Friedenskonsolidierung: Mosambik

Der Friedensprozess in Mosambik gilt als Beispiel für eine gelungene Verhandlungslösung unter Beteiligung externer Akteure. Die zunehmende Dominanz der Regierungspartei FRELIMO könnte jedoch zu einem Hindernis für die weitere demokratische Konsolidierung und den Friedensprozess werden.

Aktuelle Situation und der Weg zum Frieden

Nach einem langen Bürgerkrieg, der 1992 unter der Vermittlung der katholischen Laiengemeinde Sant‘ Egidio aus Rom und mit finanzieller Unterstützung der italienischen Regierung beendet wurde, verständigten sich die ehemaligen Kriegskontrahenten FRELIMO und RENAMO darauf, demokratische Strukturen aufzubauen, den Friedensprozess voranzubringen und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Beide haben sich bisher weitgehend an die Abmachungen des Friedenvertrages gehalten und an der Errichtung eines funktionierenden demokratischen Systems gearbeitet. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete ihr stillschweigendes Einverständnis, Menschenrechtsverletzungen während des Krieges nicht weiter zu verfolgen. Unter "Versöhnung" wird v.a. der Aufbau einer gemeinsamen Armee, die soziale Wiedereingliederung der Kämpfer und die Behandlung von Kriegstraumatisierten verstanden.

Die RENAMO – lange Zeit einzige Oppositionspartei im Parlament – verliert immer mehr an Bedeutung. Der autoritäre Stil ihres Vorsitzenden, Afonso Dhlakama, hat zu einer Abspaltung geführt. Davon schien zunächst die kleinere Oppositionspartei MDM (Movimento para a Democracia em Moçambique) zu profitieren, bis diese Ende 2010 selbst in schwere interne Konflikte um den Führungsstil ihres Vorsitzenden geriet. Wichtige Führungsmitglieder, darunter Generalsekretär Ismael Mussa, sind seitdem zurückgetreten. Welche Auswirkungen die desolate Lage der Opposition nach sich ziehen wird, bleibt abzuwarten.

Erfolge und Fortschritte

Die FRELIMO fungiert seit der Unabhängigkeit ununterbrochen als Regierungspartei und hat sämtliche Präsidenten gestellt. Trotz regelmäßiger, z.T. von internationalen Beobachtern bestätigter Wahlbetrugsvorwürfe sowie Drohungen der RENAMO, sich dagegen mit Gewalt zur Wehr zu setzen, blieb der Frieden bisher stabil. Seit Ende des Krieges ist es zu keinen nennenswerten gewaltsamen Konflikten gekommen. Obwohl immer wieder darüber berichtet wird, dass die RENAMO über bewaffnete Gruppen verfügt, scheint es unwahrscheinlich, dass sie den Willen und die organisatorische Fähigkeit besitzt, ihre Anhänger für einen erneuten Krieg zu mobilisieren. Dagegen sprechen nicht zuletzt die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Mitgliedern der RENAMO- und FRELIMO-Führung.

Die Verfassungsreform von 2004 hat mit dem Staatsrat und Verfassungsrat neue, integrativ wirkende Instanzen geschaffen. Der nur konsultative Staatsrat, dem neben dem Staatschef und anderen Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens auch der Oppositionsführer angehört, hat sich zu einem wichtigen Forum für den Austausch über die Belange der Nation entwickelt. Der Verfassungsrat, der wie ein Verfassungsgericht funktioniert, hat seine Unabhängigkeit unter Beweis gestellt. So mussten verfassungswidrige Behörden, die von der Regierung geschaffen wurden, auf Beschluss des Rates wieder aufgelöst werden.

Beunruhigend wirken Pläne der Regierung, die Verfassung nochmals zu ändern. Eine Kommission nahm bereits ihre Arbeit auf. Doch anders als befürchtet, richten sich die Pläne nicht darauf, dem amtierenden Staatschef eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. Es geht lediglich um Vorschläge zur Anpassung des Wahlrechts und der Verfassungsorgane.

Eine Reaktion auf die Schwäche der politischen Opposition ist der Bedeutungszuwachs der organisierten Zivilgesellschaft. Allerdings hat dies auch problematische Folgen. Nicht wenige NROs neigen dazu, die Defizite des politischen Systems eher noch zu vergrößern. Sie pflegen strategische Beziehungen mit Partnern und Geldgebern im Ausland, die darauf gerichtet sind, die Rechenschaftspflicht der Regierung noch mehr auf das Ausland auszurichten. So hat ihr Druck dazu geführt, dass die Regierung der Internationalen Initiative für Extraktive Industrien beitritt. Offenbar befürchten mosambikanische NROs, dass das mosambikanische Parlament, das Verwaltungsgericht und der Verfassungsrat nicht in der Lage sein würden, die Verfassungsmäßigkeit der Regierungsgeschäfte mit ausländischen Firmen zu überwachen. Dadurch wird jedoch der Einfluss der mosambikanischen Gesellschaft nicht erhöht, sondern die Außenorientierung des Regierungshandelns weiter verstärkt.

Eine weitere Folge der fehlenden politischen Opposition ist, dass soziale Unzufriedenheit zunehmend in Gewaltausbrüche ausufert. Das war sowohl 2008 als auch 2010 der Fall, als Teile der städtischen Jugend in Maputo und andernorts aus Protest gegen die Erhöhung der Preise für Lebensmittel und öffentliche Verkehrsmittel randalierten. An der Organisation dieser Proteste waren weder Parteien noch Gewerkschaften beteiligt. Sich spontan entladende und bisweilen gewaltträchtige Proteste haben auch damit zu tun, dass sich Abgeordnete nicht ihren Wählern, sondern ihrer Parteiführung gegenüber verpflichtet fühlen. Ein Beispiel hierfür ist die hauptsächlich für den chinesischen Markt bestimmte widerrechtliche Abholzung im Norden des Landes, die von Abgeordneten der betroffenen Regionen kaum thematisiert worden ist.

Probleme und Defizite

Regierungen und Volksvertretungen wurden seit 1994 viermal in freien und geheimen Wahlen bestimmt. Ihnen wurde damit formaldemokratische Legitimität attestiert. Besorgniserregend ist allerdings die immer niedriger werdende Wahlbeteiligung (1994: 87%; 1999: 68%; 2004: 43%; 2009: 45%). Obgleich die demokratischen Wahlen bisher zur Stabilisierung beigetragen haben, könnte das extreme Machtungleichgewicht zwischen Regierung und Opposition den Frieden auf lange Sicht beeinträchtigen. Das Hauptproblem liegt in den Vorteilen, welche die FRELIMO aus der jahrelangen Kontrolle des Staates zieht. Bereits bei den Friedensverhandlungen wurde deutlich, dass der Staat eine wichtige Kriegstrophäe sein würde.

Die FRELIMO mag den Krieg nicht gewonnen haben, aber sie hat mit Sicherheit den Frieden gewonnen. Sie pflegt einen politischen Diskurs, der soziale Gerechtigkeit betont. Ihre Politik ist immer noch von marxistisch-revolutionären Überzeugungen geprägt. Danach kann sie als "führende Partei" allein das Volk in Entwicklung und Wohlstand führen. Interne Kritiker am wirtschaftlichen und politischen Kurs ordnen sich dem Anspruch auf Alleinherrschaft unter.

Die externe Entwicklungshilfe, die den mosambikanischen Staat zu über 50% finanziert, wirkt machtstabilisierend. So errichtete Schulen, Krankenhäuser und Straßen werden von der Öffentlichkeit der Regierung gutgeschrieben. Darüber hinaus profitiert sie von der technischen Beratung, die u.a. auf dem Gebiet der Budgethilfe, Armutsbekämpfung und Strukturanpassung geleistet wird.

Aufgrund der Verquickung mit dem Staat verschafft sich die Regierungspartei FRELIMO finanzielle Vorteile, die sich u.a. darin niederschlagen, dass Regierungsmitglieder auf Staatskosten Wahlkampf führen. Leidtragende ist die Opposition, die in einem Teufelskreis gefangen bleibt: Ohne Wahlerfolg bleibt der Zugang zu den benötigten Mitteln versperrt. Und ohne diese Mittel kann sie keinen erfolgreichen Wahlkampf bestreiten. Dies kann die Stabilität des Friedens gefährden; die Dialogbereitschaft über Parteigrenzen hinweg ist nicht hoch.

Beispielhaft für zunehmende Verschränkung von Staat und FRELIMO sind die sich häufenden Berichte, wonach die Parteizugehörigkeit mittlerweile eine Bedingung für den beruflichen Aufstieg im Staatsapparat geworden ist. Staatliche Beteiligungen an teilprivatisierten Großunternehmen (Aluminiumschmelze MOZAL, Telekommunikation, Post, Stromgesellschaft) räumen der Regierung eine Mitentscheidung in diesen Betrieben ein. Die Ressourcen öffnen Tür und Tor für Patronagepraktiken. Die FRELIMO bedient sich zudem schwarzer Kassen in Unternehmen, um ihre Strukturen zu stärken.

Geschäftsleute, denen u.a. Verbindungen zum Rauschgifthandel unterstellt werden, machen großzügige Spenden an die FRELIMO. Eine Entscheidung des US-Außenministeriums, einen der reichsten Geschäftsmänner Mosambiks und großzügigen FRELIMO-Spender auf die Liste der Drogenbarone zu setzen, lässt erahnen, welchen Einfluss kriminelle Kreise auf das politische Establishment gewonnen haben.

Seit den letzten Wahlen vom 28. Oktober 2009 regieren die FRELIMO und der im Amt bestätigte Präsident, Armando Emílio Guebuza, mit komfortablen Mehrheiten im Nationalparlament sowie auf Provinz- und Kommunalebene. Die Hauptoppositionspartei RENAMO von Afonso Dhlakama, die schwere Verluste hinnehmen musste, scheint sich noch nicht erholt zu haben. In der öffentlichen Meinung wird die Bewegung für Demokratie in Mosambik (MDM) von Deviz Simango, dem Bürgermeister von Beira, als die eigentliche Opposition angesehen.

Literatur

Bekoe, Dorina Akosua Oduraa (2008): Implementing Peace Agreements: Lessons from Mozambique, Angola, and Liberia, New York: Palgrave Macmillan.

Brito, Luís de/ Castel-Branco, Carlos/ Chichava, Sérgio/ Francisco, António (Hrsg.): (2008): Cidadania e Governação em Moçambique, Maputo: Edições IESE.

Chan, Stephen/ Venâncio, Moisés (1998): War and Peace in Mozambique, Houndmills, Basingstoke, Hampshire, New York: Macmillan Press, St. Martin´s Press.

De Renzio, Paul/ Hanlon, Joseph (2007): Contested Sovereignty in Mozambique – The Dilemmas of Aid Dependence, GEG Working Paper 2007/15, University of Oxford.

Della Rocca, Roberto (1997): Vom Krieg zum Frieden, Hamburg: Verlag Dienste in Übersee.

Macamo, Elísio (2006): Political Governance in Mozambique. A Report for DFID, London.

Manning, Carrie L. (2008): The Making of Democrats: Elections and Party Development in Postwar Bosnia, El Salvador, and Mozambique, New York: Palgrave Macmillan.

Links

»Ausführliche Informationen über die Wahlen 2009:«

» Murdock, Janet/ Zunguza, Alfiado (2010): The Cumulative Impacts of Peacebuilding in Mozambique, Cumulative Impact Case Study, Reflecting on Peace Practice Project.«

»Aktualisierte Informationen über Wirtschaft und Politik in Mosambik (Portugiesisch):«
 


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Zur Person

Elísio Macamo

Elísio Macamo ist Assistenzprofessor für Afrikastudien an der Universität Basel in der Schweiz. Er forscht über Risiken und Katastrophen; seine Schwerpunkte umfassen auch wissens- und religionssoziologische Fragen sowie Entwicklungspolitik. Er stammt aus Mosambik.