Konfliktporträt: Süd-Thailand
Seit 2004 sind sieben thailändische Regierungen daran gescheitert, die Sezessionsbewegung der muslimisch-malaiischen Minderheit im Süden des Landes einzudämmen. Die Separatisten verlangen die Wiedererrichtung eines unabhängigen islamischen Staates (Sultanat Patani) oder die Angliederung der Provinzen an Malaysia.
Aktuelle Konfliktsituation
Der gewaltsame Konflikt im Süden Thailands hat sich in den letzten Jahren nicht beruhigt, auch weil die innenpolitische Lage im Königreich insgesamt sehr turbulent war. Seit der gewaltsamen Eskalation des Konflikts im Jahr 2004 waren sechs verschiedene Regierungen an der Macht – und keiner gelang es, den Konflikt im Süden Thailands auch nur einzudämmen. Auch die gegenwärtige Regierung um Premierministerin Yingluck Shinawatra steht vor der schwierigen Aufgabe, ein Ende der Gewalt herbeizuführen.
In den mehrheitlich von malaiischen Muslimen bewohnten Provinzen, Pattani, Yala und Narathiwat, sowie in geringerem Maße auch in Songkhla und Satun, kommt es weiterhin regelmäßig zu Anschlägen und Gewalttaten von Separatisten, die eine Loslösung der südlichen Provinzen vom Gesamtstaat fordern. Mit Bombenanschlägen auf staatliche Einrichtungen und gezielten Tötungen von Vertretern des thailändischen Staates, wie Soldaten, Polizisten, Verwaltungsmitarbeitern und Lehrern, schaffen sie ein Klima der Gewalt. Das Ziel von Anschlägen sind auch Muslime, die angeblich mit den thailändischen Institutionen zusammenarbeiten. So wurden beispielsweise am 23. November 2012 die Schuldirektorin Nuntana Kaewchan nahe der von ihr geleiteten Banta-Kamcham-Schule von zwei unbekannten Männern erschossen. Zahlreiche Lehrer anderer Schulen traten darauf hin in einen zweiwöchigen Streik. Direkt danach wurden im selben Distrikt der Schuldirektor Tatiyarat Chueykaew und der Lehrer Somsak Kwanma ermordet. Im Februar 2013 wurden 13 Aufständische vom thailändischen Militär erschossen, als sie einen Angriff auf einen Armeestützpunkt unternahmen.
Der seit Juli 2005 verhängte Ausnahmezustand wurde bisher von allen thailändischen Regierungen verlängert. Er erlaubt den thailändischen Sicherheitskräften ein oft sehr hartes Vorgehen gegenüber vermeintlichen "Terroristen" und deren Unterstützern. Der Konflikt im Süden Thailands wird von beiden Konfliktparteien mit großer Brutalität geführt, von der in hohem Maße auch die Zivilbevölkerung betroffen ist. Nach Angaben von Deep South Watch, einer zivilgesellschaftlichen Organisation an der Universität in Pattani, gab es von Januar 2004 bis März 2013 5617 Tote und 9961 Verletzte.
Ursachen und Hintergründe
In den thailändischen Provinzen Pattani, Yala, Songhkla und Satun lebt eine Bevölkerungsmehrheit von circa 1,8 Millionen Malaien, die sich in historischer und ethnischer Hinsicht deutlich von der übrigen thailändischen Bevölkerung unterscheidet. Während die thailändische Staatsreligion der Buddhismus ist, sind die Bewohner der südlichen Provinzen fast ausschließlich gläubige Muslime, die vom 15. Jahrhundert bis in Integration in den thailändischen Nationalstaat im Jahr 1909 in einem eigenen, semi-autonomen Sultanat lebten.
Der Süden Thailands gehört zu den Regionen, in denen der ökonomische Fortschritt des Landes nur sehr langsam zu besseren Lebensbedingungen für die lokale Bevölkerung führt. Konfliktverschärfend kommt hinzu, dass der allgemeine Wohlstand hier zwar noch deutlich höher ist als z.B. im besonders benachteiligten Nordosten des Landes (Isaan), sich die Einkommensverteilung jedoch sehr ungleich gestaltet. Buddhistische, ethnische Thais und chinesischstämmige Thais verfügen im Durchschnitt über ein deutlich höheres Einkommen und Vermögen als die Angehörigen der muslimisch gläubigen malaiischen Minderheit.
Seit 2004 verfolgen islamistische Gruppen in Südthailand kontinuierlich einen Kurs der Gewalt gegen die thailändische Zentralregierung. Als politische Hauptforderung wird die Wiedererrichtung eines unabhängigen islamischen Staats (Sultanat Patani) oder die Angliederung der Provinzen an Malaysia verlangt. Es gibt aber auch Gewalttäter, denen es weniger um politische Inhalte als vielmehr um organisierte kriminelle Aktivitäten wie Drogenhandel zu gehen scheint.
Bearbeitungs- und Lösungsansätze
Seit Beginn der Gewalteskalation gingen die thailändischen Sicherheitskräfte mit äußerster Brutalität und zumeist außerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens gegen die vermeintlichen Separatisten vor. Diese Maßnahmen verstärkten die bereits latent vorhandenen Antipathien der lokalen Bevölkerung im Süden Thailands gegenüber der Zentralregierung und dem thailändischen Staat im Allgemeinen.
Eine von der thailändischen Regierung eingesetzte Nationale Versöhnungskommission unter Leitung des früheren thailändischen Premierministers Anand Panyarachun schlug im Juni 2006 vor, sowohl Teile des islamischen Gesetzes als auch Malaiisch als Amtssprache in den Südprovinzen zuzulassen. Der frühere Premierminister Abhisit Vejjajiva (2008-2011) betonte immer wieder, dass er eine friedliche Konfliktlösung unter Anerkennung der kulturellen und sprachlichen Besonderheiten suche und veranlasste die Verwendung zusätzlicher Steuergelder für die Entwicklung des Südens. So erhöhte die thailändische Regierung 2009 ihr Entwicklungsbudget für die südlichen Provinzen um 50% gegenüber dem Vorjahr auf rund 1,3 Mrd. Euro für Projekte in den folgenden drei Jahren.
Im Februar 2013 begann die thailändische Regierung Friedensgespräche mit der Barisan Revolusi Nasional-Coordinate (BRN-Coordinate) und anderen bewaffneten Gruppen unter Vermittlung der malaysischen Regierung. Die Verhandlungen wurden mehrfach verschoben, weil die Separatistenorganisation Bedingungen stellte, die für die thailändische Verhandlungsseite nicht akzeptabel waren. So verlangte BRN-Coordinate, dass die Regierung die malaiische Patani-Nation anerkennen und alle verhafteten separatistischen Gewalttäter freilassen solle.
Allerdings werden die Verhandlungen auch durch die unklare Position der thailändischen Regierung belastet. Das liegt insbesondere an der starken Rolle der Armee in Thailand, die weiterhin nicht unter ziviler Kontrolle steht und den Verhandlungen skeptisch gegenübersteht. So hatte Premierministerin Yingluck Shinawatra schon im Wahlkampf 2011 vorgeschlagen, eine Sonderverwaltungszone mit einem gewählten Gouverneur für die drei Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat einzurichten. Armeechef Prayuth Chan-ocha kündigte jedoch umgehend Widerstand an und warnte vor einer Schwächung der zentralstaatlichen Autorität in den Unruheprovinzen. Nach Einschätzung des Südthailand-Experten Dr. Sascha Helbardt von der Universität Passau ist der politische Wille der thailändischen Armee, den Konflikt zu beenden, begrenzt. Denn die anhaltende Gewalt im Süden des Landes sichert der Armee eine starke Machtposition gegenüber der Regierung.
Geschichte des Konflikts
Obwohl Thailand im Gegensatz zu den Vielvölkerstaaten Indonesien und Malaysia oftmals als ethnisch und kulturell homogen dargestellt wird, bildet neben den verschiedenen Bergvölkern im Norden und Nordosten des Landes die malaiisch-muslimische Bevölkerung in den südlichen Provinzen des Landes an der Grenze zu Malaysia eine bedeutende Minderheit. Sie macht rund 4,6% der Bevölkerung aus. Die malaiische Minderheit, die in den Provinzen Pattani, Yala, Satun und Narathiwat lebt, ist sich ihrer eigenen ethnischen und religiösen Identität im Verhältnis zur zentralthailändischen Bevölkerungsmehrheit bewusst und verweist auf eine jahrhundertelange eigene Geschichte.
Ein Auslöser der Unruhen in den muslimischen Südprovinzen war die jahrzehntewährende Homogenisierungspolitik der thailändischen Regierungen. Es entstanden militante Widerstandsgruppen wie 1985 die BBMP (Barisan Bersatu Mujahideen Patani). Bis Anfang 2004 köchelte der Konflikt auf kleiner Flamme. Dann organisierten radikale Separatistenorganisationen unter der Führung von BRN-Coordinate im Süden Thailands eine Reihe von Anschlägen gegen zentralstaatliche Einrichtungen. Als Beginn der Eskalation gilt der 4. Januar 2004, als muslimische Jugendliche bei einem Überfall auf eine Kaserne rund 400 Maschinengewehre erbeuteten.
Die damalige thailändische Regierung unter Premierminister Thaksin Shinawatra befahl daraufhin den nationalen Streitkräften, mit Härte auf Provokationen und Übergriffe zu reagieren. Seither kommt es regelmäßig zu Brand- oder Bombenanschlägen auf staatliche Schulen und andere staatliche Einrichtungen. Am 28. April 2004 erschossen Sicherheitskräfte in der Krue Se Moschee in Pattani 32 Muslime, die zuvor eine Kaserne und Polizeistationen überfallen hatten. Am 25. Oktober 2004 löste die thailändische Armee in Tak Bai in der Provinz Narathiwat eine Protestversammlung von muslimischen Jugendlichen gewaltsam auf und verhaftete mehrere Hundert Demonstranten. Bei dem sechsstündigen Transport zu einem Armeestützpunkt in völlig überfüllten Armeelastwagen erstickten mindestens 78 jugendliche Demonstranten. Inzwischen hat die thailändische Regierung sich für den Vorfall entschuldigt und rund 1,2 Mio. Euro als Entschädigung an die Hinterbliebenen gezahlt. Trotzdem geschehen auch weiterhin Morde und Gewalttaten – sowohl durch das thailändische Militär als auch durch muslimischen Separatisten.
Links und Literatur
»Glass, Nicola (2013): Separatisten in Thailand. Der tödlichste Konflikt Südostasiens.«»Glass, Nicola (2013): Der blutige Konflikt in Thailands Süden.«»Ohne Verfasser (2013): Die andere Seite des Urlaubsparadieses. Bürgerkrieg in Thailand.«»Human Rights Watch (2013): Thailand: New Killings in South.«»International Crisis Group (2012): Thailand: The Evolving Conflict in the South, Asia Report Nr. 241.«
Sascha Helbardt (2011): Deciphering Southern Thailand's Violence: Organisation and Insurgent Practices of BRN-Coordinate, Dissertation, Universität Passau.
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