Anfragebeantwortung zu Iran: Wie lange besitzt eine Amayesh-Karte Gültigkeit bzw. endet diese, sobald der Iran verlassen wird?; Möglichkeit einer Einreise in den Iran mit einer bereits ungültigen Amayesh-Karte; Voraussetzungen für eine Verlängerung der Amayesh-Karte außerhalb des Landes [a-9750-1]

16. August 2016

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wie lange besitzt eine Amayesh-Karte Gültigkeit bzw. endet diese, sobald der Iran verlassen wird?

Das Büro einer internationalen humanitären Organisation in Teheran gibt in einer Email-Auskunft vom August 2016 zum Aufenthaltsstatus von Afghanen an, dass AfghanInnen, die ihre Aufenthaltsgenehmigungskarte (Amayesh-Karte) bekommen hätten, als legalisierte Flüchtlinge/Migranten bekannt seien und diese Karte jedes Jahr erneuern könnten. Im Allgemeinen gebe es keine Neuausstellungen von Amayesh-Karten. Illegal im Iran lebende Afghanen (selbst die, die schon viele Jahre im Iran leben würden) müssten beim Büro für Einwanderungsangelegenheiten (Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs, BAFIA) eine Amayesh-Karte beantragen. Solch eine Antragstellung werde jedoch nur selten akzeptiert und die betreffende Person könne nach Afghanistan abgeschoben werden:

„Afghans who have received their residence permit (Amayesh) cards known as legalized migrants/refugees and can renew their cards every year. Generally there is no new residence permit (Amayesh) card being granted. Illegal Afghans even with many years of residing in Iran are required to attend BAFIA for applying (Amayesh) cards which rarely being accepted and they can be deported to Afghanistan.” (Büro einer humanitären internationalen Organisation in Teheran, 9. August 2016)

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schreibt in einem Bericht vom November 2013, dass der Iran im Jahr 2003 ein neues System namens „Amayesh“ (zu Deutsch: „Logistik“ bzw. „Vorbereitung“) eingeführt habe, um alle afghanischen Staatsangehörigen, die sich damals im Iran befunden hätten und in den 1980er und 90er Jahren allein aufgrund ihrer afghanischen Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht erhalten hätten, neu zu registrieren. Dem allergrößten Teil der AfghanInnen, die seit dieser Registrierungsaktion im Jahr 2003 in den Iran gekommen seien, sei die Möglichkeit, sich für eine Amayesh-Karte zu registrieren, verwehrt. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) erkenne seit 2003 InhaberInnen einer Amayeh-Karte als registrierte Flüchtlinge an. Obwohl InhaberInnen von Amayesh-Karten nach Ansicht einiger iranischer Behördenvertreter gemäß iranischem Recht nicht als Flüchtlinge anzusehen seien, hätten andere Vertreter von Behörden solche Personen explizit als Flüchtlinge bezeichnet. So würde das dem Innenministerium unterstellte Amt für Einwanderungsangelegenheiten (Bureau of Alien and Foreign Immigrants’ Affairs, BAFIA) Amayesh-KarteninhaberInnen als de-facto-Flüchtlinge behandeln. Wie HRW weiter berichtet, müssten Personen in der Praxis bei den Behörden immer kompliziertere und bürokratischere Prozeduren durchlaufen, um ihren Status zu behalten. Sie seien verpflichtet, ihre Amayesh-Karten, die kostenpflichtig und in der Regel ein Jahr gültig seien, regelmäßig erneuern zu lassen. So habe es seit der ursprünglichen Registrierung von mehreren Hunderttausend AfghanInnen im Jahr 2003 neun Wiederregistrierungsaktionen gegeben. Bei jeder dieser Aktionen sei eine Karte unterschiedlicher Farbe ausgestellt worden. Personen, deren Amayesh-Karten abgelaufen seien, würden als illegal aufhältig eingestuft und könnten abgeschoben werden:

„In 2003, Iran introduced a new system known as ‘Amayesh’ (Persian for ‘logistics’ or ‘preparation’) to re-register all Afghan nationals then in Iran who had been granted residency rights in Iran based simply on their Afghan nationality in the 1980s and 1990s. The vast majority of Afghans arriving in Iran since the registration exercise in 2003 have not been allowed to register for an Amayesh card. Since 2003, UNHCR has considered Amayesh card holders to be registered refugees. Although some Iranian officials have said Amayesh card holders cannot be considered refugees under Iranian law, others have specifically referred to card holders as refugees. The Bureau of Alien and Foreign Immigrants’ Affairs treats Amayesh card holders as de facto refugees. UNHCR’s official recognition of Amayesh cardholders as refugees is important for various reasons, including that it provides them with protection from termination of their refugee status by the Iranian government without good cause. In practice, Amayesh card-holders face an increasingly complex and bureaucratic process with the Iranian authorities to retain their status, in which the smallest mistake can result in the permanent loss of refugee status. Amayesh card holders are regularly required to renew their cards. Since the original registration of several hundred thousand Afghans in 2003, there have been nine re-registration exercises with a different color card provided each time. The cards, which refugees must pay for, are generally valid for one year. When cards expire, the card holder is considered to be unlawfully present in Iran and may be deported. If a card holder fails to register for a new card as soon as the old card has expired, he or she becomes undocumented and is subject to deportation.” (HRW, 20. November 2013, S. 5-6)

Financial Tribune, eine regierungsunabhängige englischsprachige Zeitung, die im Iran erscheint, schreibt im Februar 2016, dass die Regierung ein Rechtssystem zur Überwachung und Registrierung der Einreise von AfghanInnen entwickelt habe. Das Büro für Einwanderungsangelegenheiten (Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs, BAFIA) nehme in regelmäßigen Abständen die erneute Registrierung von Flüchtlingen innerhalb des „Amayesh“-Registrierungssystems vor, bei der die Flüchtlinge mit Amayesh-Karten ausgestattet würden, die ihnen den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen gewähren und die Ausstellung von Arbeitsgenehmigungen erleichtern würden. Flüchtlinge müssten für diese Registrierung jedes Jahr ihre Ausweispapiere vorlegen. Auf diese Weise würden Änderungen hinsichtlich des Rechtsstatus wie Heirat, Geburt eines Kindes oder Tod unter den persönlichen Daten festgehalten. Wenn ein Ausländer einen Studienplatz an der Universität bekomme, dann würde seine Flüchtlingskarte ihre Gültigkeit verlieren und er müsste eine Studentenaufenthaltsgenehmigung beantragen. Etwa eine Million legal registrierte Afghanen würden im Iran leben, neben 1-1,5 Millionen nicht registrierten Afghanen, obwohl sich die Regierung zusammen mit dem UNHCR bemühe, sie wieder in Afghanistan oder in einem Drittland anzusiedeln:

„The government has devised a legal system to monitor and register the entry of Afghans. BAFIA [Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs] undertakes the re-registration periodically of refugees under the ‘Amayesh (refugee registration) Scheme,’ by which they are provided Amayesh cards that enable them access to basic services, and facilitate the issuance of work permits. The scheme also mandates the refugees to present their identity documents each year. Therefore, in the case of any change in their legal status such as marriage, childbirth or death, the information gets registered in their personal data. For instance, if a foreign national gets a place in the university, his/her refugee card becomes void and a student residency permit must be obtained. Today, despite the repatriation of millions of Afghan refugees, there are still a million legally registered Afghans living in Iran, besides nearly 1million to 1.5 million non-registered Afghans who live and work in Iran, although joint efforts continue by the government and the UNHCR, the UN refugee agency, to repatriate them home or to any other country willing to take them. ” (Financial Tribune, 15. Februar 2016)

Ein älterer Bericht vom März 2011 des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrums Landinfo, einem unabhängigen Organ der norwegischen Migrationsbehörden, das verschiedenen AkteurInnen innerhalb der Migrationsbehörden Herkunftsländerinformationen zur Verfügung stellt, berichtet, dass die iranischen Behörden nur AfghanInnen, die vor 2001 in den Iran gekommen seien, erlaube, sich zu registrieren. Diese Gruppe sei im Rahmen der Amayesh-Registrierungen dokumentiert und habe einen legalen Aufenthaltsstatus im Iran. Alle AfghanInnen, die nach 2001 gekommen seien, würden als illegale ImmigrantInnen aufgefasst. Das Flüchtlingshochkommissariat der UNO (UNHCR) habe mehrere Büros im Iran und das Mandat der Organisation decke nur die Amayesh-registrierten AfghanInnen ab. Einer verlässlichen Quelle zufolge seien wahrscheinlich auch viele nicht registrierte Afghanen unter der Gruppe, die vor 2001 gekommen sei. AfghanInnen, die vor 2001 gekommen seien, würden von den iranischen Behörden als Flüchtlinge erfasst, wenn sie 2001 registriert gewesen seien und auch an allen darauffolgenden Amayesh-Registrierungen teilgenommen hätten. Wenn ein Afghane sich bei einer dieser wiederkehrenden Registrierungen nicht registriert habe, dann würde er seinen Flüchtlingsstatus verlieren. Laut UNHCR sei es für einen Amayesh-registrierten Afghanen nicht möglich, sich wieder zu registrieren, wenn eine der (erneuten) Registrierungen fehle. Die Zuständigkeit für die Amayesh-Registrierungen und für die Ausstellung der Amayesh-Karten liege beim Büro für Einwanderungsangelegenheiten (Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs, BAFIA). Das BAFIA sei ein dem Innenministerium untergeordnetes Amt. Um sich für eine Amayesh-Karte zu registrieren, brauche man eine Bestätigung, dass die Gemeindesteuer (bis zu 200 US-Dollar) und die Gebühr für die Amayesh-Karte selbst (15 US-Dollar) bezahlt worden seien. Laut UNHCR würden manche Personen aufgrund der relativ hohen Kosten, die mit einer Registrierung verbunden seien, sich nicht registrieren:

„The Iranian authorities have only allowed Afghans who arrived before 2001 to register. They are registered under the so-called Amayesh registrations and have legal residence in Iran. Afghans who have arrived after 2001 are considered illegal immigrants. UNHCR has several offices in Iran and their mandate only includes the Amayesh-registered part of the Afghan population. According to a reliable source, there are probably many unregistered individuals among the Afghans who arrived before 2001.“ (Landinfo, 14. März 2011, S. 5)

„The Afghans who came to Iran before 2001 are recognised as refugees by the Iranian authorities following a general group assessment, provided that they were registered in 2001 and were thereafter registered in all subsequent Amayesh registrations. An Afghan who does not register in one of the registration rounds loses his or her status as a refugee. UNHCR stated at a meeting with Landinfo that it will not be possible for an Amayesh-registered Afghan to re-register if a registration is lacking. The Iranian refugee authority BAFIA (Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs) is responsible for the Amayesh registrations and for issuing identity cards (Amayesh cards) to those who are registered. BAFIA is a subordinate agency of the Ministry of the Interior. The following is required in order to register under Amayesh: Documentation that the municipal tax has been paid (up to USD 200), Documentation that the Amayesh card has been paid for (USD 15). UNHCR claimed that some people do not register because of the relatively high costs associated with registration. (Landinfo, 14. März 2011, S. 7)

Wie der Landinfo im selben Bericht weiter ausführt, würden Amayesh-registrierte AfghanInnen ihren Status beim Verlassen des Landes verlieren, wenn die iranischen Behörden die Ausreise bemerken würden. Den Angaben einer europäischen Herkunftsländerinformationsstelle von 2008 zufolge müsste ein Afghane bei der Ausreise aus dem Iran seine Amayesh-Karte den Behörden übergeben, um ein Laissez-Passer zu beantragen. Wenn diese Person dann in den Iran zurückkehre, gelte sie als illegaler ImmigrantIn. Das Gleiche gelte für afghanische Bürger, die in Norwegen Asyl beantragt hätten, selbst wenn sie ihre Amayesh-Karte nicht abgegeben hätten:

Amayesh-registered Afghans lose their status in Iran if they leave the country, provided that the Iranian authorities are aware of it. According to a European COI unit, an Afghan citizen who leaves Iran is obliged to hand in his or her Amayesh card to the authorities in order to apply for a laissez-passer. If a person then returns to Iran, he or she will be considered an illegal immigrant (European COI unit 2008b). The same will apply to Afghan citizens who have been in Norway as asylum seekers, even though they have not handed in their Amayesh cards before leaving Iran.” (Landinfo, 14. März 2011, S. 12)

 

Möglichkeit einer Einreise in den Iran mit einer bereits ungültigen Amayesh-Karte

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine konkreten Informationen zu dieser Frage gefunden werden.

 

Bezugnehmend auf Einreisevisa schreibt das oben genannte Büro einer internationalen humanitären Organisation in Teheran in seiner E-Mail-Auskunft vom August 2016 indes, dass AfghanInnen aus dem Iran ausreisen könnten, sofern sie einen gültigen Reisepass und ein gültiges Einreisevisum für den Iran vorweisen könnten:

„As long as they have proper documentation such as a valid passport and a valid entry visa to Iran they may exit Iran either via airport or land border.” (Büro einer humanitären internationalen Organisation in Teheran, 9. August 2016)

Voraussetzungen für eine Verlängerung der Amayesh-Karte außerhalb des Landes

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen zu dieser Frage gefunden werden.

 

Gesucht wurde mittels ecoi.net, Refworld, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: requirements preconditions prerequisites register renew extend prolong amayesh, abroad, outside Iran, in another country

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 16. August 2016)

·      Büro einer humanitären internationalen Organisation in Teheran: E-Mail-Auskunft, 9. August 2016

·      Financial Tribune: 4,000 Afghans Seek Citizenship, 15. Februar 2016
http://financialtribune.com/articles/people/36325/4000-afghans-seek-citizenship

·      HRW - Human Rights Watch: Unwelcome Guests: Iran’s Violation of Afghan Refugee and Migrant Rights, 20. November 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1385029141_iran1113-forupload.pdf

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghan citizens in Iran, 14. März 2011
http://www.landinfo.no/asset/2063/1/2063_1.pdf