Anfragebeantwortung zur Tschechischen Republik: Behandlungsmöglichkeiten für Aids/HIV und Hepatitis [a-10529-2 (10530)]

20. März 2018

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Behandlungsmöglichkeiten für Aids/HIV

Auf hiv-komunita, einem Online-Angebot der tschechischen Aids-Hilfe, wird in einem undatierten Eintrag erwähnt, dass alle tschechischen Staatsbürger und Angestellten, die in Tschechien leben würden, eine tschechische Krankenversicherung hätten, die für alle Kosten der HIV-Behandlung aufkomme, was per Gesetz verpflichtend sei. Die stationäre und ambulante Behandlung von Personen mit HIV/Aids erfolge zentralisiert im Zentrum für HIV-Behandlung an der Klinik für Infektionsbehandlungen des Bulovka-Krankenhauses in Prag. Die antiretroviralen Medikamente seien denen anderer Industriestaaten sehr ähnlich und Engpässe, die nur selten vorkämen, seien nur von kurzer Dauer und nicht allzu schwerwiegend:

„All Czech citizens and legal employees living in Czechia have Czech health insurance, which covers all HIV care. According to the law, this is obligatory. […]

Inpatient and outpatient care for PLWHA [People living with HIV/AIDS] is centralized in the ‘HIV’ treatment center at the infectious disease clinic of Prague’s Bulovka hospital.

The range of anti-retroviral medications are very similar to other developed countries. Shortages, which rarely occur, are short-lived and never too serious.“ (hiv-komunita, ohne Datum a)

Ein Vertreter der tschechischen Aids-Hilfe schreibt in einer E-Mail-Antwort vom 19. März 2018 Folgendes:

„HIV wird in Tschechien in 8 HIV-Zentren behandelt. […] Zwei von den Zentren befinden sich in Prag, die anderen sechs sind in Brünn, Ostrava (Mähren) und in Aussig/Ústí nad Labem, Pilsen, Königsgrätz/Hradec Králové und Budweis/České Budějovice (Böhmen).“ (Vertreter der tschechischen Aids-Hilfe, 19. März 2018)

Eine Auflistung der Zentren in tschechischer Sprache finden Sie unter folgendem Link:

·      hiv-komunita: HIV centra v České republice, ohne Datum b
http://www.hiv-komunita.cz/hiv-centra-v-ceske-republice.html

 

In einem wissenschaftlichen Beitrag von Viktor Mravčík von der Tschechischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht sowie weiteren tschechischen Autoren vom November 2017, der im Journal Eurosurveillance veröffentlicht wurde, wird erwähnt, dass in den acht regionalen HIV-Zentren antiretrovirale Medikamente verfügbar seien und diese von der Krankenversicherung übernommen würden:

„Although this HIV prevention budget could already be viewed as modest in 2005, it was indeed insufficient in 2015 even though since the beginning of the new millennium, the antiretroviral therapy (ART) treatment, which is available in eight regional HIV/AIDS treatment centres in the Czech Republic, has been covered by the public health insurance and is not included in the HIV prevention budget anymore.“ (Mravčík et al., 30. November 2017)

Radio Prag, das Auslandsprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Tschechischen Republik, schreibt in einem Artikel vom Dezember 2017 Folgendes:

„Petr Sobek ist einer von rund 2500 HIV-Patienten in Tschechien, seit 13 Jahren ist er in Behandlung. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Erkrankten hierzulande sprunghaft angestiegen. Betroffen von der Autoimmunerkrankung sind vor allem die klassischen Risikogruppen, also homosexuelle Männer und Großstädter. Das bestätigt auch Vratislav Němeček vom nationalen Referenzlabor für HIV und Aids:

‚Rund 50 Prozent der insgesamt rund 2500 Fälle sind in Prag registriert, besonders betroffen ist auch der Kreis Mittelböhmen. Die wenigsten Fälle haben wir hingegen im Kreis Vysočina gezählt.‘

Natürlich sei die Dunkelziffer höher, so Němeček. Viele würden von ihrer Infektion schlicht nichts ahnen. In Behandlung befinden sich derzeit nur 70 Prozent der registrierten Fälle. Das hat verschiedene Gründe, wie Marek Malý vom staatlichen Gesundheitsamt erläutert:

‚Ein Teil der uns bekannten Patienten befindet sich im Ausland und lässt sich im Idealfall dort auch behandeln. Es gibt aber auch eine relativ große Gruppe von Patienten, die zwar von ihrer Krankheit weiß, eine Behandlung aber bewusst ablehnt.‘

Dabei versprechen moderne Medikamente trotz der Erkrankung eine hohe Lebensqualität und vor allem Lebenserwartung. Nach einem halben Jahr ist laut den Ärzten auch wieder ungeschützter Geschlechtsverkehr möglich, ohne dass für den Partner eine Ansteckungsgefahr besteht. Man muss die Therapie nur konsequent durchziehen.

Angesichts dieser medizinischen Erfolge hat die Krankheit mittlerweile einen Teil ihres Schreckens verloren. Das aber zu Unrecht, unbehandelt ist HI-Virus nach wie vor eine Gefahr. Die tschechische Aidshilfe ruft deshalb dazu auf, sich regelmäßig testen zu lassen. Der Test ist in Tschechien kostenlos, und das Ergebnis bekommt man in rund einer Woche. Zudem gibt es die Möglichkeit eines Schnelltests, der aber nicht von den Kassen erstattet wird. Robert Hejzák ist Vorsitzender der Aidshilfe:

‚Für mögliche Betroffene ist der Test ein erster Schritt zu einem nahezu gesunden Leben. Nur so weiß man, ob eine Behandlung nötig ist. Nur so kann man gegebenenfalls seine bisherige Lebensqualität erhalten, und das auch sexuell.‘

Eine weitere Organisation, die sich hierzulande dem Kampf gegen HIV und Aids verschrieben hat, ist Dum svetla, zu Deutsch etwa Haus des Lichts. Sie organisiert zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember landesweit Aktionen, bei denen sie auf die Gefahren der Krankheit aufmerksam macht.“ (Radio Prag, 1. Dezember 2017)

Der deutsch-französische Fernsehsender Arte meldet im März 2017:

„In Tschechien gleicht der Umgang mit HIV-Positiven einer Hexenjagd. 2016 wurden 31 AIDS-Kranke von der Polizei verhört, nachdem sie von den Behörden beschuldigt worden waren, andere bewusst infiziert zu haben. Die Folge: Da HIV-Positive wie potenzielle Verbrecher behandelt werden, leben sie nun in Angst, haben das Vertrauen in die Ärzte verloren und versuchen, sich selbst zu behandeln.“ (Arte, 20. März 2017)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) erwähnt in seinem im März 2017 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum: 2016), dass es laut der tschechischen Aids-Hilfe Fälle gegeben habe, in denen Personen mit HIV/Aids beim Zugang zur Gesundheitsversorgung diskriminiert worden seien.

„Persons with HIV/AIDS faced societal discrimination, although there were no reported cases of violence. The Czech AIDS Help Society reported a number of cases of discrimination, primarily in access to health and dental care and wrongful termination of employment or discrimination during the hiring process. The government took no action in most cases, since individuals with HIV/AIDS often preferred to keep their status confidential rather than file a complaint. In the first half of the year, the ombudswoman’s office delivered a number of presentations at national events concerning the status of HIV infection as a disability under the antidiscrimination law. The ombudswoman also criticized an amendment to the Protection of Public Health Act over concerns that it promoted stigmatization and discrimination against individuals who are HIV-positive.“ (USDOS, 3. März 2017, Section 6)

Detaillierte Informationen zu HIV/Aids in der Tschechischen Republik finden Sie auch in folgendem Bericht aus dem Jahr 2016 (Berichtszeitraum Jänner bis Dezember 2015):

·      Tschechisches Institut für öffentliche Gesundheit / Tschechisches Gesundheitsministerium: The Czech Republic Global AIDS Response Progress Report 2015, 2016 (veröffentlicht von UNAIDS)
http://www.unaids.org/sites/default/files/country/documents/CZE_narrative_report_2016.pdf

 

Behandlungsmöglichkeiten für Hepatitis

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) schreibt in einem älteren Bericht aus dem Jahr 2013 zu viraler Hepatitis, dass Personen in der Tschechischen Republik, die sich auf Hepatitis B oder C testen lassen würden, namentlich registriert würden, die Namen würden jedoch geheim gehalten. Die Tests seien nicht kostenlos für alle, nur für bestimmte Gruppen, es sei jedoch keine Information zur Verfügung gestellt worden, für welche Gruppen die Tests kostenfrei seien. Öffentlich finanzierte Behandlungen für Hepatitis B und C seien für alle Personen, die staatlich krankenversichert seien, verfügbar. Es seien keine Informationen zur Verfügung gestellt worden, ob die Medikamente für die Behandlung von Hepatitis B und C auf der nationalen Liste unentbehrlicher Arzneimittel stünden und von der Regierung subventioniert würden:

„People testing for both hepatitis B and hepatitis C register by name; the names are kept confidential within the system. Hepatitis B and hepatitis C tests are not free of charge for all individuals, though they are for certain groups, but information was not provided regarding which groups. Hepatitis B and hepatitis C tests are compulsory for members of some specific groups but these groups were not identified.

Publicly funded treatment for hepatitis B and hepatitis C is available to all people with national health insurance. Information was not provided on the amount spent by the government on such treatment.

Information was not provided on whether any drug for treating hepatitis B or hepatitis C is on the national essential medicines list or subsidized by the government.“ (WHO, 2013, S. 112)

Auf infohep, einem Online-Angebt zu viraler Hepatitis, das von der im Vereinigten Königreich ansässigen Wohltätigkeitseinrichtung NAM in Kooperation mit der World Hepatitis Alliance und der European Liver Patients Association (ELPA) zur Verfügung gestellt wird, wird in einem Artikel vom April 2017 erwähnt, dass unter anderem in der Tschechischen Republik Personen mit HIV/Aids, die gleichzeitig unter Hepatits litten, mit direkt wirkenden antiviralen Medikamenten vorrangig behandelt würden:

„No country prevents people with HIV and hepatitis C co-infection from receiving DAA [direct-acting antiviral] treatment, and people with co-infection are prioritised for treatment in Belgium, Croatia, the Czech Republic, Greece, Malta and Slovakia.“ (infohep, 20. April 2017)

In der englischen Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Artikels von P. Husa von der Klinik für Infektionsbehandlungen am Universitätskrankenhaus Brünn sowie weiteren tschechischen Autoren, der 2017 im Journal Gastroenterology and Hepatology veröffentlicht wurde, wird erwähnt, dass es zwei unterschiedliche Strategien bei der Behandlung von chronischer Hepatitis B gebe: die Behandlung mit Nukleosid/Nukleotid-Hemmern („nucleoside or nucleotide inhibitors“) sowie die Behandlung mit pegyliertem Interferon alpha. Die Mehrheit der tschechischen und europäischen PatientInnen würden mit Nukleosid/Nukleotid-Hemmern behandelt. Von der Europäischen Union seien folgende Nukleosid/Nukleotid-Hemmer für die Behandlung von Hepatitis B zugelassen worden: Lamivudin, Adefovir, Dipivoxil, Entecavir, Telbivudin, Tenofovir Disoproxil Fumarat sowie Tenofovir-Alafenamid. Tenofovir-Alafenamid und Telbivudin seien in der Tschechischen Republik noch nicht im Handel erhältlich:

„Generally, two different strategies for chronic hepatitis B therapy are available – treatment with nucleoside or nucleotide inhibitors (NA) and treatment with pegylated interferon alfa. Currently, the majority of Czech and European patients are treated with NAs. The NAs that have been approved by the European Union for HBV treatment include lamivudine, adefovir dipivoxil, entecavir (ETV), telbivudin (TBV), tenofovir disoproxil fumarate (TDF), and tenofovir alafenamide (TAF). TAF and TBV are not yet commercially available in Czech Republic.“ (Husa et al., 2017)

In einer Präsentation von Viktor Aster von der Abteilung für Tropen- und Infektionskrankheiten des Bulovka-Krankenhauses in Prag, die vermutlich während dem 1. zentral- und osteuropäischen Treffen zu viraler Hepatitis und gleichzeitiger Hepatitis-Infektion vom Juni 2015 gehalten wurde, werden Medikamente zur Behandlung von Hepatitis B und C, die 2015 in der Tschechischen Republik verfügbar waren, angeführt, wie auch die Information, ob deren Kosten von der Krankenkasse übernommen wurden:

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(Aster, 2015, S. 8)

Ein Vertreter der tschechischen Aids-Hilfe schreibt in einer E-Mail-Antwort vom 20. März 2018 Folgendes:

„Zu Ihrer Frage, ob in den HIV-Zentren auch Behandlung für Hepatitis stattfindet, teile ich Ihnen mit, dass die HIV-Zentren Teile von Kliniken für Infektionskrankheiten sind und wenn man da einen HIV-Positiven hat, der zugleich mit der viralen Hepatitis infiziert ist, wird er natürlich komplex behandelt. Die Behandlung für Hepatitis ist für die Krankenversicherten auch gratis.“ (Vertreter der tschechischen Aids-Hilfe, 20. März 2018)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 20. März 2018)

·      Arte: Tschechien : HIV-positiv und kriminell ?, 20. März 2017
https://info.arte.tv/de/tchechien-hiv-positiv-und-kriminell

·      Aster, Viktor: HIV/Hepatitis co-infection situation in Czech and Slovak Repl., vermutlich 2015
http://regist2.virology-education.com/2015/1CEE/06_Aster.pdf

·      hiv-komunita: Information for People living with HIV, ohne Datum a
http://www.hiv-komunita.cz/information-for-people-living-with-hiv.html

·      hiv-komunita: HIV centra v České republice, ohne Datum b
http://www.hiv-komunita.cz/hiv-centra-v-ceske-republice.html

·      Husa et al.: Diagnosis and therapy of Hepatitis B virus infection – Czech national guidelines, 2017 (veröffentlicht von Gastroenterology and Hepatology)
http://www.prolekare.cz/en/gastroenterology-hepatology-article/diagnosis-and-therapy-of-hepatitis-b-virus-infection-czech-national-guidelines-62080

·      infohep: European HCV treatment access survey shows big variations in eligibility, 20. April 2017
http://www.infohep.org/European-HCV-treatment-access-survey-shows-big-variations-in-eligibility/page/3132723/

·      Mravčík et al.: HIV epidemic among men who have sex with men in the Czech Republic, 2016: high time for targeted action, 30. November 2017 (veröffentlicht von Eurosurveillance)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5725790/

·      Radio Prag: Welt-Aids-Tag: Werden die Tschechen unvorsichtig?, 1. Dezember 2017
http://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/welt-aids-tag-werden-die-tschechen-unvorsichtig

·      Tschechisches Institut für öffentliche Gesundheit / Tschechisches Gesundheitsministerium: The Czech Republic Global AIDS Response Progress Report 2015, 2016 (veröffentlicht von UNAIDS)
http://www.unaids.org/sites/default/files/country/documents/CZE_narrative_report_2016.pdf

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2016 - Czech Republic, 3. März 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/1395772.html

·      Vertreter der tschechischen Aids-Hilfe: E-Mail-Auskunft, 19. März 2018

·      Vertreter der tschechischen Aids-Hilfe: E-Mail-Auskunft, 20. März 2018

·      WHO – World Health Organization: Global policy report on the prevention and control of viral hepatitis in WHO member states, 2013
https://www.ecoi.net/en/file/local/1085338/1930_1377609569_9789241564632-eng.pdf