Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem [a-11232-3 (11234)]

27. März 2020

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland

Es konnten keine Informationen gefunden werden, die sich speziell auf RückkehrerInnen aus dem Ausland beziehen. Dies lässt nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Lage von solchen RückkehrerInnen zu. Gesucht wurde mittels ecoi.net, Refworld, Factiva, und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: returnee, return, Kurdistan, Europe, discrimination, harassment, reintegration, difficulties, restrictions, كردستان, العائدين من أوروبا

 

Im Juli 2019 veröffentlicht die Internationale Organisation für Migration (IOM) die Ergebnisse einer Studie zur Lage von RückkererInnen im Irak, die auf von März bis April 2019 durchgeführten Erhebungen an 1.564 Orten in acht Provinzen basiert. Die Studie habe ergeben, dass zwölf Prozent der untersuchten RückkehrerInnen in gravierenden Umständen („severe conditions“) leben würden, die meisten davon in den Provinzen Salahaddin und Ninawa. In der Provinz Erbil wurden für die Studie 41.070 RückkererInnen an 20 Orten erfasst. Keiner dieser Rückkehrer wurde von IOM in die Kategorie schwere Umstände eingestuft. 6.108 (15 Prozent) der befragten RückkehrerInnen in der Provinz Erbil fallen in die Kategorie mittelschwere Umstände („medium severity“) und die Lebensumstände von 34.962 RückkehrerInnen (85 Prozent) werden als geringfügig schwer („low severity“) eingestuft. (IOM, Juli 2019, S. 3)

Verfügbarkeit von Wohnraum, Kosten

Die von einem in Serbien ansässigen Softwareentwickler betriebene Website Numbeo gibt mithilfe von nutzergenerierten Daten die Durchschnittspreise für Konsumgüter, Wohnkosten und weitere Lebenskosten in ausgewählten Städten an. Nutzer, die über Informationen zum Preisniveau verschiedener Güter in einer bestimmten Stadt verfügen, können diese auf Numbeo eintragen. Aus den verschiedenen Preisangaben der Nutzer werden dann Durchschnittspreise für die einzelnen Güter angegeben. Solche Preisprofile existieren auch für die in der Region Kurdistan gelegenen Städte Erbil und Sulaimaniya.

 

Was die Angaben zu Erbil anlangt, so wird auf der Seite erklärt, dass die Angaben mit dem Stand März 2020 von 709 Nutzereinträgen stammen würden und innerhalb der letzten 18 Monate erfolgt seien. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Daten genau wann eingegeben wurden, und aus wie vielen einzelnen Beiträgen die angegebenen Durchschnittspreise errechnet wurden. Die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung im Zentrum von Erbil wird mit dem Durchschnittspreis von 381 Euro angegeben (Preisspektrum: 275–550 Euro), für die Miete einer Einzimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 240 Euro (Preisspektrum: 183–306 Euro) errechnet. Weiters finden sich auch Angaben zu einer Dreizimmerwohnung. (Numbeo, Stand: März 2020)

 

Zum Preisprofil für die Stadt Sulaimaniya haben nach Angaben von Numbeo 41 Nutzer mit dem Stand Februar 2020 in den vorangegangenen 18 Monaten 549 Einträge beigetragen. Hier ist ebenfalls nicht ersichtlich, welche Daten genau wann eingegeben wurden, und aus wie vielen einzelnen Beiträgen die angegebenen Durchschnittspreise errechnet wurden. Für die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung im Zentrum von Sulaimaniya wird ein Durchschnittspreis von 256 Euro angegeben (Preisspektrum: 185-370 Euro), für die Miete einer Einzimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 197 Euro (Preisspektrum: 139-370 Euro) errechnet. Weiters finden sich auch Angaben zu einer Dreizimmerwohnung. (Numbeo, Stand: Februar 2020)

Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen, allgemeine Informationen zum Arbeitsmarkt

Das in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) ansässige kurdische Mediennetzwerk Rudaw berichtet im Mai 2019, dass in letzter Zeit vermehrt Arbeiter aus dem Ausland nach Kurdistan gekommen seien, allen voran Iraner, die unter den US-Sanktionen gegen den Iran leiden würden. Kurdische Arbeiter würden diesen eingereisten Arbeitern zunehmend feindlich gegenüberstehen, da man sie für den empfundenen Mangel an Arbeitsmöglichkeiten verantwortlich mache. Lokale Arbeiter hätten oft das Gefühl, das regionale Firmen bevorzugt ausländische Arbeiter anstellen würden. Oft sei ei es jedoch so, dass ausländische Arbeiter für die Berufe angestellt würden, für die man nur schwer Arbeitnehmer finde. Laut dem Statistikamt der Region Kurdistan habe die Arbeitslosenrate bei Veröffentlichung des Artikels 10,7 Prozent betragen. Die kurdische Regionalregierung arbeite laut Arif Hito, dem Generaldirektor für Arbeit am Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten, auf drei Arten mit dem Privatsektor zusammen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Zum einen gebe es sechs Jobcenter in ganz Kurdistan, bei denen sich Arbeitslose registrieren könnten. Sie würden kontaktiert, wenn man Arbeit für sie gefunden habe. Zweitens gebe es mobile Teams, die sich in Koordination mit ausländischen Organisationen in den ländlichen Gegenden bewegen und Personen registrieren würden. Drittens gebe es, so Hito, Berufsausbildungszentren, in denen junge Leute ausgebildet und Kredite für kleine Projekte vergeben würden. Es hätten bereits 8.136 Personen von solchen Krediten für kleine Geschäftsprojekte profitiert. Sie hätten sechs Jahre, um den Kredit zurückzuzahlen, und die meisten hätten ihren Kredit bereits zurückgezahlt. Die Arbeitslosigkeit sei speziell unter jungen Menschen hoch und liege in der Altersgruppe von 15 bis 34 Jahren laut Erhebungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus dem Jahr 2018 bei 25,2 Prozent:

„The Kurdistan Region has recently seen an increase in the arrival of foreign workers, with Iranians hard hit by US sanctions making up the largest contingent. […]

Foreign workers are also facing increased xenophobic hostility, as Kurdish workers cite the presence of foreign workers as a reason behind a perceived lack of job opportunities. Local workers often feel left at the wayside when local companies recruit foreign workers instead, but foreign workers are often employed for job roles that are otherwise difficult to fill. The unemployment rate in the Kurdistan Region was 6.5 percent prior to the war with the Islamic State (ISIS). The rate rose to 13.5 percent in 2015, but declined to 10.2 percent at the end of 2017. The figure currently stands at 10.7 percent, according to figures from Kurdistan Region Statistics Office (KRSO).

The Kurdistan Regional Government (KRG) has worked with the private sector to create job opportunities in the Kurdistan Region in three different ways. ‘First, finding job opportunities – we have six job centers where the unemployed can register. They will be contacted when an employment opportunity is found for them,‘ Arif Hito, general manager of labor at the Ministry of Labor and Social Affairs, told Rudaw on Saturday. They have a presence in all four provinces of the Kurdistan Region. ‘In addition to the cities of Erbil, Sulaimani, Duhok and Halabja, we have mobile teams working in remote places in coordination with foreign organizations. In January 2019, we started to register names via two buses which go to different places,‘ he added. Half of the Kurdistan Region’s population is under the age of 32, according to the KRSO. Underemployment and unemployment rates are particularly high for young people in the Kurdistan Region, with an unemployment rate among those aged 15-34 of 25.2% according to a July 2018 UN Migration Agency demographic survey of the Kurdistan Region. ‘We have professional training centers where we teach professions to the youth and also give loans to small projects. So far, 8,136 people have benefitted from small loans. We have given nearly 76 billion dinars ($63.7 million) in small loans to the youth in order to pursue small ventures. They have six years to pay back the loan and most of the loans have been repaid by now.‘” (Rudaw, 12. Mai 2019)

Rudaw berichtet in einem weiteren Artikel vom Juli 2019, dass UniversitätsabsolventInnen aufgrund von jahrelanger Arbeitslosigkeit in Erbil demonstriert und von der Regierung gefordert hätten, aktiv zu werden. Die Arbeitslosenrate in der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren stehe laut Angaben des Statistikamts der Region Kurdistan vom Juni 2019 bei 23,9 Prozent. Obwohl man leichte Anzeichen der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage erkennen könne, sei das Arbeitsumfeld negativ durch die Kultur der „Wasta“ beeinflusst, der Nutzung von Familienverbindungen, um Arbeit zu erhalten. Diejenigen, die über keine solche „Wasta“ verfügen würden, könnten unabhängig ihrer Qualifikationen bei Einstellungen übergangen werden:

„Fed up by the wasted years spent out of work, some of the Kurdistan Region’s top university graduates took to the streets of Erbil on Monday to demand the new government take action. […]

The unemployment rate among 15 to 24 year olds in the Kurdistan Region stands at 23.9 percent, according to a report published by the Kurdistan Region Statistics Office on June 30. […]

Although green shoots of recovery are beginning to show, the jobs environment is made worse by a pervasive culture of wasta – the use of family ties to secure work. No matter their grades, those without connections can be overlooked.” (Rudaw, 15. Juli 2019)

Qantara, das vom deutschen Außenministerium finanzierte Internetportal der Deutschen Welle mit Informationen zur Islamischen Welt, berichtet im Juni 2019 ebenfalls über die wirtschaftliche Lage in der ARK und bringt das Beispiel eines ehemaligen Politikstudenten an der Universität in Sulaimmaniya, der nun als Taxifahrer arbeite. Er habe drei Kinder, die Wohnungsmiete betrage 250 Euro und seine Frau, die als Volksschullehrerin arbeite, habe seit mehreren Jahren nicht ihren vollen Lohn ausbezahlt bekommen. Für ihn sei die Arbeit ein täglicher Kampf um das finanzielle Überleben. Wie viele andere KurdInnen im Nordirak sei er der Meinung, dass offizielle Amtsträger und Parteien korrupt seien und den „größten Anteil des Kuchens“ für sich beanspruchen würden. Ein weiteres Beispiel für die schwere Lage in Kurdistan, so Qantara, sei ein Lehrer in Sulaimaniya, der 2009 seinen Universitätsabschluss erhalten habe und bis 2014 habe warten müssen, um eine Arbeitsstelle zu erhalten. Er sei unverheiratet, lebe bei seinen Eltern und sehe bis dato keine Möglichkeit, seine eigene Zukunft zu gestalten. Sein ursprüngliches Einkommen von 500 Euro sei wegen des von der Regierung implementierten Einsparungskurses auf 280 Euro reduziert worden und werde nicht regelmäßig ausbezahlt. Manchmal erhalte er seinen Lohn Monate später. Es sei häufig der Fall, dass Angestellte bestimmter Ministerien zuerst bezahlt würden, andere Ministerien würden später an die Reihe kommen.

Jede Nachricht in Bezug auf Regierungsumstrukturierungen oder die Öffnung oder Schließung von Flughäfen oder Grenzen wirke sich unmittelbar auf das Preisniveau aus. Häufig würden sogar Gerüchte innerhalb der Gesellschaft ausreichen, um enorme Preisschwankungen bei Grundstücken und alltäglichen Einkaufswaren für mehrere Wochen oder Monate auszulösen:

„A former student of politics at the University of Sulaymaniyah, who now ekes out a living as a taxi driver, is as pessimistic about the tense economic and political situation in the Kurdistan region as you might expect. […]

The graduate taxi-driver has three children; the rent on his flat is around 250 Euros, and his wife, who works as a primary school teacher, has not received her full salary for several years. For him, work is a daily struggle for financial survival. He has to raise the missing money to support himself and his family. And as a result he – like many other Kurds in northern Iraq – believes that the officials and parties are corrupt and take 'the biggest piece of the pie‘ for themselves. He has just as little faith in the independence of the justice system. […]

Another example of the enduring misery in the region is provided by a teacher from Sulaymaniyah, who finished university in 2009 and had to wait until 2014 to get a job. He is still unmarried and lives with his parents: so far, he doesnʹt see any opportunity to build a future for himself. His original income of around 500 euros has been reduced to 280 through the state-ordered saving system, and is not paid out regularly, either. Sometimes his salary arrives several months late. It often happens that people who work for certain ministries are paid first, and other ministries only follow later. […]

Every piece of news regarding upcoming government reshuffles and the opening or closing of airports or borders has an immediate effect on prices. Often, even rumours among the population are enough to trigger extreme swings in property prices, and the cost of everyday grocery items, over a few weeks or months.“ (Qantara, 3. Juni 2019)

Der in Doha ansässige arabische Nachrichtensender Al Jazeera erwähnt in einem Artikel vom November 2019, dass die Arbeitslosenrate für junge Menschen in der Region Kurdistan offiziell bei über 20 Prozent liege:

„Some said that in the Kurdish region, they face similar problems to those that have driven the protests in the south, including corruption and a lack of job prospects for young people. Youth unemployment is officially over 20 percent in the region and 25 percent nationwide.” (Al Jazeera, 11. November 2019)

Sozialsystem, Unterstützungsprogramme für RückkehrerInnen

Es konnten keine aktuellen Informationen zu dieser Fragestellung gefunden werden. Ältere Informationen finden sich in folgender ACCORD-Anfragebeantwortung vom Februar 2019:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für RückkehrerInnen aus Europa [a-10882-3 (10884)], 21. Februar 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/1458101.html

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 27. März 2020)

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für RückkehrerInnen aus Europa [a-10882-3 (10884)], 21. Februar 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/1458101.html

·      Al Jazeera: Why are Iraqi Kurds not taking part in protests?, 11. November 2019
https://www.aljazeera.com/news/2019/11/iraqi-kurds-part-protests-191111125744569.html

·      IOM – International Organization for Migration: IOM Iraq DTM Return Index: Findings Round Four - Iraq, 29. Juli 2019 (veröffentlicht auf Reliefweb)
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iom_dtm_returnindex-round4-julyl2019.pdf

·      Numbeo: Cost of Living in Erbil, Stand: März 2020
https://www.numbeo.com/cost-of-living/in/Erbil-Irbil-Iraq?displayCurrency=EUR

·      Numbeo: Cost of Living in Sulaymaniyah, Stand: Februar 2020
https://www.numbeo.com/cost-of-living/in/As-Sulaymaniyah?displayCurrency=EUR

·      Qantara: What next for Iraqʹs Kurds?, 3. Juni 2019
https://en.qantara.de/content/the-uncertain-future-of-kurdish-autonomy-what-next-for-iraq%CA%B9s-kurds?nopaging=1

·      Rudaw: Facing lack of opportunity at home, foreign workers seek jobs in Kurdistan, 12. Mai 2019
https://www.rudaw.net/english/kurdistan/12052019

·      Rudaw: Jobless graduates demand public sector opportunities, 15. Juli 2019
https://www.rudaw.net/english/lifestyle/15072019