Anfragebeantwortung zum Irak: Lage für sunnitische Araber in Diyala: Übergriffe durch schiitische Milizen, allgemeine Sicherheitslage; Versorgungslage für RückkehrerInnen nach Diyala [a-11173-1]

[Diese Anfragebeantwortung wurde für die Veröffentlichung abgeändert]

22. Jänner 2020

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Übergriffe durch schiitische Milizen in Diyala

Im von ACCORD veröffentlichten ecoi.net-Themendossier zu schiitischen Milizen im Irak, zuletzt aktualisiert am 11. Dezember 2019, werden zur Situation in Diyala unter Verweis auf verschiedene Quellen folgende Angaben gemacht:

„Laut den gefundenen Quellen ist insbesondere die Badr-Miliz stark in der Provinz vertreten, übernimmt nicht nur Sicherheitsaufgaben, sondern greift auch in die Verwaltung sowie wirtschaftliche Vorgänge ein:

Laut dem EASO-Bericht sind PMF-Milizen [PMF: Popular Mobilization Forces] in der Provinz Diyala besonders präsent. Die Badr-Organisation hat die Kontrolle über den Provinzrat übernommen und gilt als der primäre Sicherheitsakteur (EASO, März 2019, S. 88).

Nachdem die Badr-Organisation im Jahr 2014 die Expansion der Gruppe IS [Islamischer Staat] in die Provinz Diyala aufhielt, wurde sie für den Erhalt der Sicherheit in der Provinz verantwortlich gemacht. Die Miliz mit ihrem Anführer Hadi Al-Amiri ist immer noch die dominierende Kraft in Diyala. Von insgesamt 16 Badr-Brigaden, die als Teil der PMF operieren, sind sieben in Diyala stationiert (Landinfo, 8. Jänner 2019, S. 9).

Al Araby Al Jadeed, berichtet im April 2018, dass die in Muqdadiya in der Provinz Diyala präsenten Milizen, allen voran die Badr-Miliz und Asa’ib Ahl al-Haqq, das alltägliche Leben in der Stadt, die Märkte, die Verwaltung und die Checkpoints am Eingang der Stadt kontrollieren. Sie seien laut Angaben der Zeitung auch in den Handel mit Drogen verwickelt, die aus dem nahegelegenen Iran importiert würden (Al Araby Al Jadeed, 25. April 2018).

Laut Radio Nawa hat im Juni 2018 das Elektrizitätsministerium einen Amtsträger der Badr-Organisation beschuldigt, eine Gruppe von Personen dazu aufgestachelt zu haben, ein Kraftwerk bei Muqdadiya zu stürmen, was zur Unterbrechung der Stromversorgung geführt habe (Radio Nawa, 24. Juni 2018). […]

Die Website Yaqein berichtet im Dezember 2018 von Demonstrationen Dutzender Einwohner des Distrikts Al-Muqdadiya gegen Verstöße und Einmischungen der Milizen der PMF. Am Tag zuvor hätten PMF-Kämpfer die Häuser von Mitgliedern des Distriktrates angegriffen. Bei dem Konflikt zwischen lokalen Politikern und den PMF gehe es um die Ernennung für den Posten des Distriktvorstandes (Yaqein, 15. Dezember 2018). […]

Ein hochrangiges Mitglied der kurdischen Peschmerga wirft im Mai 2019 Mitgliedern der PMF in der Provinz Diyala vor, die Region gezielt zu ‚arabisieren‘, indem Häuser von KurdInnen durchsucht, Felder kurdischer Bauern verbrannt sowie Bomben gelegt werden. Es werden Asa’ib Ahl al-Haqq, die Badr-Organisation und Hisbollah Al-Nudschaba als Milizen genannt, die außerhalb jeglicher staatlicher Kontrolle agieren. Der Bürgermeister von Khanaqin beschwert sich ebenfalls über das In-Brand-Setzen von Feldern, ohne jedoch Verantwortliche zu nennen (Rudaw, 25. Mai 2019).“ (ACCORD, 11. Dezember 2019)

Im Zuge der Recherche konnten für Diyala seit Jänner 2019 keine Informationen zu gewalttätigen Übergriffen schiitischer Milizen auf die Zivilbevölkerung gefunden werden.

 

In einem im Jänner 2019 veröffentlichten Bericht zur Sicherheitslage in Baqubah, der Hauptstadt von Diyala, mit Stand November 2018, schreibt das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo zum Fehlen aktueller Berichte zu Übergriffen der Volksmobilisierungseinheiten auf die sunnitische Bevölkerung, dass dies ein Zeichen dafür sei, dass die Volksmobilisierungseinheiten und andere Ordnungskräfte die Stadt selbst fest unter ihrer Kontrolle hätten. Dennoch würden die ländlichen Gebiete in der Nähe der Stadt zu den anfälligsten für IS-Angriffe zählen, was wahrscheinlich bedeute, dass die irakischen Sicherheitskräfte und Volksmobilisierungseinheiten in diesen Gebieten nach IS-Anhängern suchen würden, wovon häufig nicht nur sunnitische AraberInnen betroffen seien. Da die Badr-Organisation eine derart starke Präsenz und Kontrolle in Diyala habe, könne man vermuten, dass die Presse sich stark selbst zensiere, wenn sie über das Vorgehen der Volksmobilisierungseinheiten in der Provinz berichte. Basnews habe im April 2018 die Stellungnahme eines politischen Führers aus dem Distrikt Kifri wiedergegeben, dem zufolge die Volksmobilisierungseinheiten kurdische und arabische ZivilistInnen angreifen würden. Laut dem Politiker würden die Volksmobilisierungseinheiten auf die Häuser von ZivilistInnen schießen und sie bedrohen, damit sie die Dörfer räumen würden, weil sie anderenfalls getötet würden. Der Politiker, der die Demokratische Partei Kurdistans repräsentiere, habe angenommen, die Volksmobilisierungseinheiten hätten ein Interesse daran gehabt vor den Wahlen vom Mai 2018 sunnitische Kurden und Araber, die in dieser Gegend leben würden, aus dem Gebiet zu entfernen. Landinfo verweist auch auf ältere Informationen des USDOS-Jahresberichtes zur Religionsfreiheit für das Jahr 2017, in dem von Vertreibungen von mutmaßlichen IS-Sympathisanten durch irakische Streitkräfte und Milizen, sowie von Entführungen von SunnitInnen, Übergriffen auf diese und der Verweigerung deren Rückkehr vonseiten der PMF-Miliz Kata’ib Hizballah berichtet wird. Im November 2018 habe die Quelle Kirkuk Now allerdings berichtet, dass sich immer mehr Familien in Diyala offiziell von nahen Verwandten, die IS-Mitglieder seien, distanzieren würden. Auf langfristige Sicht könne diese Entwicklung das Verhältnis zwischen der sunnitischen lokalen Bevölkerung und den Sicherheitskräften verbessern:

„Landinfo finner ingen ny rapportering om forholdene for sunnimuslimer i Baquba som tilsier at de utsettes for overgrep fra PMU. Det kan skyldes flere forhold, men først og fremst så kan det være et tegn på at PMU og annen ordensmakt har god kontroll på situasjonen i selve byen. Likevel er det slik at rurale områder nær byen er blant de mest utsatte for ISIS-angrep, og det betyr antakelig at ISF og PMU-ene leter etter ISIS-støttespillere i disse områdene. Det går gjerne utover arabiske sunnimuslimer.

Da Badr har såpass omfattende tilstedeværelse og kontroll i Diyala, kan det være grunn til å tro at pressen utøver stor grad av selvsensur når den rapporterer om PMU-enes handlingsmønster i provinsen. Basnews (som gjengitt i Daesh Daily6 2018) skal likevel i april 2018 ha publisert en uttalelse fra en politisk leder i underdistriktet Qara Tapa i Kifri-distriktet, der han hevder at PMU-ene angriper sivile kurdere og arabere. Ifølge politikeren, som representerer KDP, skyter PMU-ene på sivile hus og truer befolkningen til å evakuere landsbyen med mindre de vil bli drept. Politikeren antok at PMU-ene hadde interesse av å fjerne kurdere og arabere, som i dette området er sunnier, fra stedet før parlamentsvalget i mai.

Også det amerikanske utenriksdepartementet (U.S. Department of State 2018) hevder at irakiske styrker og militser innen PMU har tvunget antatte ISIS-sympatisører fra sine hjem i flere av Iraks provinser. Dette fremkommer i religionsfrihetsrapporten som dekker 2017. Rapporten sier videre at Kata’ib Hizballah har stått bak kidnappinger og andre overgrep mot sunnimuslimske arabere i Diyala. Militsen skal også ha nektet sunnimuslimske arabere å returnere til sine hjemsteder.

I november 2018 melder imidlertid Kirkuk Now (2018c) at flere og flere familier i Diyala nå tar offisielt avstand fra sine nære slektninger i ISIS. Det kan på sikt føre til et bedret forhold mellom den sunnimuslimske lokalbefolkningen og sikkerhetsstyrkene.” (Landinfo, 8. Jänner 2019, S. 18-19)

Allgemeine Sicherheitslage in Diyala

ACCORD hat am 10. April 2019 eine detaillierte Zusammenstellung von Informationen zur allgemeinen Sicherheitslage in Diyala veröffentlicht, die unter folgendem Link abgerufen werden kann:

 

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Diyala: Sicherheitslage, Zugang, Niederlassungsmöglichkeit [a-10951-1], 10. April 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2006552.html

 

Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) ist eine Non-Profit-Organisation, die sich dem Sammeln, Analysieren und Kartieren von sicherheitsrelevanten Vorfällen widmet. In einer von ACCORD zusammengestellten Kurzübersicht zu von ACLED dokumentierten Vorfällen im Irak im ersten Halbjahr 2019 finden sich für Diyala 179 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 223 Todesopfern:

„In Diyala wurden 179 Vorfälle mit 223 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Abu Karmah, Abu Saida, Adhaim, Al Abbarah, Al Anbakiyah, Al Azim, Al Hadd al Akhdar, Al Hafayir, Al Husseiniya, Al Jadidah, Al Wajihiyah, Al-Muqdadiya, Al-Zoor, An Nada, An Nawayyr, As Saadiyah, Ayn Laylah, Balad Ruz, Baquba, Buhriz, Dur al Waqf, Habhab, Hamrin Mountains - Diyala, Hawi, Imam Ways, Jalawla, Khalawi, Khan Bani Saad, Khanaqin, Kifri, Lake Hamrin, Mandali, Naft Khanah, Nahiyat Kanan, Qara Tepe, Qarah Tabah, Qaryat Sansal, Qaryat al Mukhaysah, Qaryat an Naqib, Qaryat a Sadah, Qaryat ash Shaykhi, Shafiq Aziz Agha, Shayrak, Ulyawat Shakir.“ (ACCORD, 19. Dezember 2019, S. 5)

Im Zuge der Recherche zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Diyala seit Jänner 2019 wurden folgende Berichte zu Angriffen und Informationen zur Rückkehr des IS in der Region gefunden:

Al Arab (The Arab Weekly, AW), eine in London herausgegebene Zeitung, berichtet, dass am 7. September ein Scharfschütze einen Geheimdienstmitarbeiter erschossen habe und ein Zivilist in seinem Auto von einer Bombe getötet worden sei. (AW, 14. September 2019)

Am 10. Oktober seien laut der chinesischen staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua in Diyala fünf Menschen bei einem Schuss- und Bombenanschlag von Aktivisten des IS getötet und sieben weitere verletzt worden. (Xinhua Net, 10. Oktober 2019)

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Agency berichtet am 24. Oktober, dass der IS im Verdacht stehe, sechs Iraker getötet zu haben, darunter drei Regierungsbeamte, die von unbekannten bewaffneten Männern bei anderen Schießereien in der Provinz Diyala erschossen worden seien. (Anadolu Agency, 24. Oktober 2019)

Am 30. November berichtete das kurdische Mediennetzwerk Rudaw, dass Überreste des IS kurdische Sicherheitskräfte (Asayesh) im Unterbezirk Kolajo in Diyala, in der Nähe der iranischen Grenze, angegriffen hätten und einen Kommandeur und zwei seiner Mitglieder getötet hätten. (Rudaw, 30. November 2019)

Laut dem irakischen Mediennetzwerk Shafaaq News habe die Kommission der PMF angegeben, dass Ende November bzw. Anfang Dezember heftige Kämpfe zwischen PMF und IS im Gebiet von Imam Wes in Diyala stattgefunden hätten. (Shafaaq News, 2. Dezember 2019)

Kurdistan24, ein in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) ansässiger Nachrichtensender, berichtet am 16. Dezember unter Verweis auf Quellen aus dem irakischen Sicherheitsapparat vom Tod von fünf Soldaten und weiteren fünf Verletzten durch IS-Angriffe auf zwei verschiedene irakische Militärstützpunkte im Nordosten der Provinz Diyala. (Kurdistan24, 16. Dezember 2019)

Abdul Khaliq Al-Azzawi, Mitglied des Verteidigungsausschusses im irakischen Parlament und arabisch-sunnitischer Führer aus Diyala habe in einem Interview mit dem Iraqi Center for Policy Analysis and Research (ICPAR), einem gemeinnützigen und unabhängigen Forschungszentrum, das politische Analysen und Forschungen zum Irak durchführt, am 30. März 2019 erklärt, dass Diyala immer noch nicht frei von Aufständischen des IS sei. Er habe weiters erklärt, dass er die IS-Kämpfer nicht als die einzige Quelle der Instabilität in Diyala sehen würde. Es gebe einige organisierte kriminelle Mafiabanden, die mehr Menschen als der IS verletzen würden. Sie würden Menschen töten und entführen und hätten aus kriminellen und konfessionellen Gründen Dörfer beschossen:

“In 2016, it was announced that Diyala was free from Daish [Islamic State in Iraq and Syria, ISIS], but actually the governorate is still not free of Daish insurgents. You know Diyala borders the unstable areas of Salahadin, and it is affected by it. It also borders Baghdad and Iran, so we are always expecting militants to target it due to its strategic location. It is quite a sensitive situation for everyone. (...)

DN: Do you see ISIS militants as the only source of instability in Diyala?

AA: Honestly, no: there are some organized criminal mafias who hurt people more than Daish. They kill and kidnap people and have mortared villages for criminal and sectarian reasons.“ (ICPAR, 30. März 2019)

Im April 2018 veröffentlichten Sanad for Peacebuilding, eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die 2013 mit Unterstützung des United States Institute of Peace (USIP) gegründet wurde, und Social Inquiry, eine im Irak ansässige gemeinnützige Forschungseinrichtung, mit Unterstützung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) eine Bewertung des Konfliktpotentials und sozialer Dynamiken in der Region Diyala, insbesondere für Khalis, Muqdadiya, Kifri und Baladrooz. Darin finden sich Informationen zum subjektiven Sicherheitsgefühl der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Diyala, insbesondere von Khalis. 64 Prozent der im Rahmen der Studie befragten sunnitischen Araber (laut Bericht seien 333 Interviews in Khalis durchgeführt worden, wobei 11 Prozent der Befragten aus Khalis sunnitische Araber gewesen seien) würden sich unwohl fühlen, wenn sie sich im Zentrum von Khalis bewegen würden, verglichen mit nur 20 Prozent der befragten schiitischen Araber. Sunnitisch-arabische TeilnehmerInnen der Fokusgruppen im Unterbezirk Hibhib hätten ebenfalls über Unbehagen bei der Anreise ins Zentrum aufgrund von Belästigungen an Kontrollpunkten und anhaltenden Bedenken in Bezug auf Entführungen und Angriffe im gesamten Gebiet berichtet:

“• Stark differences were found across components with regards to feelings of general day to day safety, with 64% of Sunni Arab respondents feeling uncomfortable moving around Khalis Center compared to only 20% of Shia Arab respondents.

• Sunni Arab participants in the focus groups in Hibhib subdistrict also reported discomfort in travelling to the center due to harassment at checkpoints and continued concerns related to kidnappings and attacks across the territory.“ (Sanad for Peacebuilding/Social Inquiry, April 2018, S. 8)

Generelle Versorgungslage in Diyala

Im November 2019 berichtet das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA), dass sich die schwerwiegendsten und kritischsten Probleme im Zusammenhang mit den Lebensbedingungen im Irak in den Regionen Anbar, Ninewa, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk befinden würden:

 [Tabelle entfernt] (UN OCHA, November 2019, S. 9)

 

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) zeigt in ihrem Integrated Location Assessment (Teil 3), das den Zeitraum März bis Mai 2018 abdeckt, auf, dass in Diyala 38 Prozent der RückkehrerInnen Gesundheitseinrichtungen als zu klein oder überfüllt oder deren Anzahl als zu gering ansehen und 54 Prozent die Besuche, Behandlungen und Medikamente als zu teuer einstufen würden:

[Grafik entfernt] (IOM, 2. Jänner 2019, S. 38)

 

Es geht aus dem Bericht nicht hervor, wie viele RückkehrerInnen direkt befragt wurden, doch gibt IOM an, dass dort, wo ein Zugang möglich war, die jeweiligen Orte besucht und von den RARTs (Rapid Assessment and Response Teams) von IOM durch Interviews mit mehreren Schlüsselinformanten (einschließlich MitgliederInnen der IDP- und Rückkehrer-Community) und durch direkte Beobachtung bewertet worden seien. (IOM, 2. Jänner 2019, S. 8)

 

Zur Ernährungssicherheit gibt IOM an, dass für 78 Prozent der RückkehrerInnen ihre Nahrungsmittelquellen als zuverlässig einzustufen seien, für 28 Prozent ausreichend und 54 Prozent würden Essen als zu teuer einstufen:

 

[Grafik entfernt] (IOM, 2. Jänner 2019, S. 41)

 

Im Oktober und November 2018 veröffentlicht REACH in Zusammenarbeit mit RWG (Returns Working Group) Iraq eine Übersicht über rückkehrrelevante Gebiete (Rapid Overview of Areas of Return, ROAR) in Diyala, genauer gesagt zur Stadt Muqdadiya und Dörfern im Norden der Stadt sowie zu Dörfern südlich der Stadt Baqubah, um über den Wiederaufbauprozess zu informieren und dauerhafte und sichere Rückkehr zu unterstützen. REACH sammelte dazu zwischen 10. und 15. Oktober 2018 Daten von 23 männlichen und zwei weiblichen InformantInnen aus der Stadt Muqdadiya und Dörfern nördlich der Stadt, sowie Daten von 22 männlichen und zwei weiblichen InformantInnen aus Abu Khamis und zwölf weiteren InformantInnen von den umliegenden Dörfern zwischen 30. Oktober und 5. November 2018. (REACH, October 2018, S. 2; REACH, November 2018, S. 2)

Betreffend die Situation in der Stadt Muqdadiya und den Dörfern im Norden der Stadt sei von der Mehrheit der SchlüsselinformantInnen aus den Bereichen RückkehrerInnen und GemeindeleiterInnen angegeben worden, dass die Region über sehr wenige Möglichkeiten verfüge, einen Lebensunterhalt zu verdienen. Einer der Schlüsselinformanten habe angegeben, dass die Mehrheit der Haushalte über kein ausreichendes Einkommen verfüge:

„The majority of returnee and community leader KIs [key informant] indicated that there are very few livelihood opportunities in the area, albeit a bit more in the city than in the villages around. A KI with specialist knowledge of livelihoods (livelihoods KI) stated that the majority of households do not have sufficient income.“ (REACH, Oktober 2018, S. 5)

Alle befragten GemeindeleiterInnen der Stadt Muqdadiya hätten angegeben, dass alle in der Gemeinde Zugang zu Strom hätten. Dasselbe sei von fünf SchlüsselinformantInnen aus den Dörfern nördlich der Stadt berichtet worden. GemeindeleiterInnen der Stadt Muqdadiya hätten angegeben, dass sie zwischen 12 und 20 Stunden pro Tag Strom aus dem öffentlichen Netz hätten, während es in manchen Dörfern nur drei bis vier Stunden Strom pro Tag aus dem öffentlichen Netz gebe, und in anderen wiederum 24 Stunden pro Tag. Alle Befragten hätten angegeben, im Fall von Ausfällen des öffentlichen Netzes Zugang zu Gemeinschafts-Generatoren zu haben. Die einzige gemeldete Barriere für den Zugang zu Generatoren seien die Kosten gewesen, von denen die Mehrheit der Interviewten angegeben habe, dass sie 10.000 Irakische Dinar pro Ampere betragen habe:

„Community leaders from Muqdadiya city and from the villages all reported that everyone in their community had some access to electricity. The same was reported by four returnee KIs to the villages north of Muqdadiya city and a KI with expert knowledge on electricity (electricity KI). (...)

Community leader KIs from Muqdadiya city reported having 12 to 20 hours of public grid. electricity per day, while residents in the villages were reported to have widely differing access times, ranging from 3 to 4 hours per day (Al Bayat village) to 24 hours per day (Shaqraq and Al Aali villages). (...)

All KIs reported having access to community generators whenever the public grid was not available. The only reported barrier to accessing community generators was the cost, which the majority of KIs reported to be 10,000 IQD per ampere.“ (REACH, Oktober 2018, S. 5-6)

Zum Wasserleitungssystem habe es laut REACH unterschiedliche Meinungen vonseiten der Befragten gegeben, denen zufolge das System in der Stadt Muqdadiya funktioniere, bzw. zwischen zwei und 24 Stunden pro Tag funktioniere. Das Wasser sei laut einigen der Befragten jedoch nicht trinkbar. Das Wasserleitungssystem im Dorf Shaqraq sei laut einigen der Befragten funktionstüchtig, allerdings sei das Wasser nicht immer trinkbar. Berichten zufolge seien manche Dörfer an das Wasserleitungssystem angeschlossen, andere nicht:

„• According to a KI with specialist knowledge on water provision (water KI), the piped water network in Muqdadiya city was functional. This KI also reported that the water was available 24 hours per day and that it was clean enough to drink. However, three community leader KIs from Muqdadiya city reported that the water was not adequate for drinking, and that it caused kidney diseases and diarrhoea among the population. These KIs indicated that there was no damage to the water infrastructure but that there were not enough funds to adequately operate the water treatment plant (WTP). As a result, people were reportedly resorting to filtering water at home or using chlorine tablets.

• Water was reported to be available between two and five hours per day in the city, mostly at night. About 150 households in the Al-Jihad neighbourhood of Muqdadiya city were reportedly not connected to the network.

• KIs stated that the piped water network in Shaqraq village was functional, but the water from the network was not always suitable for drinking. Residents in Al Bayat and Al Aali villages were reportedly not at all connected to the water network, while in Sunsil only some households had access but the pressure was inadequate. In those villages, residents reportedly use wells to access drinking water. The municipality reportedly tried to reach these villages with water trucks but was not always successful due to a lack of trucks and insecurity north of the city. As such, many villages were said to rely on water from wells or the river.“ (REACH, Oktober 2018, S. 7)

Ein Müllentsorgungssytem würde laut Schlüsselinformanten nicht existieren, beziehungsweise sei dieses mangelhaft:

„• All five community leader KIs from Muqdadiya city indicated the lack of a system to dispose of wastewater in the city. They reported that such a system had never been constructed in the city and was currently their most urgent need. On the other hand, solid waste was said to be collected one to two times per week and either from all streets in their neighbourhood or only from the main roads. However, two KIs reported that residents of their neighbourhoods still disposed of waste themselves by dumping or burning it because the municipal collection system was not sufficient.

• No municipal waste collection system reportedly existed in the assessed villages. Residents reportedly collected their trash themselves and either dumped it outside of the village or burned it.“ (REACH, Oktober 2018, S. 7)

Die Angaben von REACH zur Situation der Dörfer südlich der Stadt Baquba deckten sich weitgehend mit den obigen Angaben zu den Dörfern nördlich von Muqdadiya. (REACH, November 2018, S. 5-7)

 

Im oben bereits angeführten Bericht von Sanad for Peacebuilding und Social Inquiry vom April 2018 finden sich folgende Informationen zu den Städten Khalis, Muqdadiya, Kifri und Baladrooz. In den fünf Städten seien 1.217 Einzelumfragen mit Ortsansässigen und 229 weitere mit Binnenvertriebenen zwischen Dezember 2017 und Januar 2018 durchgeführt worden. Weiters habe es Treffen von 24 Fokusgruppen im Februar 2018 mit insgesamt 140 TeilnehmerInnen gegeben. In Kahlis seien 77 Prozent der Befragten schiitische Araber gewesen, 11 Prozent sunnitische Araber, 1 Prozent Kurden und 11 Prozent hätten keine Angaben zu ihrem ethno-religiösen Hintergrund gemacht. Laut dem Bericht, hätten Befragte in Khalis die negativste Meinung von allen Befragten zur Situation in ihrer Stadt. 82 Prozent der Befragten des Khalis-Zentrums waren der Ansicht, dass wesentliche Dienstleistungen und Rekonstruktionsbedürfnisse nicht gedeckt würden, die höchste Rate der Diyala-Stichproben. Die Befragten der sunnitisch-arabischen Minderheit im Zentrum von Khalis hätten mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit angegeben, dass die Dienste und der Wiederaufbau in den Gemeinden nicht gleichmäßig über die Gemeinschaften verteilt erbracht worden seien, als die schiitischen Araber:

„Respondents’ views on social fragility and conflict in Khalis district. Our findings show Khalis Center respondents reporting the most negative views on some key indicators across all districts assessed:

• Highest percentage of respondents across districts perceiving authorities’ responses, policies and decisions as negative, with 79% reporting such actions as somewhat bad or very bad.

• 82% of Khalis Center respondents also felt that essential services and reconstruction needs are unmet, at the highest rate across our Diyala sample.

• Respondents belonging to the Sunni Arab minority in Khalis Center were significantly more likely to report that services and reconstruction were not provided equally across communities than their Shia Arab counterparts.

• Related to neglect of the district since 2006 and 2007, there are significantly high levels of marginalization reported in the district center, attributed to the central government by 81% of those respondents who reported feeling marginalized.“ (Sanad for Peacebuilding/Social Inquiry, April 2018, S. 8)

Das World Food Programme (WFP) erstellte im April 2019 eine Karte der sozio-ökonomischen Situation der Bevölkerung des Distriktes Al-Khalis. Dafür seien Daten aus 2012, 2016 und 2017 verwendet worden. Laut WFP hätten 100 Prozent der Haushalte in Al-Khalis einen „akzeptablen Lebensmittelkonsum“. 56 Prozent der Haushalte seien „ernährungssicher“, 44 Prozent nur marginal ernährungssicher und 1 Prozent sei ernährungsunsicher. 78 Prozent der Bevölkerung hätten kontinuierliche Verfügbarkeit von Trinkwasser und über 90 Prozent würden ihr Wasser vom allgemeinen Wasserversorgungsnetz erhalten. (WFP, 2019, S. 109)


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 22. Jänner 2020)

·      Anadolu Agency: Iraq: Several shootings kill 3 officials in Diyala, 24. Oktober 2019
https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iraq-several-shootings-kill-3-officials-in-diyala/1625285

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, 11. Dezember 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2021156.html
 

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Diyala: Sicherheitslage, Zugang, Niederlassungsmöglichkeit [a-10951-1], 10. April 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2006552.html

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Irak, 1. Halbjahr 2019: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 19. Dezember 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2021735/2019h1Iraq_de.pdf 

·      AW – The Arab Weekly: Iraqi militants likely to plot comeback under the shadow of regional instability, 14. September 2019
https://thearabweekly.com/iraqi-militants-likely-plot-comeback-under-shadow-regional-instability

·      ICPAR - Iraqi Center for Policy Analysis and Research: Sunni Arabs’ Grievances in Post-ISIS Iraq, 30. März 2019
http://www.iraqcr.com/details.aspx?=hewal&jmare=1064&Jor=10

·      IOM Iraq – International Organisation for Migration: Iraq — Integrated Location Assessment Part 3, 2. Jänner 2019
https://displacement.iom.int/reports/iraq-—-integrated-location-assessment-part-3-january-2019

·      Kurdistan24: ISIS intensifies attacks in Diyala, killing and injuring 10 Iraqi security forces, 16. Dezember 2019
https://www.kurdistan24.net/en/news/9622cac5-bc90-48a1-95f4-006a6b6c8655

·      Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre: Temanotat Irak: Diyala provins - sikkerhetssituasjonen per november 2018, 8. Jänner 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/1456258/4792_1547275214_irak-temanotat-diyala-provins-sikkerhetssituasjonen-per-november-2018.pdf

·      REACH Initiative: Rapid Overview of Areas of Return (ROAR) Muqdadiya City and Villages to the North, Diyala Governorate, Iraq - October 2018, Oktober 2018
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_situation_overview_roar_muqdadiya_district_october_2018.pdf

·      REACH Initiative: Rapid Overview of Areas of Return (ROAR) Villages south of Baquba city, Diyala Governorate, Iraq - November 2018, November 2018
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_situation_overview_roar_villages_south_of_baquba_city_november_2018.pdf
 

·      Rudaw: Kurdish commander, 2 security force members killed by ISIS in Diyala, 30. November 2019
https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/30112019

·      Sanad for Peacebuilding; Social Inquiry: Conflict Fragility and Social Dynamics in Diyala Governorate, Assessment for Khalis, Muqdadiya, Kifri and Baladrooz Districts, April 2018
https://static1.squarespace.com/static/5bbb4e4c29f2cc31b47ff50f/t/5c515fd5758d4639fb8908c7/1548836894008/Diyala+Peace+Dynamics+Study+-+Final+Version.pdf

·      Shafaaq News: PMF: ISIS launches attacks in areas taking advantage of the current security and political situation, 2. Dezember 2019
https://www.shafaaq.com/en/iraq-news/pmf-isis-launches-attacks-in-areas-taking-advantage-of-the-current-security-and-political-situation/

·      UN OCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Iraq: Humanitarian Needs Overview 2020 (November 2019), November 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2021760/iraq_hno_2020.pdf

·      WFP – World Food Programme: Iraq Socio-Economic Atlas 2019, 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2020086/WFP-0000110173.pdf

·      Xinhua Net: 5 killed, 7 wounded in IS attack in eastern Iraq, 10. Oktober 2019
http://www.xinhuanet.com/english/2019-10/10/c_138461238.htm