Konfliktporträt: Simbabwe

Simbabwe hat trotz Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit" (seit Februar 2009) noch keinen dauerhaften Ausweg aus der humanitären, wirtschaftlichen und politischen Krise gefunden. Die für März 2012 angekündigten Wahlen dürften hieran wenig ändern.

Aktuelle Konfliktsituation

Die seit 2009 amtierende "Einheitsregierung", die die Lösung des innerstaatlichen Machtkonflikts zwischen der Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (Zanu-PF) und der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) voranbringen sollte, ist von der Blockade-Politik der Zanu-PF geprägt. Die vom 87-jährigen Präsidenten, Robert Mugabe, angeführte Partei, die das Land seit der Unabhängigkeit 1980 allein regierte, hintertreibt jegliche wirkliche Machtteilung.

Die Partei kontrolliert nach wie vor den Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienst). Menschenrechtsverletzungen an Anhängern und Sympathisanten der MDC gehören zum politischen Alltag. Bereits im Vorfeld der für 2012 erwarteten Neuwahlen starten die Sicherheitskräfte eine Einschüchterungskampagne. Das Militär lässt keinen Zweifel daran, dass es einen anderen Wahlsieger als die Zanu-PF nicht akzeptieren werde. Die von der einstigen Opposition geforderte Reform des Sicherheitssektors, die eine Trennung von Militär und Politik und einen Rückzug der Armee aus den ländlichen Gebieten beinhaltet, stößt auf erbitterten Widerstand der sog. Securocrats (Spitzen des Sicherheitsapparats).

Meinungsumfragen prognostizieren den Wahlsieg Morgan Tsvangirais, des langjährigen Präsidenten der MDC und seit 2009 amtierenden Premierministers, unter der Voraussetzung, dass Mindeststandards für freie und faire Wahlen eingehalten werden. Unklar ist, ob Mugabe erneut kandidieren, oder ein parteiinterner Nachfolger antreten wird. Seit Jahren schwelt in den Reihen der Regierungspartei ein erbitterter Machtkampf.

Die "Zwangsheirat" zwischen Zanu-PF und MDC hat zwar zu einer ersten wirtschaftlichen Stabilisierung geführt. Noch im September 2008 wies das Land eine Hyperinflation von 231 Mio. Prozent auf; das BSP war seit 2000 um gut ein Drittel gesunken. Politische Reformen, wie im Koalitionsabkommen vom 15.9.2008 festgeschrieben, scheiterten jedoch regelmäßig am Widerstand der Zanu-PF.

Der Zusammenschluss südafrikanischer Staaten (Southern African Development Community – SADC), der sich nach den letzten Wahlen 2008 für das Zustandekommen der Einheitsregierung eingesetzt hatte, drängt weiter auf substanzielle Reformen, u.a. des Wahlrechts sowie auf die Gewährung von Versammlungs- und Medienfreiheit.

Ursachen und Hintergründe

Die Regierungspartei antwortete auf den Wahlerfolg der MDC bei den Parlaments- und der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen Ende März 2008 mit einer massiven Repressionskampagne gegen Oppositionelle und weite Teile der Bevölkerung. Angehörige von Armee, Polizei, Geheimdienst, Kriegsveteranen und Jugendmilizen prügelten, folterten und ermordeten Sympathisanten der MDC. Daraufhin zog Tsvangirai seine Kandidatur für den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl (27.6.2008) zurück. Damit wurde Mugabe erneut zum Wahlsieger. Dank der Vermittlung und des Drucks der SADC wurde die Pattsituation überwunden. Beide Parteien einigten sich im Memorandum vom 21.7.2008, bei der Überwindung der Krise kooperieren. Nach vielen Verzögerungen führte die Mediation des damaligen südafrikanischen Präsidenten, Thabo Mbeki, schließlich zur Bildung der Einheitsregierung mit Mugabe als Präsident, Tsvangirai als Premier und Arthur Mutambara, dem ehemaligen Vorsitzenden einer Abspaltung der MDC, als Vizepremier.

An der Exekutivgewalt Mugabes hat die Koalitionsregierung bisher jedoch kaum etwas ändern können. Daher unterstützt die internationale Gebergemeinschaft zwar den Wiederaufbau des Landes (v.a. Gesundheits- und Bildungssektor, Nahrungsmittel und Trinkwasser), hält sich aber ansonsten aufgrund der unsicheren politischen Situation und der Machtdominanz der Zanu-PF zurück. Sanktionen westlicher Staaten gegen Führungsmitglieder der Zanu-PF (Reiserestriktionen, Einfrieren von Konten im Ausland usw.) wurden nicht aufgehoben.
 

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Die seit 2001 verhängten Sanktionen und der Stopp staatlicher Entwicklungszusammenarbeit zeitigten aufgrund der geschickten Propaganda des Mugabe-Regimes nicht die erwartete politische und psychologische Wirkung. Den Sanktionen wurde die Schuld am Niedergang des Landes gegeben. Gegenüber afrikanischen Regierungen wurde argumentiert, dass die Besetzungen weißer Farmen eine berechtigte Form der Rehabilitation für das Unrecht des Kolonialismus seien. Diese Strategie verhinderte lange, dass die SADC sich aktiver engagierte, zumal Mugabe als ehemaliger Befreiungskämpfer über ein hohes Prestige unter den afrikanischen Regierungschefs verfügte, das durch seine Kritik an der britischen und amerikanischen Regierung noch verstärkt wurde.
 
Doch mit Fortschreiten der Wirtschaftskrise, die auch in den Nachbarländern durch die Zunahme simbabwischer Wirtschaftsimmigranten für sozialen Konfliktstoff sorgte, wurde die bisher hinter verschlossenen Türen geäußerte Kritik der SADC-Regierungschefs lauter. Auslöser waren die Bilder des von Schergen des Regimes schwer verletzten Tsvangirais (März 2007). Ende 2007 konnten leichte Liberalisierungen der Wahlgesetze durchgesetzt werden. Dadurch wurde der Spielraum der Opposition vergrößert. Erstmals mussten Wahlergebnisse an den Wahllokalen öffentlich gemacht werden, wodurch eine breite Öffentlichkeit vom Wahlsieg der MDC erfuhr.

Der Verhandlungserfolg der SADC setzte sich 2008 mit dem Koalitionsabkommen und der Regierungsbildung fort. Seitdem wurde aber immer wieder deutlich, dass ohne ein direktes Eingreifen der SADC das "Machtteilungsabkommen" nur ein Stück Papier bleiben würde. Insgesamt erwies sich das Engagement der SADC wegen Unstimmigkeiten über das Vorgehen in der Simbabwe Krise als unbeständig. Immerhin scheint die SADC vorgezogene Wahlen im Jahr 2011 verhindert zu haben. Einige Hardliner der Zanu-PF hätten gern politische Tatsachen geschaffen, ohne wichtige politische Reformen abzuwarten (neue Verfassung, Wahlrechtsreform usw.).

Die MDC offenbart in der Regierungsverantwortung deutliche Schwächen. Ihr mangelt es insbesondere an Erfahrung, ausgebildetem Personal und geeigneten politischen Strategien. Innovative Ideen aus der Zivilgesellschaft scheitern immer wieder an deren geringen Mobilisierungsmöglichkeiten und internen Konkurrenzen.

Geschichte des Konflikts

Nach dem Sturz der überwiegend britisch-stämmigen Siedleroligarchie am Ende eines zehnjährigen Befreiungskrieges schien Simbabwe (vormals Rhodesien) auf Erfolgskurs zu sein. Angesichts einer positiven sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung (u.a. Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitssektors) wurden im Ausland die zunehmenden Gefahren für die demokratische Entwicklung nicht wahrgenommen. Ein Beispiel dafür ist das Massaker an der ethnischen Minderheit der Ndebele Anfang der 1980er, das ca. 20.000 Todesopfer forderte. Wenig Aufsehen erregte auch die erzwungene Verschmelzung der beiden größten Parteien ZANU und ZAPU (Zimbabwe African People's Union, mehrheitlich Ndebele) im Jahr 1987 zu einer de facto Einparteiherrschaft.

Im Wirtschaftsbereich überstiegen bereits in den 1980er Jahren die öffentlichen Ausgaben die Einnahmen, was zu einem großen Haushaltsdefizit führte. Die Sparpolitik hatte niedrigere Löhne und eine steigende Arbeitslosigkeit zur Folge. Hohe Entschädigungszahlungen an Kriegsveteranen führten Ende 1997 zu einer dramatischen Entwertung des Zimbabwe Dollars.

Auf politischer Ebene wurde das Mugabe-Regime durch die aufstrebende Opposition immer stärker herausgefordert. Diese rekrutierte sich mehrheitlich aus der jüngeren und besser ausgebildeten städtischen Mittelschicht sowie aus Gewerkschaftsmitgliedern, die von der Wirtschaftskrise betroffen waren. Die 1999 gegründete MDC erzielte bei den Wahlen 2000 aus dem Stand heraus 57 der 120 Parlamentssitze und wurde damit zu einer realen Bedrohung für die Alleinherrschaft der Zanu-PF.

Eine Antwort darauf war die "Landreform" (ab 2000), in deren Verlauf Farmen im Besitz der weißen Minderheit geplündert und enteignet wurden. Die Bilder von erschossenen weißen Farmern gingen um die Welt und begründeten in den westlichen Staaten den Paria-Status des Regimes. Die besetzten Ländereien wurden v.a. an Schlüsselfiguren des Regimes verteilt, unter ihnen Parteifunktionäre, Minister, Staatsanwälte und Spitzen des Sicherheitssektors. Der daraus folgende Einbruch im Nahrungsmittelsektor wirkte sich verhängnisvoll auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung aus. Dem einstigen Getreideexporteur fehlten nun Devisen, weshalb die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Benzin, Strom, Medikamenten usw. nicht mehr gewährleistet werden konnte.

Literatur

Dickow, Helga; Masunungure, Eldred; Schlee, Beatrice 2007: Zimbabwe: A case of resilient authoritarianism. Citizens' attitudes, leaders' opinion, and conjectures on a democratic transition. Letters from Byblos, 15. By-blos: International Centre for Human Sciences.

Holland, Heidi (2008): Dinner with Mugabe. New York: Penguin

International Crisis Group (2009): Zimbabwe: Engaging the Inclusive Government. Africa Briefing No. 59, Harare/Pretoria/Nairobi/Brussels.

Meldrum, Andrew (2005): Where we have hope: A memoir of Zimbabwe. London: Murray.

Meredith, Martin (2007): Mugabe: Power, plunder and the struggle for Zim-babwe. New York: Public Affairs.

Ndhlovu, Finex (2009): The politics of language and nation building in Zimbabwe. Oxford: Peter Lang

Raftopolous, Brian; Savage, Tyrone (2004): Zimbabwe: Injustice and reconciliation. Institute for Justice and Reconciliation. Cape Town: Weaver Press.

Schlee, Beatrice (2007): "Zimbabwe: die Überlebenskünstler - eine Lektion in Sachen Machterhalt", in: Molt, Peter (Hrsg.): Kulturen und Konflikte im Vergleich: comparing cultures and conflicts. Festschrift für Theodor Hanf Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 562-576.

Links

»International Crisis Group (2011): Zimbabwe: The Road to Reform or Another Dead End? In: Africa Report N° 173 (Erstellt am 27 April 2011, Stand: 21.09.2011).«

»Research and Advocacy Unit (RAU) (2011): The Anatomy of Terror, Harare (Stand: 21.9.2011).«
 


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Zur Person

Beatrice Schlee

Dr. Beatrice Schlee, geb. 1970 in Hechingen. Studium der Politikwissenschaft, Geschichte, Romanistik in Heidelberg, Clermont-Ferrand, Freiburg und Madrid. Doktorarbeit 2002 über "Die Macht der Vergangenheit. Demokratisierung und politischer Wandel in einer spanischen Kleinstadt" (Nomos 2008). Seit 2008 Senior Researcher am Arnold-Bergstraesser-Institut (Freiburg i. Br.). Von 2004-2007 Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung in Simbabwe (Harare). Forschungsschwerpunkte: Funktionsmechanismen autoritärer Staaten, lokale Demokratie, Vergangenheitsaufarbeitung. Regionaler Schwerpunkt: Südliches Afrika (Simbabwe) und Südeuropa (Spanien).