a-5668 (ACC-IRN-5668)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
Wie sieht die Rechtslage im Iran im Fall des Alkoholkonsums eines muslimischen Mannes aus? Was ist über die Rechtspraxis in Bezug auf Alkoholkonsum bekannt?
Artikel 174 des Zweiten Buchs der iranischen Strafgesetze lautet wie folgt:
„Die hadd-Strafe für das Trinken berauschender Getränke ist für Männer und Frauen achtzig Peitschenhiebe.“ (Strafgesetze der Islamischen Republik Iran, Art. 174)
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hält in einem Themenpapier vom 30. Juni 2007 fest:
„Der Alkoholkonsum gehört zu den Kapitalverbrechen (Hadd), die im Iran streng bestraft werden, da sie göttliches Gesetz missachten. Sowohl der Koran als auch die islamische Überlieferung verurteilen dieses Vergehen. Im Koran finden sich Suren, die vor dem Trinken warnen und es als Satans Werk bezeichnen, wonach dieser unter Gläubige Feindschaft und Hass aufkommen lassen möchte und sie vom Gedenken Gottes und vom Gebet abhalten will. Diese ablehnende Haltung findet sich in der Überlieferung wieder. 70
Art. 165 des iranischen StGB bestimmt, dass das Trinken von Alkohol unabhängig von der getrunkenen Menge, der Tatsache, ob die jeweilige Person betrunken ist oder nicht und ob das Getränk verdünnt war oder nicht, strafbar ist. Für ihre Schuld müssen sich Personen verantworten, die erwachsen und geistig gesund sind und die aus freiem Willen gehandelt haben. Nicht bestraft werden diejenigen Personen, die zur Tat gezwungen wurden oder sie begingen, um das Leben oder die Gesundheit wegen einer schweren Krankheit zu retten. Der Alkoholkonsum gilt als bewiesen, wenn die betroffene Person ihn zweimal zugibt oder wenn zwei männliche Zeugen die Tat bestätigen.71
Wer durch Verlockung, Bestechung und List die Mittel zu ihrem Genuss bereitstellt, gilt als Teilnehmer beim Trinken berauschender Getränke und wird nach Art. 175 Strafgesetzbuch zu bis zu 74 Peitschenhieben verurteilt.72 Der Genuss von alkoholisierten Getränken wird mit 80 Peitschenhieben bestraft, was für Nicht-Muslime nur dann gilt, wenn die Tat in der Öffentlichkeit stattfand.73 Die Auspeitschung wird ausgeführt, wenn die schuldige Person wieder nüchtern ist. Bei der dritten Bestrafung für dieses Vergehen sieht das Strafrecht die Tötung des Delinquenten vor (Art. 179 Strafgesetzbuch).
Nach einer Meldung von Amnesty International wurde Karim Fahimi von einem Gericht der Stadt Fardasht im Juni 2005 zum Tode verurteilt, nachdem er zuvor bereits zwei Mal wegen desselben Delikts verurteilt worden war.74 Wenn der Schuldige Reue zeigt, kann eine Verminderung der Strafe eventuell erreicht werden. Bekannt wurde in der letzten Zeit der Fall eines 32-jährigen Iraners, der bei der dritten Bestrafung wegen Alkoholkonsum zum Tode verurteilt wurde. Nachdem er Reue zeigte und schwor, nie wieder in seinem Leben Alkohol zu trinken, wurde er entlassen.75
Menschen, die mit Alkohol handeln oder ihn anbieten, droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren, wobei auch Auspeitschungen und Verbannungen praktiziert werden.76 Die Liga zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran berichtet über erniedrigende Bestrafungen von Jugendlichen, die Alkohol getrunken haben.77“ (SFH, 30. Juni 2007, S. 16f.)
Iran Focus berichtete am 13. Mai 2007, laut Angaben einer iranischen Oppositionswebseite sei ein Norweger iranischer Abstammung wegen des Konsums alkoholischer Getränke zu 130 Peitschenhieben verurteilt und öffentlich ausgepeitscht worden. Er war von den paramilitärischen Bassij-Kräften verhaftet worden, während er seine Mutter im Iran besucht hatte:
“A Norwegian resident of Iranian descent was flogged in public in Iran for drinking alcoholic beverages, an Iranian opposition website claimed on Saturday. It released photos of the individual bearing scars from the lashes.
Namand Mamandi, who resides in Norway, was arrested by Iran’s para-military Bassij Force while visiting his mother in Iran, according to a report on the Persian-language website Iran Asrar.
He was sentenced to 130 lashes in public.” (Iran Focus, 13. Mai 2007)
Laut einem Bericht von Amnesty International vom 15. Februar 2006 wurde im Juni 2005 ein 32jähriger Mann namens Karim Fahimi zum Tod verurteilt. Dieses Urteil sei durch den Obersten Gerichtshof bestätigt worden. Alkoholabhängig sei er zum vierten Mal wegen Alkoholkonsums verurteilt worden. Artikel 174 des iranischen Strafgesetzbuches sehe eine Strafe von 100 Peitschenhieben für jede Person vor, die wegen des Konsums eines Rauschmittels verurteilt worden sei. Artikel 176 sehe bei der dritten Verurteilung die Todesstrafe vor:
“In November, Karim Fahimi (also known as Karim Shalo), aged 32 and married with two young children, was reported as being at imminent risk of execution by firing squad after his death sentence, originally passed in June 2005, was confirmed by the Supreme Court. He had been convicted for the fourth time of drinking alcohol, to which he had become addicted after becoming unemployed about four years previously. Article 174 of the Iranian Penal Code provides for a sentence of 100 lashes for anyone convicted of consuming an intoxicant. Under Article 176, a third such offence carries the death penalty.
Karim Fahimi is reported to have been arrested after his family called the police for help one night when he was drunk at home. His family is reported to have said, "If we had known that instead of medical treatment, he would be put in jail and sentenced to death, we would never have called and asked for the government’s help".” (AI, 16. Februar 2006, Kap. „5.4 Death Penalty for drinking alcohol“)
Am 20. Juni 2006 berichtete AI, die Todesstrafe gegen Karim Fahimi wegen Alkoholkonsums sei umgewandelt worden, nachdem er eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, in der er erklärte, den Rest seines Lebens keinen Alkohol mehr zu trinken. Er sei Ende Mai freigelassen worden.
 
Die detaillierten Strafbestimmungen für Alkoholkonsum entnehmen Sie bitte dem im Anhang beigelegten Auszug aus den Strafgesetzen der Islamischen Republik Iran (siehe Kopie im Anhang).
 
Verjährungsfristen
 
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Materialien konnten im Rahmen einer zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen darüber gefunden werden, ob für Alkoholkonsum eine Verjährungsfrist vorgesehen ist.
Welche Möglichkeiten stehen einem Angeklagten zur Verteidigung, bzw. zur Berufung, zur Verfügung?
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Materialien konnten im Rahmen einer zeitlich begrenzten Recherche keine konkreten Informationen darüber gefunden werden, welche Berufungsmöglichkeiten einer wegen Alkoholkonsums angeklagten Person zur Verfügung stehen.
 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe schreibt in ihrem Themenpapier vom 30. Juni 2007:
„Mit Verfahren betreffend Ehebruch, Homosexualität, Genuss von Alkohol, religiöser Konversion, Nichtbeachten von Kleidervorschriften sind die öffentlichen Gerichte befasst.12 Die meisten Richter haben eine juristische Ausbildung, ein kleinerer Teil von ihnen eine theologische Ausbildung durchlaufen. Bei zivilrechtlichen Verfahren sind etwa 40 Prozent der Richter Theologen. Auch Frauen können das Richteramt ausüben.13
Das Recht auf eine faire und öffentliche Gerichtsverhandlung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht ist im Iran nicht gewährleistet. Das iranische Justizsystem zeichnet sich durch massive Menschenrechtsverletzungen, unfaire Prozesse und die Verletzung von rechtsstaatlichen Mindeststandards (nichtöffentliche Verfahren, fehlender Zugang der Angeklagten zu einem Anwalt, keine oder erschwerte Berufungsmöglichkeiten) aus. Auch wenn die Unabhängigkeit der Gerichte in der Verfassung festgeschrieben ist, ist die Praxis weit von der Theorie entfernt, was diverse Berichte von Menschenrechtsorganisationen Institutionen bestätigen. Die Gerichte sind von der Regierung und religiösen Kreisen beeinflusst. Folter und Misshandlungen werden systematisch zur Erzwingung von Geständnissen eingesetzt.14 Zu den durchgeführten Hinrichtungen oder Auspeitschungen werden keine offiziellen Stellungnahmen publiziert und eine systematische Beobachtung der Menschenrechtssituation wird seitens der Regierung verhindert.“ (SFH, 30. Juni 2007, S. 4f.)
Das US Department of State (USDOS) bemerkt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage für 2006, dass bei den Zivil- und Strafgerichten viele Aspekte des vorrevolutionären Justizsystems erhalten geblieben seien. Beispielsweise habe ein Angeklagter in der Theorie das Recht auf ein öffentliches Verfahren, einen Anwalt seiner Wahl und das Recht auf Berufung. Richtersenate würden über Verfahren entscheiden. Es gebe bei Zivil- und Strafgerichten kein Laienrichtersystem. Laut dem iranischen Recht gelte für Angeklagte die Unschuldsvermutung, dies würde in der Praxis oft nicht zutreffen. Verhandlungen sollten öffentlich stattfinden, dennoch würden sie oft hinter verschlossenen Türen ohne Zugang zu einem Anwalt stattfinden. Das Recht auf Berufung würde oft verweigert. UN-Vertreter, einschließlich der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, und unabhängige Menschenrechtsorganisationen hätten die Abwesenheit verfahrensrechtlicher Schutzbestimmungen bei Strafverfahren beobachtet:
“Many aspects of the prerevolutionary judicial system survive in the civil and criminal courts. For example, in theorydefendants have the right to a public trial, a lawyer of their choice, and right of appeal. Panels of judges adjudicate trials. There is no jury system in the civil and criminal courts; however, in the press court a council of 11 persons specifically selected by the court adjudicates the case. If postrevolutionary statutes do not address a situation, the government advises judges to give precedence to their knowledge and interpretation of Islamic law.
According to the law, defendants are entitled to a presumption of innocence, but this often does not occur in practice. Trials are supposed to be open to the public; however, frequently they are closed without access to a lawyer. The right to appeal is often denied.
UN representatives, including the UNSR, the UN Working Group on Arbitrary Detention, and independent human rights organizations noted the absence of procedural safeguards in criminal trials. The December 19 UNGA resolution on the country's human rights expressed serious concern about "the persistent failure to comply fully with international standards in the administration of justice…."” (USDOS, 6. März 2007, Sektion 1.e.)
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Diese Antwort stellt keine Meinung zum Inhalt eines bestimmten Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Wir empfehlen, die verwendeten Materialien zur Gänze durchzusehen.
Quellen:

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