Anfragebeantwortung zu Tunesien: Informationen zur Lage von Frauen: Ehrenmorde, Zugang zum Rechtssystem bei häuslicher Gewalt und Gewalt im Namen der Ehre, Schutz vor häuslicher Gewalt und Gewalt im Namen der Ehre, Lage alleinstehender Frauen mit westlichen Werten, Lage der Frauen in der Stadt Sousse [a-12287]

11. Jänner 2024

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Ehrenmorde in Tunesien

Im Rahmen der Onlinerecherche konnten keine aktuellen Berichte über Morde in Tunesien gefunden werden, die als „Ehrenmorde“ bezeichnet werden. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass diese nicht existieren. Die folgenden Informationen beziehen sich auf Berichte über „Morde an Frauen“ bzw. „Femizide“:

Eine Vielzahl von Artikeln online thematisieren den Mord der 26-jährigen Refka Cherni, die im Mai 2021 von ihrem Ehemann, einem Polizisten, in der Provinz Kef erschossen worden sei. Sie habe zwei Tage vor ihrem Mord eine Anzeige bei der Polizei wegen körperlicher Gewalt gegen ihren Ehemann erstattet. Sie sei jedoch von den Behörden ihrem Mann gegenübergestellt worden, woraufhin sie ihre Beschwerde zurückgezogen habe. Laut der tunesischen NGO Moussawet habe Refka Cherni ihre Anzeige auf Druck der Familie hin zurückgezogen (AW, 11. Mai 2021; siehe auch: AI, 21. Mai 2021; Le Monde, 31. Mai 2021; BBC News, 12. Juli 2022).

Der in Dubai ansässige Nachrichtensender Al-Arabiya berichtet im November 2022, dass laut dem nationalen Koordinator der Internationalen Föderation für öffentliche Dienstleistungen, Mansour Al-Scharni, von Anfang 2022 bis November desselben Jahres 15 Frauenmorde in Tunesien begangen worden seien. Der Artikel berichtet weiters von dem Fall einer Frau, die in der Provinz Kef von ihrem Mann getötet worden sei. Der Ehemann habe sie mit Benzin übergossen und angezündet. Er habe anschließend versucht, seine 15-jährige Tochter zu verbrennen. Laut der Präsidentin der Women and Citizenship Association in der Provinz Kef, Karima Brini, habe das Opfer bei den zuständigen Behörden einen Antrag auf Schutz vor ihrem Ehemann gestellt. Dieser sei jedoch abgelehnt worden (Al-Arabiya, 12. November 2022; siehe auch: USDOS, 20. März 2023, Section 6).

Freedom House bestätigt, dass im Jahr 2022 weiterhin aufsehenerregende Fälle von Femiziden aufgrund häuslicher Gewalt gemeldet worden seien (Freedom House, 2023, G3).

Laut Village de la Justice seien zwischen Anfang 2023 und Ende Mai 2023 elf Frauen von ihren Ehepartnern getötet worden. Im Vergleich seien im gesamten Jahr 2022 fünfzehn Frauen von ihren Ehepartnern getötet worden (Village de la Justice, 25. Mai 2023; siehe auch: La Presse, 22. Mai 2023).

L'Économiste Maghrébin schreibt im Mai 2023 über den Tod einer Mutter in ihren Dreißigern, die von ihrem Ehemann in der Stadt Sousse erdrosselt worden sei (L‘Économiste Maghrébin, 9. Mai 2023; siehe auch: La Presse, 22. Mai 2023).

Kapitalis zitiert in einem Artikel vom August 2023 die Präsidentin des tunesischen Verbands demokratischer Frauen (l’Association tunisienne des femmes démocrates, ATFD), Neïla Zoghlami. Laut Zoghlami seien von Anfang 2023 bis August 2023 21 Frauen getötet worden. Kapitalis schließt auf Grundlage der von Zoghlami vorgelegten Zahlen daraus, dass die Gewalt gegen Frauen in den vergangenen Jahren zugenommen habe (Kapitalis, 11. August 2023).

Ältere Informationen über das Vorkommen von Ehrenmorden in Tunesien finden Sie in folgender Anfragebeantwortung von ACCORD vom Mai 2018:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Tunesien: Vorkommen von Ehrenmorden; Schutzeinrichtungen für betroffene Frauen (z.B. Frauenhäuser, etc.) [a-10598-1], 18. Mai 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1457615.html

Zugang zum Rechtssystem bei häuslicher Gewalt und Gewalt im Namen der Ehre

Amnesty International (AI) schreibt in einem Artikel vom Mai 2021, dass das tunesische Parlament im Jahr 2017 ein Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (auch Gesetz 58 genannt, Anmerkung ACCORD) verabschiedet habe. Es gebe laut AI eine Kluft zwischen Recht und Praxis in Tunesien. AI veranschaulicht dies am Beispiel des Falles der oben erwähnten 26-jährigen Refka Cherni. Ihre Beschwerde sei zwar von der Polizei registriert und an die Justiz weitergeleitet worden, ihr gewalttätiger Ehemann sei trotz allem nicht sofort verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft habe es verabsäumt Maßnahmen anzuordnen, um sie vor weiterer Gewalt zu schützen. Die oben genannte Karima Brini habe gegenüber AI erklärt, dass Refka sie kontaktiert und ihr erzählt habe, dass ihr Ehemann sie geschlagen habe und versucht habe, sie zu erwürgen. Sie habe sich an die Spezialeinheit der Polizei, die für Gewalt gegen Frauen zuständig sei, gewandt, um Anzeige zu erstatten. Das Büro sei jedoch geschlossen gewesen. Stunden später habe sie Anzeige bei einer regulären Polizeidienststelle eingereicht. Sie sei zu forensischen Untersuchung ins Krankenhaus geschickt worden. In weiterer Folge sei ihr Ehemann auf die Polizeiwache geladen worden. Er habe ihr auf der Polizeistation gedroht, dass er sie „abschlachten“ werde, wenn sie die Anzeige nicht fallen lasse. Er sei jedoch nicht verhaftet worden. Refka Cherni sei daraufhin zu ihren Eltern gegangen. Karima Brini habe eine/n ihr bekannte/n Beamt·in bei der Spezialeinheit angerufen. Der Fall sei daraufhin untersucht und die Anzeige an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft sei nicht der Ansicht gewesen, dass die Situation eine Festnahme oder eine andere Schutzanordnung rechtfertige. Refka sei am 9. Mai erschossen worden. Der Sprecher des erstinstanzlichen Gerichts El Kef habe erklärt, dass der Täter nicht festgenommen worden sei, da Refka die Klage zurückgezogen habe, um sich mit ihrem Ehemann zu versöhnen, um „die Familie und ihr Kind zu schützen“. Laut AI zeige der Fall das mangelnde Verständnis für die verletzliche Lage der Opfer häuslicher Gewalt, die in der Regel einer starken Stigmatisierung und dem Druck von Familie und Gesellschaft ausgesetzt seien, ihre Beschwerde fallenzulassen. Es zeige außerdem, dass die Beamt·innen das neue Gesetz, das Polizei und Justiz wichtige Befugnisse einräume, ignorieren würden (AI, 21. Mai 2021; siehe auch: Le Monde, 31. Mai 2021; BBC News, 12. Juli 2022).

AW bestätigt in seinem oben genannten Artikel vom Mai 2021, dass das Gesetz von 2017 die strafbaren Formen von Gewalt erheblich erweitere und Tunesien durch das Gesetz eine Vorreiterrolle bei der Unterstützung der Frauenrechte habe. Die Gesetzgebung werde jedoch kaum genützt und da es am politischen Willen und an Geld fehle, könne es sehr schwierig sein, einen Fall vor Gericht zu bringen (AW, 11. Mai 2021). Le Monde zitiert in einem Artikel vom Mai 2021 Interims-Justizministerin Hasna Ben Slimane. Die Justiz habe in den Jahren 2019 und 2020 3.941 Fälle von Gewalt gegen Frauen, davon 2.500 Fälle häuslicher Gewalt, bearbeitet. Laut Angaben des Innenministeriums seien jedoch 65.000 Beschwerden bei spezialisierten Stellen eingereicht worden. Es würden nur sehr wenige Anzeigen zu Gerichtsverfahren führen (Le Monde, 31. Mai 2021).

Human Rights Watch (HRW) veröffentlicht im Dezember 2022 einen Bericht über häusliche Gewalt in Tunesien. HRW habe für den Bericht 103 Personen zwischen September 2021 und September 2022 interviewt. Seit der Verabschiedung des Gesetzes 58 seien spezialisierte Einheiten der Polizei in den 24 Provinzen Tunesiens eingerichtet worden und es habe Schulungen für Beamt·innen für den Umgang mit Gewalt gegen Frauen gegeben. Die Reaktion der Spezialeinheiten auf häusliche Gewalt bleibe jedoch unzureichend. Laut der Frauenrechtsaktivistin Bochra Belhaj Hmida würden sich Frauen darüber beschweren, dass Polizeibeamt·innen Druck auf sie ausüben und sie auf unwürdige Art und Weise behandeln würden. Probleme würden laut HRW begrenzte Einsatzzeiten (der Spezialeinheiten), eine unzureichende Anzahl an Fahrzeugen sowie eine mangelhafte Umsetzung des Gesetzes und Mediationsversuche inkludieren. Opfer würden zudem nicht über ihre Rechte informiert und von ihnen würden (aktuelle) ärztliche Atteste für die Einleitung von Ermittlungen verlangt (HRW, Dezember 2022, S. 34). Spezialeinheiten seien nur an Wochentagen tagsüber (ca. 8:00 bis 17:00 Uhr) im Einsatz. Außerhalb der Öffnungszeiten müssten sich Beschwerdeführerinnen an die reguläre Polizei wenden. Letztere seien jedoch im Allgemeinen nicht ausreichend in Gesetz 58 geschult, um mit Beschwerden über Gewalt gegen Frauen umzugehen. Eine 44-jährige Frau namens Fatma habe gegenüber HRW erklärt, dass sie im Juli 2021 zwei Mal versucht habe, bei der Polizei Anzeige gegen ihren prügelnden Ehemann zu erstatten. Das erste Mal sei sie informiert worden, dass die Spezialeinheiten nicht da seien, und es seien ihr keine weiteren Fragen gestellt worden. Das habe ihr das Gefühl vermittelt zu stören und sie sei wieder gegangen. Beim zweiten Mal sei ihr gesagt worden, sie solle eine Akte zusammenstellen und sie dem Staatsanwalt vorlegen. Da sie nicht gewusst habe, wie sie dies bewerkstelligen solle, habe sie aufgegeben (HRW, Dezember 2022, S. 36-37).

Personal der Spezialeinheiten habe HRW mitgeteilt, dass es seine Aufgabe aufgrund von Personalmangel nicht vollständig erfüllen könne (HRW, Dezember 2022, S. 37). Es habe beispielsweise nicht die Transportmittel, um – wie im Gesetz vorgegeben – bei Fällen unmittelbarer Gewalt sofort zum Tatort zu fahren oder Opfer zu Erste-Hilfe-Stellen oder Notunterkünften zu transportieren (HRW, Dezember 2022, S. 39). Die meisten Anwält·innen und Personen, die beruflich mit Überlebenden häuslicher Gewalt arbeiten würden, hätten gegenüber HRW ausgesagt, dass Polizeischulungen zu den Bestimmungen von Gesetz 58 nicht ausgereicht hätten, um die abweisende Haltung der meisten Polizist·innen gegenüber Frauen, die häusliche Gewalt melden, zu verändern. Interviews mit Überlebenden häuslicher Gewalt hätten ergeben, dass diese häufig mit entmutigenden Reaktionen der Polizei konfrontiert seien (HRW, Dezember 2022, S. 40). In sechs Fällen habe die Polizei aktiv Überlebende davon abgehalten, die Täter zu melden und habe im Namen des Erhalts der Familien eine Versöhnung gefördert. Die Polizei sei speziell abgeneigt, Untersuchungen von Beschwerden gegen gewalttätige Familienmitglieder, die nicht der Partner seien, einzuleiten (HRW, Dezember 2022, S. 42). Laut Arbia Alahmar, Sozialarbeiterin bei der NGO National Union for Tunesian Women, müsse sie im Namen ihrer Organisation die Spezialeinheiten regelmäßig dazu auffordern, einzelne Fälle zeitnah zu bearbeiten. Spezialeinheiten würden Frauen, die eine Anzeige einreichen wollen, manchmal dazu anleiten, wieder nach Hause zu gehen oder später wiederzukommen. Die Polizei nutze auch den Mangel an Unterkünften als Grund, um keine Schutzmaßnahmen oder Anordnungen zu erlassen (HRW, Dezember 2022, S. 43).

HRW erklärt, dass Gesetz 58 keine Beweisanforderungen für den Nachweis häuslicher Gewalt festlege. Befragungen von Frauen, die Anzeige erstatten wollten, hätten jedoch ergeben, dass die Polizei in der Praxis von staatlich beschäftigten Ärzt·innen („public doctors“) ausgestellte Atteste verlange, um eine Ermittlung einzuleiten. Es werde von den Frauen erwartet, selbstständig ins Krankenhaus zu gehen, um ein solches ärztliches Attest zu erhalten (HRW, Dezember 2022, S. 44). Polizeibeamt·innen hätten auch zeitliche Begrenzungen für die Gültigkeit der genannten Atteste eingeführt. Die Gültigkeitsdauer variiere von Ort zu Ort und liege zwischen 48 Stunden und zwei Wochen (HRW, Dezember 2022, S. 45). Fünf Überlebende und vier Mitarbeiter·innen von Organisationen, die Überlebende unterstützen, hätten HRW mitgeteilt, dass ihrer Vermutung nach Korruption und Vetternwirtschaft dazu führen würden, dass von der Polizei keine angemessenen Maßnahmen gegen Täter ergriffen würden (HRW, Dezember 2022, S. 48). Von 20 Frauen, die die Spezialeinheiten aufgesucht hätten, seien die meisten von der Polizei nicht klar über ihre Rechte informiert worden. Nur zwei seien über die Möglichkeit informiert worden, Schutzanordnungen oder Prozesskostenhilfe zu beantragen. Das Gesetz sehe vor, dass Spezialeinheiten Opfer über ihre Rechte und zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe informieren müssten. Polizeibeamt·innen, die nicht Spezialeinheiten angehören, seien dazu nicht verpflichtet (HRW, Dezember 2022, S. 52-53). Laut HRW würde mangelndes Wissen dazu führen, dass die gesetzlich bedingungslose Prozesskostenhilfe nur wenig in Anspruch genommen würde. Überlebende würden laut Mitarbeiter·innen von Organisationen, die Betroffene unterstützen, aufgrund mangelnder Kenntnisse von Gesetz 58 dazu aufgefordert, einen Nachweis über ihre finanzielle Situation vorzulegen, obwohl dies im Fall von häuslicher Gewalt nicht notwendig sei. Dies sei problematisch, da sich die notwendigen Dokumente, wie die Sozialhilfekarten, bei den Tätern befinden könnten. Laut Nour Jihène Becheikh, Richterin am Tribunal erster Instanz von Grombalia, könne es vorkommen, dass zugewiesene kostenlose Anwält·innen nicht in häuslicher Gewalt geschult seien oder kein Bewusstsein für die Problematik mitbringen. (HRW, Dezember 2022, S. 80-81).

Das Frauenministerium habe in seinem Jahresbericht 2021 auf die „Weigerung“ bestimmter Mitglieder der Justiz hingewiesen, Gesetz 58 unter dem Vorwand des Schutzes des „familiären Gleichgewichts“ und der „sozialen Stabilität“ umzusetzen. Mehrere Richter·innen und Anwält·innen hätten gegenüber HRW bestätigt, dass viele Richter·innen diskriminierende Einstellungen gegenüber Frauenrechten hätten, die die Umsetzung des Gesetzes behindern würden (HRW, Dezember 2022, S. 74). Abdelhamid Naoui, ehemaliger Familienrichter und Vorsitzender des erstinstanzlichen Tribunals von Al Kef, habe gegenüber HRW erklärt, dass die Sorge der Familienrichter·innen, die Familienstrukturen intakt zu halten, dazu führe, dass von nichtehelichen Familienmitgliedern ausgehende innerfamiliäre häusliche Gewalt vor Gericht abgewiesen werde. Familienrichter·innen seien daran gewöhnt, mit häuslicher Gewalt zwischen Ehepartnern umzugehen. Die meisten wüssten nicht, welche rechtlichen Maßnahmen sie ergreifen sollten, wenn der Täter ein Bruder, Vater oder Schwiegervater sei (HRW, Dezember 2022, S. 76).

Freedom House bestätigt im Jahresbericht 2023, dass die Umsetzung des Gesetzes durch mangelnde Kenntnis seiner Bestimmungen, einem Mangel an geschulten Beamt·innen für die Bearbeitung von Beschwerden, Druck seitens der Beamt·innen auf Frauen, ihre Ehemänner nicht vor Gericht zu bringen, und logistische Hindernisse bei der Meldung von Missbrauch weiterhin eigeschränkt sei (Freedom House, 2023, G3). Das US Department of State (USDOS) fügt in seinem Jahresbericht 2022 hinzu, dass rechtliche, kulturelle und gesellschaftliche Normen häufig dazu führen würden, dass Opfer ihre Ansprüche nicht melden und Strafverfolgungsbehörden in Fällen von Gewalt gegen Frauen unzureichend reagieren würden. Es komme selten zur Durchsetzung von Gesetzen gegen häusliche Gewalt und letzteres bleibe ein ernstes Problem (USDOS, 20. März 2023, Abschnitt 6).

EuroMed Rights fasst die bestehenden Probleme im März 2023 zusammen: Trotz Gesetz 58 nehme Gewalt gegen Frauen zu. Nur wenige Frauen würden das Gesetz kennen und die verschiedenen Interessengruppen seien schlecht geschult. Schutzanordnungen, die von Familienrichter·innen im Rahmen eines Eilverfahrens erlassen würden, seien langsam. Die seit Inkrafttreten des Gesetzes ergangenen Urteile würden zeigen, dass Richter·innen häuslicher Gewalt gegenüber nachsichtig seien. Das Gesetz erlaube nicht, die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung einzustellen, wenn die Klage zurückgezogen werde. Richter·innen würden diese Rücknahme jedoch als Grundlage für die Gewährung mildernder Umstände nützen. Es sei eine nationale Beobachtungsstelle für Gewalt eingerichtet worden, die jedoch noch nicht einsatzbereit sei. Das Gesetz sehe auch ein Programm für Gewalttäter vor, das jedoch nicht umgesetzt worden sei (EuroMed Rights, März 2023, S. 7-8).

Laut MED FemiNiswiya sei das größte Problem die tief verwurzelte patriarchalische Denkweise, an die auch Sicherheitskräfte und die Polizei festhalten würden. Der Artikel nennt das Beispiel von Hanan, einem Opfer häuslicher Gewalt in Tunesien, die nach wiederholten gewalttätigen Angriffen ihres Mannes Anzeige erstattet habe. Sowohl vom Leiter der Spezialeinheit wie auch vom Richter, sei die Gewalt, die sie erfahren habe, hinuntergespielt worden. Ihr sei von einer Scheidung abgeraten worden und der Missbrauch gegen sie sei vom Richter als Beispiel „normaler Ehestreitigkeiten“ abgetan worden. Obwohl das Gesetz Methoden und Mittel zur Prävention und zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorsehe und Bestimmungen zur Bestrafung von Tätern und zur Entschädigung von Opfern enthalte, gebe es nicht die notwendige Infrastruktur, um dies zu bewerkstelligen. Der Staat stelle kein ausreichendes Budget zur Verfügung, um das Versprochene zu erreichen (MED FemiNiswiya, 4. September 2023). Laut Sana Ben Achour, einer von Village de la Justice interviewten Rechtsanwältin und Präsidentin des Vereins Beity, der Frauen durch Rechtsbeistand unterstütze, bestehe eine stille Komplizenschaft zwischen den Behörden und den für die Gewalt verantwortlichen Männern. Frauen, die Schutz suchen, würden oft vernachlässigt und nicht ernst genommen. Laut Ben Achour würden Frauen, die eine Beschwerde einreichen, nach Hause geschickt und es werde versucht, sie davon abzubringen eine Klage einzubringen. Für Richter·innen oder Polizist·innen bestehe kein Gefühl der Dringlichkeit (Village de la Justice, 25. Mai 2023).

Schutz vor häuslicher Gewalt und Gewalt im Namen der Ehre, Ehrenmorde

HRW erklärt im oben genannten Bericht, dass die Unterstützungsdienste für Frauen in ganz Tunesien knapp seien, insbesondere außerhalb der Hauptstadt (HRW, Dezember 2022, S. 83). Zwischen Ende 2021 und Sommer 2022 seien im gesamten Land nur fünf Notunterkünfte in Betrieb gewesen, vier davon in der Provinz Tunis. Es habe nach der Verabschiedung des Gesetzes von 2017 mehr Notunterkünfte in ländlichen Gebieten im Landesinneren gegeben, diese seien jedoch aufgrund mangelnder Finanzierung wieder geschlossen worden. Mitarbeiter·innen von NGOs hätten gegenüber HRW angegeben, dass der Mangel an Zugang zu Wohnraum das größte Problem für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden waren, sei (HRW, Dezember 2022, S. 84-85). Im Sommer 2022 hätten fünf weitere Unterkünfte ihre Türen (wieder) geöffnet und zum Zeitpunkt des Verfassens des Berichtes habe die Gesamtaufnahmekapazität der Notunterkünfte im ganzen Land etwa 186 Frauen und Kinder betragen (HRW, Dezember 2022, S. 85).

HRW veröffentlicht im November 2022 auf seiner Webseite zwei Karten mit der Anzahl der aktiven Frauenhäuser und der empfohlenen Anzahl an Frauenhäusern sowie der aktiven und empfohlenen Anzahl an Betten in den unterschiedlichen Provinzen Tunesiens. Die Karten zeigen neun aktive Frauenhäuser in gesamt Tunesien (davon drei in Tunis und jeweils eins in Jendouba, Kairouan, Mahdia, Tozeur, Gabes und Tatouine). HRW empfehle 35 weitere Frauenhäuser im gesamten Land zu errichten (HRW, 29. November 2022).

Die vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund, UNFPA) und vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) unterstützte Webseite SOS Femmes Violences veröffentlicht Verzeichnisse der Dienstleistungen, die der tunesische Staat und die Zivilgesellschaft für Frauen, die Opfer von Gewalt sind, anbieten. Die folgenden zwei Verzeichnisse bieten Listen von Frauenhäusern sowie von Beratungszentren:

·      SOS Femmes Violences: Centres d’Hébergement, ohne Datum(a)
http://www.sosfemmesviolences.tn/?post_type=fiche&lang=fr&service=centres-dhebergement&pager=1

·      SOS Femmes Violences: Centres d’écoute, d’aide et d’orientation, ohne Datum(b)
http://www.sosfemmesviolences.tn/?post_type=fiche&lang=fr&service=centres-decoute-daide-et-dorientation&pager=1

BBC News schreibt im Juli 2022, dass das Stigma ein Frauenhaus aufzusuchen, gepaart mit dem Mangel an denselben (mit Juli 2022 habe es nur fünf Frauenhäuser in Tunesien gegeben), dazu führe, dass viele Überlebende, insbesondere die wirtschaftlich schwächeren, dazu gezwungen seien, bei den Tätern zu bleiben (BBC News, 12. Juli 2022). EuroMed Rights bestätigt im März 2023, dass es nur wenige Frauenhäuser gebe und die Betreuung weiblicher Opfer von Gewalt weiterhin hauptsächlich von Vereinen übernommen werde, denen die nötige Finanzierung fehle (EuroMed Rights, März 2023, S. 7-8).

Kapitalis zitiert in einem Artikel vom Juni 2023 das tunesische Ministerium für Familien, Frauen, Kinder und ältere Menschen. Es seien zwischen 25. April und 25. Mai 232 Fälle von Gewalt gegen Frauen unter der gebührenfreien Nummer 1899 gemeldet worden. Gewalt in der Partnerschaft habe 81 Prozent der gemeldeten Fälle ausgemacht. Es habe außerdem 720 Anrufe für Rechtsberatung und 119 Anrufe zu Verwaltungsfragen gegeben. Als Folge der Anrufe seien in 77 Fällen weibliche Opfer von Gewalt an Sicherheitseinrichtungen und/oder Gesundheitseinrichtungen verwiesen worden. In weiteren 47 Fällen seien Opfer an regionale Polizeistationen und Kinderschutzdelegationen verwiesen worden (Kapitalis, 5. Juni 2023).

HRW beschreibt in seinem oben genannten Bericht, dass Gesetz 58 sieben Maßnahmen umfasse, die Familienrichter·innen auf Antrag der Beschwerdeführerinnen erlassen könnten, ohne dass die Überlebenden den Wohnsitz des Ehemannes verlassen müssten. Dazu würde das Verbot gehören, dass der Angeklagte das Opfer oder seine Kinder kontaktieren dürfe oder den Beklagten zu zwingen, finanzielle Unterstützung zu leisten. Das Frauenministerium und von HRW befragte Expert·innen hätten jedoch hervorgehoben, dass Schutzanordnungen nur selten von Behörden erlassen würden (HRW, Dezember 2022, S. 50-51)

Die tunesische Nachrichtenwebseite Le Maghreb veröffentlicht im August 2022 einen Artikel über Schutzzentren für weibliche Opfer von Gewalt in Tunesien. Die Zentren würden misshandelten Frauen und ihren Kindern vorübergehende sichere Unterkünfte bieten, sowie medizinische, psychologische und soziale Betreuung, Rechtsberatung und Unterstützung bei der sozialen Integration bereitstellen. Die Aufenthaltsdauer in den meisten Unterkünften betrage nicht mehr als drei Monate, könne jedoch verlängert werden. Laut Manal Koshat, Direktorin des Arwa Kairouaniya Center für die Unterbringung von weiblichen Opfern von Gewalt und ihren Kindern, würden die Frauen auch darin unterstützt, eine Ausbildung zu finden. Das Arwa Kairouaniya Center sei 2017 eröffnet und 2021 aus finanziellen Gründen vorübergehend geschlossen worden. 2022 sei es wiedereröffnet worden (Le Maghreb, 15. August 2022).

Les Glorieuses berichtet in einem Onlinebeitrag über das Frauenzentrum El Manara in El Kef. Aktivist·innen würden trotz steigender Fallzahlen und sinkender Mittel weiterhin Opfer von Gewalt unterstützen. Die bereits oben genannte Karima Brini erklärt gegenüber Les Glorieuses, dass das Zentrum seit 2019 einen Anstieg der Fallzahlen um 50 Prozent verzeichnet habe. Sie vermute, dass das wahre Ausmaß des Problems viel größer sei. Die meisten Fälle kämen aus der Stadt El Kef. Frauen vom Land hätten es sehr schwer zum Zentrum zu kommen, da es keine öffentlichen Verkehrsmittel gebe. Laut Brini nehme das Frauenministerium seine Aufgabe nicht ernst. Es gebe keinen nationalen Plan, keine Koordinierung und kein Budget. Dem Artikel zufolge liege es an feministischen Gruppen und Frauenverbänden die Arbeit fortzuführen, die die Regierung ihrer Meinung nach nicht leiste. Unterkünfte würden geschlossen, obwohl das Frauenministerium versprochen habe, bis 2024 in jeder der 24 tunesischen Provinzen ein Frauenhaus zu eröffnen. Die Association Femme et Citoyenneté habe damit begonnen, ein ehemaliges Kinderheim in eine behindertengerechte Unterkunft für Opfer häuslicher Gewalt umzuwandeln. Die Arbeiten hätten jedoch eingestellt werden müssen, während die Organisation darauf warte, dass das Ministerium die erforderlichen Mittel freigebe (Les Glorieuses, vermutlich 2023).

Jeem, eine vom Goethe-Institut initiierte Webseite, die sich an junge arabischsprachige Menschen richtet und eine Plattform für die Diskussion von Themen rund um Gender und Sexualität bietet, veröffentlicht im April 2021 einen Beitrag über das 2016 in Tunis eröffnete Aman Center für die Betreuung weiblicher Opfer von Gewalt. Das Zentrum habe eine Notunterkunft sowie ein Beratungszentrum, wo Überlebende psychologische und rechtliche Unterstützung erhielten. Das Zentrum habe, wie auch andere Zentren im Land, aufgrund seiner begrenzten Kapazität nicht allen Anfrager·innen Unterkünfte anbieten können. Das Zentrum sei aufgrund eines elektrischen Defekts geschlossen worden. Laut Jeem erfordere die Instandsetzung langwierige Verwaltungsvorgänge und zusätzliche Ressourcen. Einige Frauen der Notunterkunft seien in andere Zentren verlegt worden, während andere obdachlos geworden seien (Jeem, 1. April 2021).

MED FemiNiswiya beschreibt in einem Beitrag vom November 2021 das Frauenhaus „Beity“ (mein Haus) in Tunis. Beity biete eine Notunterkunft, speziell für Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt sind, und deren Kinder. Weiters gebe es psychologische Unterstützung sowie Programme zur sozioökonomischen Integration der Frauen. Frauen würden zwischen einem Tag bis zu über einem Jahr in Beity aufgenommen werden. Es seien geschiedene und alleinerziehende Mütter, Ehefrauen, die Gewalt erfahren hätten, Einwanderinnen, arme und obdachlose Frauen, von ihren Familien verstoßene lesbische Frauen, mittellose Studentinnen und weitere Frauen aufgenommen worden (MED FemiNiswiya, 24. November 2021).

Laut der oben genannten Neïla Zoghlami sei mit August 2023 die Zahl der von der Regierung und Zivilgesellschaft eingerichteten Anhörungs- und Aufnahmezentren für Frauen unzureichend. Die bestehenden Zentren würden nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um den Frauen Schutz, psychologische Unterstützung und rechtlichen Beistand zu gewährleisten (Kapitalis, 11. August 2023).

Überlebende und Dienstleister·innen hätten laut HRW darauf hingewiesen, dass Geld das größte Hindernis für die Befreiung vom Täter sei, insbesondere für Frauen mit Kindern. Der Staat biete Überlebenden (nach einem Prozess) jedoch kaum finanzielle Unterstützung (HRW, Dezember 2022, S. 88). Staatliche finanzielle Unterstützung und Krankenversicherungskarten würden in Tunesien automatisch an Ehemänner ausgehändigt und unter deren Namen als gesetzlich anerkannte Familienoberhäupter registriert. Selbst festgenommene Täter könnten Überlebenden den Zugang zu Sozialhilfekarten verweigern und lokale Sozialförderungseinheiten würden Überlebenden den Zugang zu den Sozialhilfekarten nicht erleichtern. Manche Frauen würden ihre Anzeigen zurückziehen, weil sie auf die finanzielle Hilfe angewiesen seien (HRW, Dezember 2022, S. 88-89; siehe auch: BBC News, 12. Juli 2022).

Laut dem Artikel von Jeem sei die Integration der meisten Frauen, die in Frauenhäusern untergebracht seien, in den Arbeitsmarkt aufgrund des schwachen Bildungsniveaus und des fehlenden Zugangs zu Ausbildungsprogrammen schwierig (Jeem, 1. April 2021).

Weitere Informationen über Frauenhäuser in Tunesien finden Sie in folgender Anfragebeantwortung von ACCORD:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Tunesien: Vorkommen von Ehrenmorden; Schutzeinrichtungen für betroffene Frauen (z.B. Frauenhäuser, etc.) [a-10598-1], 18. Mai 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1457615.html

Lage alleinstehender Frauen mit westlichen Werten

Im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche konnten keine einschlägigen aktuellen Berichte über die Lage alleinstehender Frauen mit westlichen Werten in Tunesien gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch, Englisch und Französisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Tunesien, Situation, Leben, Frauen, alleinstehend, allein, moralische Werte, westliche Werte, westlicher Lebensstil, Familie.

Es wurden eine Reihe von Expert·innen zu der Fragestellung kontaktiert. Sollten wir eine Antwort erhalten, werden wir diese umgehend an Sie weiterleiten.

Die US Agency for International Development (USAID) führte Ende 2021 und Anfang 2022 Interviews mit 114 Schlüsselinformant·innen (Key Informants, KIs) in Tunesien zur Geschlechtersituation im Land durch. KIs hätten wiederholt berichtet, dass kulturelle Normen und Überzeugungen die größten Herausforderungen für Frauen und andere vulnerable Gruppen in Tunesien darstellen würden. Es gebe einen auffälligen Kontrast zwischen den relativ fortschrittlichen Gesetzen des Landes und der täglichen Lebensrealität tunesischer Frauen und Mädchen, der in erster Linie auf kulturelle Normen und Überzeugungen zurückzuführen sei. Die tunesische Gesellschaft sei nach wie vor zutiefst patriarchalisch geprägt. Nach der Revolution (2011, Anmerkung ACCORD) hätten Islamismus und Konservatismus zugenommen. Einige Analyst·innen würden davon ausgehen, dass die Einführung von Frauenrechten von oben herab im Laufe der Zeit zu konservativen gesellschaftlichen Gegenströmungen geführt habe. Laut USAID trage eine „Krise der Männlichkeit“ zu weit verbreiteter Frauenfeindlichkeit, Normalisierung geschlechtsspezifischer Gewalt, Anti-Gleichstellungsansichten und Einschränkungen der Mobilität und Möglichkeiten von Frauen bei (USAID, 23. Februar 2022, S. 17).

Informationen über die Lage von alleinerziehenden Müttern ohne familiäres Netzwerk, Sozialhilfe, Kinderbetreuung, Arbeitsmarkt und Möglichkeiten zur Selbsterhaltung finden Sie in folgender Anfragebeantwortung von ACCORD vom August 2023:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Tunesien: Lage von alleinerziehenden Müttern von Kleinkindern ohne familiäres Netzwerk: Sozialhilfe; Kinderbetreuung; Arbeitsmarkt, Möglichkeiten zur Selbsterhaltung [a-12225], 30. August 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2096609.html

Lage der Frauen in der Stadt Sousse

Im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche konnten keine Informationen speziell über die Lage von Frauen in der Stadt Sousse gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch, Englisch und Französisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Tunesien, Sousse, Situation, Leben, Frauen, häusliche Gewalt

Es wurden eine Reihe von Expert·innen zu der Fragestellung kontaktiert. Sollten wir eine Antwort erhalten, werden wir diese umgehend an Sie weiterleiten.

Die oben beschriebene von HRW im November 2022 veröffentlichte Karte mit der Anzahl der aktiven und der empfohlenen Frauenhäuser in den unterschiedlichen Provinzen Tunesiens zeigt, dass es in der Provinz Sousse kein aktives Frauenhaus gebe, jedoch HRW drei Frauenhäuser für die Provinz empfehle (HRW, 29. November 2022).


 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 11. Jänner 2024)

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Tunesien: Vorkommen von Ehrenmorden; Schutzeinrichtungen für betroffene Frauen (z.B. Frauenhäuser, etc.) [a-10598-1], 18. Mai 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1457615.html

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Tunesien: Lage von alleinerziehenden Müttern von Kleinkindern ohne familiäres Netzwerk: Sozialhilfe; Kinderbetreuung; Arbeitsmarkt, Möglichkeiten zur Selbsterhaltung [a-12225], 30. August 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2096609.html

·      AI – Amnesty International: Tunisia: The tragic truth about domestic violence, 21. Mai 2021
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/05/tunisia-tragic-truth-about-domestic-violence/

·      Al-Arabiya: “Hört auf, Frauen zu töten“ … ein Ruf, der Tunesien nach unaussprechlichen Verbrechen erschüttert [Arabisch], 12. November 2022
https://www.alarabiya.net/north-africa/2022/11/12/-%D8%A3%D9%88%D9%82%D9%81%D9%88%D8%A7-%D9%82%D8%AA%D9%84-%D8%A7%D9%84%D9%86%D8%B3%D8%A7%D8%A1-%D8%B5%D8%B1%D8%AE%D8%A9-%D8%AA%D9%87%D8%B2-%D8%AA%D9%88%D9%86%D8%B3-%D8%A8%D8%B9%D8%AF-%D8%AC%D8%B1%D8%A7%D8%A6%D9%85-%D9%84%D8%A7-%D8%AA%D9%88%D8%B5%D9%81

·      AW – The Arab Weekly: Murder of Tunisian housewife brings domestic violence into spotlight, 11. Mai 2021
https://thearabweekly.com/murder-tunisian-housewife-brings-domestic-violence-spotlight

·      BBC News: Women in Tunisia: Has a female prime minister changed Tunisia?, 12. Juli 2022
https://www.bbc.co.uk/news/world-africa-62053997

·      EuroMed Rights: Situation report on discriminations against women in Tunisia, März 2023
https://euromedrights.org/wp-content/uploads/2023/03/factsheet-Tunisia_EN.pdf

·      Freedom House: Freedom in the World 2023 - Tunisia, 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2090194.html

·      HRW – Human Rights Watch: Mapping The Shelter Gap, 29. November 2022
https://www.hrw.org/video-photos/interactive/2022/11/29/mapping-shelter-gap

·      HRW – Human Rights Watch: “So what if he hit you?”, Addressing Domestic Violence in Tunisia, Dezember 2022
https://www.hrw.org/sites/default/files/media_2023/03/tunisia1222_web_0.pdf

·      Jeem: Ein gleichgültiger/nachlässiger Staat und obdachlose Frauen: die Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes 58 in Tunesien [Arabisch], 1. April 2021
https://jeem.me/de/node/532

·      Kapitalis: Violences à l‘égard des femmes en Tunisie: Les chiffres effrayants du 1899, 5. Juni 2023
https://kapitalis.com/tunisie/2023/06/05/violences-a-legard-des-femmes-en-tunisie-les-chiffres-effrayants-du-1899/

·      Kapitalis: Tunisie : le féminicide, une menace souvent minimisée, 11. August 2023
https://kapitalis.com/tunisie/2023/08/11/tunisie-le-feminicide-une-menace-souvent-minimisee/

·      L’Économiste Maghrébin: Quand vont cesser les agressions à l’encontre des femmes?, 9. Mai 2023
https://www.leconomistemaghrebin.com/2023/05/09/neila-zoghlami-appelle-a-des-mesures-fermes-pour-lutter-contre-les-agressions-a-lencontre-des-femmes/

·      La Presse: Multiplication alarmante des féminicides : Pas une femme de moins, plus une morte de plus, 22. Mai 2023
https://lapresse.tn/159048/multiplication-alarmante-des-feminicides-pas-une-femme-de-moins-plus-une-morte-de-plus/

·      Le Maghreb: Schutzzentren für weibliche Opfer von Gewalt in Tunesien [Arabisch], 15. August 2022
https://ar.lemaghreb.tn/%D8%B3%D9%8A%D8%A7%D8%B3%D8%A9/item/56322-%D9%85%D8%B1%D8%A7%D9%83%D8%B2-%D8%A7%D9%8A%D9%88%D8%A7%D8%A1-%D8%A7%D9%84%D9%86%D8%B3%D8%A7%D8%A1-%D8%B6%D8%AD%D8%A7%D9%8A%D8%A7-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D9%86%D9%81-%D9%81%D9%8A-%D8%AA%D9%88%D9%86%D8%B3-%D9%81%D8%B1%D8%B5%D8%A9-%D9%87%D8%A7%D9%85%D8%A9-%D9%84%D8%A5%D8%B9%D8%A7%D8%AF%D8%A9-%D8%A5%D8%AF%D9%85%D8%A7%D8%AC-%D8%A7%D9%84%D9%86%D8%B3%D8%A7%D8%A1-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%B9%D9%86%D9%91%D9%81%D8%A7%D8%AA-%D9%88%D8%AA%D9%85%D9%83%D9%8A%D9%86%D9%87%D9%86-%D8%A7%D9%82%D8%AA%D8%B5%D8%A7%D8%AF%D9%8A%D8%A7-%D9%88%D9%85%D8%AC%D8%AA%D9%85%D8%B9%D9%8A%D8%A7-%D9%88%D9%86%D9%81%D8%B3%D9%8A%D8%A7

·      Le Monde: « Tu retires ta plainte ou je t’égorge » : en Tunisie, un féminicide ravive le débat sur les violences faites aux femmes, 31. Mai 2021
https://www.lemonde.fr/afrique/article/2021/05/31/tu-retires-ta-plainte-ou-je-t-egorge-en-tunisie-un-feminicide-ravive-le-debat-sur-les-violences-faites-aux-femmes_6082250_3212.html

·      Les Glorieuses: Inside a women’s centre on the frontline of Tunisia’s femicide crisis, vermutlich 2023
https://lesglorieuses.fr/on-the-frontline-of-tunisias-femicide-crisis/?cn-reloaded=1

·      MED FemiNiswiya: Meet “Beity”, a safe haven and stepping-stone for women in Tunisia, 24. November 2021
https://medfeminiswiya.net/2021/11/24/meet-beity-a-safe-haven-and-stepping-stone-for-women-in-tunisia/?lang=en

·      MED FemiNiswiya: Double Violence: Tunisian Women Are Victims of Their Husbands…and of the Police, Too, 4. September 2023
https://medfeminiswiya.net/2023/09/04/double-violence-tunisian-women-are-victims-of-their-husbandsand-of-the-police-too/?lang=en

·      SOS Femmes Violences: Centres d’Hébergement, ohne Datum(a)
http://www.sosfemmesviolences.tn/?post_type=fiche&lang=fr&service=centres-dhebergement&pager=1

·      SOS Femmes Violences: Centres d’écoute, d’aide et d’orientation, ohne Datum(b)
http://www.sosfemmesviolences.tn/?post_type=fiche&lang=fr&service=centres-decoute-daide-et-dorientation&pager=1

·      USAID – US Agency for International Development: Tunisia Gender Analysis: Constraints, Success Stories/Best Practices, Opportunities, and Recommendations, 23. Februar 2022
https://pdf.usaid.gov/pdf_docs/PA00ZB5C.pdf

·      USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, 20. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089227.html

·      Village de la Justice: Les Droits des Femmes en Tunisie: Un Sombre Tablaeu de la Situation actuelle, 25. Mai 2023
https://www.village-justice.com/articles/les-droits-des-femmes-tunisie-sombre-tableau-situation-actuelle,46261.html


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

·      AI – Amnesty International: Tunisia: The tragic truth about domestic violence, 21. Mai 2021
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/05/tunisia-tragic-truth-about-domestic-violence/

„Refka was a 26-year-old woman, mother to a young boy, who had been shot dead by her husband earlier that day. Just two days earlier, on 7 May, fearing for her life, she had gone to the police and the prosecutor to report the abuse she had been suffering at the hands of her husband. While the police registered her complaint and transferred it to the judiciary, her abusive husband was not immediately arrested despite the serious injuries he had inflicted on her. The prosecutor also failed to order any measures to protect her from further violence despite the blatant threat to her safety.

Refka’s story epitomizes the gap between law and practice in Tunisia, where in 2017 parliament adopted the much-lauded Law on Eliminating Violence Against Women, but on the ground, women continue to face an uphill struggle to obtain justice and ensure their personal safety. […]

Karima Brini, President of the Women and Citizens (Femmes et Citoyennes) Association, which is active in fighting violence against women in Le Kef, in northwest Tunisia, told me that the victim had contacted her in distress on the evening of 7 May, two days before she was killed. She was seeking assistance in filing a complaint against her abusive husband. Refka told her that her husband beat her frequently. That day, he had hit and attempted to strangle her. She went to the special police unit in charge of violence against women to file a complaint, but she had found the office closed and was told it was ‘outside of regular working hours’. Hours later she went to file her complaint at a regular police office. She told Brini that they took her testimony and referred her for forensic examination. At the hospital, the forensic doctor prescribed 20 days of rest. The police then summoned her husband, who is a member of the security forces, to the police station. Refka told Brini that he threatened her while she was waiting in a room in the police station saying: ‘If you don’t give up the complaint, I will slaughter you.’

Yet despite all of this police officers did not arrest him that day. Refka refused to go back home with him and went to stay with her parents. Brini said that she advised her by phone to file a complaint at the special unit the following day. On 8 May, she tried to call her again but couldn’t reach her. She called an officer she knows at the special unit, who assured her that the unit will take care of the case. Later in the day, Brini said, the officer called her and told her that they investigated the case and transferred the complaint to the prosecutor’s office, who did not consider that the situation warranted an arrest or any other protection order. Brini later found out on 9 May that Refka had been shot with live ammunition and taken to hospital. She died of her wounds later that day. […]

The spokesperson of the El Kef first instance court declared that Refka Cherni and her husband appeared before the prosecutor on 8 May and that the reason why the prosecutor kept the perpetrator free was because Refka decided to drop the complaint and to reconcile with her husband in order to ‘protect the family and her child’. These words speak volumes about the lack of comprehension of the vulnerable position of the victims of domestic violence, who usually sustain a lot of stigma and pressure from families and society to drop complaints and return to their abusive family members. It also shows how state officials are ignoring the new law, which gives the police and the judiciary important powers and responsibilities in protecting women from violence.“ (AI, 21. Mai 2021)

The Arab Weekly (AW) ist eine in Großbritannien, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten erscheinende Wochenzeitung.

·      AW – The Arab Weekly: Murder of Tunisian housewife brings domestic violence into spotlight, 11. Mai 2021
https://thearabweekly.com/murder-tunisian-housewife-brings-domestic-violence-spotlight

„The murder of a woman at the hands of her policeman husband in a rural area of Tunisia has sparked anger with campaign groups warning Monday of an increase in wife-beating during virus lockdowns.

The 26-year mother of a young child, Refka Cherni, died in a hail of bullets on Sunday just before the end of the day’s Muslim fast for Ramadan, court spokesman Mohamed Faouzi Daoudi said from Kef in north-western Tunisia.

Two days earlier, she had filed a complaint against her husband for physical violence. But when placed face-to-face with him by the authorities she dropped the complaint, the spokesman added.

Tunisian NGO Moussawet, or Equality, said Rifka Cherni had withdrawn her case under family pressure. […]

In 2017, parliament passed an ambitious bill which considerably broadened the types of violence punishable under the act and confirmed Tunisia’s pioneering role in support of women’s rights in the region.

However the legislation is little used and with political will and money lacking it can be very difficult to get a case to court.“ (AW, 11. Mai 2021)

BBC News ist eine Abteilung der British Broadcasting Corporation (BBC) mit Hauptsitz in London.

·      BBC News: Women in Tunisia: Has a female prime minister changed Tunisia?, 12. Juli 2022
https://www.bbc.co.uk/news/world-africa-62053997

„Tunisia's now-dissolved parliament adopted legislation in 2017 to combat violence against women. Known as Law 58, it was lauded as historic at the time, putting Tunisia ahead of many of its neighbours.

Although there have been some successes - including the setting up of specialised police units to tackle violence against women - people have argued that there are major weaknesses in the law's implementation.

They point to the case of 26-year-old Refka Cherni, who was allegedly killed by her husband, an officer in the National Guard, in May 2021, just two days after she had gone to the police to report him for domestic abuse. He was arrested but has not yet gone on trial and has not commented.

Her case is notorious, as it reflects the ‘failure of the complete system’: from the police who conducted mediation between Cherni and her husband despite this being banned - he allegedly used this opportunity to threaten her and Cherni withdrew her complaint the next day - to the prosecutor, who failed to order any measures to protect her, to the hospital, which issued a medical certificate to prove she had been abused.

‘If she had received her medical certificate earlier, perhaps she could have gone forth with her complaint and she wouldn't have died,’ says Ms Ben Azouz. […]

But, as men remain the heads of their households under Tunisian law, social assistance goes to them and survivors of domestic abuse cannot access financial support.

‘The economic power stays in the hands of the husband,’ says Ms Ben Azouz.

The stigma around going to a domestic abuse shelter, combined with the lack of them - only five exist in Tunisia, four of which are located in the capital, Tunis - means many survivors, particularly those who are poor, are forced to stay with their abusers.“ (BBC News, 12. Juli 2022)

EuroMed Rights, im Jahr 1997 als Euro-Mediterranean Human Rights Network gegründet, ist eine Nichtregierungsorganisation mit dem Ziel, die Kooperation und den Dialog in und zwischen Ländern auf beiden Seiten des Mittelmeeres zu fördern.

·      EuroMed Rights: Situation report on discriminations against women in Tunisia, März 2023
https://euromedrights.org/wp-content/uploads/2023/03/factsheet-Tunisia_EN.pdf

„Laws on gender-based violence/violence against women

Although Law No. 58-2017 entered into force in February 2018, violence is increasing. In all its aspects (prevention, care and protection, prosecution, and punishment of aggressors), serious [sic]

Few women are aware of the law and their rights, and the various stakeholders are poorly trained. There are few women’s shelters and the care of women victims of violence is still mainly provided by associations which lack the necessary funding.

Protection orders issued by family judges under an emergency procedure are slow. And the judgments handed down since the law came into force show that judges are lenient towards domestic violence. The law no longer allows the prosecution or the execution of the sentence to be halted if the complaint is withdrawn, but judges use this withdrawal as a basis for granting mitigating circumstances. And judges are hostile to the repression of marital rape, which is not expressly incriminated by the law.

A national observatory on violence has been set up, but it is not yet operational. Even if victim surveys are not carried out regularly, the findings of NGOs that provide care for women victims of violence show a significant increase in violence, particularly within the couple, which is estimated to be around 70%.

Finally, although the law provides for a programme for perpetrators of violence, this has not been implemented.“ (EuroMed Rights, März 2023, S. 7-8)

Freedom House ist eine in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation, die sich mit Recherchen und Advocacy-Arbeit zu Demokratie, politischen Freiheiten und Menschenrechten befasst.

·      Freedom House: Freedom in the World 2023 - Tunisia, 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2090194.html

„In 2017, the Justice Ministry repealed a decree that had banned Tunisian women from marrying non-Muslim men. However, women face high rates of domestic abuse. The 2017 Law on Eliminating Violence against Women addressed domestic violence and included language intended to protect women from harassment in public and from economic discrimination. The law’s implementation has been limited by shortcomings including a lack of awareness of its provisions, a shortage of trained agents to handle complaints, pressure on women from some agents to avoid taking abusive husbands to court, and logistical barriers to reporting abuse. High-profile cases of femicide stemming from domestic violence continued to be reported during 2022.“ (Freedom House, 2023, G3)

Human Rights Watch (HRW) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.

·      HRW – Human Rights Watch: “So what if he hit you?”, Addressing Domestic Violence in Tunisia, Dezember 2022
https://www.hrw.org/sites/default/files/media_2023/03/tunisia1222_web_0.pdf

„Police Response to Domestic Violence

Since Law-58 first started being implemented, women have complained about pressures police officers had exerted on them and the undignified way in which they were received. We have come a long way, but there are still gaps in the police’s response.

— Women’s rights advocate, Bochra Belhaj Hmida

Since the passing of Law-58, authorities have taken steps in line with it, notably establishing specialized units across Tunisia’s 24 governorates and training their officers to respond to violence against women. However, specialized units’ response to domestic violence remains inadequate. There are inconsistencies in the police’s response to domestic violence due to operational constraints, including limited operating hours and insufficient vehicles, and poor implementation of the law involving failures to inform survivors of their rights; requiring (recent) initial medical certificates from them to launch investigations or protection measures; dismissive attitudes; and mediation attempts.“ (HRW, Dezember 2022, S. 34)

„Men usually assault women at night. Yet, specialized units operate only during daytime (approximately 8:00-17:00), and on weekdays. Outside administrative hours, complainants must turn to regular police. However, the latter have not in general been sufficiently trained on Law-58 to deal with complaints of violence against women.

In July 2021, after a severe beating by her husband, Fatma, 44, from Regueb, decided to file a complaint against him. Her work schedule as a cleaner prevented her from visiting a specialized unit during administrative hours:

‘I went twice to the police station in Regueb. The first time they told me the specialized units weren’t here and didn’t ask me any other question. I felt as if I had bothered them, so I walked back home. A few days later, I went back and they told me to put a file together and submit it to the public prosecutor at the municipal court. But I didn’t know how to go about it. I felt confused so I left and gave up.’“ (HRW, Dezember 2022, S. 36-37)

„Personnel of specialized units told Human Rights Watch they lacked human resources to fulfill their role.“ (HRW, Dezember 2022, S. 37)

„Law-58 requires specialized units to immediately go to the crime scene to investigate when they learn of flagrant délit cases of violence against women (Article 25) and to transport survivors to first aid spaces or shelters as needed (Article 26). However, adequate means of transport have not been allocated to specialized units, according to frontline respondents and police officers interviewed by Human Rights Watch.“ (HRW, Dezember 2022, S. 39)

„However, most lawyers and frontline respondents who spoke to Human Rights Watch said police trainings on Law-58’s provisions had not sufficed to change the dismissive attitudes most police officers have towards women who complain of domestic violence. […]

For survivors, how the police receive and treat them deeply affects their readiness to take legal action against their abusers. Survivors interviews with Human Rights Watch revealed frequently discouraging police responses to domestic violence.“ (HRW, Dezember 2022, S. 40)

„In six cases reviewed by Human Rights Watch, the police actively discouraged survivors from complaining against their abusers and encouraged reconciliation in the name of preserving the family, or refused to take appropriate measures to investigate the alleged crimes. Women’s rights organizations and survivors told Human Rights Watch that the police are especially reluctant to investigate complaints against violent family members, as opposed to partners.“ (HRW, Dezember 2022, S. 42)

„Arbia Alahmar, a social worker at the National Union for Tunisian Women, said every six to eight weeks she had to write letters in the name of her organization asking specialized units to treat individual cases of survivor complaints in a timely manner. Alahmar said she did so because the specialized units sometimes told women seeking to file a complaint against their abusers ‘to go home’ or ‘come back later.’ Yet, an immediate response by specialized units is necessary to preserve evidence, ensure survivors do not withdraw their complaints, and that they can access protection.

The police also use the lack of shelters as a reason not to issue protection measures or orders. In December 2021 (before the opening of a shelter in the summer of 2022), Ali Joua, head of the police specialized unit in Gabes, said the lack of nearby shelters to host survivors was another reason the police rarely issued protection measures.“ (HRW, Dezember 2022, S. 43)

„Law-58 does not specify evidentiary requirements to prove domestic violence.

However, interviews with women who sought to file complaints revealed that in practice the police treat initial medical certificates, which are issued by public doctors, as a prerequisite for launching investigations into allegations of violence against women. When the police receive complainants of physical domestic violence, authorities issue them a requisition that they can present to any public hospital to access a free medical consultation and an initial medical certificate. Women are expected to go to the hospital themselves to acquire a medical certificate, which they must bring back to the police before they will consider launching an investigation.“ (HRW, Dezember 2022, S. 44)

„Police officers also attribute time limitations to initial medical certificates, considering them no longer valid if the complainant brings her certificate to the police beyond what they consider the period of validity. According to women and frontline respondents whom Human Rights Watch interviewed, the period of validity varied from one location to another and ranged from 48 hours to 5 days, or a week or two.“ (HRW, Dezember 2022, S. 45)

„In 2021, five survivors and four staff of organizations supporting survivors told Human Rights Watch they suspected the police had failed to take appropriate action against abusers due to corruption or nepotism.

When explaining why the police had rejected her attempt to file a complaint against her husband after he hit her with a brick, Nahla said: ‘I am sure my husband gave them money after I gave them my testimony. The police are completely corrupt. Ten or twenty dinars ($3-6) is enough for them to get themselves some drinks and buy them off.’

According to staff from governmental and nongovernmental organizations supporting survivors, women whose abusers work as police officers or occupy other function under the Ministry of Interior have a weak chance of getting justice in practice. Some women may not report at all because they fear nothing will be done where their abuser has police connections or that they could face repercussions if they did.“ (HRW, Dezember 2022, S. 48)

„Law-58 provides for protection measures which are a set of temporary measures that are issued by public prosecutors at the request of specialized units to provide immediate protection to women and children before family judges can decide on protection order requests and are effective until a protection order is issued. These are also known as ‘ex parte’ or ‘emergency orders’ in the United Nations Handbook for Legislation on Violence against Women. Under Article 26 of Law-58, these include: transferring survivors and their children to a safe space (i.e. shelter) or to receive first aid if needed; removing the suspect from the family home; and prohibiting the suspect from approaching the survivor at home or at her place of work.

Protection orders, under Article 33 of Law-58, can include any or all of the seven measures which family judges can issue at complainants’ request without requiring survivors to leave the spousal domicile. They include prohibiting the defendant from contacting the victim or their children at any place where they may be, including the shared family home; prohibiting the defendant from damaging the victims’ private property; compelling the defendant to pay a housing allowance or post-divorce financial support (alimony) for the survivor and her children, as applicable. […]

There are no publicly available data on the number of protection measures issued at the request of specialized units.

However, the Ministry of Women and experts interviewed by Human Rights Watch insist protection orders and measures, are rarely issued by authorities.“ (HRW, Dezember 2022, S. 50-51)

„Out the 20 women who went to the policewomen and spoke to Human Rights Watch, most had not been clearly informed of their rights by the police. Only two were told of their right to request protection orders or legal aid, for example. […]

Article 26 of Law-58 obliges specialized units’ staff to inform survivors of all their rights and the legal remedies available to them. However, the article does not explicitly specify that police officers who are not part of specialized units are also obliged to inform survivors of their rights. This gap in the legislation, combined with the limited operating hours of the specialized units, jeopardizes survivors’ ability to exercise their rights.“ (HRW, Dezember 2022, S. 52-53)

„Femicide Prevention

On May 7, 2021, ‘Monia,’ a visibly injured 26-year-old woman, went to the police to report her husband’s assault on her. She had first gone to a specialized police unit but found it closed. Hours later she went to a regular police station, where officers registered her complaint and referred it to the First Instance Court. Authorities did not arrest the accused husband or confiscate his firearm. During the night of May 9-10, the victim’s husband allegedly shot her dead. He is currently in pre-trial detention.“ (HRW, Dezember 2022, S. 55)

„The Ministry of Women’s 2021 annual report on the elimination of violence against women noted the ‘refusal’ of certain members of the judiciary to implement Law-58 under pretexts of protecting the ‘familial equilibrium’ and ‘social stability.’ 

Human Rights Watch did not observe trials but interviewed a variety of people with first-hand experience of these courts, including four judges and eight lawyers who affirmed that many judges harbor discriminatory attitudes toward women’s rights that impede implementation of Law-58.

Abdelhamid Naoui, president of Al Kef’s criminal court and a former family judge, dubbed ‘the feminist judge’ by women’s rights activists told Human Rights Watch, ‘Most people, including judges, see Law-58 as a way of elevating women’s status above men’s rather than a positive step toward equality. Male judges still discriminate against their female peers in some regional courts.’ […]

The sacralization of the family institution over women’s rights constrains survivors’
access to justice.“
(HRW, Dezember 2022, S. 74)

„Former family judge and president of Al Kef’s first instance tribunal, Abdlehamid Naoui, said family judges’ concern to keep family structures intact makes them reluctant to refer abusive non-spousal family members to trial in cases of intra-familial domestic violence. He explained, ‘Family Judges are used to dealing with domestic violence between spouses; most wouldn’t know what legal measures to take in situations where the abuser is a brother, father, or an in-law.’“ (HRW, Dezember 2022, S. 76)

„In line with best practices, Articles 4 and 13 of Law-58 guarantee survivors the right to unconditional, state-sponsored legal aid (hereinafter ‘legal aid’), whether they decide to pursue their abusers or to only ask for divorce. Survivors are entitled to legal aid unconditionally, without having to provide proof of financial need. […]

Out of 15 survivors interviewed by Human Rights Watch who engaged in legal proceedings against their alleged abusers, only two benefitted from state-funded legal aid. Two survivors had to pay for a lawyer’s services, and the other 11 said that they did not benefit from a lawyer’s defense and received instead legal counsel via nongovernmental organizations. […]

Based on interviews with survivors, a main obstacle to getting legal aid is a sheer lack of information. According to a 2022 study by Lawyers Without Borders, of legal aid services in seven out of Tunisia’s 28 first instance courts, many courts lack a staff member or signs that would orient survivors to the legal aid office. The judiciarys failure to inform survivors about their right to legal aid contravenes Article 39 of Law-58.

Staff from organizations supporting survivors told Human Rights Watch that when survivors sought free legal counsel from the court, they were often required to provide evidence of their financial status as per Law-52 of 2002, due to a lack of awareness of Law-58’s provisions survivors’ unconditional right to legal aid.

This is problematic as documents that show proof of their financial needs such as social assistance cards can be with women’s abusers who may refuse to give them their social assistance cards, according to Arbia Alahamar, social worker at the National Union for Tunisian Women.

Ineffective Assistance

Nour Jihène Becheikh, a judge at the Tribunal of First Instance of Grombalia, said, ‘Even if a woman is granted legal aid, the lawyer she is assigned might not be trained on domestic violence or be sensitive to the issue at all. I have come across cases where legal aid lawyers engaged in victim-blaming in their own defense of women in courts.’“ (HRW, Dezember 2022, S. 80-81)

„In practice, women’s access to support services is scarce throughout the country, especially outside of the capital and in the south and interior regions.“ (HRW, Dezember 2022, S. 83)

„Human Rights Watch has mapped out shelters in Tunisia and found that survivors have had an inconsistent access to safe shelters, especially outside of the capital.

From the end of 2021 to the summer of 2022, survivors’ access to shelter was particularly scant. Only five shelters were operational across the country; four of which were concentrated in Tunis’ governorate, and one located in Mahdia’s governorate, South-West Coast. Their collective hosting capacity was of 107 women and children.

According to staff of nongovernmental organizations, shelters were so few due to the lack of state funding and the vagaries of international donors. Indeed, while more shelters had operated in rural areas in the country’s interior following the adoption of Law-58, they have shut down due to lack of or inconsistency in national and international funding. For instance, shelters in Jendouba, Kairouan, and Gafsa closed between 2019 and 2021.  

Staff from nongovernmental organizations that provide in-person and phone counseling to survivors interviewed by Human Rights Watch noted their frustration at being unable to help women with what they needed most which is emergency shelter and housing. Sara Medini, in charge of cases of victims of violence at Aswat Nissa, a nongovernmental organization, said: ‘In 2021, over 200 women came to our center or called us. Women usually feel relieved to tell their story. But the biggest issue for them is access to housing, which we cannot help them with beyond referring them to shelters. But the latter are
often full.‘“
(HRW, Dezember 2022, S. 84-85)

„In a positive move, five shelters in Gabes, Jendouba, Kairouan, Tataouine, and Tozeur have (re)opened their doors in the summer of 2022, owing to an increase in financial support from the Ministry of Women and its international partners. At time of writing, the total hosting capacity of shelters across the country is of approximately 186 women and children.“ (HRW, Dezember 2022, S. 85)

„Survivors and service providers who spoke to Human Rights Watch pointed to money as the biggest impediment to and catalyst in breaking free from their abusers, especially for those who have children. Yet, the state provides almost no financial remedy (post-trial) or support to survivors to help them envisage a transition out of domestic abuse.“ (HRW, Dezember 2022, S. 88)

„Local Social Promotion Units are in charge of administering healthcare cards and financial assistance of 180 dinars monthly to vulnerable Tunisians. Although the latter are intended to benefit the entire family, healthcare cards and financial assistance are delivered automatically to husbands and are registered under their individual name, as the legally recognized heads of households. In practice, this can enable abusers to withhold these benefits from their accusers as a form of retaliation and pressure.

Abusers who are arrested may still prevent survivors from accessing social assistance by refusing to give them access to social assistance cards. This forces survivors to go through various administrative hurdles to try to obtain duplicates, often unsuccessfully, as Local Social Promotion units do not facilitate survivors’ access to these, which can lead them to withdraw their complaints and see abusers released because they depend on
this assistance.“
(HRW, Dezember 2022, S. 88-89)

Kapitalis ist ein tunesisches Nachrichtenportal.

·      Kapitalis: Violences à l‘égard des femmes en Tunisie: Les chiffres effrayants du 1899, 5. Juni 2023
https://kapitalis.com/tunisie/2023/06/05/violences-a-legard-des-femmes-en-tunisie-les-chiffres-effrayants-du-1899/

„Le ministère de la Famille, de la Femme, de l’Enfance et des personnes âgées a annoncé, ce lundi 5 juin 2023, que 232 cas de violences faites femmes ont été signalées au numéro vert 1899., an seulement un mois!

Ces chiffres concernent la période allant du 25 avril au 25 mai 2023, précise la même source, en indiquant que sur les 232 signalements ont concernés des violences verbales (193), des violences psychologiques et morales (132), des violence économiques (57), des voilences sexuelles (4), sachant que les violences conjugales représentent 81% de la totalité des des cas signalés.

Le ministère ajoute que les spécialistes ont également géré sur ce numéro vert 720 appels relatifs à des conseils juridiques et 119 appels sur des questions administratives, sachant que cela a conduit à orienter des femmes victims de violences vers les institutions sécuritaires et/ou établissements sanitaires (77cas) alors que des victims ont été orientées vers les commissariats régionaux et les délégations de la protection de l’enfance (47 cas).

Quant aux signalements dans les gouvernorats, le Grand-Tunis a été le plus concerné avec 35 cas à Tunis, 25 à Ben Arous, 22 à l’Ariana et 10 à La Manouba, contre 13 Sfax, 13 à Kairouan et 11 à Monastir, ajoute la même source, en précisant que la tranche d’âge des victims est rapatrie comme suit: 27% âgées entre 30 et 39 ans et 19% sont âgées de 40 à 49 ans, sachant que 73$ des femmes victimes de violences étaient mariées (169 cas).“ (Kapitalis, 5. Juni 2023)

·      Kapitalis: Tunisie : le féminicide, une menace souvent minimisée, 11. August 2023
https://kapitalis.com/tunisie/2023/08/11/tunisie-le-feminicide-une-menace-souvent-minimisee/

„21 féminicides en 8 mois

Les chiffres dévoilés par la présidente de l’association, Neïla Zoghlami, lors de son intervention médiatique dans la matinale de Radio IFM, mettent en évidence une tendance à la hausse des actes de violence envers les femmes. Depuis le début de l’année, pas moins de 610 nouvelles victimes ont été enregistrées, soit plus de deux nouvelles victimes chaque jour. Comparativement aux 1000 cas enregistrés au cours de la décennie précédente, ces chiffres révèlent une augmentation effrayante, qui suggère une aggravation de ce fléau social.

Au cours des huit premiers mois de cette année, 21 femmes ont été tuées, soulignant la nécessité urgente d’une intervention coordonnée et ciblée pour endiguer cette vague de violence meurtrière qui a parfois des causes socioéconomiques. Ce qui met en évidence des facteurs structurels profondément enracinés qui contribuent à la vulnérabilité des femmes dans la société tunisienne. […]

On citera, à cet égard, la loi organique ‘relative à l’élimination de la violence contre les femmes’, adoptée en juillet 2017 et entrée en vigueur en février 2018.

Ce texte, qui élargit la définition des violences faites aux femmes aux violences morales, sexuelles, économiques et politiques tant dans la sphère publique que familiale, a beau exister, on ne peut pas dire qu’il a aidé à réduire les violences faites aux femmes, qui ont carrément explosé au cours des dernières années.

Quant aux centres d’écoute et d’accueil des femmes victimes de violence, créées et gérées par les autorités ou la société civile, ils restent insuffisants et dénués des moyens nécessaires pour assurer le gîte, la sécurité, le soutien psychologique et l’appui juridique dont une femme violentée a généralement besoin.“ (Kapitalis, 11. August 2023)

L'Économiste Maghrébin ist eine tunesische Online-Zeitung, die auf wirtschaftliche und politische Nachrichten spezialisiert ist.

·      L’Économiste Maghrébin: Quand vont cesser les agressions à l’encontre des femmes?, 9. Mai 2023
https://www.leconomistemaghrebin.com/2023/05/09/neila-zoghlami-appelle-a-des-mesures-fermes-pour-lutter-contre-les-agressions-a-lencontre-des-femmes/

„Les femmes sont de plus en plus victimes de violences conjugales pouvant atteindre leur mort. La ville de Sousse s’est réveillée face à un drame, une mère d’une trentaine d’années enceinte s’est retrouvée étranglée par son mari.“ (L‘Économiste Maghrébin, 9. Mai 2023)

La Presse ist eine französischsprachige tunesische Tageszeitung mit Sitz in Tunis.

·      La Presse: Multiplication alarmante des féminicides : Pas une femme de moins, plus une morte de plus, 22. Mai 2023
https://lapresse.tn/159048/multiplication-alarmante-des-feminicides-pas-une-femme-de-moins-plus-une-morte-de-plus/

„Onze femmes ont été tuées par leur conjoint depuis janvier dernier, contre quinze sur l’ensemble de l’année 2022. Une statistique qui laisse croire que ce fléau prend de l’ampleur en Tunisie, notamment si on rappelle l’atrocité des faits, dernièrement une femme a été brulée vive par son mari. […]

En effet, un mois à peine après le féminicide conjugal ayant emporté une femme de 32 ans, mère de deux enfants, un nouveau crime odieux a été commis, le 7 mai dernier, dans la délégation de Kondar à Sousse. Sabrine, une femme de 30 ans, enceinte et mère de quatre enfants, a été étranglée par son mari.“ (La Presse, 22. Mai 2023)

Le Monde ist eine französische Tageszeitung.

·      Le Monde: « Tu retires ta plainte ou je t’égorge » : en Tunisie, un féminicide ravive le débat sur les violences faites aux femmes, 31. Mai 2021
https://www.lemonde.fr/afrique/article/2021/05/31/tu-retires-ta-plainte-ou-je-t-egorge-en-tunisie-un-feminicide-ravive-le-debat-sur-les-violences-faites-aux-femmes_6082250_3212.html

„Cherni, 26 ans et mère d’un enfant, a été assassinée par son mari, agent de la garde nationale, le 9 mai. Quarante-huit heures avant le meurtre, la jeune femme avait déposé plainte contre lui, avec à l’appui un certificat médical prouvant les violences. […]

La jeune mère l’a contactée aussitôt. ‘Elle disait avoir été prise au sérieux lors du dépôt de sa plainte, mais ça a mal tourné lorsquils ont convoqué son mari. Il lui a dit : Tu retires ta plainte ou je t’égorge’’; relate Karima Brini. […]

Selon elle, Refka Cherni était en colère contre les menaces de son mari, mais pas inquiète car elle ne vivait plus à son domicile. Hébergée par ses parents, la jeune femme devait retourner à l’hôpital, accompagnée par Karima Brini, et être prise en charge par une unité spécialisée. Le lendemain, elle ne répond plus au téléphone et retire sa plainte. Plusieurs témoignages font état de pressions familiales qui l’auraient dissuadée de continuer.

Un tel cas de figure est prévu par la loi 58 qui, pour protéger les femmes, prévoit la poursuite de la procédure même en cas de retrait de la plainte. Le mari de la victime reste pourtant en liberté. Vingt-quatre heures plus tard, Refka Cherni se rend à son domicile afin de prendre des affaires pour son fils qui fête ce jour-là son anniversaire. Cest là que son mari lui tire dessus : cinq balles à bout portant. […]

Pour Sarra Ben Said, directrice de l’association Aswat Nissa, il y a eu une défaillance au sein du système judiciaire et elle est révélatrice des problèmes d’accès à la justice pour les femmes victimes de violences. ‘Les victimes sont encore souvent confrontées à des difficultés lors du dépôt de plainte et beaucoup abandonnent la procédure en cours de route, rappelle-t-elle.

Les chiffres en témoignent. Lors d’une audition au Parlement, le 20 mai, la ministre de la justice par intérim, Hasna Ben Slimane, a déclaré tout faire pour améliorer la prise en charge des femmes. Selon les chiffres quelle a avancés, la justice a traité 3 941 affaires en 2019 et 2020 concernant les violences faites aux femmes, dont 2 500 pour violences conjugales.

Or, selon le ministère de l’intérieur, 65 000 plaintes ont été déposées auprès des unités spécialisées. En réalité, très peu de dénonciations débouchent sur de réelles poursuites en justice.

Hela Ben Salem, avocate et membre de l’Association tunisienne des femmes démocrates, estime que le procureur aurait pu ordonner des mesures préventives d’urgence après le dépôt de plainte de Refka Cherni.Mais le parquet est resté réticent à lapplication de larticle 26 de la loi, qui prévoit des mesures de protection. Pourquoi ? Les raisons sont multiples : il y a le manque de formation et la volonté de préserver la famille, en dépit des risques pour les femmes concernées, explique la juriste, qui dénonce le ‘conservatisme de la justice.“ (Le Monde, 31. Mai 2021)

Les Glorieuses ist ein französischer feministischer Newsletter mit Sitz in Paris.

·      Les Glorieuses: Inside a women’s centre on the frontline of Tunisia’s femicide crisis, vermutlich 2023
https://lesglorieuses.fr/on-the-frontline-of-tunisias-femicide-crisis/?cn-reloaded=1

„We take you inside the El Manara women’s centre in El Kef, where anti-femicide activists are continuing to help victims of violence, despite rising cases and declining funds. […]

A wave of femicides began spreading across Tunisia last autumn, starting in El Kef with the murder of Wafa Sabai, who was burned to death by her husband on October 29th.

Sabai had been awarded a protection order alongside her divorce, but the order was not enforced. […]

Activists say Sabai’s case is emblematic of a gap between the intentions of Law 58 – which dramatically expanded the range of punishable crimes relating to violence against women and, at least in theory, provided financial, social and legal support to victims – and its implementation on the ground. […]

It’s left to feminist groups and women’s associations to carry on the work they say the government isn’t doing.

‘The [women’s] ministry hasn’t taken their role seriously. They have not put in place the necessary measures — there’s no national plan, no coordination and no budget,’ Brini said. […]

Entering El Manara, Brini lowers her voice and quietly introduces her colleagues, who are huddled in their coats to stay warm. Everyone speaks softly inside the centre. This is a place where the only loud voices belong to the women who come seeking help.

Salhea ben Ali started working at the centre as a community educator, leading awareness workshops with women, explaining their rights and how to access services. Now she works full time in the centre d’écoute, or listening centre, where women suffering violence can come to seek help. […]

Brini says the centre has seen a 50% rise in the number of cases since 2019. She suspects the true extent of the problem is much greater. ‘Most of the cases come from the urban district of El Kef. Because there’s no rural transport, it is very difficult for the women in the countryside to come to us.’ […]

Meanwhile, shelters have been closing despite a pledge from the women’s ministry to open one in each of the country’s 24 governorates by 2024.

The Association femme et citoyenneté had begun work on converting a former children’s home into a domestic violence shelter with disabled access, but Brini said work has had to stop while they wait for the ministry to release the funds required.

The women’s ministry did not respond to a request for comment on the status of funding for the El Manara centre, or on the plan to open more centres, before the publication deadline.“ (Les Glorieuses, vermutlich 2023)

MED FemiNiswiya ist ein feministisches Netzwerk, das Journalistinnen aus dem Mittelmeerraum zusammenbringt.

·      MED FemiNiswiya: Meet “Beity”, a safe haven and stepping-stone for women in Tunisia, 24. November 2021
https://medfeminiswiya.net/2021/11/24/meet-beity-a-safe-haven-and-stepping-stone-for-women-in-tunisia/?lang=en

„Beity -my house- is a Tunisian shelter for women victims of violence and precariousness nestled in a tiny alley of the medina, on the edge of the souks and a few meters from downtown Tunis. […]

Wafa Fraous describes the four types of accommodation provded [sic] by Beity:

‘First of all, emergency accommodation particularly concerns women victims of domestic violence and their children. Secondly, the shelter is a transit for immigrant women. Psychological stabilization is provided to young women in psychological distress who need appropriate follow-up. Lastly, socio-economic integration helps women looking for a life project, to whom we provide training aimed at empowering them economically. Welcoming women within the walls of the center can last between a day and more than one year. It indeed takes time to overcome traumas linked to different forms of violence, such as forced marriage, sexual violence, rape, and online harassment and blackmail.’

Women living in the shelter are divorced, single mothers, wives fleeing a violent home, immigrants, poor and homeless women, lesbians rejected by their families, students without resources… All are women with rough life courses.“ (MED FemiNiswiya, 24. November 2021)

·      MED FemiNiswiya: Double Violence: Tunisian Women Are Victims of Their Husbands…and of the Police, Too, 4. September 2023
https://medfeminiswiya.net/2023/09/04/double-violence-tunisian-women-are-victims-of-their-husbandsand-of-the-police-too/?lang=en

„Law No. 58 of 2017 expands the definition of punishable abuse and violence against women, and it was meant to affirm Tunisia’s pioneering stance on women’s rights in the region, guaranteeing legal and financial support for survivors. But in the absence of political will and considering the lack of resources and the rigid mindsets reflected in state institutions—the police and judiciary chief among them—the law is not being fully implemented, and achieving justice for victims remains, to this day, very difficult.

The real shortcoming that stands in the way of providing women with safety lies in the deeply ingrained patriarchal mindset and sediments that members of the security services and the police hold on to, these individuals who are entrusted with the task of enforcing the law and protecting women when they receive complaints of violence. This is illustrated by the experience of Hanan, a victim of domestic violence in Tunisia who spoke to Medfeminiswiya. Hanan is now waging a battle to free herself from the grip of her violent husband. […]

‘My husband is a violent alcoholic who has made my life hell. He assaults me and breaks things around the house every time I express any sort of dissatisfaction with his behavior, how he evades his responsibilities to provide for the children,’ Hanan tells us. ‘It kept getting worse,’ she continues, ‘until one cold winter night he beat me in front of my children and poured a bucket of cold water on me. Then he locked the doors to all the rooms to stop me from going to sleep in any of them. He left me to sleep in the hallway, as punishment.’

About the members at the Security Center, Hanan says, ‘The head of the violence unit asked me to calm down and not make matters worse, to forgive my husband for the sake of the children. He said it was just some light slaps, it’s over now… He said my husband hadn’t hurt me or made me bleed like a lot of the women who go there, and that I had to try to fix things and forget about divorce as that would destroy my family.’ […]

Hanan did not take the security officer’s advice. She clung to her right to pursue her husband legally before he could become more violent and take her life, as is the case for many other women. She filed for divorce and set out on a long and arduous journey to obtain her rights and get her husband convicted for harm and violence.

Hanan describes her first interaction with the judge during a reconciliation hearing. ‘I was very surprised at how the judge downplayed the violence I was subjected to and called on me to be rational and deal with the harm on a superficial level. He even said that the abuse was just an example of normal marital skirmishes.’ […]

In addition, a field study on ‘Pathways to Support Women Victims of Violence,’ published in 2022, revealed that more than half of the interviewed survivors consider that the police and national security services made available within the framework of implementing Organic Law No. 58 relative to the elimination of violence against women are ‘bad and extremely bad.’

This study showed that among the major problems that women face during the process of reporting violence is how remote the specialized teams are and how sporadic their availability. Not to mention that women are subjected to additional harassment by the security agents themselves. […]

One of the ways this discrepancy between legal text and reality is manifested is when the law provides protective methods and means of prevention and protection from domestic violence and has provisions to punish perpetrators and compensate victims, but without providing the necessary infrastructure, listening centers, or shelters. Indeed the state did not allocate a sufficient budget to achieve all this despite the assistance it offered; listening centers are only offered by women’s associations, and victims of violence flock there on a daily basis.“ (MED FemiNiswiya, 4. Septmeber 2023)

Die US Agency for International Development (USAID) ist eine Bundesbehörde der Vereinigten Staaten, die zivile Auslandshilfe bereitstellt, um Armut zu lindern, Gemeinschaften aufzubauen und die Demokratie zu fördern.

·      USAID – US Agency for International Development: Tunisia Gender Analysis: Constraints, Success Stories/Best Practices, Opportunities, and Recommendations, 23. Februar 2022
https://pdf.usaid.gov/pdf_docs/PA00ZB5C.pdf

„5.2. Cultural Norms and Beliefs

KIs [Key Informants] consistently reported that cultural norms and beliefs are the most challenging issues facing women and girls and other vulnerable groups in Tunisia. Many KIs emphasized that the striking contrast between the country’s relatively progressive laws and the daily lived reality of Tunisian women and girls is primarily because of cultural norms and beliefs, including the normalization of GBV [Gender Based Violence].

5.2.1. Constraints

Profoundly Patriarchal Society

Tunisian society remains deeply patriarchal based on social and religious values. The post-revolution rise of Islamism and conservatism has deepened the dichotomy between the law and lived experience. Some analysts suggest that the top-down introduction of women’s rights through reforms in the PSC [Personal Status Code] has led over time to conservative societal counter-currents. Another factor exacerbating patriarchal values is the crisis of masculinity. Men are torn between traditional expectations to provide for the family (also enshrined in the PSC) and the challenging economic and social reality of contemporary life, including the fact that women are well-educated and have increasing potential for economic opportunities and independence. Despite progressive laws, the resulting crisis of masculinity contributes to widespread misogyny, normalization of GBV, anti-equality views, and limits on women’s mobility and opportunities.“ (USAID, 23. Februar 2022, S. 17)

Das US Department of State (USDOS) ist das US-amerikanische Außenministerium.

·      USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, 20. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089227.html

„Violence against women in the country was widespread and systemic. Legal, cultural, and social norms often result in victims failing to report claims and inadequate law enforcement authorities’ responses in cases of violence against women, either refusing to file complaints or, if the perpetrator is a spouse, pressuring the victims to reconcile privately with the offender rather than take legal action. […]

Laws prohibiting domestic violence provide penalties for assault committed by a spouse or family member that are double those of an unrelated individual for the same crime, but enforcement was rare, and domestic violence remained a serious problem. […]

The Ministry of Interior operated 127 specialized units in police stations throughout the country tasked with investigating crimes of violence against women. […]

On October 29, Wafa Essbii’s ex-husband beat her and burned her alive in her home in northwest Tunisia. Their divorce had been finalized days earlier. According to media, Essbii had applied for a protection order, but it was not enforced, an issue that feminist organizations cited as a common failure of the domestic violence law.“ (USDOS, 20. März 2023, Section 6)

Village de la Justice ist eine frei zugängliche Webseite der französischsprachigen Rechtsgemeinschaft, die als Ort für den Austausch aller Personen, die im juristischen Bereich tätig sind, dient.

·      Village de la Justice: Les Droits des Femmes en Tunisie: Un Sombre Tableau de la Situation actuelle, 25. Mai 2023
https://www.village-justice.com/articles/les-droits-des-femmes-tunisie-sombre-tableau-situation-actuelle,46261.html

„Six années se sont écoulées depuis l’adoption de la loi organique n° 2017-58 du 11 août 2017 relative à l’élimination de la violence à l’égard des femmes en Tunisie. Cependant, malgré ces avancées, la mise en œuvre de la loi reste confrontée à des défis majeurs. L’application de la loi reste partielle et de nombreux obstacles entravent sa mise en œuvre effective. […]

L’adoption de la loi 58 contre la violence domestique a été une avancée notable, c’est le fruit d’un long combat contre la violence à l’égard des femmes en Tunisie. Malgré cette loi, onze femmes ont été tuées par leur conjoint depuis janvier 2023, contre quinze sur l’ensemble de l’année 2022. […]

Cependant, les autorités tunisiennes actuelles ont failli et ne se sont pas suffisamment souciées d’allouer les ressources nécessaires pour aider les femmes, y compris celles qui s’occupent d’enfants, à acquérir une indépendance économique vis-à-vis de leurs agresseurs.

Selon Sana Ben Achour, juriste et présidente de l’association Beity, qui soutient les femmes en leur fournissant une assistance juridique, il existe une complicité implicite entre les autorités et les hommes responsables de violences. Les femmes qui cherchent protection sont souvent négligées et leur parole n’est jamais prise au sérieux. Cette réalité est déplorée par la militante qui constate que lorsqu’une femme dépose plainte, on la renvoie chez elle, on cherche à la dissuader ou à jouer les rôles de médiateurs, mais pour les juges ou les policiers, il n’y a pas de sentiment d’urgence. Cette situation révèle un grave problème dans le traitement des affaires de violence contre les femmes et souligne la nécessité d’une prise de conscience et d’une action immédiate pour garantir la sécurité et les droits des femmes en Tunisie.“ (Village de la Justice, 25. Mai 2023)