Dokument #1001059
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor)
Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
Bezüglich einer Rückkehr allein stehender weiblicher Personen ohne Unterstützung in den Kosovo warnt die UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) in ihrer Stellungnahme vom 9. August 2005 vor sozialer und wirtschaftlicher Isolation und betont die besondere Problematik für Frauen, die von ihrer Herkunftsfamilie verstoßen wurden:
„Im Kosovo stellt weiterhin die Großfamilie die wichtigste soziale Institution dar. Sie gewährt Schutz und Unterstützung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Generell wird von Frauen erwartet, dass sie entweder in die Familie ihres Mannes oder die Herkunftsfamilie zurückkehren. Sollte dies nicht möglich sein, etwa weil die Frau nicht verheiratet ist oder weil ihre Herkunftsfamilie sie verstoßen hat, dann besteht für se kaum ein anderer Zufluchtsort. Daher droht alleinstehenden Frauen im Falle der Rückkehr in das Kosovo ohne den Rückhalt durch den Familienverbund soziale und wirtschaftliche Isolation. Staatliche oder gesellschaftliche Institutionen, die dies auffangen könnten, gibt es im Kosovo praktisch nicht.
Weiterhin ist zu bedenken, dass Frauen im Kosovo traditionell nicht erwerbstätig waren. Auch heute noch sind die wenigen regulären Arbeitsplätze, einschließlich beispielsweise in der Gastronomie, fast ausschließlich von Männern besetzt. Im Übrigen hängt der Erfolg bei der Suche nach einem Arbeitsplatz in aller Regel von Beziehungen ab. Auf dem informellen Arbeitsmarkt (der gegenüber dem regulären Arbeitsmarkt praktisch von wesentlich größerer Bedeutung ist) herrscht das Gesetz des Stärkeren. Hierdurch sind Frauen, aber auch Rückkehrer ohne ein ausgeprägtes Beziehungsgeflecht ohnehin spürbar benachteiligt. Alleinstehende Frauen können sich auf dem informellen Arbeitsmarkt faktisch überhaupt nicht durchsetzen.
Das chronisch unterfinanzierte Sozialhilfesystem im Kosovo kann nur Grundleistungen erbringen, die für sich alleine zur Existenzsicherung nicht ausreichen. Der derzeitige Sozialhilfesatz beträgt für eine Person 32,5 Euro/Monat, für 2 Personen 45 Euro/Monat. Dies reicht nicht einmal für den Erwerb von Grundnahrungsmitteln.
Weitergehende finanzielle Hilfen werden auch alleinstehenden Frauen nicht gewährt.
Es muss davon ausgegangen werden, dass alleinstehende Frauen auch bei der Wohnungssuche benachteiligt sind. Vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten stehen allenfalls für Gewaltopfer, nicht jedoch generell für alleinstehende Frauen zur Verfügung. Diese Einrichtungen, wie beispielsweise das „Center for Protection of Women and Children“ (in Pristina und Prizren), die psychosozialen und rechtlichen Beistand für Opfer häuslicher Gewalt organisieren, sind jedoch hoffnungslos überlastet.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Organisationen und Initiativen, u.a. die von UNHCR unterstützte „Kosovo Women`s Initiative“, die sich zum Ziel gesetzt haben, Frauen im Kosovo in praktischer Hinsicht und auf institutioneller Ebene zu unterstützen. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass zwar eine flächendeckende Unterstützung von Frauen angestrebt wird, das alleinige Vorhandensein dieser Initiativen und Projekte allerdings nicht zwangsläufig bedeutet, dass effektive Hilfe und Unterstützung überall und jederzeit verfügbar sind.“ (UNHCR, 9. August 2005)
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) geht in ihrem Bericht zur Bedeutung der Tradition im heutigen Kosovo vom November 2004 auch auf den Themenkomplex Frauen in der kosovarischen Gesellschaft ein und nennt folgende zentrale Problembereiche: Arbeitslosigkeit, die psychosoziale Situation von Frauen (Traumatisierung), die Lebenssituation allein stehender bzw. allein erziehender Frauen, Frauenhandel, Prostitution bzw. Zwangsprostitution. Hierbei betont die SFH explizit, dass allein stehende / allein erziehende Frauen keine Lebensbasis hätten:
„Aktuelle Situation alleinstehender Frauen
Nach Einschätzung der beiden befragten Frauenorganisationen sind die grössten Probleme der Frauen ökonomische Fragen und soziale Fragen. Die Wirtschaft hat noch nicht zu funktionieren begonnen. In Gjakove zum Beispiel liegt die Arbeitslosenquote bei 85 Prozent. Von den 15 Prozent, die Arbeit haben, sind fünf Prozent Frauen. 40 Prozent aller Arbeitsstellen konzentrieren sich in Prishtina.
Die psychosoziale Situation ist das zweite grosse Problem. Es gibt ein grosses Mass an Traumatisierung, von dem vor allem Frauen und Kinder betroffen sind. Sie haben die Ermordungen ihrer Männer oder Eltern miterlebt oder selbst Misshandlungen und Vergewaltigungen erfahren. Allein in Gjakove gibt es 1750 alleinstehende Frauen, Kriegswitwen, andere Witwen und sonst alleinstehende Frauen. Die Position dieser Frauen ist selbst dann schwierig, wenn sie mit ihrer Herkunftsfamilie oder der Schwiegerfamilie leben können, besonders im ruralen Bereich. Die Frauen können viele Entscheidungen nicht selbst treffen, sondern müssen andere Familienmitglieder um Zustimmung fragen, selbst wenn es sich bei diesen um männliche Kinder handelt.
Alleinstehende/alleinerziehende Frauen haben keine ausreichende Lebensbasis. Sie erhalten wenig Sozialhilfe (30 bis 60 Euro pro Monat pro Haushalt, je nach Zahl der Familienmitglieder). Die Arbeitslosigkeit ist im Zunehmen begriffen und ist für Frauen ohnehin höher als für Männer. Arbeitslosenunterstützung gibt es in Kosovo keine. Die Frauen sind oft nicht ausgebildet. Es fehlt an Wohnraum, die Eigentumsrechte liegen ohnehin bei den männlichen Angehörigen. Alimente der Väter sind wegen deren Arbeitslosigkeit nicht realisierbar, die Gerichte überlastet.
In der Nachkriegsperiode haben — mit der Präsenz internationaler Truppen und Organisationen — in Kosovo Frauenhandel und Prostitution zugenommen. Während anfangs vor allem junge Frauen aus Osteuropa der Prostitution zugeführt wurden, sind es inzwischen viele Mädchen und Frauen aus Kosovo, die vom Frauenhandel betroffen sind. Sie stammen zumeist aus ländlichen Regionen, sind oft zwischen elf und 18 Jahren alt, nicht oder schlecht ausgebildet. In einer kleinen und überschaubaren Region wie Kosovo bleibt das nicht verborgen. Frauen ohne familiäre Unterstützung sind besonders gefährdet, Opfer von Zwangsprostitution zu werden. Die Gewährung physischer und psychischer Sicherheit für diese Frauen, gesellschaftliche Rehabilitation, die Rückkehr in die Schule oder zu den Familien sind Aufgaben, für die es derzeit noch keine geeigneten Institutionen gibt.“ (SFH, 24. November 2004, S. 13-14)
In einem Gutachten zur Sorgerechtsregelung und Rückkehrperspektive für eine allein erziehende Frau aus Kosovo von August 2004 geht die SFH noch detaillierter auf die wirtschaftlichen Probleme, die sich allein stehenden Frauen im Kosovo stellen, ein:
„Lebenssituation und Erwerbsmöglichkeiten für allein stehende Frauen in Kosovo
In der Frage wirtschaftlicher Unterstützung einer alleinstehenden Frau ohne verwandtschaftliches Beziehungsnetz hätten die staatlichen Institutionen einzuspringen, jedoch gibt es kein soziales staatliches Auffangnetz in Kosovo, das diesen Namen verdienen würde. Hilfe bei der Wohnungssuche kann sie nicht erwarten. Die UN Übergangsverwaltung betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, Rückkehrerlnnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Internationale Organisationen, die in diesem Punkt helfen könnten, gibt es nicht mehr. Wie wir bei mehreren Recherchen festgestellt haben, fühlen sich die örtlichen Behörden in aller Regel ausserstande, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen zu finden, die nicht in ein intaktes Haus zurückkehren können. Nur über Private, d.h. über ein verwandtschaftliches Beziehungsnetz, wäre eine Unterbringung aussichtsreich.
Die Gewährung von Sozialhilfe wird äusserst restriktiv gehandhabt, ein grosser Teil der Bedürftigen erhält keine Sozialhilfe. Der Höhe nach liegen die maximalen Sätze zwischen 32, 50 Euro und 60 Euro pro Monat. Diese Sozialhilfesätze sind bei den heutigen Lebenshaltungskosten in Kosovo in keiner Weise existenzsichernd und werden nur einem Teil der tatsächlich bedürftigen Personen ausgezahlt. Die Bedingungen für die Gewährung von Sozialhilfe sind die folgenden: Keine Person im Haushalt, welche eine Arbeitsstelle hat oder arbeitsfähig ist. Ein Kind muss unter 5 Jahre alt sein. Weniger als 5000qm (0.5 Hektar) Arbeitsland stehen zur Verfügung. Kein Auto vorhanden. […].
Die allgemeine Arbeitslosigkeit wird auf 70 Prozent geschätzt. Erwerbslosigkeit in Kosovo nimmt nicht ab, sondern steigt. Sie hat innerhalb der letzten zwei Jahre zugenommen. 8 Zu den wenigen offenen Stellen haben eher Männer Zugang, sicher nicht alleinstehende weibliche Rückkehrerinnen, die sich um die kleine Kinder kümmern müssen. Frauen sind — ungeachtet aktueller Gleichstellungsbemühungen - aus kulturellen und sozialen Gründen bei der Arbeitssuche benachteiligt. […] Alleinstehende Frauen zählen auch aus diesem Grund zu den verletzlichsten Gruppen in Kosovo.
Es gibt nichtstaatliche Institutionen in Kosovo, die sich für die Interessen von Frauen wie der Gesuchstellerin einsetzen könnten, etwa das Zentrum für die Verteidigung von Frauen und Kindern, CPWC (Albanisch: Quendra pr Mbrojtjen e gruas dhe fmijs QMGF), das Büros in verschiedenen Städten Kosovos unterhält. Es gibt auch weitere Projekte mit ähnlicher Zielrichtung. Diese Organisationen engagieren sich in Gesundheitsfragen, humanitären Anliegen, und bieten psychologische, soziale und auch rechtliche Beratung an. Wir haben aufgrund von mehreren Recherchen Kenntnis von den Limiten der Arbeit dieser Nichtregierungsorganisationen. Die Grenzen liegen einerseits in spezifischen Schwerpunktsetzungen der Programme (z.B. primärer Einsatz für Frauen, die Opfer bei Vergewaltigung oder anderer Kriminalität wurden), vor allem aber darin, dass solche Frauenorganisationen alleine zu schwach sind, traditionelle Strukturen oder Verhaltensweisen zu ändern oder zu bekämpfen. […]“ (SFH, 24. November 2004 , S. 5-7)
Auch das US Department of State bezeichnet in seinem Länderbericht 2005 zu Serbien und Montenegro (inklusive Kosovo) Gewalt gegen Frauen, Diskriminierung von Frauen sowie Frauenhandel als ernst zu nehmende Probleme:
„Violence and discrimination against women remained significant problems. Trafficking in persons, particularly women for sexual exploitation, was a serious problem.“ (USDOS, 28. Februar 2005, KOSOVO-Einleitung)
Weiters weist das USDOS in seinem Länderbericht vom Februar 2005 häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Prostitution, sexuelle Belästigung und den traditionell niedrigeren sozialen Status als Probleme aus, von denen Frauen im Kosovo betroffen sind:
„Women
Violence against women, including rape and a high level of domestic violence and spousal abuse, remained a serious and persistent problem. UNMIK regulations prohibit domestic violence and carry prison terms of 6 months to 5 years. Several court orders were issued during the year to protect victims of domestic violence.
Domestic abuse of women was common, and legal allegations and prosecutions involving domestic violence increased for the second year. The Center for Protection of Women and Children (CPWC), a local NGO, estimated that it received approximately 4,700 requests for assistance from victims of violence during the year. UNMIK DOJ Victim Advocacy and Assistance Unit (VAAU) victim advocates were involved in 765 domestic violence cases. The Kosovo judicial system processed 188 cases of domestic violence during the year; 52 of the 53 completed cases resulted in convictions, with sentences ranging from judicial reprimands to imprisonment. Traditional social attitudes towards women may contribute to the high level of domestic abuse and low number of reported cases. The OSCE, the Office of the Prime Minister, and the UNMIK Department of Justice launched a public information campaign On November 25 to help raise awareness. The KPS School included special training segments on domestic violence and rape in its curriculum.
UNMIK regulations criminalize rape. On April 6, a new criminal code was implemented, including a comprehensive chapter with increased punishments for rape and sexual assaults; however, spousal rape was not specifically addressed. Rape was underreported significantly due to the cultural stigma attached to victims and their families. According to UNMIK, victim advocates provided services to victims in 31 cases of rape. During the year, courts processed 42 cases of rape resulting in 52 convictions, some cases involving multiple defendants.
There were no governmental agencies dedicated to dealing with family violence; however, four shelters assisted victims of domestic violence and trafficking, two run by local NGOS and two by international NGOs. Several domestic and international NGOs pursued activities to assist women; however, they were constrained by a tradition of silence about domestic violence, sexual abuse, and rape.
The law prohibits prostitution, but prostitution remained prevalent. The UNMIK Police Trafficking and Prostitution Investigation Unit (TPIU) actively investigated cases of prostitution and suspected trafficking in persons (See Section 5, Trafficking). Trafficking in women for the purpose of sexual exploitation was a serious problem (see Section 5, Trafficking).
There was no specific law against sexual harassment. Social awareness of sexual harassment remained low, and few cases were reported.
Women have the same legal rights as men, but traditionally not the same social status, which affected their treatment within the legal system. Despite a lack of legal impediments, relatively few women obtained upper-level management positions in commerce or government. Traditional social attitudes toward women resulted in discrimination. In some rural areas, women often had little ability to make decisions involving their children or to exercise control over property. While women and men have equal rights to inherit property under Kosovo law, family property customarily passes only to men. Albanian widows, particularly in rural areas, risked losing custody of their children due to a custom calling for children and property to pass to the deceased father’s family, while the widow returns to her birth family.
In June, UNMIK ratified the Law on Gender Equality, the first law initiated by an Assembly committee rather than by the Government. The UNMIK Office of Gender Affairs coordinated gender issues. During the year, UNMIK transferred authority over 26 Albanian and 4 Serb municipal gender officers to the Office of Gender Issues in the Prime Minister’s Office of Good Governance. Ministries completed the appointment of ministry-specific "gender focal points"; however, officials who also held unrelated responsibilities often ignored gender issues.
UNMIK police and the OSCE continued an outreach campaign to recruit women for the KPS, in which they made up 15 percent of KPS membership. However, only approximately 77 out of 3,000 active duty KPC members were women (3 percent). Women continued to be active in politics, and several women served as heads of domestic NGOs. While the number of women with jobs continued to increase, female unemployment remained high at around 70 percent, and very few rose to senior levels, including in the KPS or other government organizations.“ (USDOS, 28. Februar 2005, Section 5)
Amnesty International (AI) betont im Jahresbericht 2005 vor allem die Gefahr des Frauenhandels und der Zwangsprostitution:
„Frauen- und Mädchenhandel zwecks Zwangsprostitution
Der Handel mit Frauen und Mädchen, die zur Prostitution gezwungen wurden, blieb weiterhin ein ernsthaftes Problem. Die Zahl der Festnahmen und der gegen Menschenhändler eingeleiteten Strafverfahren war nach wie vor relativ gering. Maßnahmen zum Schutz von Zeugen fehlten weitgehend. Nach drei Jahren Diskussion war immer noch keine Einigung hinsichtlich der Verabschiedung einer Verwaltungsrichtlinie erzielt worden, um die 2001 erlassenen gesetzlichen Bestimmungen zur Unterbindung des Menschenhandels umzusetzen und sicherzustellen, dass die Opfer des Menschenhandels Betreuung und Schutz sowie Wiedergutmachungen erhalten. Auch der ursprünglich für Ende Juli angekündigte Aktionsplan gegen Menschenhandel war bis Ende des Berichtszeitraums immer noch nicht ausgearbeitet worden.“ (AI, 25. Mai 2005)
Zur genaueren Information zum Thema Frauenhandel im Kosovo möchte ich Sie auf den Bericht „So does it mean that we have the rights? Protecting the human rights of women and girls trafficked for forced prostitution in Kosovo“ von Amnesty International (AI) vom 06. Mai 2004 hinweisen. (Siehe Quellenangaben)
Amnesty International (AI) berichtet im Jahresbereicht zu Serbien und Montenegro von 2005 von Anschlägen gegen Angehörige von Minderheitengruppen in Serbien und Montenegro. Diese stellten eine Reaktion auf die ethnischen Unruhen im Kosovo im März 2004 dar:
„Übergriffe auf Minderheiten
Als Reaktion auf die von Albanern im März verübten schweren Übergriffe auf serbische Gemeinschaften im Kosovo kam es zu zahlreichen Anschlägen gegen in Serbien lebende Minderheiten, bei denen auch Moscheen in Belgrad und Nis zerstört wurden. Die Behörden gaben bekannt, dass sie im März in Belgrad 88 Personen wegen Angriffen auf Polizisten und 53 Personen wegen gewalttätiger Ausschreitungen festgenommen haben. In Nis wurden nach offiziellen Angaben neun - später hieß es elf - Menschen im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf die Hadrovic-Moschee inhaftiert. Im Mai wurden in der Vojvodina 24 Personen wegen Übergriffen auf Geschäftsräume von Albanern und Angehörigen der Minderheit der Gorani festgenommen. Die Zahl der Ausschreitungen gegen Minderheiten in der multi-ethnischen Region Vojvodina stieg an. Im Juni berichtete das nichtstaatliche Helsinki-Komitee für Menschenrechte in Serbien, dass seit den serbischen Parlamentswahlen im Dezember 2003, bei denen die nationalistische Serbische Radikale Partei (Serbian Radical Party - SRS) die meisten Sitze errungen hatte, 40 solcher Übergriffe stattgefunden hätten.“ (AI, 25. Mai 2005)
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) betont im Juni 2005, dass es deutliche Fortschritte beim Aufbau einer multiethnischen Gemeinderegierung sowie in der Sprachenfrage gebe und ein bewaffneter Konflikt im Presevo-Tal derzeit nicht in Aussicht stehe, jedoch gäbe es Widerstand gegen Integrationsbestrebungen seitens der serbischen Bevölkerung, welche sich im Tal in einer Minderheitenposition befinde und um ihre Zukunftsperspektiven fürchte. Die desolaten ökonomischen Verhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit würden diese Tendenz verstärken:
„Im Presevo-Tal in Südserbien leben 70’000 ethnische AlbanerInnen und 30’000 ethnische SerbInnen. Besonders in Presevo bildet der serbische Bevölkerungsteil eine klare Minderheit. Der Alltag von AlbanerInnen und SerbInnen findet in weitgehend getrennten Lebenswelten statt. Jedoch sind nicht nur die ethnischen Gemeinschaften getrennt, auch die albanische politische Elite ist gespalten zwischen denen, die für die Integration in die serbischen Strukturen sind und denjenigen, die eine «Ost-Kosovo Lösung» favorisieren. Diese Frage spaltet sogar die einzelnen albanischen Parteien. Nach den Konflikten in den Jahren 2000 und 2001 ist die Mehrheit der albanischen Bevölkerung in Südserbien gegen ethnisch motivierte Gewalt und befürwortet - wenn auch widerstrebend - die Integration in serbische Strukturen, dies in der Hoffnung, eine bessere Mitwirkung in politischen und administrativen Fragen und eine verbesserte ökonomische Perspektive zu erreichen.
Deutliche Fortschritte wurden mit der Bildung neuer multiethnischer Gemeinderegierungen, gemischtethnischen Polizeikontrollen und Verbesserungen in der Sprachenfrage erzielt. In anderen Bereichen sind die Resultate enttäuschend, etwa in der Frage der Bildungsreform und der Beschäftigung von AlbanerInnen in der Gerichtsbarkeit, dem Gesundheitssystem und in den Unternehmen.
Die Integration des albanischen Bevölkerungsteils in serbische Strukturen geschieht gegen den Willen der lokalen SerbInnen, die im Tal in einer Minderheitensituation sind und um ihre Zukunftsperspektiven fürchten. Zugleich kann eine stärkere Berücksichtigung legitimer albanischer Interessen nur auf Kosten serbischen Einflusses geschehen. Darin liegt Zündstoff und nur der Druck der internationalen Gemeinschaft kann Belgrad dazu bringen, die versprochenen Reformen einzuhalten und die früheren UCPMB-Kommandanten zu überzeugen, dass Gewalt und eine Änderung des Status des Presevo-Tals nicht toleriert werden.
Die bisherige Nichtbeteiligung der AlbanerInnen an der von Nebosja Covic geleiteten Koordinationsgruppe hat dazu beigetragen, dass zahlreiche Probleme ungelöst blieben. Fehlende Fortschritte haben die extremistischen Kräfte auf beiden Seiten gestärkt. Die albanischen Gemeindevertretungen werden neu in der Koordinationsgruppe mitwirken können.
Bewaffneter Konflikt steht im Presevo-Tal derzeit nicht in Aussicht, jedoch bilden die desolaten ökonomischen Verhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit besonders unter der albanischen Bevölkerung ein dauerndes Gefährdungspotential. Die Ängste der serbischen Bevölkerung über die mittel- und langfristige Zukunft werden bleiben.“ (SFH, 1. Juni 2005, S. 15-16)
Über positive Entwicklungen im Zusammenleben der albanischen und serbischen Bevölkerung im Süden Serbiens berichtet auch Human Rights Watch (HRW):
“In a positive development, in areas of southern Serbia bordering Kosovo and mainly inhabited by ethnic Albanians, the authorities have made initial steps to include Albanians in the judiciary and to incorporate Albanian culture and history in the local school curriculum.” (HRW, Jänner 2006)
Das UK Home Office beschreibt in seinem Länderbericht vom April 2005 die ethnische Aufteilung der Bevölkerung in der Region Presevo sowie die Entwicklung des Konfliktes. Weiters geht es auf die Maßnahmen im Rahmen des sog. Covic-Plans und deren Umsetzung ein und zitiert das US Department of State (USDOS) in seiner Beschreibung von Übergriffen der Polizei auf die albanische Bevölkerung:
„The Presevo Valley
S.6.64. The Presevo Valley is an area in southern Serbia close to the border with Kosovo, which comprises the municipalities of Presevo, Bujanovac and Medvedje. It is estimated that there are up to 100,000 ethnic Albanians living in the area, where they form the majority of the population, according to Humanitarian Law Center (Belgrade) in report of 2002, `Albanians in Serbia’. The International Crisis Group in their December 2003 report, Southern Serbia’s Fragile Peace, give figures of the various ethnic populations from the 2002 Serbian Census of the area: Presevo - 31,098 Albanians, 2,984 Serbs, and 322 Roma; Bujanovac - 23,681 Albanians, 14,782 Serbs, 3,867 Roma; Medvedja - 7,163 Serbs, 2,816 Albanians and 109 Roma.
S.6.65. The Europa Regional Survey of Central and Southeastern Europe, 5th edition, 2005 gives the following background information regarding the Presevo valley ethnic Albanian community: although disadvantaged in social, political and economic terms, ethnic Albanians showed a high degree of integration and co-operation with the Serb population and authorities until late 1999. From December 1999, a growing number of violent attacks on Serb police targets started occurring in the area, causing considerable unrest. The attacks were carried out by an ethnic Albanian military group called the UCPMB (Ushtria Clirimtare e Medvedja, Presheve Bujanovac - Liberation Army of Presheve, Medvedje and Bujanovac). The group is thought to have been an offshoot of the KLA/UCK and its aim appears to have been to gain greater autonomy for ethnic Albanians in the Presevo area. During the year 2000, attacks by the UCPMB on Serb forces escalated, with over 30 Serb police officers killed. Fearing an escalation of the fighting, several thousand ethnic Albanians fled the area for Kosovo.
S.6.66. In 2001, the Deputy Prime Minister of Serbia, Mr Nebojsa Covic, acknowledged that ethnic Albanians in the Presevo area had grievances in relation to the discrimination they suffered (according to A Radio Free Europe newsport of 15 February 2001) and indicated that the situation could only be resolved by negotiation. Mr Covic put forward a detailed peace plan to NATO in February 2001.
S.6.67. According to the (UK) Foreign and Commonwealth’s chronology of events in or affecting Kosovo, assembled in July 2002, in May 2001, the UCPMB accepted an amnesty from the Serb authorities. Continuing, the report states, the organisation handed over significant quantities of weapons, disbanded and withdrew from the Presevo area. Also according to the (UK) Foreign and Commonwealth’s chronology of events in or affecting Kosovo, assembled in July 2002, on 3 June 2002, the FRY assembly formerly passed the amnesty law for persons suspected of committing terrorist acts in southern Serbia between 1 January 1999 and 31 May 2001. The Humanitarian Law Center confirmed later in 2002 that the amnesty has been implemented correctly.
S.6.68. Following the Covic plan, the Serb authorities undertook to implement a series of “confidence building measures” in Southern Serbia. A Radio Free Europe news article of 15 February 2001 outlined the following measures, including:
Making the ethnic balance of those employed in state services, business and social activities reflect that of the population of the area.
Guaranteeing ethnic Albanians “an appropriate level of representation” in municipal councils and assemblies, as well as Serbia’s parliament.
Making the police force in the area ethnically mixed, with one ethnic Albanian police officer for every Serb.
Economic regeneration of the area, including the repair of all Albanian houses to accommodate displaced Albanians who wish to return to the area.
S.6.69. UNHCR undertook a detailed assessment of implementation of the Covic plan in January 2002. Significant progress had been made in many areas. In particular, a multi-ethnic police force had been established with training provided by the OSCE. By the end of 2002 the Multi-Ethnic Police Force (MEPF) had been deployed throughout Southern Serbia, according to the US State Department Report for 2002, and were trained in modern police tactics, according to an OSCE news report of April 2002. The International Crisis Group’s assessment (in their December 2003 report) of the implemention of the Covic Plan is more critical:
`Many non-governmental and multilateral organisations have played important supporting roles in reconstruction, refugee return, democratisation and media training. In short, the international community has been the oil that greases the wheels of the peace process. Nevertheless, there is a sense among Albanians of the Presevo Valley that the Covic Plan is not delivering the promised end to tensions with Serbian security forces and prosperity.’
S.6.70. The Balkan Crisis Report has been following the political hopes of the ethnic Albanians of the south Serbian region, with information following from the BCR’s news reports. Many ethnic Albanians continue to hope that the Presevo Valley region will one day be transferred to Kosovo in exchange for Serb enclaves on the Kosovo side of the border. Accordingly, some 65,000 ethnic Albanians refused to vote in the Serbia Republic level elections in October 2002. Ethnic Albanian leaders have also indicated that they will refuse to undertake national service with the Serbian forces. In August 2003, it was reported that South Serbia’s Albanian political parties had created a unilateral association, the National Council of Albanians. Most South Serbian Albanians have reportedly welcomed the NCA as a pan-Albanian front, seeing it as their voice whilst having previously been wary of the outcome of dialogue between the Serbian authorities and past ethnic Albanian representatives, namely the PDD in 2001. Ethnic Albanian politicians from Kosovo have been wary about talking with Belgrade.
S.6.71. According to a UN interagency progress report of January 2002, complaints of police harassment of ethnic Albanians in southern Serbia decreased over 2001. The US State Department Report for 2003 notes: “There were few reports of police harassment against the ethnic Albanian population, and there were no reports of physical abuse or brutality; however, police killed two ethnic Albanians during an attempted arrest.” (The USSD for 2003 gives further details about the two deaths: “On March 27 [2003], authorities killed Dusan “iptar” Spasojevic and Milan Lukovic - both implicated in the Djindjic assassination - during a shootout with police while the pair was resisting arrest. However there were allegations that police executed the two after they were already in custody.” The Humanitarian Law Center reported an incident in June 2002 when an ethnic Albanian man was shot by a VJ soldier, who has since been suspended.
S.6.72. The Human Rights Watch stated in their 2003 annual report, “While Southern Serbia remains a relative success story on minority rights, the tensions that emerged in February 2003 highlight the importance of progress on the Albanian minority’s longstanding grievances with respect to employment and educational opportunities.” The report continues that there have been sporadic incidents of violence from ethnic Albanian extremists, including attacks on police stations and various bomb incidents. The International Crisis Group’s conclusion in December 2003, adds, “Southern Serbia is dependent in part on the continued good will of both the Serbs and Albanians, as well as on the continued engagement of the international community.” (UK Home Office, April 2005, Abschnitte S.6.64. - S.6.72.)
Das US Department of State (USDOS) berichtet im Februar 2005 von Diskriminierungen von AlbanerInnen in Südserbien:
„There were a few reports of police inattention to the security of the ethnic Albanian population in southern Serbia, in particular failure to respond adequately to the several armed highway robberies between May and July by masked men who claimed to be members of the extremist Albanian National Army (AKSh). The perpetrators demanded money from cars with foreign license plates (presumed ethnic Albanian guest workers returning to Kosovo for the summer holidays). In one incident, robbers shot at a car that refused to stop, killing one passenger and injuring three others. After this incident, the police reportedly arrested some of the perpetrators, but the ethnic Albanian community complained that the police had ignored their complaints about the robberies before the fatal incident brought public attention to the problem. There continued to be sporadic reports of physical abuse or brutality by the police, but there was no noticeable increase over previous years.
Ethnic Albanian leaders of the southern Serbian municipalities of Presevo, Bujanovac, and Medvedja continued to complain about the underrepresentation of ethnic Albanians in government structures. Southern Serbia’s ethnic Albanians have proportional representation in the multiethnic police force in southern Serbia and control of local governments in municipalities where they constituted a majority.
In December, the privatization agency approved the sale of a public company in southern Serbia to an ethnic Albanian amnestied member of the Liberation Army for Presevo, Medvedja, and Bujanovac (UCPMB)--reportedly the first sale of a public company to an ethnic Albanian. The following day, members of the local municipal assembly called on Prime Minister Kostunica to block the sale "to protect the national interest." The privatization agency quickly withdrew its approval on the grounds that there was only one qualified bidder, although a number of other single-bid privatizations had gone through. The bidder complained that the sale was overturned on ethnic grounds.
The MUP joined with OSCE, the Coordination Body for Southern Serbia, and municipal leaders to form a working group to deal with concerns between the ethnic Albanian community and police.“ (USDOS, 28. Februar 2005, Abschnitt 5)
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.
Quellen: