Anfragebeantwortung zum Sudan: Lage von Angehörigen der Volksgruppe der Masalit in Darfur (Sicherheitslage, Diskriminierungen, Misshandlungen wie auch wirtschaftliche und rechtliche Situation) [a-10855-3 (10857)]

21. Jänner 2019

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Allgemeine Informationen zur Volksgruppe der Masalit finden sich in folgendem Bericht vom September 2017, auf den Seiten 49-50:

 

 

Das britische Innenministerium (UK Home Office) schreibt in seinem Bericht vom November 2018 zu einer im August 2018 durchgeführten Fact-Finding-Mission nach Khartum, dass die Bevölkerung der Region Darfur zu 70 Prozent aus nicht-arabischstämmigen Personen bestehe, zu den größten Gruppen würden die Fur, Zaghawa, Masalit und Berti zählen. Die allgemeine Sicherheitslage habe sich - gemessen an der Anzahl militärischer Einsätze und Kämpfe zwischen Regierungstruppen und mit der Regierung verbündeten Truppen auf der einen und Rebellengruppen auf der anderen Seite - in den vergangenen Jahren verbessert. Dies habe vornehmlich damit zu tun, dass die Rebellen nicht länger in der Lage seien, die Regierungstruppen herauszufordern. Die Präsenz der zwei verbleibenden Rebellengruppen in Darfur, die Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (Justice and Equality Movement, JEM), die sich aus Zaghawa rekrutiere und die Sudanesische Befreiungsbewegung von Abdul Wahid (Sudan Liberation Movement-Abdul Wahid), der vornehmlich Fur angehören würden, sei auf Kutum in Norddarfur und Dschebel Marra an der Grenze zwischen Nord- und Westdarfur beschränkt. Darfuris, die Verbindungen zu Aktivisten oder zu Rebellengruppen unterhalten würden oder denen solche Verbindungen unterstellt würden, würden mit großer Wahrscheinlichkeit das Interesse der Sicherheitskräfte auf sich ziehen. Die Regierung sei besonders misstrauisch gegenüber Mitgliedern der Volksgruppen Fur, Zaghawa und Masalit, da diese Gruppen eng mit den Rebellengruppen in Darfur in Verbindung gebracht würden. Personen aus der Region Darfur würden nicht grundsätzlich gesellschaftlich diskriminiert oder von anderen Gruppen unterschiedlich behandelt. Generell würden Stämme ihre eigenen Mitglieder bevorzugt behandeln:

Non-Arab Darfuris comprise approximately 70% of the Darfur population; the largest groups are the Fur, Zaghawa, Maaslit and Berti. Darfuris comprise a significant proportion of Khartoum’s population, numbering up to 1 million. There are also large numbers living in the agricultural area of Gezira to the south of Khartoum. […]

The overall security situation - measured in terms of military engagements and clashes between the government and its proxies, and the rebel groups - has improved in recent years, largely because the rebels are no longer capable of challenging government forces. The 2 remaining rebels groups in Darfur, the Justice and Equality Movement (JEM; predominantly composed of Zaghawa) and the Sudan Liberation Movement - Abdul Wahid (predominantly Fur), are confined to Kutum, North Darfur, and the Jebel Marra, at the intersection of Western and Northern Darfurs, respectively. […]

The degree and nature of discrimination an individual may face is likely to depend on a combination of factors based on their background, experiences and activities. Darfuris who have an actual or perceived association with or involvement in an activist or rebel group are likely to attract the interest of the security forces. The government is particularly suspicious of members of the Zaghawa, Fur and Maasalit, given that these tribes are most closely linked with the rebel groups in Darfur. Darfuris do not generally face direct societal discrimination from other Sudanese or are treated differently from other groups, although tribes appear to generally favour their own group.“ (UK Home Office, November 2018, S. 9-10)

Der UNO-Sicherheitsrat veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Berichte des UNO-Generalsekretärs zur Sicherheitslage und zu Aktivitäten der African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID). In diesen Berichten finden sich immer wieder Erwähnungen von Gewalt zwischen den Gemeinschaften, von der laut den Berichten auch Masalit betroffen sind:

Laut dem Bericht des UNO-Generalsekretärs vom Februar 2018 hätten Stammesführer der Masalit über rückkehrende Masalit in die Gegenden um Graida in Süddarfur berichtet. Sie hätten sich aber gleichzeitig über den Mangel an grundsätzlichen Dienstleistungen und Infrastruktur beschwert sowie gefordert, dass bei Landkonflikten entscheidende Maßnahmen ergriffen würden:

„Massalit leaders have also reported returns in the areas around Graida, South Darfur, following the weapons collection campaign in the locality, but they complained about the lack of basic services and infrastructure, and requested decisive measures on land dispute issues.“ (UN Security Council, 22. Februar 2018, S. 2)

Im Juni 2018 erwähnt der UNO-Generalsekretär zur Lage in Darfur, dass in Süddarfur Milizen der Volksgruppe der Fallata häufig Gemeinschaften der Masalit wegen Auseinandersetzungen um Landbesitz in der Region Graida angreifen würden. Milizen der Masalit, Rizeigat und Zaghawa würden unterdessen häufig binnenvertriebene Fur in der Region Kass angreifen. Seit Mitte 2015 sei die Anzahl großer Zusammenstöße zwischen Gemeinschaften zurückgegangen und es habe seitdem auch weniger Konflikte um Landbesitz und natürliche Ressourcen gegeben. Es sei jedoch während des Berichtszeitraums von Juli 2017 bis Mai 2018 zu Konflikten zwischen den Masalit und anderen Stammesgruppen um Land und Zugang zu Wasserquellen gekommen. Im Mai 2016 habe der Gouverneur von Süddarfur ein Dekret verabschiedet, das die Anrechte von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen auf ihren Landbesitz und ihre Häuser, die sie im Februar 2003 verlassen hätten, wiederhergestellt habe. Manchen Rückkehrern seien Landbesitzzertifikate ausgestellt worden. Trotzdem hätten im Jänner 2018 Angehörige der Fallata zurückkehrenden Masalit den Zugang zu ihrem Land verwehrt. Die binnenvertriebenen Masalit seien schließlich in ihr Lager in Graida zurückgekehrt, um einen Konflikt zu vermeiden:

In South Darfur, Fallata militias often attack Masalit communities over land ownership around Graida, and militias from the Misseriya, northern Rizeigat and Zaghawa tribes frequently attack Fur displaced around Kass. […]

Large-scale intercommunal clashes have subsided since mid-2015 and the majority of conflicts over land and natural resources are now also of a significantly lesser scale. Exceptions include clashes between the Ma’aliya and southern Rizeigat over land and cattle rustling in East Darfur, which in July 2017 killed 43 on both sides; between the Zaghawa and various nomadic tribes in West Darfur over natural resources in October 2017, leading to fatalities on both sides; and among the Fallata, the Masalit and the Salamat, and between the Habbaniya and the Salamat in South Darfur, over land and access to water.“ (UN Security Council, 1. Juni 2018, S. 3)

„In South Darfur, in May 2016, the Governor issued a decree restoring the rights of internally displaced persons and refugees to the lands and houses they had left behind in February 2003, and issued land ownership certificates for returnees in some areas. Despite that, in January 2018, the Fallata denied Masalit returnees access to land, and the internally displaced persons returned to the camp in Graida to avoid conflict.“ (UN Security Council, 1. Juni 2018, S. 5)

Laut einem weiteren Bericht des UNO-Generalsekretärs vom Oktober 2018 hätten die Masalit und Fallata im Juli 2018 in Süddarfur ein Friedensabkommen unterzeichnet. Die Landkonflikte seien in diesem Abkommen allerdings nicht angesprochen worden. Die Gemeinschaften hätten sich darauf geeinigt, die Leitung bei der Lösung von Konflikten um Land in die Hände der staatlichen Behörden zu geben:

„In South Darfur on 9 July, the Masalit and the Fallata signed a peace agreement in Bulbul Tembisco in the presence of the Wali of South Darfur, with logistical and technical support from UNAMID. However, the land issue was not addressed. The communities agreed to allow the resolution of land issues to be led by the state authorities.“ (UN Security Council, 12. Oktober 2018, S. 11)

Der Sender Radio Dabanga, ein Projekt des Radio Darfur Network, eines Zusammenschlusses von sudanesischen Journalisten und internationalen Entwicklungsorganisationen, das von Free Press Unlimited in den Niederlanden betrieben wird, erwähnt in der Zeit vom Mai 2017 bis zum Juli 2018 die Masalit in den folgenden Artikeln zu Darfur:

 

Im Mai 2017 schreibt der Sender, dass bei Kämpfen zwischen den Stämmen der Salamat und der Misseriya in Zentraldarfur bewaffnete Männer drei Dörfer überfallen und in Brand gesteckt hätten. Diese Dörfer seien von Masalit bewohnt gewesen:

Renewed fighting erupted between members of the Salamat and Misseriya tribes on Friday, southwest of Bindisi in Central Darfur. […] 'The clashes continued until sunset on Friday,‘ one of the witnesses said. He reported that a number of people have left their villages in fear of more violence. 'The fighters used Land Cruisers, heavy weapons and machine guns. One of the leaders of a pro-government militia, named Abaker Bilanazal, was killed in the fighting,‘ the witness claimed. Listeners in Um Dukhun locality, where the clashes between Salamat and Misseriya initially started on Tuesday and Wednesday, said that armed men torched and raided three villages: Maraya, Magola, and Suf Elbin. The villages were inhabited by people of the Masalit.“ (Radio Dabanga, 19. Mai 2017)

Laut Radio Dabanga habe die Regionalregierung von Westdarfur im Mai 2018 bekanntgegeben, dass ein Komitee zur Aussöhnung zwischen den Stämmen gebildet werden solle. Dieses Komitee solle an der Aussöhnung zwischen den Masalit, dem größten Stamm in Westdarfur unter der Führung von Sultan Saad Abdelrahman Bahreldin, und Führern anderer lokaler Stämme im Bundesstaat arbeiten:

„The government of West Darfur took several new measures last week, in an attempt to reduce the insecurity in the state. […] Apart from these measures, a committee will be established that will work on reconciliation between the Masalit, the main tribe in West Darfur headed by Sultan Saad Abdelrahman Bahreldin, and native administration leaders from other tribes in the state.“ (Radio Dabanga, 6. Mai 2018)

Im Juli 2018 schreibt Radio Dabanga, dass eine Konferenz zur Aussöhnung zwischen den Stämmen der Fallata und Masalit in Süddarfur begonnen habe. Die Konferenz wolle die Auseinandersetzungen beider Stämme in Gireida (Graida) beilegen:

A reconciliation conference between the Fellata and Masalit tribes has started in South Darfur on Saturday. The conference aims to end the conflict between the two tribes in Gireida. […] Omar Mohamed Ibrahim, representative of Gireida in the state legislative council, told Radio Dabanga that the two sides would sign the document on peaceful coexistence at the end of the conference. The parties have already reached a settlement regarding areas where former displaced people would voluntarily return to, in Jamila. This agreement has been reached together with other tribes, including the Gimir.“ (Radio Dabanga, 10. Juli 2018)

Es konnten keine weiteren Informationen speziell zur Lage der Masalit in Darfur gefunden werden. Informationen zur allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage finden sich in den Teilen 10855-1 und 10855-2 dieser Anfragebeantwortung.

 

Ältere Informationen zu den Masalit finden sich in folgenden Anfragebeantwortungen:

  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Sudan: Aktuelle Informationen zur Lage der Volksgruppe der Masalit [a-10031], 16. Februar 2017
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1393949.html
  • IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: Sudan: Treatment of the Masalit ethnic group in Darfur by government authorities and armed militias, including incidents of violence (2002-2013) [SDN104731.E], 17. Jänner 2015
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1046972.html

 


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 21. Jänner 2019)