Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrern aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für Rückkehrer aus Europa [a-10541-3 (10543)]

29. März 2018

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Lage von Rückkehrern aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen

Das britische Innenministerium (UK Home Office) veröffentlicht im Juni 2017 einen Bericht mit Herkunftsländerinformationen und Handlungsempfehlungen für britische Asylentscheider speziell zum Thema der Rückkehr in den Irak. Unter Bezugnahme auf einen Brief der britischen Botschaft in Bagdad vom Mai 2013 wird erwähnt, dass weder die Botschaft noch die Partnerorganisationen in der Autonomen Region Kurdistan (ARK), die Hilfe bei der Reintegration sowie Umsiedlung anbieten würden, Fälle schlechter Behandlung oder Festnahmen von Rückkehrern registriert hätten:

The letter also noted: ‘Neither we nor our partner organisations in KRG [Kurdistan Region of Iraq] providing reintegration and resettlement assistance have any evidence of any returnees being mistreated, detained or returned back to the UK during the past year.“ (UK Home Office, Juni 2017, S. 18)

Das australische Außen- und Handelsministerium (Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT) veröffentlicht mit dem Zweck der Verwendung in Verfahren zum internationalen Schutz im Juni 2017 einen Länderbericht zum Irak. Hierin wird berichtet, dass DFAT deutliche Beweise dafür habe, dass Iraker aus Australien zurückkehren und im Irak unter anderem Geschäfte eröffnen, Arbeit aufnehmen oder eine frühere Arbeit wieder aufnehmen würden. Die Praxis, um Asyl im Ausland anzusuchen und dann, wenn es die Umstände erlauben würden, in den Irak zurückzukehren, sei unter Irakern akzeptiert. Es gebe begrenzte Beweise dafür, dass freiwillige Rückkehrer aus dem Westen Schwierigkeiten dabei hätten, sich wieder in ihre Gemeinschaften zu integrieren. Kontakte im Irak hätten jedoch angegeben, dass eine Rückkehr in den Irak insbesondere dann schwer sein könne, wenn eine Person nicht in ihre ursprüngliche Gemeinschaft zurückkehre. Die Integration in neue Gemeinschaften gestalte sich schwierig und werde zusätzlich durch den Einfluss von Klientelismus und Vetternwirtschaft, der sich auf das Alltagsleben auswirke, verkompliziert. Eine große Anzahl von Kurden, darunter insbesondere alleinstehende Männer, kehre freiwillig vor allem aus Europa in die Region Kurdistan zurück. Wie auch in anderen Regionen des Irak seien hier familiäre Verbindungen wichtig und eine erneute Integration falle denjenigen leichter (insbesondere im Hinblick auf Unterkunft und Arbeit), die weiterhin über Verbindungen in die Region Kurdistan verfügen würden:

DFAT has considerable evidence that shows a number of Iraqis return to Iraq, sometimes only months after securing residency in Australia to reunite with families, establish and manage businesses or take up or resume employment. The practice of seeking asylum and then returning to Iraq once conditions permit is well accepted amongst Iraqis, as evidenced by the large numbers of dual nationals from the US, Western Europe and Australia who return to Iraq. DFAT has limited evidence to suggest that voluntary returnees from the West face difficulties in assimilating back into their communities. However, in-country contacts have said that returning to Iraq can be difficult, particularly if the individual does not return to their original community. Integration within new communities is difficult, and complicated by the significant influence of patronage and nepotism that affect many aspects of day-to-day life in Iraq. Large numbers of Kurds return voluntarily to the Kurdish region, particularly from the UK and European Union countries (mainly single males). The Kurdish region’s relative security compared to other areas of Iraq has encouraged returns. As with other areas of Iraq, familial connections are important in the Kurdish region and reintegration has been easier (particularly in terms of employment and housing) for those who have maintained connections in the Kurdish region.“ (DFAT, 26. Juni 2017, S. 30)

REACH, eine Initiative der humanitären NGOs IMPACT und ACTED sowie des operativen UN-Satellitenanwendungsprogramm UNOSAT, veröffentlicht im Juni 2017 einen Bericht zur Migration von Irakern nach Europa sowie deren Rückkehr in den Irak. Bei Gesprächen mit Gemeinschaftsführern (unter anderem in Sulaimaniya) sei erwähnt worden, dass Rückkehrer wieder in ihre Gemeinschaften aufgenommen würden und dass die Gemeinschaften keine Schwierigkeiten hätten, Rückkehrer zu akzeptieren. Manchen Gemeinschaftsführern zufolge sei es für die Rückkehrer selbst schwierig, da sie bei ihrer Migration nicht erfolgreich gewesen seien und es nicht vermocht hätten, ein besseres Leben im Ausland aufzubauen. Die meisten der befragten Gemeinschaftsführer hätten auch angemerkt, dass es für Rückkehrer keine Möglichkeiten bei der Rückkehr gebe. Sie hätten in Europa keine neuen Fertigkeiten erlernt und dadurch, dass sie Zeit in Europa verschwendet hätten und es nur wenig Beschäftigungsmöglichkeiten gebe, gehe es ihnen oft schlechter als vor ihrer Migration. Nach der Rückkehr würden diese Personen oft in notdürftigen Unterkünften leben und seien Berichten zufolge stark abhängig von Unterstützungsleistungen der Familie oder der Gemeinschaft:

All community leaders reported that returnees were welcomed back into their communities and none felt communities had difficulties in accepting returnees. However, some acknowledged that returnees themselves could struggle once back, as they did not ‘succeed’ in migrating and building a better life for themselves elsewhere. Still, the majority held that there were no opportunities for returnees once back home and, since most had been unable to learn new skills in Europe, returnees were usually worse off than before, as job opportunities were scarce and returnees had ‘wasted time in Europe’. Upon return, returnees often lived in precarious shelters and were reportedly heavily dependent on family and community support.“ (Reach Initiative, 30 Juni 2017, S. 34)

Verfügbarkeit von Wohnraum, Kosten

Im Länderinformationsblatt Irak von 2017, das für das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich folgende allgemeine Informationen zur Wohnsituation im Irak:

„1. Wohnsituation

a. Durchschnittliche Miete, Nebenkosten Die Höhe der Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In KR-I [Kurdistan Region of Iraq] Städten liegt die Miete bei 300 – 600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage zum Mieten stieg, nahm die Nachfrage zum Kaufen ab. Durchschnittliche Betriebskosten pro Monat: Gas (15,000 IQD) [etwa 10 Euro, Anm. ACCORD] Wasser (10 - 25,000 IQD) [etwa 6,80 – 17 Euro, Anm. ACCORD] Öffentliche Elektrizität (30 - 40,000 IQD) [etwa 20,50 bis 27 Euro, Anm. ACCORD] Private oder nachbarschaftliche Generatoren (40,000 IQD) [etwa 27 Euro, Anm. ACCORD]

b. Angebot und Nachfrage Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003, als viele Iraker ihre Häuser verließen um in anderen Gegenden, hauptsächlich in KR-I, Sicherheit zu suchen. In Anbetracht der sich ständig ändernden Sicherheitslage und dem Krieg gegen den IS findet eine Massenflucht in kurdisches Gebiet statt. Dies führt zu einer wachsenden Nachfrage und steigenden Mieten. Generell ist es vor allem schwierig Einzelwohnungen zu mieten.“ (IOM, 2017, S. 4)

Für den oben bereits erwähnten Bericht der REACH-Initiative vom Juni 2017 zur Rückkehr in den Irak wurden zwischen April und Juni 2017 qualitative Daten an besonders von Rückkehr betroffenen Orten in Kurdistan sowie in Bagdad erhoben. Insgesamt wurden 65 Rückkehrer zu den Motiven ihrer Rückkehr sowie zur Lage nach ihrer Rückkehr befragt. In der Region Kurdistan hätten neun von 34 befragten Personen angegeben, dass der Mangel einer passenden Unterkunft zu ihren Hauptproblemen zähle. Rückkehrer, die Probleme hinsichtlich einer Unterkunft angegeben hätten, würden normalerweise Wohnraum mieten und seien oft Binnenvertriebene und hätten daher Probleme, die Miete zu bezahlen. In der Provinz Sulaimaniya würden die meisten Binnenvertriebenen in Mietunterkünften leben und seien mit hohen Mieten konfrontiert:

Notably, in KRI [Kurdistan Region of Iraq], lack of appropriate housing was reported as one of the main difficulties faced upon return (9 out of 34). The returnees who reported problems with housing were usually renting accommodation, and were often IDPs [Internally Dispaced Persons], which implied that they were struggling to afford the rent. In Sulaymaniyah, a high proportion of IDPs (81%) were living in rented accommodation, which has been found to be the most pressing concern for IDPs displaced in the governorate due to the high rents.“ (REACH Initiative, 30. Juni 2017, S. 32)

Die wirtschaftsliberale Bertelsmann Stiftung, eine deutsche gemeinnützige Denkfabrik, schreibt in ihrem 2018 veröffentlichten Transformationsindex zum Irak, einem Ländergutachten zu politischer Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität demokratischer Institutionen, sozioökonomischer Entwicklung etc., dass sich in der Region Kurdistan laut einem Bericht der kurdischen Regionalregierung 1,8 Millionen Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge aufhalten würden. Dies entspreche 40 Prozent aller binnenvertriebenen Iraker und 97 Prozent der syrischen Flüchtlinge im Irak. Die meisten Flüchtlingslager der Region seien mit Elektrizität und Wasser versorgt, was zu einem Rückgang der Stunden geführt habe, in denen Wasser und Elektrizität allgemeinhin verfügbar seien. Der weiterhin niedrige Ölpreis habe zudem zu Haushaltsdefiziten bei der kurdischen Regionalverwaltung geführt, woraufhin die kurdische Regionalregierung viele staatlichen Programme eingestellt habe:

In the Kurdistan region (KR), the issue is different. Before June 2014, electricity was delivered almost constantly, with few outages. Yet, the surge of IDPs [Internally Displaced Persons] and refugees from Syria changed this, especially in the province of Duhok. According to a KRG [Kurdistan Regional Government] report, the region hosts almost 1.8 million IDPs and refugees, which equals 40% of all displaced Iraqis and 97% of the Syrian refugees in Iraq. Most of KR’s refugee camps have water and electricity, which led to a decrease in the hours in which water and electricity are accessible overall. Furthermore, the continued low oil prices have led to budget deficits which have forced the KRG to reduce many government programs.“ (Bertelsmann Stiftung, 2018, S. 9)

Die von einem in Serbien ansässigen Softwareentwickler betriebene Website Numbeo gibt mithilfe von nutzergenerierten Daten die Durchschnittspreise für Konsumgüter, Wohnkosten und weitere Lebenskosten in ausgewählten Städten an. Nutzer, die über Informationen zum Preisniveau verschiedener Güter in einer bestimmten Stadt verfügen, können diese über Numbeo eintragen. Aus den verschiedenen Preisangaben der Nutzer werden dann Durchschnittspreise für die einzelnen Güter angegeben. Solche Preisprofile existieren auch für die in der ARK gelegenen Städte Erbil und Sulaimaniya.

Was die Angaben zu Erbil anlangt, so wird auf der Seite erklärt, dass die Angaben mit dem Stand März 2018 von 60 verschiedenen Nutzern stammen würden und innerhalb der letzten 18 Monate erfolgt seien. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Daten genau wann eingegeben wurden, und aus wie vielen einzelnen Beiträgen die angegebenen Durchschnittspreise errechnet wurden. Die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung im Zentrum von Erbil wird mit dem Durchschnittspreis von 327 Euro angegeben (Preisspektrum: 187 – 487 Euro), für die Miete einer Einzimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 247 Euro (Preisspektrum: 162 – 365 Euro) errechnet. Weiters finden sich auch Angaben zu einer Dreizimmerwohnung. (Numbeo, Stand: März 2018)

Zum Preisprofil für die Stadt Sulaimaniya haben nach Angaben von Numbeo 26 Nutzer mit dem Stand Februar 2018 in den vorigen 18 Monaten Daten beigetragen. Hier ist ebenfalls nicht ersichtlich, welche Daten genau wann eingegeben wurden, und aus wie vielen einzelnen Beiträgen die angegebenen Durchschnittspreise errechnet wurden. Für die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung im Zentrum von Sulaimaniya wird ein Durchschnittspreis von 294 Euro angegeben (Preisspektrum: 243-405 Euro), für die Miete einer Einzimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 203 Euro (Preisspektrum: 162-243 Euro) errechnet. Weiters finden sich auch Angaben zu einer Dreizimmerwohnung. (Numbeo, Stand: Februar 2018)

Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen, allgemeine Informationen zum Arbeitsmarkt

Die dänische Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) schreibt in einem im April 2016 veröffentlichten Bericht zu einer Fact-Finding-Mission nach Kurdistan im September und Oktober 2015, dass sich drei Quellen zufolge in der Region Kurdistan Mitglieder der Aufnahmegemeinschaft, Binnenvertriebene und syrische Flüchtlinge gegenseitig Konkurrenz um Arbeitsmöglichkeiten machen würden. Binnenvertriebene seien üblicherweise bereit und in der Lage, für geringeren Lohn als die Aufnahmegemeinschaf zu arbeiten. Laut Informationen der International Organization for Migration (IOM) habe die Organisation Schwierigkeiten, Arbeitsmöglichkeiten für aus Europa zurückkehrende Kurden zu finden, da viele Firmen gerade ihre Arbeitskräfte reduzieren würden:

Three sources pointed to competition for jobs in KRI [Kurdistan Region of Iraq] between host community members, IDPs and Syrian refugees. Three sources said that IDPs are typically willing and able to work for lower salaries than members of the host community. IOM stated that they, as an organisation, are facing difficulties to find employment for Kurdish returnees who went back to KRI from Europe, as many companies downsize their workforce. (DIS, 12. April 2016, S. 52-53)

Im Länderinformationsblatt Irak von 2017, das für das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich folgende allgemeine Informationen zum Arbeitsmarkt:

„1. Arbeitsmarkt

a. Erwerbstätige Bevölkerung Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die derzeitige IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor.

b. Durchschnittliches Einkommen Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden aufgrund von Budgetkürzungen. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350–1500 USD, je nach Position und Ausbildung.

c. Arbeitslosenquote Die Arbeitslosenquote beträgt 14%.“ (IOM, 2017, S. 3)

Laut dem Bericht der REACH-Initiative vom Juni 2017 hätten 25 der 34 in der Region Kurdistan befragten Rückkehrer angegeben, dass sie keine Arbeit hätten oder es für sie schwer sei, eine passende Arbeit zu finden. Insbesondere Binnenflüchtlinge, die in die Autonome Region Kurdistan (ARK) anstatt an ihren ursprünglichen Wohnort zurückgekehrt seien, hätten Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche gehabt. Die 23 Rückkehrer, die angegeben hätten, eine Arbeit gefunden zu haben, hätten ebenfalls berichtet, dass sie mit ihrem derzeitigen Job nicht zufrieden seien und darauf hoffen würden, eine Arbeit zu finden, die besser bezahlt und besser auf ihre Ausbildung abgestimmt sei. Fünf Rückkehrer hätten angegeben, in Branchen zu arbeiten, die nichts mit ihrer bisherigen Ausbildung zu tun hätten. Sie würden demnach als Taxifahrer und in Geschäften arbeiten, wohingegen sie früher im Businessbereich gearbeitet oder studiert hätten. Auch wenn Rückkehrer durch die Familie oder externe Hilfsprogramme Unterstützung erhalten würden, dann sei diese den Befragten zufolge nicht ausreichend gewesen, um ihr Leben wieder aufzubauen. Die Mehrheit der befragten Rückkehrer habe berichtet, dass sie sich hinsichtlich Unterstützung eher auf ihre Familien als auf die lokale Gemeinschaft oder Organisationen verlassen könnten. Die Gemeinschaften hätten mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen und Rückkehrer würden bisweilen nicht als Gruppe wahrgenommen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf habe. Iraker, die über offizielle Rückkehrerprogramme zurückgekehrt seien, hätten Unterstützungsleistungen durch Reintegrationsprogramme von IOM oder ERIN (European Reintegration Network) erhalten. Vier Rückkehrer, die eine solche Unterstützung erhalten hätten, hätten angegeben, dass diese finanzielle Hilfe nicht nachhaltig gewesen sei, da sie zwar anfallende Kosten decke, aber keine Investitionen für neue Projekte ermögliche. Ein Rückkehrer habe mit offizieller Unterstützung ein Geschäft eröffnen können, ein anderer habe sein Geschäft aufgrund zu niedriger Einnahmen nicht aufrechterhalten können. Einige Rückkehrer hätten berichtet, dass sie das Gefühl hätten, Binnenvertriebene würden mehr Unterstützung erhalten als Rückkehrer aus Europa:

A large number of returnees interviewed in KRI [Kurdistan Region of Iraq] reported that they had no job or that it was difficult for them to find suitable work (25 out of 34). This impacted particularly IDPs who returned to KRI rather than to their area of origin, which was considered unsafe. IDPs from other areas of Iraq tended to have less support to count on in KRI, and most had to rent houses, which they found difficult to do with their reportedly low salary. […]

Although 23 returnees reportedly had found employment, all reported that they were not satisfied with their current job and hoped to find work opportunities with better salaries and better suited to their education and experience in the future. Five returnees reported that they were employed in jobs that were not related to their education, training or previous work experience. More precisely, these returnees were reportedly working as taxi drivers or in shops, when they had previously worked in business or studied at university.

Furthermore, even where returnees received assistance, be it from family, or external assistance programmes, it was reportedly not sufficient to enable individuals to rebuild their lives. In fact, the majority of returnees reported that they could only rely on their families for support, rather than on their local community or organisations. This was reportedly primarily because others in the community had their own problems, and sometimes because returnees were not seen as particularly in need of support. […]

Iraqis who returned through official return schemes had received support through reintegration programmes, such as those run by IOM [International Organisation for Migration] and the European Reintegration Network (ERIN). However, the four returnees who had received financial assistance upon return reported that it was appreciated, but not sustainable as it would only cover expenses and not allow for investment in new projects. One returnee was able to successfully run a business with the help of official assistance upon return, while another was unable to make enough revenue to keep the business running. Some returnees reported that they felt there was more support available for IDPs in Iraq than for returnees from Europe.” (REACH Initiative, 30. Juni 2017, S. 31-32)

Musings on Iraq, der Blog des US-amerikanischen Irakanalysten Joel Wing, erwähnt in einem Eintrag vom Februar 2016, dass laut Angaben der Investorenvereinigung in Kurdistan vom Dezember 2015 die Arbeitslosenrate bei 20 bis 25 Prozent gelegen habe. Diese Zahl sei offiziell von kurdischen Behörden zurückgewiesen worden. Die Wirtschaft sei der doppelten Schwierigkeit niedriger Ölpreise und steigender Kosten ausgesetzt. Der irakische Staatsapparat sei sehr dominant, dafür gebe es nur einen relativ kleinen Privatsektor, der in Zeiten der Krise kein Sicherheitsnetz bilden könne:

„In December 2015, the Investors Syndicate in Kurdistan claimed that unemployment was at 20-25%, which was officially denied by the Kurdish authorities. The fact that the jobless rate continues to climb upwards should be no surprise. The economy is facing the double strain of low oil prices and rising costs putting the country in a bind. Because the government is so dominant the private sector is relatively small, and cannot provide a safety net in this time of crisis.” (Musings on Iraq, 8. Februar 2016)

BasNews, eine in Erbil angesiedelte Nachrichtenagentur, schreibt im Mai 2017, dass aufgrund der wirtschaftlichen Herausforderungen sowie der instabilen Sicherheitslage an den Grenzen die Arbeitslosenrate seit 2014 angestiegen sei. Ein Sprecher der Investorenvereinigung in Kurdistan habe erklärt, dass der Anstieg mit der großen Anzahl privater Firmen zusammenhänge, die nach 2014 in Konkurs gegangen seien. Dadurch seien 183.000 Erwerbstätige im Privatsektor arbeitslos geworden. Laut der kurdischen Statistikbehörde liege die Arbeitslosenrate derzeit bei 13 Prozent:

With the economic challenges facing the Kurdistan Region and security instability just outside its borders, the unemployment rate has rapidly raised since 2014. […]

Yaseen Mahmoud, a spokesperson for Kurdistan Region’s Investors Union, put the increase down to the huge number of private companies which went bankrupt after 2014. ‘At least 700 companies and investors have became bankrupt since then,’ Mahmoud told BasNews, noting that the issue has resulted in unemployment of at least 183,000 people from the private sector. According to Kurdistan Region’s Directorate of Statistics, the rate of unemployment is now at 13%. Director Sirwan Mohammed said that 45,000 job opportunities were lost between 2014 and 2015 only.“ (Basnews, 13. Mai 2017)

Lifos, das Zentrum für Länderinformationen der schwedischen Einwanderungsbehörde (Migrationsverket), schreibt in einem Bericht zur Sicherheitslage im Irak vom Dezember 2017, dass sich in der Region Kurdistan aufgrund fallender Ölpreise und eines teuren Kampfes gegen die Gruppe Islamischer Staat (IS) die wirtschaftliche Lage verschlechtere und sich dies wiederum auf die lokale Bevölkerung auswirke. Daher sei in der Region die Kriminalität angestiegen, darunter insbesondere die organisierte Kriminalität des Drogen- und Goldschmuggels sowie Diebstähle. Der Verlust von Ölfeldern in Kirkuk und Ninawa, die sich vormals unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung befunden hätten, verschärfe die wirtschaftliche Lage in Kurdistan noch zusätzlich. Die Ölexporte der Autonomen Region Kurdistan seien bereits um 55 Prozent zurückgegangen. Dies wiederum mache es der kurdischen Regionalregierung schwer, die Beamtengehälter auszuzahlen. Viele Beamte hätten bereits seit mehr als zwei Jahren nicht mehr ihren kompletten Lohn erhalten. Zudem hätten sich bei der kurdischen Regionalregierung 20 Billionen US-Dollar Schulden für Energieabkommen mit der Türkei und Russland angehäuft:

The deteriorating economic situation due to falling oil prices and the costly campaign against IS continues to strain the local population. As a result, the region has witnessed an increase in the level of crime, mainly in organised crime such as drug and gold smuggling, as well as robberies. […]

The loss of control over the oil fields in Kirkuk, and a number of smaller fields in Ninewa, that were previously under Kurdish control is likely to deepen the KRG’s already ailing economy. These losses have reduced the Kurdish region’s oil exports by approximately 55 percent, ending all hope for creating a self-sustaining economy separate from Baghdad. This will further put a strain on the KRG [Kurdistan Regional Government] to pay salaries to its civil servants – most of whom have not received full pay in more than two years. The KRG also has more than 20 billion USD in debt in energy deals with both Turkey and Russia.“ (Migrationsverket, 18. Dezember 2017, S. 34-35)

Das in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) ansässige kurdische Mediennetzwerk Rudaw schreibt im März 2018, dass eine Gruppe öffentlich Bediensteter, darunter Lehrer, Gesundheitspersonal und Pensionisten, in Erbil einen Generalstreik plane und von der kurdischen Regionalregierung fordere, ihr Lohneinsparprogramm zu beenden. Wegen dieses Programms würden öffentlich Bedienstete bereits seit zwei Jahren mit gekürzten Löhnen leben. 2016 habe die in Finanznot geratene Kurdische Regionalregierung das Lohneinsparprogramm eingeführt. Durch dieses Programm seien Löhne von Bediensteten im öffentlichen Sektor teilweise um mehr als die Hälfte gekürzt worden. Obwohl es regelmäßig zu Demonstrationen von Staatsbediensteten in Sulaimaniya und Halabdscha komme, da die Regierung die Löhne nicht rechtzeitig auszahle, komme es nun zum ersten Mal in Erbil zu einem Streik:

Planning a general strike on Monday, a group of public employees in Erbil has formed a council to demand the government end its salary-saving program that has seen them living on reduced wages for about two years. A group, including teachers, health workers, and pensioners, met on Saturday in Erbil’s Shanadar Park. […]

The cash-strapped KRG [Kurdistan Region of Iraq] introduced the salary-saving system in 2016 as part of austerity measures. Under the system, they slashed wages of public employees, in some cases by more than half. Though protests against the government’s failure to pay wages on time or in full have regularly taken place in Sulaimani and Halabja provinces, until now Erbil has not seen similar strike action.” (Rudaw, 25. März 2018)

Der irakische Fernsehsender Al-Sumaria News berichtet im März 2018, dass bereits den zweiten Tag in Folge Demonstrationen der Lehrer und Behördenangestellten in Kurdistan stattgefunden hätten, die für die volle Auszahlung ihrer Löhne protestiert hätten und angegeben hätten, so lange weiter zu demonstrieren und Druck auf die Regionalregierung auszuüben, bis man ihren Forderungen entgegenkomme. (Al Sumaria, 26. März 2018)

Sozialsystem, Unterstützungsprogramme für Rückkehrer

Im Länderinformationsblatt Irak von 2017, das für das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich folgende allgemeine Informationen zum irakischen Sozialsystem:

„Sozialsystem a. Allgemeine Informationen Alle Iraker sind automatisch im Sozialsystem registriert. Die KR-I [Kurdistan Region of Iraq] Regierung behandelt keinen Staatsbürger unterschiedlich aufgrund von Religion oder Ethnie. Diese haben, ebenso wie Rückkehrer, Zugang zu allen Sozialleistungen.

b. Zugang, speziell für Rückkehrer

Folgende Gruppen können sich für Sozialhilfe qualifizieren: Behinderte Personen, Familien von Märtyrern, Weisen, In bestimmten Spezialfällen

Der Staat zahlt im Staatsgebiet vertriebenen (IDPs) 800 USD pro Familie.

Schutzbedürftige Personen mit Behinderungen erhalten 150.000IQD [150.000 Irakische Dinar, etwa 102 Euro, Anm. ACCORD] für Betreuungsmöglichkeiten. Unterstüztungsprogramme können von Gemeinde zu Gemeinde variieren. Anmeldeverfahren: Die Anmeldung erfolgt über das Ministerium für Arbeit und Soziales. Notwendige Dokumente: Es werden ein gültiger Ausweis sowie Informationskarte gebraucht. Darüber hinaus sollten alle weiteren relevanten Dokumente wie z.B. medizinische Bescheinigungen mitgebracht werden.“ (IOM, 2016, S. 5)

Auf der Seite des BM.I (Bundesministerium für Inneres) finden sich folgende Informationen zum europäischen Rückkehrerprogramm ERIN (European Reintegration Network) für freiwillige Rückkehrer:

„Das Bundesministerium für Inneres nimmt seit Juni 2016 als offizielle Partnerorganisation am ‚European Reintegration Network‘, kurz ERIN-Programm teil und bietet Reintegrations-unterstützung in unterschiedlichen Herkunftsländern an. […]

Aktuell (per 23.02.2018) wird ERIN-Reintegrationsunterstützung in folgenden Herkunftsländern zur Verfügung gestellt:

-         Afghanistan

-         Irak (KRG und Zentral) […]

Bei den Service Providern handelt es sich entweder um eine im Herkunftsland angesiedelte Internationale Organisation oder eine lokale NGO, die den Rückkehrer und die Rückkehrerin bei ihrer Wiedereingliederung in der Heimat unterstützt. Im Rahmen des ERIN Programms erhält jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Reintegrationsleistung in der Höhe von 3.500 Euro, wobei 500 Euro als Bargeld und 3.000 Euro als Sachleistung vom Service Provider im Herkunftsland ausgegeben werden; mit Ausnahme der Russischen Föderation, hier wird der Betrag von 3.500 Euro ausschließlich als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Während die Geldleistung grundsätzlich dazu gedacht ist die unmittelbaren Bedürfnisse nach der Rückkehr zu decken, dient die Sachleistung insbesonders als Investition zur Schaffung einer Existenzgrundlage und trägt somit zu einer nachhaltigen Rückkehr bei.

Leistungsumfang (pro Haushalt erhält eine Person Reintegrationsunterstützung)

-         Abholung/Empfang und Assistenz am Ankunftsort (z.B. Flughafen)

-         Kurzfristige Unterkunft am Ankunftsort

-         Beratung und Unterstützung bei der Existenzgründung im Herkunftsland

-          Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheiten

-          Unterstützung bei Wohnungssuche / Wohnraumbeschaffung (ggf. Mietzuschuss)

-         Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (Erstellung eines Businessplans, etc.)

-         Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen

-         Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

-         Sonstige individuelle Hilfsangebote“ (BM.I, Stand: 23. Februar 2018)

Informationen zu kurdischen Rückkehrern aus Europa

Es konnten keine konkreten Informationen zur Lage von RückkehrerInnen aus Europa in die Region Kurdistan gefunden werden. Gesucht wurde mittels ecoi.net, Refworld, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: returnee, return, kurdistan region of iraq, erbil, irbil, difficulties, restrictions, number, كردستان, العائدين من أوروبا

 

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 29. März 2018)

·      Al Sumaria: istimrar muzhaharat mucallimi wa muwazhzhafi kurdistan li-l-youm ath-thani li-l-mutalaba bi-sarf rawatibihim kamila [Demonstrationen der Lehrer und Behördenangestellten in Kurdistan für die volle Auszahlung ihrer Löhne halten zweiten Tag an], 26. März 2018
https://www.alsumaria.tv/news/232700/%D8%A7%D8%B3%D8%AA%D9%85%D8%B1%D8%A7%D8%B1-%D9%85%D8%B8%D8%A7%D9%87%D8%B1%D8%A7%D8%AA-%D9%85%D8%B9%D9%84%D9%85%D9%8A-%D9%88%D9%85%D9%88%D8%B8%D9%81%D9%8A-%D9%83%D8%B1%D8%AF%D8%B3%D8%AA%D8%A7%D9%86-%D9%84%D9%84%D9%8A%D9%88%D9%85-%D8%A7%D9%84%D8%AB%D8%A7%D9%86%D9%8A/ar?utm_campaign=magnet&utm_source=entity_page&utm_medium=related_articles#

·      Basnews: Unemployment Rising Rapidly in Kurdistan Region: Official, 13. Mai 2017
http://www.basnews.com/index.php/en/reports/349883

·      Bertelsmann Stiftung: BTI 2018; Iraq Country Report, 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/1427413/488298_en.pdf

·      BM.I – Bundesministerium für Inneres: Spezifische Maßnahme - European Reintegration Network (ERIN), Stand 23. Februar 2018)
http://bfa.gv.at/files/return/Irak/ERIN_Client%20information.pdf

·      DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report Iraq, 26. Juni 2017
https://www.ecoi.net/en/file/local/1419304/4792_1512558545_country-information-report-iraq.pdf

·      DIS – Danish Immigration Service: The Kurdistan Region of Iraq (KRI); Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation; Report from fact finding mission to Erbil, the Kurdistan Region of Iraq (KRI) and Beirut, Lebanon, 26 September to 6 October 2015, 12. April 2016
https://www.ecoi.net/en/file/local/1302021/1226_1460710389_factfindingreportkurdistanregionofiraq11042016.pdf

·      IOM – International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Irak, 2017 (verfügbar auf ZIRF/BAMF)
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/13826820/18160293/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2016%2C_deutsch.pdf?nodeid=18446810&vernum=-2

·      Migrationsverket – Schwedische Einwanderungsbehörde: The Security Situation in Iraq: July 2016–November 2017, 18. Dezember 2017
https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf

·      Musings On Iraq: Growing Unemployment And Poverty In Iraq, 8. Februar 2016 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2016/02/growing-unemployment-and-poverty-in-iraq.html

·      Numbeo: Cost of Living in Irbil, Stand: März 2018
https://www.numbeo.com/cost-of-living/in/Irbil?displayCurrency=EUR

·      Numbeo: Cost of Living in As Sulaymaniya, Stand: Februar 2018
https://www.numbeo.com/cost-of-living/in/As-Sulaymaniyah?displayCurrency=EUR

·      Reach Initiative (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb: Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles, Drivers and Return, 30. Juni 2017
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe_in_2016_june_2017%20%281%29.pdf

·      Rudaw: Erbil civil servants plan general strike for Monday, 25. März 2018
http://www.rudaw.net/english/kurdistan/25032018

·      UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Return/Internal relocation, Juni 2017
https://www.ecoi.net/en/file/local/1403061/1226_1499247012_iraq-return-internal-relocation-cpin-v4-0-june-2017.pdf