a-7737 (ACC-SYR-7737)

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In einem auf dem Webportal Suite101.de veröffentlichten Artikel des deutschen Journalisten Edgar Auth vom März 2011 werden Hintergrundinformationen zuStaatenlosen in Syrien zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird über die Ankündigung der syrischen Regierung, einen Teil der staatenlosen KurdInnen einbürgern zu wollen, berichtet:
„Syriens unter Druck geratener Staatspräsident Baschar al-Assad will erstmals eine Reform durchführen. Ein Teil der staatenlosen Kurden in seinem Land soll die Staatsbürgerschaft und damit gültige Ausweispapiere bekommen. Dies würde die soziale Lage der benachteiligten Kurden verbessern. Assad erließ jetzt ein entsprechendes Dekret, offenbar um die Demokratiebewegung in seinem Land zu spalten. In den vergangenen Wochen hatten sich auch die Kurden den Protesten gegen Assads Alleinherrschaft angeschlossen. Ein Kurdensprecher äußerte sich kritisch. Die Staatsbürgerschaft sei keine zu verteilende Gefälligkeit, sagte Habib Ibrahim der Agentur Reuters. Es gehe um Demokratie für ganz Syrien. […]
300.000 Kurden in Syrien ohne Staatsangehörigkeit
Die Anzahl der Kurden in Syrien wird auf etwa zwei Millionen geschätzt. Etwa 300.000 von ihnen werden von den Behörden als staatenlos eingestuft, was ihre Rechte und Möglichkeiten erheblich einschränkt. Registrierte Staatenlose (Adschanib, das heißt Ausländer) dürfen bislang keine Geschäfte eröffnen. Der Eintritt in den Staatsdienst ist ihnen verwehrt, sie dürfen weder Richter, noch Arzt in staatlichen Krankenhäusern noch Lehrer noch als Rechtsanwalt tätig werden. Neben den Adschanib gibt es eine zweite Gruppe von Staatenlosen, die noch weniger Rechte haben. Es handelt sich um die ‚unregistrierten‘, die Maktumin. Die Existenz dieser Gruppen hat historische Gründe. Bis 1961 waren Syrien und Ägypten in der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) zusammengeschlossen. Dieser Staat hatte ein Landreformgesetz erlassen, das Obergrenzen für den Landbesitz festschrieb. Sie beliefen sich auf 120 Hektar für bewässertes und 460 Hektar für unbewässertes Land. Eigentum, das darüber hinausging, sollte verstaatlicht und an Landlose verteilt werden. Als Folge wurden 1961 etwa 60.000 Hektar an 4.500 Bauern verteilt, den Großteil des enteigneten Landes aber behielt der Staat selbst. Als die syrischen Nationalisten 1961 die Auflösung der VAR putschartig durchsetzten, gehörte das Zurückdrehen der Landreform zu ihren Zielen.
Rivalität zwischen Großgrundbesitzern und kurdischen Kleinbauern
Vor dem Hintergrund der Landumverteilungen vor allem in der Provinz al Hasaka entstand eine Rivalität zwischen Großgrundbesitzern und meist kurdischen Kleinbauern. Syrische Nationalisten argwöhnten, dass bereits seit 1945 landhungrige Kurden aus der Türkei und dem Irak in diese Provinz eingewandert seien, um sich bei den wechselnden Landreformen Grund und Boden anzueignen. Dies wird allerdings von kurdischer Seite bestritten. Sie weist darauf hin, dass die Landverteilungen ebenfalls Araber und Christen aus den Nachbarländern, aber auch syrische Kurden aus anderen Provinzen angezogen haben dürfte. Angaben der syrischen Behörden zufolge wuchs in dieser Zeit die Bevölkerung in al Hasaka um etwa ein Drittel an. Das Mittel, sich der kurdischen Konkurrenz zu entledigen, war eine Volkszählung, die im Oktober 1962 durchgeführt wurde. In deren Folge wurden 120.000 Kurden zu Staatenlosen, da sie nicht oder nicht schnell genug Personenstandspapiere beibringen konnten oder weil ihre Papiere nicht anerkannt wurden. Diese Volkszählung ist bis heute umstritten. Viele Kurden fühlen sich ausgebürgert, übervorteilt oder betrogen. Bei den Maktumin, soll es sich um Kurden handeln, die nach der Volkszählung illegal nach Syrien einwanderten. Ihre Zahl soll nach Regierungsangaben bis 1995 auf 75.000 angewachsen sein. Maktumin dürfen nicht an syrischen Universitäten studieren.
Widerspruch zum syrischen Gesetz über Staatsangehörigkeit
Angesichts hoher Geburtenraten dürfte mittlerweile die Mehrheit der Adschanib und der Maktumin nach 1962 geboren sein. Nach praktiziertem Recht können die Kinder aus Ehen unter Adschanib und Maktumin nicht syrische Staatsbürger sein. Lediglich durch die Heirat von Staatsangehörigen können ihre Kinder diesen Status erhalten, wobei Kindern syrischer Frauen, die einen Adschnabi oder Maktum heiraten, diese Möglichkeit verwehrt bleibt. Kurdische Kritiker weisen darauf hin, dass dies sogar dem syrischen Staatsangehörigkeitsgesetz widerspricht. Nach dessen Paragraf 3, Abs. c gelten alle auf syrischem Staatsgebiet geborenen Kinder als syrische Araber. Baschar al Assad hatte bereits bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000 Reformen, einen ‚Frühling von Damaskus‘ versprochen. Bei einem Besuch in der Provinz al-Hasaka soll er 2002 Kurdenvertretern zugesagt haben, eine Lösung für die aus der Volkszählung resultierenden Probleme zu suchen. Nach seiner Wiederwahl 2007 sagte er, die Reformen seien wegen des Einmarschs der USA in den benachbarten Irak ‚und der verschiedenen Umstände danach‘ nicht verwirklicht worden. Die ‚technischen Problemen‘ bei der Volkszählung von 1962, müssten ebenso technisch gelöst werden. Ob die staatenlosen Kurden jedoch (wieder) eingebürgert werden, wie es ihr Wunsch ist, bleibt bis heute fraglich.“ (Auth, 30. März 2011)
Kurdwatch (KW) berichtet am 8. April 2011, dass der syrische Präsident mit der Unterzeichnung der Verordnung 49 vom 7. April 2011 den Weg für die Einbürgerung staatenloser Personen (Ajanib) bereitet habe. Nicht registrierte, staatenlose Personen (Maktumin) seien von der Verordnung nicht umfasst. Es liege nun am syrischen Innenministerium, die Bestimmungen für die Umsetzung der Verordnung zu erlassen. Die Verordnung 49 trete erst mit der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft:
“President Bashar al-Assad paved the way for registered stateless people (ajanib) to receive Syrian-Arab citizenship when he signed Decree No. 49 on April 7, 2011. Unregistered stateless people (maktumin) are not included in the decree. It now falls to the Interior Ministry to publish the provisions for the implementation of the decree. Decree No. 49 will take effect once it has been published in the official register.” (KW, 8. April 2011)
Auch CNN World berichtet am 7. April 2011 über das Einbürgerungsvorhaben der syrischen Regierung:
“Syria has granted citizenship to thousands of stateless people in the country's Kurdish region, a move seen as a gesture to placate the predominantly Arab country's restive minority. State-run media said President Bashar al-Assad on Thursday issued a legislative decree granting ‘Syrian Arab nationality’ to people registered as ‘foreigners’ in Hasaka, the northeastern region where Kurds reside. There has long been discontent in the Kurdish region, and protests have been held there in recent days.” (CNN, 7. April 2011)
Am 30. Mai 2011 berichtet KW, dass Angaben des syrischen Innenministeriums zufolge 1.007 syrische Ausweispapiere für registrierte, staatenlose Personen (Ajanib) ausgestellt worden seien. Insgesamt seien 32.000 Anträge zur Einbürgerung eingebracht worden. Da jeweils nur ein Antrag pro Familie eingebracht worden sei, sei die exakte Anzahl der Personen, die um Einbürgerung angesucht hätten, unbekannt:
“According to figures from the Interior Ministry, 1,007 Syrian identification cards have been issued for people who previously belonged to the group of registered stateless (ajanib). A total of 32,000 applications for naturalization have been submitted. As one application is submitted per family, the exact number of people seeking naturalization is unknown. Registered stateless (ajanib) who live outside of al-Hasakah province may submit their applications at their actual place of residence and do not need to travel to the place where they will be registered.” (KW, 30. Mai 2011)
Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) berichtet in Kurzmeldungen vom Mai 2011 über das Versprechen von Präsident Assad, staatenlose KurdInnen einzubürgern:
„Syrien: Einbürgerung staatenloser Kurden
Seit Wochen demonstrieren Menschen in Syrien für den Rücktritt der Regierung und eine Demokratisierung des Landes, darunter auch viele Kurden. Es gab zahlreiche Tote. Anfang April hat die Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad beschlossen, staatenlose Kurden einzubürgern. Syrien hatte 1962 nach einer Volkszählung einem Teil der Kurden unter dem Vorwand der ‚illegalen Einwanderung‘ die Staatsbürgerschaft entzogen. Nach verschiedenen Schätzungen leben im Land 1,75 bis 2,2 Mio. ethnische Kurden. Es wird geschätzt, dass rund 250.000 bis 300.000 Menschen nach dem neuen Gesetz eingebürgert werden könnten. Kurdische Interessenverbände sehen dieses Zugeständnis der Regierung als Versuch, die Kurden zu beschwichtigen. Die Staatsbürgerschaft sei wenig wert, wenn die kurdische Kultur und die Sprache weiter unterdrückt würden." (BPB, 18. Mai 2011)
Im Juli 2011 berichtet die International Support Kurds in Syria Association (SKS) unter Bezugnahme auf die NGO Kurdwatch, dass Präsident Assad zufolge 36.000 registrierte, staatenlose KurdInnen (Ajanib) seit Erlass der Verordnung 49, vom 7. April 2011, bereits um Einbürgerung angesucht hätten. Es seien insgesamt 6.700 Personen eingebürgert worden:
“Damascus: Number of naturalized ajanib climbs to 6,700
KURDWATCH, June 21, 2011—On June 20, 2011, President Bashar al-Assad gave a third speech to the Syrian people since the unrest began in mid-March. Among other things, he pointed to the fact that since the passage of Decree 49, dated April 7, 2011, more than 36,000 registered stateless (ajanib) have already applied for naturalization. A total of 6,700 people are said to have been naturalized thus far. Regarding the promised reforms, the president´s speech remained largely vague. Al-Assad said nothing about the extent to which specific demands of the Kurds would be taken into consideration.
New Document: Al-Hasakah province delegation sends demands to President Bashar al-Assad KURDWATCH, June 21, 2011—Kurdish and Arab representatives of al-Hasakah province gave President Bashar al-Assad a list of demands regarding the province on April 5, 2011. The total of 34 demands pertains mainly to specific economic and agricultural problems and issues. Genuinely political demands are rare, although one of the few exceptions is the naturalization of the unregistered stateless, maktumin. Considering this, the demands are strikingly different from those made by the predominantly young demonstrators in al-Qamishli and other cities in the province. Over the past weeks, these demonstrators have demanded a fundamental democratization of Syria.” (SKS, 1. Juli 2011)
Die Zeitung Irishtimes berichtet im Juli 2011 davon, dass der syrische Präsident tausende staatenlose KurdInnen eingebürgert habe:
“The measure is one of a series of reforms undertaken by President Bashar al-Assad in response to demands put forward by the protest movement over the past four months. He ended the emergency law allowing the security services a free hand to detain without charge people considered a threat to the state; granted citizenship to thousands of stateless Kurds; and issued an amnesty for activists arrested during protests.” (IT, 26. Juli 2011)
KW erwähnt in einer Meldung vom Juli 2011, dass den aufgrund der Verordnung 49 eingebürgerten KurdInnen gemäß dem neuen Wahlgesetz das aktive und passive Wahlrecht eingeräumt werde:
“The Syrian government passed a new electoral law on July 26, 2011. In the future, a High Electoral Commission composed of judges located in Damascus will take over the entire electoral process. Until now, the government has been responsible for the electoral process, with the Ministry of the Interior being responsible for national elections and the Ministry for Local Administration responsible for regional elections. The stateless Kurds (ajanib) nationalized according to Decree 49 of April 7, 2011 will also be permitted to vote and stand for office under the new voting law.” (KW, 30. Juli 2011)
Quellen:(Zugriff auf alle Quellen am 29. August 2011)
·      Auth, Edgar: Syriens Staatschef Assad lockt die Kurden, 30. März 2011 (verfügbar auf Suite101.de)
http://www.suite101.de/content/syriens-staatschef-assad-lockt-die-kurden-a107103
·      BPB – Bundeszentrale für politische Bildung: Kurzmeldungen – Welt, 18. Mai 2011
http://www.bpb.de/themen/N7ZGTH,0,Kurzmeldungen_%96_Welt.html
·      CNN World: Stateless Kurds in Syria granted citizenship, 7. April 2011
http://articles.cnn.com/2011-04-07/world/syria.kurdish.citizenship_1_kurdish-region-kurdish-identity-stateless-kurds?_s=PM:WORLD
·      IT - Irishtimes.com: New Syrian law to allow multiparty system, 26. Juli 2011
http://www.irishtimes.com/newspaper/world/2011/0726/1224301383726.html
·      KW - KurdWatch: Damascus: New electoral law passed, 30. Juli 2011
http://kurdwatch.org/index?aid=1838
·      KW – Kurdwatch: Damascus: 32,000 applications for naturalization submitted, 30. Mai 2011
http://kurdwatch.org/index?aid=1590
·      KW – Kurdwatch: Damascus: Registered stateless Kurds to be naturalized, 8. April 2011
http://kurdwatch.org/index?aid=1401
·      SKS - International Support Kurds in Syria Association: Kurdwatch newsletter, 1. Juli 2011
http://supportkurds.org/news/kurdwatch-newsletter-3/