Konfliktporträt: Süd-Thailand

Seit 2004 sind sechs thailändische Regierungen daran gescheitert, die Sezessionsbewegung der muslimisch-malayischen Minderheit im Süden des Landes einzudämmen. Die neue Premierministerin hat im Wahlkampf eine partielle Autonomie in Aussicht gestellt, wogegen die Armeeführung jedoch umgehend Widerstand ankündigte.

Aktuelle Konfliktsituation

Der gewaltsame Konflikt im Süden Thailands hat sich in den letzten Jahren nicht beruhigt, auch weil die innenpolitische Lage im Königreich insgesamt sehr turbulent war. Seit der gewaltsamen Eskalation des Konflikts im Jahr 2004 waren sechs verschiedene Regierungen an der Macht – und keiner gelang es, den Konflikt im Süden Thailands auch nur einzudämmen. Auch die gegenwärtige Regierung um Premierministerin Yingluck Shinawatra steht vor der schwierigen Aufgabe, ein Ende der Gewalt herbeizuführen. In den mehrheitlich von malaiischen Muslimen bewohnten Provinzen, Pattani, Yala und Narathiwat, sowie in geringerem Maße auch in Songhkla und Satun kommt es weiterhin regelmäßig zu Anschlägen und Gewalttaten von Separatisten, die eine Loslösung der südlichen Provinzen vom Gesamtstaat fordern. Mit Bombenanschlägen auf staatliche Einrichtungen und gezielten Tötungen von Vertretern des thailändischen Staates, wie Soldaten, Polizisten, Verwaltungsmitarbeitern und Lehrern, schaffen sie ein Klima der Gewalt. Ebenso ermorden sie Muslime, die angeblich mit den thailändischen Institutionen zusammenarbeiten. So wurden beispielsweise im Juli 2011 innerhalb von nur 2 Tagen zunächst ein muslimischer Geistlicher und seine Frau in Narathiwat mit über 30 Maschinengewehrschüssen ermordet, und am Tag darauf explodierten in Yala zwei Bomben, die vor allem thailändische Sicherheitskräfte trafen und schwer verletzten.

Der seit Juli 2005 verhängte Ausnahmezustand wurde bisher von allen thailändischen Regierungen verlängert. Er erlaubt den thailändischen Sicherheitskräften ein oft sehr hartes Vorgehen gegenüber vermeintlichen "Terroristen" und deren Unterstützern. Der Konflikt im Süden Thailands wird von beiden Konfliktparteien mit großer Brutalität geführt, von der in hohem Maße auch die Zivilbevölkerung betroffen ist. Nach Angaben von Deep South Watch, einer zivilgesellschaftlichen Organisation an der Universität in Pattani, gab es von Januar 2004 bis Februar 2011 4621 Tote und 7505 Verletzte.

Langsam scheint sich angesichts der anhaltenden Gewalt auch bei den in Thailand dominierenden Politikern die Einsicht durchzusetzen, dass man die Forderungen der malaiischen Minderheit ernst nehmen sollte. So schlug Premierministerin Yingluck Shinawatra im Wahlkampf vor, eine Sonderverwaltungszone mit einem gewählten Gouverneur für die drei Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat einzurichten. Armeechef Prayuth Chan-ocha kündigte umgehend Widerstand an und warnte vor einer Schwächung der zentralstaatlichen Autorität in den Unruheprovinzen. Der große innenpolitische Einfluss des Militärs wird nach wie vor nicht durch eine wirkliche zivile Kontrolle eingeschränkt.

Ursachen und Hintergründe

In den thailändischen Provinzen Pattani, Yala, Songhkla und Satun lebt eine Bevölkerungsmehrheit von Malaien, die sich in ethnischer Hinsicht deutlich von der übrigen thailändischen Bevölkerung unterscheidet. Während die thailändische Staatsreligion der Buddhismus ist, sind die Bewohner der südlichen Provinzen fast ausschließlich gläubige Muslime. Zudem gehört der Süden Thailands zu den Regionen, in denen der ökonomische Fortschritt des Landes nur sehr langsam zu besseren Lebensbedingungen für die lokale Bevölkerung führt. Konfliktverschärfend kommt hinzu, dass der allgemeine Wohlstand hier zwar deutlich höher ist als z.B. im Nordosten des Landes (Isaan), sich die Einkommensverteilung jedoch sehr ungleich gestaltet. Buddhistische, ethnische Thais und chinesischstämmige Thais verfügen im Durchschnitt über ein deutlich höheres Einkommen und Vermögen als die Angehörigen der muslimisch gläubigen malaiischen Minderheit.

Seit 2004 verfolgen islamistische Gruppen in Südthailand kontinuierlich eine Politik der Gewalt gegen die thailändische Zentralregierung. Als politische Forderung wird die Wiedererrichtung eines unabhängigen islamischen Staats (Sultanat Pattani) oder die Angliederung der Provinzen an Malaysia artikuliert. Es gibt aber auch Gewalttäter, denen es weniger um politische Inhalte als vielmehr um organisierte kriminelle Aktivitäten wie Drogenhandel zu gehen scheint.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Seit Beginn der Gewalteskalation gingen die thailändischen Sicherheitskräfte mit äußerster Brutalität und zumeist außerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens gegen die vermeintlichen Separatisten vor. Diese Maßnahmen verstärkten die bereits latent vorhandenen Antipathien der lokalen Bevölkerung im Süden Thailands gegenüber der Zentralregierung und dem thailändischen Staat im Allgemeinen.

Eine von der thailändischen Regierung eingesetzte Nationale Versöhnungskommission unter Leitung des früheren thailändischen Premierministers Anand Panyarachun schlug im Juni 2006 vor, sowohl Teile des islamischen Gesetzes als auch Malaiisch als Amtssprache in den Südprovinzen zuzulassen. Der frühere Premierminister Abhisit Vejjajiva (2008-2011) betonte immer wieder, dass er eine friedliche Konfliktlösung unter Anerkennung der kulturellen und sprachlichen Besonderheiten suche und veranlasste die Verwendung zusätzlicher Steuergelder zur Entwicklung des Südens. So erhöhte die thailändische Regierung ihr Entwicklungsbudget für die südlichen Provinzen im Jahr 2009 um 50% gegenüber dem Vorjahr auf rund 1,3 Mrd. Euro für Projekte in den nächsten drei Jahren.

Nach Angaben von Kasturi Mahkota von der Separatistenorganisation PULO fanden seit mehreren Jahren geheime Gespräche mit der thailändischen Regierung statt, beispielsweise zwischen März und Mai 2011 in Manila, die aber nur sehr langsam vorankommen. Auf internationaler Ebene blieben Vermittlungsangebote und -gespräche, die von den mehrheitlich muslimisch bewohnten Nachbarstaaten Indonesien und Malaysia initiiert und teilweise auch geführt wurden, bislang ohne konkrete Ergebnisse.

Geschichte des Konflikts

Trotz oft gegenteiliger Darstellungen ist der Staat Thailand ethnisch und kulturell nicht vollständig homogen. Neben verschiedenen Bergvölkern im Norden und Nordosten des Landes bildet die malaiisch-muslimische Bevölkerung in den südlichen Provinzen des Landes an der Grenze zu Malaysia eine bedeutende Minderheit. Sie macht rund 4,6% der Bevölkerung aus. Die malaiische Minderheit, die in den Provinzen Pattani, Yala, Satun and Narathiwat lebt, ist sich ihrer eigenen Identität im Verhältnis zur ethnisch und religiös unterschiedlichen zentralthailändischen Bevölkerungsmehrheit bewusst und verweist auf eine jahrhundertelange eigene Geschichte.

Ein Auslöser der Unruhen in den muslimischen Südprovinzen war die Homogenisierungspolitik der thailändischen Regierungen. Es entstanden militante Widerstandsgruppen wie die BBMP (Barisan Bersatu Mujahideen Pattani, Vereinigte Muhajidin Front von Pattani). Bis Anfang 2004 köchelte der Konflikt auf kleiner Flamme. Dann organisierten radikale Separatistenorganisationen im Süden Thailands eine Reihe von Anschlägen gegen zentralstaatliche Einrichtungen. Als Beginn der Eskalation gilt der 4. Januar 2004, als muslimische Jugendliche bei einem Überfall auf eine Kaserne rund 400 Maschinengewehre erbeuteten.

Die damalige thailändische Regierung unter Premierminister Thaksin Shinawatra befahl daraufhin den nationalen Streitkräften, mit Härte auf Provokationen und Übergriffe zu reagieren. Seither kommt es regelmäßig zu Brand- oder Bombenanschlägen auf staatliche Schulen, aber vor allem auf Kasernen und Polizeistationen. Am 28. April 2004 erschossen Sicherheitskräfte nahe der Krue Se Moschee in Pattani 107 Muslime, die zuvor angeblich eine Kaserne überfallen hatten. Am 25. Oktober 2004 löste die thailändische Armee in Tak Bai in der Provinz Narathiwat eine Protestversammlung von muslimischen Jugendlichen gewaltsam auf und verhaftete mehrere Hundert Demonstranten. Bei dem sechsstündigen Transport zu einem Armeestützpunkt in völlig überfüllten Armeelastwagen erstickten mindestens 78 jugendliche Demonstranten. Inzwischen hat die thailändische Regierung sich für den Vorfall entschuldigt und rund 1,2 Mio. Euro als Entschädigung an die Hinterbliebenen gezahlt. Trotzdem geschehen auch weiterhin Morde und Gewalttaten – sowohl vom thailändischen Militär als auch von muslimischen Separatisten.

Links

»Ascew, Marc (2010): Insurgency and the Market for Violence in Southern Thailand, in: Asian Survey, Jg. 50, Nr. 6/2010, November/December 2010, S. 1107-1134.«

»Jitpiromsri, Srisompob / McCargo, Duncan (2010): The southern Thai conflict six years on: insurgency, not just crime, in: Contemporary Southeast Asia, Jg. 32, Nr. 2, August 2010, S. 156-183.«

»Human Rights Watch (2010): Targets on Both Sides. Violence against Students, Teachers, and Schools in Thailand´s Southern Border Provinces, September 20, 2010.«

»International Crisis Group (2010): Stalemate in Southern Thailand. Asia Briefing N° 113.«

»NDR Info - Das Forum (2009): Süd-Thailand – Kein Ende der Gewalt.«

»Musch-Borowska, Bernd (2009): ARD-Hörfunkstudio Südostasien.«

»Welt Online (2008): Thailands rätselhafter Terrorkrieg.«
 


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Zur Person

Patrick Ziegenhain

Dr. Patrick Ziegenhain, geboren 1969, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter/ Akademischer Rat im Fach Politikwissenschaft an der Universität Trier.