren könnten, die im Rahmen ihrer Pflichterfüllung gehandelt hätten.
Nach Zahlen, die das Menschenrechtszentrum in Baku veröffentlicht hat, wurden im Gefolge des Putsches von März 1995 710 Verdächtige verhaftet. Von diesen wurden 207 wieder entlassen, nachdem die Staatsanwaltschaft die Beschuldigungen gegen sie niedergeschlagen hatte. Weitere 75 fielen unter eine Amnestie und sieben wurden bedingt außer Verfolgung gesetzt. Sogar nach den offiziellen Zahlen erwiesen sich später ein Drittel der verdächtigten "Verräter" als völlig schuldlos.“ (IGFM, vermutlich Jahr 2000)
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.
Quellen: