Konfliktporträt: Libanon

21.3.2018 | Von:

Diana Hodali

Diana Hodali

 

wrde als Tochter palästinensischer Eltern in Bonn geboren. Sie studierte Anglistik und Medienwissenschaft in Düsseldorf. Seit 2001 arbeitet sie als freie Journalistin überwiegend für die Deutsche Welle, aber auch andere ARD-Anstalten, zu politischen und gesellschaftspolitischen Themen des Nahen Ostens. Sie hat mehrere Monate als Stipendiatin der Heinz-Kühn-Stiftung und des IJP (Internationale Journalisten Programme) im Libanon verbracht. Als Journalismus-Trainerin der DW-Akademie reist sie regelmäßig in den Nahen Osten und nach Nordafrika.

Libanon

Obwohl der Libanon tief in den Syrien-Krieg verstrickt ist, bewahrt das Land mühsam seine Stabilität. Die innenpolitischen Probleme haben die rivalisierenden Parteien immer noch nicht im Griff. Im Mai wird seit 2009 das erste Mal neu gewählt.

 

 

[IMG | SOURCE: /cache/images/3/266993-3x2-article620.jpg?2C5D2 | ALT: 27.03.2018, Libanon, Baalbek: Syrische Flüchtlinge bereiten in einem Flüchtlingslager das Mittagssen für ihre Kinder vor.] 27.03.2018, Libanon, Baalbek: Syrische Flüchtlinge bereiten in einem Flüchtlingslager das Mittagssen für ihre Kinder vor. (© picture-alliance/dpa)

 

Aktuelle Situation

Stromengpässe, Müllkrise, weit über 1,5 Mio. syrischer Flüchtlinge sowie jahrelange Vetternwirtschaft prägen die Stimmung im Land. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International liegt der Libanon auf Platz 143 von 180 beobachteten Ländern. Zuletzt war der Zedernstaat in die Schlagzeilen geraten, weil der sunnitische Ministerpräsident Saad al-Hariri am 4. November 2017 in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad überraschend seinen Rücktritt erklärt und damit eine Regierungskrise im Libanon ausgelöst hatte. Präsident Michel Aoun hatte sich nach Hariris Rücktrittserklärung geweigert, diese anzunehmen. Als Hariri kurze Zeit später wieder in Beirut war, widerrief er seinen Rücktritt und kündigte an, an der Spitze der Regierung zu bleiben.

Mit Hariris Rücktritt vom Rücktritt ging der saudisch-iranische Machtkampf um Einfluss im Nahen Osten in eine weitere Runde. Ob der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman dem wirtschaftlich eng mit Riad verbundenen Hariri den Rückzug diktiert hatte, ist bis heute unklar. Sicher ist aber, dass Saudi-Arabien diesen Schritt befürwortete, denn das Ziel des Königshauses ist es, den Einfluss Teherans in Beirut zu begrenzen. Beobachter gehen davon aus, dass Hariri eigentlich erst wieder in den Libanon zurückkehren sollte, wenn der Iran und die Hisbollah sichtbare Abstriche an ihrer Einmischungs- und Dominanzpolitik im Libanon gemacht haben. Doch diesbezüglich ist bislang nichts zu erkennen.

Zwischen 2014 und 2016 hatte der Libanon keinen Staatspräsidenten. Nach zweijähriger Vakanz des Präsidentenpostens gelang es der Hisbollah schließlich, ihren Kandidaten für das Amt zu platzieren: Michel Aoun. Möglich machte dies ein Deal mit Hariri, der das Amt bereits von 2009 bis 2014 innehatte. Aoun ernannte Hariri kurze Zeit später zum Ministerpräsidenten. Die Regierung vereint Vertreter der beiden rivalisierenden politischen Lager: der schiitischen Hisbollah und ihrer Verbündeten vom "Bündnis 8. März" auf der einen Seite, unterstützt vom Iran, und des von Hariri geführten pro-westlichen und mehrheitlich sunnitischen "Bündnisses 14. März" auf der anderen Seite, das Hilfe von Saudi-Arabien erhält.

Doch der eigentliche Sieger der schwierigen Regierungsbildung war die Hisbollah – sehr zum Missfallen Saudi-Arabiens, das angesichts der eindeutigen Positionierung Aouns an der Seite des syrischen Präsidenten Assad zunehmend verärgert reagiert und nach Möglichkeiten sucht, um den großen Einfluss der Hisbollah auf das politische Geschehen im Libanon zurückzudrängen. Hariri und seine Verbündeten versuchen, sich irgendwie mit den zu ihren Ungunsten veränderten Machtverhältnissen zu arrangieren.

Um unter den schwierigen Bedingungen die Machtverhältnisse zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen auszubalancieren, umfasst das Kabinett 30 Minister – für rd. 4,5 Mio. Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Bezeichnend ist überdies, dass der Regierung mit Inaya Ezzeddine nur eine Frau angehört und das Ministerium für Frauenrechte von einem Mann geleitet wird. Zentrale Aufgabe der Regierung ist die Vorbereitung der nächsten Parlamentswahlen, die im Mai 2018 stattfinden werden.

Obwohl im Nachbarland Syrien der Krieg seit nunmehr sieben Jahren tobt, und die schiitischen Hisbollah mit dem verbündeten Iran an der Seite des Assad-Regimes kämpfen, ist der Krieg bislang nicht über die Grenze getreten. Das ist umso bemerkenswerter, als das zahlenmäßig größere sunnitische Lager offen mit sunnitisch geprägten oppositionellen Gruppen im Nachbarland sympathisiert. Keine der großen politischen Gruppen hat Interesse an der Rückkehr des Bürgerkriegs. Im Libanon ist ein patriotischer Konsens gewachsen, mit dem Wunsch nach einem stabilen libanesischen Staat und sicheren Grenzen. Aus Sorge um die innere Sicherheit hat die Regierung auf den Straßen die Militärpräsenz erhöht und Checkpoints eingerichtet.

[IMG | SOURCE: /cache/images/7/266287-3x2-article620.jpg?4512D | ALT: Flüchtlinge und Religionen im Libanon 2018] Flüchtlinge und Religionen im Libanon 2018
[IMG | SOURCE: /sites/all/themes/bpb/images/icon_pdf_imtext.png | ALT: PDF-Icon] Hier finden Sie die Karte als hochauflösende PDF-Datei Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ (mr-kartographie)


Die größte innergesellschaftliche und wirtschaftliche Belastung erwächst derzeit aus der Präsenz syrischer Flüchtlinge. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat über eine Million Flüchtlinge im Libanon registriert (Stand März 2018). Für einen Staat mit gut 4,5 Mio. Einwohnern ist das eine Herausforderung. Schätzungen zufolge sollen zusätzlich eine Million Syrer im Libanon leben, die sich nicht beim UNHCR gemeldet haben. Seit Mai 2015 werden auf Drängen der Regierung keine Syrer mehr durch das Flüchtlingshilfswerk registriert. Einreisen können nur noch diejenigen, die beispielsweise den Nachweis erbringen, dass ein Angehöriger oder ein Libanese für ihren Unterhalt aufkommt. Der Libanon hat die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nie unterzeichnet. Daher ist die rechtliche Lage der syrischen Flüchtlinge unklar; sie sehen sich oftmals unerfüllbaren Auflagen gegenüber.

Die Infrastruktur des Landes war bereits vor dem Syrien-Krieg an ihre Grenzen geraten, auch wegen der verbreiteten Korruption und Vetternwirtschaft. Die meisten Libanesen wissen, dass die alte politische Klasse in die eigene Tasche wirtschaftet, das Land ausbeutet und das Gemeinwohl ignoriert. Täglich werden die Stromausfälle länger, Wasser ist zunehmend Mangelware, und die Abfallentsorgung funktioniert kaum. Im Sommer 2015 kam es zu Protesten unter dem Slogan und Hashtag #Youstink ("Ihr stinkt"). Bei der Bevölkerung hatte die Kampagne Hoffnungen geweckt, dass sich die Politik konfessionsübergreifend endlich darauf verständigt, die Probleme anzugehen. Aus der Protestbewegung entstand eine Bürgerbewegung, die über die Lokalwahlen von 2016 Veränderungen anstrebte: "Beirut Madinati" ("Beirut ist meine Stadt") nannte sich der Zusammenschluss von 24 unabhängigen Kandidaten, die aus dem Stand heraus 40% der abgegebenen Stimmen erhielten.

 

 

Ursachen und Hintergründe des Konflikts

Der Konflikt hat sowohl äußere als auch innere Ursachen. Im Kampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die Vorherrschaft im Nahen Osten spielt Libanon aufgrund seiner Nachbarschaft zu Israel und seiner inneren Zerrissenheit eine Schlüsselrolle. Beide Länder versuchen auch die aktuelle Schwäche Syriens zu nutzen. Über die schiitische Hisbollah, die ihre Hochburgen im Süden des Landes hat, nimmt der Iran seit Jahren wachsenden Einfluss auf den Zedernstaat. Mit diesem Ziel wurde in den vergangenen Jahren die Hisbollah massiv aufgerüstet. Vom Iran über Syrien sollen zehntausende Raketen in den Libanon gelangt sein. Inzwischen konzentriert sich Teheran darauf, in Syrien eine weitere Front gegen Israel zu errichten.

Saudi-Arabien betrachtet den immer größer werdenden Einfluss der Hisbollah, und damit des Iran, in der Region mit großer Sorge. Die Führung Saudi-Arabiens hat Einfluss im Libanon – als Investor, Anleger und – in guten Zeiten – als touristischer Partner. Die Aufforderung an seine Staatsbürger, den Libanon zu verlassen oder gar nicht erst in den Zedernstaat zu reisen, kann als Versuch verstanden werden, ein entschiedeneres Vorgehen verschiedener Parteien gegen den iranischen Einfluss zu erwirken. Die Saudi-Araber versuchen im Libanon ein sunnitisches Gegengewicht zur schiitisch-iranischen Achse aufbauen. Doch Riad hat im Libanon keine vergleichbare Partnerorganisation wie die Hisbollah. Das Königshaus hat vielmehr Jahre lang überregional operierende sunnitische Milizen und Netzwerke gestützt. Das politische Gefüge im Libanon ist zudem fragil. Eine Verschiebung, egal wie, kann jederzeit zu einer Neuauflage des Bürgerkriegs führen.

Die zentrale innere Konfliktursache ist die Rivalität zwischen dem von Saad-al-Hariri geführten sunnitischen und dem von Hassan Nasrallah geführten schiitischen Lager. Der eine ist Ministerpräsident und Sohn von Rafiq al-Hariri, der einst Milliarden-Gewinne durch Geschäfte mit Saudi-Arabien machte. Der andere ist Generalsekretär der mächtigen Hisbollah, der "Partei Gottes", die in den 1980er Jahren unter anderem vom Iran mitgegründet wurde. Die Stellung der Hisbollah im Libanon ist singulär: Sie ist gleichzeitig Teil der "Regierung der nationalen Einheit" und de facto ein militärisches Machtzentrum, das durch keine weitere Macht im Land kontrollierbar ist.

Die wirtschaftliche Situation des Landes ist schlecht. Besonders die ländlichen Gebiete werden von der Politik vernachlässigt. Arbeitsplätze, Staatsaufträge und einige Sozialleistungen werden anteilig an die verschiedenen Religionsgemeinschaften vergeben. Durch den religiös-konfessionellen Proporz, der auf den "Nationalen Pakt" von 1943 zurückgeht, werden exklusive kollektive Identitäten ständig reproduziert. Soziale und ökonomische Verteilungskämpfe sind damit immer auch religiös-konfessionelle Auseinandersetzungen. Die von den verschiedenen Bevölkerungsgruppen kultivierten Ressentiments werden von den politischen Führern systematisch zur politischen Mobilisierung eingesetzt. Darum stimmen viele Libanesen bei Wahlen jeweils für die Partei mit ihrer Konfession.

Die Aufarbeitung der (Bürgerkriegs-)Vergangenheit ist von der politischen Agenda nahezu verschwunden, oder sie wird politisch instrumentalisiert. Die durch Erziehung und Medien gesteuerte (selektive) Erinnerung an erlittenes Unrecht verstärkt die oft bedingungslose Identifikation der Libanesen mit der Religionsgemeinschaft, in die sie hineingeboren wurden. In den Elternhäusern finden die Nachkriegsgenerationen nur bedingt Antworten – jede Konfession berichtet über den Krieg aus ihrer Perspektive. Daher sind die Wunden noch nicht verheilt, das Misstrauen zwischen den ehemaligen Konfliktparteien schwelt weiter, was auch den externen Mächten wie Saudi-Arabien oder dem Iran in die Hände spielt.

[IMG | SOURCE: /cache/images/6/54646-3x2-article620.jpg?36AE0 | ALT: Mitglieder der Hisbollah mit Fahnen des Libanon und der Hisbollah auf einer Parteiveranstaltung zum "Märtyrer-Tag" im November 2009.] Mitglieder der Hisbollah mit Fahnen des Libanon und der Hisbollah auf einer Parteiveranstaltung zum "Märtyrer-Tag" im November 2009. (© picture-alliance/AP)

 

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

1989 hat das Abkommen von Taif (Saudi-Arabien) das Ende des 15 Jahre dauernden Bürgerkriegs eingeleitet. Die Gebiete, in die das Land zerfallen war, wurden wieder zu einem Staat zusammengeführt. Auch wurde der im "Nationalen Pakt" vereinbarte konfessionelle Proporz implizit bestätigt – allerdings mit einigen Korrekturen zugunsten der muslimischen Gruppen. So wurde für die Sitzverteilung im Parlament nun eine 50:50-Parität festgeschrieben. Außerdem wurden die Befugnisse des Präsidenten, der von den christlichen Gruppen bestimmt wird, zugunsten des Premierministers und des Parlamentspräsidenten eingeschränkt. Das Amt des Regierungschefs ist einem sunnitischen und das des Parlamentspräsidenten einem schiitischen Muslim vorbehalten.

Im Libanon sind Christen und Muslime gleichberechtigte Partner. Die Verfassung schreibt als einzige in der arabischen Welt keine Staatsreligion vor und garantiert ausdrücklich Religionsfreiheit. Institutionelle Reformen beendeten das politische Übergewicht der Christen und trugen damit der demografischen Entwicklung zugunsten der muslimischen Bevölkerung Rechnung. Dezentralisierung und neue Institutionen, wie etwa ein Verfassungsgericht, sollten neue Möglichkeiten der Mitbestimmung eröffnen und so die auf allen Seiten vorhandene Furcht vor Marginalisierung reduzieren.

Allerdings wurde die Mehrheit der Reformen – mit Ausnahme der veränderten Proporzformel zwischen den Konfessionen – nie umgesetzt. Traditionelle politische Führer, ebenso wie ehemalige Warlords, zeigten kein Interesse, ihre Machtbasis aufzugeben. Bis 2005 praktizierte Syrien als Besatzungs- und Garantiemacht des Taif-Abkommens die Strategie des "Teile-und-herrsche", um den Status quo zu erhalten. Syrische Geheimdienste kontrollierten über 15 Jahre die libanesische Politik und weite Teile des Staatsapparates. Unter ihrem Schutz bildeten sich weit verästelte Netzwerke organisierter Korruption. Nach dem syrischen Rückzug machte die eintretende Polarisierung zwischen den beiden Lagern die neu aufkeimenden Reformen rasch zunichte.

 

 

Geschichte des Konflikts

Im 19. Jahrhundert nutzten konkurrierende europäische und regionale Mächte den Zerfall des Osmanischen Reiches, um durch Bündnisse mit lokalen Eliten Einfluss im östlichen Mittelmeerraum zu erlangen. Die lokalen Eliten stützten sich in den durch Kolonisierung und Modernisierung ausgelösten politischen und sozialen Konflikten auf die Loyalität ihrer Religionsgemeinschaft. Besonders in der zentralen Bergregion des Libanon kam es zwischen Drusen und Christen zu Spannungen. Diese eskalierten zwischen 1840 und 1860 zu bewaffneten Auseinandersetzungen und Pogromen gegen Christen. Auf Intervention europäischer Mächte wurde daraufhin eine begrenzte Autonomie innerhalb des osmanischen Reiches etabliert, in der erstmals das Prinzip der proportionalen Repräsentation der sechs Religionsgemeinschaften Anwendung fand.

Die Kontakte zu europäischen Mächten und Märkten begünstigten den sozialen Aufstieg der christlichen Bevölkerung. Am Ende des 1. Weltkriegs strebten vor allem die katholischen Maroniten die Bildung eines eigenständigen, christlich dominierten Libanon an. Sie fanden Unterstützung bei ihrer traditionellen Schutzmacht Frankreich, die die ehemalige osmanische Provinz Syrien als Mandatsmacht im Auftrag des Völkerbundes kontrollierte. Viele Muslime lehnten zunächst den 1920 gegründeten neuen Staat ab und plädierten für den Verbleib bei Syrien oder für einen panarabischen Einheitsstaat. Erst im antikolonialen Befreiungskampf der 1940er Jahre fanden christliche und muslimische Politiker und Parteien zu einem Kompromiss, der die Teilung der politischen Macht zwischen Christen und Muslimen und die Verpflichtung auf Libanon als unabhängige Nation vorsah.

Die Rivalität um die Macht im Staate dauerte auch danach weiter an. Während die libanesischen Christen ihre privilegierte Position durch Bündnisse mit nicht-arabischen Mächten (v.a. Frankreich, USA und Israel) zu sichern hofften, bemühten sich die libanesischen Muslime um eine enge Einbettung in die arabisch-muslimische Region. Um das Übergewicht der Christen zu neutralisieren, schlossen sie Anfang der 1970er Jahre ein Bündnis mit der PLO, die in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon über einen starken Rückhalt verfügte. 15 Jahre Bürgerkrieg waren die Folge.

Das Friedensabkommen von Taif (22. Oktober 1989) konnte erst in Kraft treten, nachdem der vom christlich-maronitischen General und Regierungschef, Michel Aoun, im März 1989 ausgerufene "Nationale Befreiungskrieg" gegen Syrien gescheitert war. Aouns Streitkräfte wurden im Oktober 1990 von der syrischen Armee vernichtend geschlagen. Syrien verpflichtete als Besatzungs- und Garantiemacht des Abkommens die wechselnden libanesischen Regierungen auf die Unterstützung seiner feindlichen Haltung gegenüber Israel und den USA. Nach dem syrischen Abzug 2005 traten die libanesischen Sunniten und ein Teil der Christen für eine enge Anlehnung an die damals "prowestlichen" (und überwiegend sunnitischen) arabischen Staaten, wie Ägypten und Saudi-Arabien, ein. Die Schiiten hielten dagegen an der durch Syrien und den Iran vertretenen Position des "Widerstands" gegen Israel und die USA fest. Diese Position wurde auch von einem Teil der Christen unterstützt.

Zusätzlich angeheizt durch den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 führte der Konflikt zwischen beiden Lagern zu einer chronischen Verfassungskrise im Land. Politische Ämter blieben vakant, Institutionen wurden in ihrer Funktion beeinträchtigt oder gelähmt. Die politische Krise eskalierte im Mai 2008 und führte zu mehrtägigen Kämpfen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition. Bewaffnete Anhänger der schiitischen Parteien Hisbollah und Amal besetzten weite Teile der Hauptstadt Beirut; mehr als hundert Menschen starben. Auf Vermittlung arabischer Staaten wurde 2008/2009 eine "Regierung der nationalen Einheit" gebildet und der Konflikt vorläufig entschärft.

Die Ereignisse der Arabischen Aufstände (2011) führten auch im Libanon zu Demonstrationen gegen das herrschende politische System. Diese wurden jedoch rasch von der Hisbollah und ihren Verbündeten für ihre eigenen politischen Ziele vereinnahmt und kamen bald zum Erliegen.

 

 

Literatur

Perthes, Volker (2016): Das Ende des Nahen Ostens, wie wir ihn kennen - Ein Essay. bpb-Schriftenreihe Band 1702, Bonn.

 

 

Links

Länderinformation zum Libanon von Transparency International

Bericht zum Rücktrittsgesuch von Saad al-Hariri

Bericht zur Neubesetzung des Präsidentenpostens im Libanon

Der Libanon im regionalen Gefüge

Diana Hodali

 

wrde als Tochter palästinensischer Eltern in Bonn geboren. Sie studierte Anglistik und Medienwissenschaft in Düsseldorf. Seit 2001 arbeitet sie als freie Journalistin überwiegend für die Deutsche Welle, aber auch andere ARD-Anstalten, zu politischen und gesellschaftspolitischen Themen des Nahen Ostens. Sie hat mehrere Monate als Stipendiatin der Heinz-Kühn-Stiftung und des IJP (Internationale Journalisten Programme) im Libanon verbracht. Als Journalismus-Trainerin der DW-Akademie reist sie regelmäßig in den Nahen Osten und nach Nordafrika.

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