Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage von Personen, die nach negativem Asylbescheid zurückgekehrt sind [a-9589-4 (9592)]

31. Mai 2016
 
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Informationen zu dieser Anfrage entnehmen Sie bitte auch folgenden etwas älteren ACCORD-Anfragebeantwortungen vom März 2013 und März 2014:

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: 1) Lage von Personen, die im Ausland, insbesondere Europa, einen Asylantrag gestellt haben und in die Russische Föderation zurückkehren; 2) Was ist in den beiden Fällen der Tschetschenen geschehen, die Ende 2012 zurücküberstellt wurden [a-8327], 14. März 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/242760/366201_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: Lage von Verwandten ehemaliger AsylwerberInnen, wenn die russischen Behörden vom Asylantrag erfahren [a-8621], 13. März 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/273665/402698_de.html

 

In einem Entscheidungstext des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom April 2016 (Geschäftszahl: W215 1402384-5) finden sich folgende Informationen aus dem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom Jänner 2016 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation und aus dem Asylländerbericht Russische Föderation der Österreichischen Botschaft in Moskau vom Oktober 2014:

„Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt. Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte ‚Ein- bzw. Ausreisegebühr‘ erheben (AA 05.01.2016).

Die Abschiebung von russischen Staatsangehörigen aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Abschiebung geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rückübernahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Personen von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Gemäß Rückübernahmeabkommen muss die Rückstellung 10 Tage vor Ankunft in der Russischen Föderation den russischen Behörden mitgeteilt werden. Wenn die rück zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rückübernahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation wird den Abgeschobenen von einem Mitarbeiter des Föderalen Migrationsdiensts der Russischen Föderation ein Fragebogen ausgehändigt. Das Ausfüllen dieses Fragebogens beruht auf Freiwilligkeit. Darin werden u.a. Fragen zum beabsichtigten Wohnsitz in Russland gestellt, zum Grund des Verlusts des Reisedokuments und ob man in dem Land, aus dem man abgeschoben wurden, ordentlich behandelt wurde. Dieser Fragebogen dient laut Auskunft der russischen Seite dazu, die lokalen Stellen des Föderalen Migrationsdienstes am Ort des beabsichtigten Wohnsitzes zu informieren, dass eine Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit bereits im Zuge der Rückübernahme stattgefunden hat und somit nicht nochmals erforderlich ist. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Abschiebung informiert wird und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Informationen zur weiteren Situation von Abgeschobenen nach ihrer Rückkehr in die Russische Föderation liegen der Botschaft nicht vor. Im November 2012 wurde ein per Sammelflug aus Österreich abgeschobener Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug abgeschobener, Tschetschene in Grosny inhaftiert. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern (freiwilligen Rückkehrern und Abgeschobenen) wird darauf hingewiesen, dass die der Botschaft vorliegenden Informationen sich in erster Linie auf Rückkehrer nach Tschetschenien beziehen. Laut einem Bericht des Menschenrechtszentrums Memorial Komitee Bürgerbeteiligung sind ‚in Tschetschenien alle gefährdet, die nach einer langen Abwesenheit nach Tschetschenien zurückkehren‘. Von anderer Seite wurde berichtet, dass Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein können. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit (laut offiziellen Quellen lag diese im Mai 2014 bei 22,8%), die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung sei für viele unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit sei um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten würden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, würden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal würden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien könne nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt. Von einer NGO in Tschetschenien, die freiwillige Rückkehrer betreut, wurde mitgeteilt, dass freiwillige Rückkehrer bei Behördenkontakten in der Regel nicht mit besonderen Problemen konfrontiert seien. Es sei weder ein besonders Prozedere für Rückkehrer noch Befragungen vorgesehen. Rückkehrer müssten auch bei der Neuausstellung von Dokumenten keine besonderen Fragen beantworten, viele seien ohnehin noch im Besitz ihres russischen Inlandspasses. Sogar wenn ein Heimreisezertifikat vorgelegt werde, würde dies nicht zu Problemen führen, da den Behörden die Situation in diesem Fall ohnehin klar wäre. Nichtsdestotrotz wurde mitgeteilt, dass es Einzelfälle gab, wo freiwillige Rückkehrer mit Heimreisezertifikaten bei Ankunft am Flughafen Moskau für einige Stunden angehalten wurden. Es sei ein Fall bekannt, wo ein freiwilliger Rückkehrer angeblich als ehemaliger Widerstandskämpfer ‚mitgenommen worden sei‘. Zur Wohnungssituation wurde mitgeteilt, dass Rückkehrer in der Regel bei Verwandten unterkommen (ÖB Moskau 01.10.2014).“ (BVwG, 7. April 2016)

Caucasian Knot, ein von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial im Jahr 2001 gegründetes Nachrichtenportal, das über menschenrechtliche Themen im Kaukasus informiert, schreibt in einem Artikel vom April 2016, dass 2015 in Russland vier Fälle bekannt gewesen seien, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden sei, nach ihrer Abschiebung ermordet und entführt worden seien. Im Februar 2015 sei Kan Afanasjew aus Tschetschenien getötet worden. Ein paar Monate zuvor sei er aus Schweden abgeschoben worden. Im Juli 2015 sei Saurbek Schamaldajew in Moskau verschwunden. 2013 sei er nach einem abgelehnten Asylantrag aus Polen abgeschoben worden. Seine Freunde hätten berichtet, dass er vor seinem Verschwinden beschattet worden sei. Das Schicksal des Mannes sei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels weiterhin unbekannt gewesen.

Øystein Vinstad, ein Journalist aus Norwegen, der zusammen mit anderen im März 2016 verprügelt worden sei, habe im Fall des Mordes an Umar Belimchanow und Apti Naschujew recherchiert, die nach ihrer Rückkehr aus Norwegen nach Tschetschenien ermordet worden seien. Umar Belimchanow sei im Jänner 2013 tot aufgefunden worden. Laut Lene Witteland, der Direktorin der Abteilung Eurasien und Russland des Norwegischen Helsinki-Komitees, habe Belimchanow in Norwegen Asyl beantragt, habe jedoch trotz Warnungen von Menschenrechtsverteidigern über Drohungen gegen ihn einen ablehnenden Bescheid erhalten. Er sei im November 2011 nach Russland geschickt worden. Nach seiner Rückkehr nach Tschetschenien sei er für mehrere Woche ins Gefängnis gekommen, wo er laut einem Brief, den er im Mai 2012 an die Menschenrechtsorganisation Memorial geschrieben habe, gefoltert worden sei. Lene Witteland habe Caucasian Knot gegenüber angegeben, dass Belimchanow in seinem Brief geschrieben habe, ihm sei vorgeworfen worden, dass er Tschetschenien verlassen habe. Man habe ihm gedroht, er solle sich nicht einfallen lassen, noch einmal zu versuchen, Tschetschenien zu verlassen, und habe ihm Unterlagen über die Ermordung seines Bruders, die von Menschenrechtsorganisationen veröffentlicht worden seien, und sein Interview, das er Medien in Norwegen über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien gegeben habe, ins Gesicht geworfen. Ende Dezember 2011 sei Belimchanow aus dem Gefängnis entlassen worden, habe aber mit weiteren Konsequenzen für seine Familie im Falle eines erneuten Verlassens der Republik gerechnet. Im Dezember 2015 habe die norwegische Zeitung „Ny tid“ die Untersuchungen von Øystein Vinstad zum Tod von Belimchanow und Naschujew veröffentlicht. Belimchanow sei im Dezember 2012 tot aufgefunden worden. Nach offiziellen Angaben sei er bei einem Autounfall gestorben, die genauen Todesumstände seien jedoch nie geklärt worden. An Belimchanows Körper seien zahlreiche Folterspuren entdeckt worden, das Auto, das in den Unfall verwickelt gewesen sei, habe jedoch keine Kratzer gehabt, so der Anwalt, der Belimchanow vor den norwegischen Migrationsbehörden vertreten habe. Laut seinen Angaben sei es der Familie nicht gestattet worden, eine forensische Untersuchung durchführen zu lassen. Er gehe davon aus, dass der Tod Belimchanows durch Folter und Gewalt verursacht worden sei.

Apti Naschujew, der in Norwegen um Asyl angesucht habe, sei 2011 abgeschoben worden. Nach einem Monat in Moskau sei er mit seiner Familie nach Tschetschenien zurückgekehrt. Im Mai 2013 sei er von bewaffneten Männern entführt worden. Am 10. Juni sei seine Leiche im Fluss Argun gefunden worden. Laut Lene Witteland seien zahlreiche Folterspuren und Schnittverletzungen an seinem Körper gewesen:

„During 2015, we know four cases: murders and kidnappings in Russia of the natives of Chechnya, who had been deported to the country after refusals of granting the asylum.

In February 2015, after being detained by power agents, Kan Afanasiev, a resident of the Nadterechniy District of Chechnya, was killed; a few months earlier, he was deported to Russia from Sweden. Last July, Zaurbek Zhamaldaev, a native of Chechnya, disappeared in Moscow; in 2013, after denying the refuge, he was deported from Poland to Russia. His friends reported that he had been shadowed before his disappearance. The fate of the man is still unknown. […]

Øystein Vinstad, a journalist from Norway, who was beaten up, among others, on March 9, 2016, had conducted an investigation into the murder of Umar Belimkhanov and Apti Nazhuev, residents of Chechnya, who were killed after returning to Chechnya from Norway.

Umar Belimkhanov, a native of the village of Tsentaroy of the ChechenRepublic, was found dead in January 2013. According to Lene Witteland, the director of the section of Eurasia and Russia of the Norwegian Helsinki Committee in Oslo, Belimkhanov had requested asylum in Norway, but, despite the warnings of rights defenders about threats to him in Russia, received a refusal and was sent to Russia in November 2011. Upon his return to Chechnya, he was arrested for a few weeks. In his letter, sent to employees of the Human Rights Centre (HRC) ‚Memorial‘ in May 2012, he wrote that he was tortured during his arrest.

‚He wrote that during interrogations he was reproached for having left the republic; they threatened him that he should not think of trying again to leave the territory of the republic, and threw him in his face the documents about the murder of his brother, published by organizations for the protection of human rights, and his interview to Norwegian mass media about human rights violations in Chechnya, which he witnessed at home. At the end of December 2011, he was released, but he feared for consequences for his family in case of his repeated departure,‘ Lene Witteland told the journalist of the ‚Caucasian Knot‘.

In December 2015, the ‚Ny tid‘ (New Time) published the investigation by Øystein Vindstad about what happened to the two Chechens, who had been deported from Norway to Russia. The publication, which according to Aage Borchgrevink, was read by the whole of Norway, was posted under the heading "Tortured and Killed".

The two Chechens, about whom Vindstad had written, came to Norway in 2008, but they were refused the refugee status. The Norwegian Helsinki Committee and the HRC ‚Memorial‘ tried to stand up for the immigrants, insisting that the stay in Russia would be dangerous for both of them. However, the men were forced to return to Chechnya in late 2011.

Belimkhanov was found dead on December 26, 2012. According to official reports, he died in a car accident; the exact circumstances of his death were never cleared out; numerous signs of torture were found on his body; while the car, involved in the accident, had no scratches, said the advocate Brynjulf Risnes, who defended Belimkhanov's interests before the Norwegian migration authorities.

‚As far as we know, the family was refused of conducting a forensic medical examination. We believe that his death was caused by torturing and abusing him,‘ said the advocate.

Apti Nazhuev, who was seeking asylum in Norway, was deported in 2011; after living for a month in Moscow, he returned to Chechnya with his family. On May 18, 2013, he was kidnapped by armed men. On June 10, his body was found in the Argun River. According to Lene Witteland, who advised Nazhuev on obtaining asylum in Oslo, signs of torture and numerous cuts were found on his body.“ (Caucasian Knot, 5. April 2016)

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), der unabhängige Dachverband der Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen in der Schweiz, schreibt in einem im Mai 2016 veröffentlichten Bericht zur aktuellen Menschenrechtslage in Tschetschenien Folgendes zur Gefährdung für Rückkehrende:

„Akute Gefährdung für Rückkehrende.

Eine Person mit anerkanntem Expertenwissen zu Tschetschenien kennt verschiedene Fälle von Rückkehrenden, die verhaftet, gefoltert und teilweise verschwunden oder getötet worden sind. Gemäss Aussagen von Swetlana Gannushkina der Menschenrechtsorganisation Memorial vom Januar 2015 sind verschiedene Fälle von in Tschetschenien vorbestraften oder früher verurteilten Personen bekannt, welche nach einem negativen Asylentscheid im Ausland nach Jahren nach Tschetschenien zurückgekehrt, verhaftet und gefoltert worden sind. Der Europäische Menschenrechtsgerichthof hat im Fall I v. Sweden am 5. September 2013 sowie im Fall M.V. and M.T. v. France am 4. September 2014 entschieden, dass die Rückführung der tschetschenischen Antragstellenden gegen die Menschenrechtskonvention, insbesondere Artikel 3, verstossen würde. Gemäss einer am 4. Mai 2016 befragten Kontaktperson werden Personen aus Tschetschenien, welche aus dem Ausland zurückkehren, in der Regel von Vertretern des Inlandgeheimdiensts FSB verhört und unter Kontrolle gestellt. Die tschetschenischen Behörden würden über die Rückkehr der abgewiesenen Asylsuchenden informiert. Tschetschenische Rückkehrende sollen bei den Befragungen geschlagen und gefoltert worden sein. Es soll auch Fälle von Entführungen und Tötungen gegeben ha-ben.

Aktuelle dokumentierte Fälle von Folterungen und Ermordungen von Rückkehrenden.

Der jüngste dokumentierte Fall einer Tötung eines Rückkehrenden durch die tschetschenischen Sicherheitskräfte ist der Fall von Kana Afansav, welcher im Zusammenhang mit der Dammexplosion am 23. Februar 2015 festgenommen wurde. Afansev war 2013 aus Tschetschenien geflüchtet und stellte in Schweden ein Asylgesuch, welches jedoch abgewiesen wurde. Am 26. Februar 2015, drei Monate nach seiner Rückkehr nach Tschetschenien, wurde er in Grosny festgenommen und seine Leiche am selben Abend seiner Familie übergeben. An den Handgelenken waren Spuren von Folter durch die Verabreichung von Elektroschocks zu sehen.

Am 17. Dezember 2015 berichtete eine norwegische Zeitung erstmals von zwei aus Norwegen rückgeführten Tschetschenen, welche zurück im Heimatland ebenfalls gefoltert und getötet worden sind: Umar Bilemkhanov wurde gemäss Memorial unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen von Moskau im Dezember 2011 vom russischen Geheimdienst festgenommen und nach Tschetschenien gebracht. In seiner Heimatstadt fand er Berichten zufolge seinen von der Polizei zu Tode geschlagenen Vater vor. Bilemkhanov wurde verhaftet und durch Elektroschocks gefoltert. Am 26. Dezember 2012 wurde er tot aufgefunden. Die tschetschenischen Behörden gaben an, dass es sich um einen Autounfall gehandelt hätte. Memorial und das Helsinki Committe gehen jedoch von einem politisch motivierten Mord aus. Das Auto, in dem Bilemkhanov gefunden wurde, war unbeschädigt. Der andere abgewiesene Asylsuchende, Apti Nazjujey, wurde Ende 2011 nach Tschetschenien zurückgeschickt, wo er vor Abreise nach Norwegen aktiv in der Widerstandsbewegung gegen Ramsan Kadyrow teilgenommen hatte. Am 18. Mai 2013 wurde er von seiner Familie als vermisst gemeldet. Am 10. Juni 2013 wurde er tot in einem Fluss aufgefunden. Sein Körper zeigte Spuren von Folter auf.

Dokumentierte Fälle von Verhaftungen und Folterungen von Rückkehrenden.

Eine Person mit anerkanntem Expertenwissen zu Tschetschenien berichtete in einem Interview mit der SFH vom 23. März 2016 vom Fall eines Tschetschenen, der im Jahr 2015 von Belgien zurückgekehrt ist und drei Tage nach seiner Rückkehr verhaftet, während 24 Stunden brutal gefoltert und über Diaspora-Mitglieder in Belgien ausgefragt wurde. Bereits 2013 berichtete die SFH von der Verhaftung beziehungsweise Haft zweier tschetschenischer Rückkehrenden in den Jahren 2012 und 2011. Die russische NGO Memorial hat der Schweizerischen Flüchtlingshilfe auf Anfrage weitere dokumentierte Fälle aus dem Jahr 2012 zugestellt, in denen aufgezeigt wird, wie intensiv Kadyrows Sicherheitskräfte nach mutmasslichen Anhängern sowie Rückkehrenden und deren Bekannten und Verwandten fahnden, diese unter massiven Druck stellen, unrechtmässig verhaften, zu Gefängnisstrafen verurteilen und foltern.“ (SFH, 13. Mai 2016, S. 21-23)

Ein Historiker, der sich auf Tschetschenien spezialisiert und vor Ort Feldforschung betrieben hat, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 25. Mai 2016 Folgendes zu dieser Frage:

„Tschetschenen, die sich gegenwärtig im Ausland aufhalten, wohin sie meist während des Zweiten Tschetschenienkrieges geflohen sind, stehen unter Generalverdacht, gegen die Regierung zu konspirieren. Immer wieder ruft sie die Diaspora daher dazu auf, in die Heimat zurückzukehren. Da viele Menschen dies jedoch oftmals nicht wollen, werden sie politisch als Staatsfeinde inkriminiert. Dabei spielt es keine Rolle, ob ihr Aufenthaltsstatus gültig oder abgelaufen ist. Wer nach Jahren heimkehrt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit ins Fadenkreuz der Regierung geraten.“ (Historiker, 25. Mai 2016)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 31. Mai 2016)

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: 1) Lage von Personen, die im Ausland, insbesondere Europa, einen Asylantrag gestellt haben und in die Russische Föderation zurückkehren; 2) Was ist in den beiden Fällen der Tschetschenen geschehen, die Ende 2012 zurücküberstellt wurden [a-8327], 14. März 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/242760/366201_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: Lage von Verwandten ehemaliger AsylwerberInnen, wenn die russischen Behörden vom Asylantrag erfahren [a-8621], 13. März 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/273665/402698_de.html

·      BVwG – Bundesverwaltungsgerichts: Entscheidungstext W215 1402384-5/12E, 7. April 2016
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20160407_W215_1402384_5_00/BVWGT_20160407_W215_1402384_5_00.html

·      Caucasian Knot: How to go to Europe and receive an "escapee" status there, 5. April 2016
http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/35126/

·      Historiker: E-Mail-Auskunft, 25. Mai 2016

·      SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe: Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, 13. Mai 2016
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1464436271_160513-rus-menschenrechte.pdf